Endlich Gedenkstätte der Colonia Dignidad in Chile?
Chile und Deutschland haben sich darauf geeinigt, einen Ort der Erinnerung in dem früheren Folterzentrum Colonia Dignidad zu errichten. Das ist lange überfällig, sagen viele Betroffene.
Wer Anna Schnellenkamp fragt, was sie von einer Gedenkstätte in der früheren Colonia Dignidad hält, der spürt förmlich ihre Wut aufsteigen. Sie ist in der “Kolonie der Würde” groß geworden, hat dort 30 Jahre gelebt und den Psychoterror, die Zwangsarbeit und die Schläge am eigenen Leib erfahren. Dass viele Täter und Mitwisser immer noch nicht zur Verantwortung gezogen wurden, will ihr nicht in den Kopf.
“Ich bin für eine Gedenkstätte, aber sie muss die ganze Wahrheit erzählen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Erste, der über die Geschehnisse damals berichtet hat, verhaftet wurde. Und wir sehen, dass der chilenische Staat sich klar und deutlich davor drückt, seine Verantwortung für all das, was hier passiert ist, wahrzunehmen.”
Wer Anna Schnellenkamp fragt, was sie von einer Gedenkstätte in der früheren Colonia Dignidad hält, der spürt förmlich ihre Wut aufsteigen. Sie ist in der “Kolonie der Würde” groß geworden, hat dort 30 Jahre gelebt und den Psychoterror, die Zwangsarbeit und die Schläge am eigenen Leib erfahren. Dass viele Täter und Mitwisser immer noch nicht zur Verantwortung gezogen wurden, will ihr nicht in den Kopf.
Schnellenkamp gehört zu denjenigen, die von Chile und Deutschland gleich zwei Mal im Stich gelassen wurden. In ihrer Kindheit und Jugend, als der pädokriminelle Sektenführer Paul Schäfer nach außen die heile deutsche Welt präsentierte, während er intern einen brutalen Unterdrückungsapparat mit systematischer sexueller Gewalt, Folter und Freiheitsberaubung errichtete. Und als erwachsene Frau und Mutter, die dafür stigmatisiert wird, dass sie immer noch in der jetzigen Villa Baviera lebt, dem “Dorf Bayern”.
Grünes Licht von der chilenisch-deutschen Kommission
“Was hier passiert ist, darf sich nicht wiederholen und muss an die Öffentlichkeit gelangen”, fordert Schnellenkamp. “Es liegen ja Pläne in der Schublade, wie man der chilenischen Opfern gedenken will. Uns darf man nicht außen vor lassen. Paul Schäfer konnte so handeln wegen der Regierungen, vor allem der chilenischen.”
Mehr als drei Jahrzehnte nach der Auflösung der Colonia Dignidad sollen nun endlich eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum die Schreckensherrschaft von Schäfer veranschaulichen. Kürzlich war die sogenannte Chilenisch-Deutsche Gemischte Kommission zur Aufarbeitung der Colonia Dignidad zu ihrer elften Sitzung in Berlin zusammengekommen. In einer Presseerklärung heißt es zu dem geplanten Erinnerungsort:
“Diese Stelle soll die Teilnahme aller Opfergruppen und der beteiligten Organisationen der Zivilgesellschaft gewährleisten und auch Vorschläge für die Personen unterbreiten, die gegenwärtig dort leben.”
Die Erklärung der Gemischten Kommission klingt nach einer gemeinsamen Linie: “Der chilenische Staat wird der genannten Stelle die Kompetenzen der relevanten öffentlichen Institutionen verfügbar machen und Finanzierungsmöglichkeiten identifizieren. Die deutsche Seite begrüßte die Pläne, welche die Errichtung einer Gedenkstätte und eines Dokumentationszentrums beschleunigen könnten, und verpflichtete sich zur Prüfung von Möglichkeiten, nach der Gründung ebenfalls zur Finanzierung beizutragen.”
Es gehört allerdings zum Schicksal der Colonia Dignidad, dass die Opfer des brutalen Unterdrückungsapparates heute nicht immer einer Meinung darüber sind, wie an die Gräueltaten in der “Kolonie der Würde” erinnert werden soll – ganz so, als ob Paul Schäfer, der 2010 einem Herzleiden in einem Gefängniskrankenhaus in Santiago de Chile erlag, noch heute seine finstere Macht ausübt und seine Opfer gegeneinander ausspielt.
Da sind die Deutschen wie Anna Schnellenkamp, die mit aller Kraft versuchen, die Villa Baviera mit bayerischer Folklore als Tourismusmagnet zu nutzen und sich so am ehemaligen Folterort eine neue Existenz aufzubauen. Da sind die Chilenen und Chileninnen, die dort als Kinder sexualisierte Gewalt erlitten oder deren Mütter, Väter und Geschwister als Gegner der Militärdiktatur auf dem Gelände ermordet wurden.
Und da sind Menschen wie Winfried Hempel, die in der Colonia Dignidad aufgewachsen sind und sich jetzt in Chile, Deutschland oder anderswo bemühen, ihre Vergangenheit abzustreifen. Hempel ist Rechtsanwalt in Santiago und vertritt 120 der sogenannten Colonos und einige chilenische Missbrauchsopfer.
Hempel sagt: “Alle, die jetzt draußen leben, also ungefähr 80 Prozent der früheren Koloniebewohner, unterstützen die Idee einer Gedenkstätte. Einige, die noch dort sind, sehen eine Gedenkstätte skeptisch, weil sie denken, sie werden damit stigmatisiert. Sie wollen lieber Bierfeste feiern, in Tourismus machen, so, als ob nie etwas passiert sei und der chilenischen Bevölkerung deutsche Normalität vorgaukeln.”
Der Rechtsanwalt hat vor einem Jahr schon einmal einen Kampf gegen die Colonia Dignidad gewonnen. Nach 26 Jahren Rechtsstreit hatte ein Gericht ein großes Grundstück der früheren Sekte zwangsversteigert, die Entschädigungssumme für die elf chilenischen Opfer und deren Nachfahren betrug 1,5 Millionen Euro. Dass der Erinnerungsort nun endlich kommen soll, ist für Hempel eine gute Nachricht, obwohl er noch rechtliche und verfassungsrechtliche Schwierigkeiten in Chile befürchtet. Was ihn ein wenig stört, ist die Reihenfolge:
“Die geschichtliche Aufarbeitung sollte eigentlich der letzte Schritt sein. Die Gedenkstätte müsste nach der juristischen Aufarbeitung, nach der Bestrafung der Täter und nach der Entschädigung der Opfer vorangetrieben werden. Natürlich ist dies eine frohe Botschaft, aber man muss aufpassen, dass es am Ende nicht ein Schlusspunkt von diesem Prozess ist.”
Dass in die Diskussion nun endlich Bewegung gekommen ist, habe viel mit dem neuen chilenischen Präsidenten Gabriel Boric zu tun, glaubt Hempel. Schon als einfacher Abgeordneter hatte sich dieser mit den Opfern der Colonia Dignidad getroffen, er kenne deshalb die Thematik in- und auswendig.
“Die Geschichte der Colonia Dignidad ist schrecklich”, sagte der Linkspolitiker, als er Ende Januar in Santiago mit Bundeskanzler Olaf Scholz während dessen Südamerikareise zusammentraf. Dabei hatten sich die beiden Regierungschefs auch für eine Gedenkstätte ausgesprochen. Doch eine politische Ankündigung allein reiche nicht, ein Konzept umzusetzen, sagt Winfried Hempel. Dies sei ein langer Weg, das zeige die Vergangenheit.
“Es ist ein strukturelles Problem zwischen zwei Staaten, die immer auf rohen Eiern tanzen. Der deutsche Staat sagt, das ist ein chilenisches Problem, und der chilenische Staat sagt, es ist ein deutsches Problem. Also: Wir haben da diese komischen Deutschen im Süden, was sollen wir mit denen machen? Ich nenne es einen juristischen Limbo, die Sache hängt symbolisch immer irgendwo mitten auf dem Atlantik.”
Auf der anderen Seite des Atlantiks macht sich Jan Stehle unermüdlich dafür stark, dass die Verbrechen der Colonia Dignidad juristisch und politisch aufgearbeitet werden. Der Mitarbeiter des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika in Berlin hat zum Umgang bundesdeutscher Justiz und Außenpolitik mit der Colonia Dignidad promoviert.
Es ist, kurz gesagt, kein Ruhmesblatt: Hartmut Hopp, Arzt der Colonia Dignidad und rechte Hand von Paul Schäfer, lebt in Krefeld auf freiem Fuß und wird nicht ausgeliefert – obwohl er von einem chilenischen Gericht wegen Kindesmissbrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Und das Auswärtige Amt hat in den vergangenen Jahrzehnten die Aufarbeitung nicht forciert, sondern eher gebremst. Stehle begrüßt zwar die jüngste Entwicklung in Sachen Gedenkstätte, sagt aber auch:
“Wir hatten 2017 die Gründung der gemeinsamen Kommission zwischen Deutschland und Chile, die sich mit der Errichtung einer Gedenkstätte befassen sollte. Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen. Bereits 2018 haben sich Angela Merkel und Sebastián Piñera für die Errichtung einer Gedenkstätte ausgesprochen, jetzt, fünf Jahre später, noch mal Scholz und Boric. Wenn ich die Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte anschaue, glaube ich das jedoch erst, wenn ich es sehe.”
Mitte September wäre – so sehen es sowohl Winfried Hempel als auch Jan Stehle – ein ziemlich guter Zeitpunkt für einen symbolischen Spatenstich auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad. Am 11. September 2023 jährt sich zum 50. Mal der brutale Putsch von General Augusto Pinochet. Dieser verwandelte Chile für 17 Jahre in eine Militärdiktatur und funktionierte die “Kolonie der Würde” zu einem Folterzentrum des chilenischen Geheimdienstes um. Vor allem Deutschland müsse jetzt endlich seiner Verantwortung gerecht werden, fordert Stehle, wenn immer von einer wertegeleiten Außenpolitik die Rede sei.
Wer Anna Schnellenkamp fragt, was sie von einer Gedenkstätte in der früheren Colonia Dignidad hält, der spürt förmlich ihre Wut aufsteigen. Sie ist in der “Kolonie der Würde” groß geworden, hat dort 30 Jahre gelebt und den Psychoterror, die Zwangsarbeit und die Schläge am eigenen Leib erfahren. Dass viele Täter und Mitwisser immer noch nicht zur Verantwortung gezogen wurden, will ihr nicht in den Kopf.
“Ich bin für eine Gedenkstätte, aber sie muss die ganze Wahrheit erzählen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Erste, der über die Geschehnisse damals berichtet hat, verhaftet wurde. Und wir sehen, dass der chilenische Staat sich klar und deutlich davor drückt, seine Verantwortung für all das, was hier passiert ist, wahrzunehmen.”
Grünes Licht von der chilenisch-deutschen Kommission
Schnellenkamp gehört zu denjenigen, die von Chile und Deutschland gleich zwei Mal im Stich gelassen wurden. In ihrer Kindheit und Jugend, als der pädokriminelle Sektenführer Paul Schäfer nach außen die heile deutsche Welt präsentierte, während er intern einen brutalen Unterdrückungsapparat mit systematischer sexueller Gewalt, Folter und Freiheitsberaubung errichtete. Und als erwachsene Frau und Mutter, die dafür stigmatisiert wird, dass sie immer noch in der jetzigen Villa Baviera lebt, dem “Dorf Bayern”.
“Was hier passiert ist, darf sich nicht wiederholen und muss an die Öffentlichkeit gelangen”, fordert Schnellenkamp. “Es liegen ja Pläne in der Schublade, wie man der chilenischen Opfern gedenken will. Uns darf man nicht außen vor lassen. Paul Schäfer konnte so handeln wegen der Regierungen, vor allem der chilenischen.”
Mehr als drei Jahrzehnte nach der Auflösung der Colonia Dignidad sollen nun endlich eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum die Schreckensherrschaft von Schäfer veranschaulichen. Kürzlich war die sogenannte Chilenisch-Deutsche Gemischte Kommission zur Aufarbeitung der Colonia Dignidad zu ihrer elften Sitzung in Berlin zusammengekommen. In einer Presseerklärung heißt es zu dem geplanten Erinnerungsort:
“Diese Stelle soll die Teilnahme aller Opfergruppen und der beteiligten Organisationen der Zivilgesellschaft gewährleisten und auch Vorschläge für die Personen unterbreiten, die gegenwärtig dort leben.”
Opfer außerhalb der Villa Baviera fordern Erinnerungsort
Die Erklärung der Gemischten Kommission klingt nach einer gemeinsamen Linie: “Der chilenische Staat wird der genannten Stelle die Kompetenzen der relevanten öffentlichen Institutionen verfügbar machen und Finanzierungsmöglichkeiten identifizieren. Die deutsche Seite begrüßte die Pläne, welche die Errichtung einer Gedenkstätte und eines Dokumentationszentrums beschleunigen könnten, und verpflichtete sich zur Prüfung von Möglichkeiten, nach der Gründung ebenfalls zur Finanzierung beizutragen.”
Erst die Gedenkstätte – oder erst die juristische Aufarbeitung?
Es gehört allerdings zum Schicksal der Colonia Dignidad, dass die Opfer des brutalen Unterdrückungsapparates heute nicht immer einer Meinung darüber sind, wie an die Gräueltaten in der “Kolonie der Würde” erinnert werden soll – ganz so, als ob Paul Schäfer, der 2010 einem Herzleiden in einem Gefängniskrankenhaus in Santiago de Chile erlag, noch heute seine finstere Macht ausübt und seine Opfer gegeneinander ausspielt.
Da sind die Deutschen wie Anna Schnellenkamp, die mit aller Kraft versuchen, die Villa Baviera mit bayerischer Folklore als Tourismusmagnet zu nutzen und sich so am ehemaligen Folterort eine neue Existenz aufzubauen. Da sind die Chilenen und Chileninnen, die dort als Kinder sexualisierte Gewalt erlitten oder deren Mütter, Väter und Geschwister als Gegner der Militärdiktatur auf dem Gelände ermordet wurden.
Und da sind Menschen wie Winfried Hempel, die in der Colonia Dignidad aufgewachsen sind und sich jetzt in Chile, Deutschland oder anderswo bemühen, ihre Vergangenheit abzustreifen. Hempel ist Rechtsanwalt in Santiago und vertritt 120 der sogenannten Colonos und einige chilenische Missbrauchsopfer.
Chiles Präsident Boric befürwortet Mahnmal
Hempel sagt: “Alle, die jetzt draußen leben, also ungefähr 80 Prozent der früheren Koloniebewohner, unterstützen die Idee einer Gedenkstätte. Einige, die noch dort sind, sehen eine Gedenkstätte skeptisch, weil sie denken, sie werden damit stigmatisiert. Sie wollen lieber Bierfeste feiern, in Tourismus machen, so, als ob nie etwas passiert sei und der chilenischen Bevölkerung deutsche Normalität vorgaukeln.”
Der Rechtsanwalt hat vor einem Jahr schon einmal einen Kampf gegen die Colonia Dignidad gewonnen. Nach 26 Jahren Rechtsstreit hatte ein Gericht ein großes Grundstück der früheren Sekte zwangsversteigert, die Entschädigungssumme für die elf chilenischen Opfer und deren Nachfahren betrug 1,5 Millionen Euro. Dass der Erinnerungsort nun endlich kommen soll, ist für Hempel eine gute Nachricht, obwohl er noch rechtliche und verfassungsrechtliche Schwierigkeiten in Chile befürchtet. Was ihn ein wenig stört, ist die Reihenfolge:
Deutschland tut sich schwer mit der Aufarbeitung
“Die geschichtliche Aufarbeitung sollte eigentlich der letzte Schritt sein. Die Gedenkstätte müsste nach der juristischen Aufarbeitung, nach der Bestrafung der Täter und nach der Entschädigung der Opfer vorangetrieben werden. Natürlich ist dies eine frohe Botschaft, aber man muss aufpassen, dass es am Ende nicht ein Schlusspunkt von diesem Prozess ist.”
Symbolischer Spatenstich am 50. Jahrestag des Putsches?
Dass in die Diskussion nun endlich Bewegung gekommen ist, habe viel mit dem neuen chilenischen Präsidenten Gabriel Boric zu tun, glaubt Hempel. Schon als einfacher Abgeordneter hatte sich dieser mit den Opfern der Colonia Dignidad getroffen, er kenne deshalb die Thematik in- und auswendig.
“Die Geschichte der Colonia Dignidad ist schrecklich”, sagte der Linkspolitiker, als er Ende Januar in Santiago mit Bundeskanzler Olaf Scholz während dessen Südamerikareise zusammentraf. Dabei hatten sich die beiden Regierungschefs auch für eine Gedenkstätte ausgesprochen. Doch eine politische Ankündigung allein reiche nicht, ein Konzept umzusetzen, sagt Winfried Hempel. Dies sei ein langer Weg, das zeige die Vergangenheit.
“Es ist ein strukturelles Problem zwischen zwei Staaten, die immer auf rohen Eiern tanzen. Der deutsche Staat sagt, das ist ein chilenisches Problem, und der chilenische Staat sagt, es ist ein deutsches Problem. Also: Wir haben da diese komischen Deutschen im Süden, was sollen wir mit denen machen? Ich nenne es einen juristischen Limbo, die Sache hängt symbolisch immer irgendwo mitten auf dem Atlantik.”
Auf der anderen Seite des Atlantiks macht sich Jan Stehle unermüdlich dafür stark, dass die Verbrechen der Colonia Dignidad juristisch und politisch aufgearbeitet werden. Der Mitarbeiter des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika in Berlin hat zum Umgang bundesdeutscher Justiz und Außenpolitik mit der Colonia Dignidad promoviert.
Es ist, kurz gesagt, kein Ruhmesblatt: Hartmut Hopp, Arzt der Colonia Dignidad und rechte Hand von Paul Schäfer, lebt in Krefeld auf freiem Fuß und wird nicht ausgeliefert – obwohl er von einem chilenischen Gericht wegen Kindesmissbrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Und das Auswärtige Amt hat in den vergangenen Jahrzehnten die Aufarbeitung nicht forciert, sondern eher gebremst. Stehle begrüßt zwar die jüngste Entwicklung in Sachen Gedenkstätte, sagt aber auch:
“Wir hatten 2017 die Gründung der gemeinsamen Kommission zwischen Deutschland und Chile, die sich mit der Errichtung einer Gedenkstätte befassen sollte. Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen. Bereits 2018 haben sich Angela Merkel und Sebastián Piñera für die Errichtung einer Gedenkstätte ausgesprochen, jetzt, fünf Jahre später, noch mal Scholz und Boric. Wenn ich die Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte anschaue, glaube ich das jedoch erst, wenn ich es sehe.”
Mitte September wäre – so sehen es sowohl Winfried Hempel als auch Jan Stehle – ein ziemlich guter Zeitpunkt für einen symbolischen Spatenstich auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad. Am 11. September 2023 jährt sich zum 50. Mal der brutale Putsch von General Augusto Pinochet. Dieser verwandelte Chile für 17 Jahre in eine Militärdiktatur und funktionierte die “Kolonie der Würde” zu einem Folterzentrum des chilenischen Geheimdienstes um. Vor allem Deutschland müsse jetzt endlich seiner Verantwortung gerecht werden, fordert Stehle, wenn immer von einer wertegeleiten Außenpolitik die Rede sei.
“Ich bin ein bisschen verwundert über das Wording in jüngster Zeit, wo die deutsche Seite die Verantwortung für den jetzt anstehenden Prozess eher in Chile sieht. Ich würde mir wünschen, dass da jetzt beide Seiten zu gleichen Teilen an die Umsetzung gehen. Es wäre auf jeden Fall angemessen, wenn Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zum symbolischen Spatenstich nach Chile reisen würde.”