Die Wissenschaft auf der Spur des Déjà-vu
Jeder hat es schon mal gehabt: ein Gefühl von Déjà-vu. Für einige ist es ein übernatürliches Phänomen, andere interpretieren es neurologisch. Was steckt hinter diesem leicht beunruhigenden Gefühl?
Moment, kennen wir uns nicht? Ah! War ich hier schon mal? Tut mir leid, wenn Sie das Gefühl haben, diese Zeilen nicht zum ersten Mal zu lesen. Es muss wohl ein Déjà-vu sein.
Sind Sie schon mal in eine neue Stadt gezogen und irgendwie kam Ihnen alles vertraut vor? Oder haben Sie eine Person kennengelernt und hatten das Gefühl, sie schon zu kennen? Dann zählen Sie zu den Menschen, die schon mal ein Déjà-vu hatten.
Moment, kennen wir uns nicht? Ah! War ich hier schon mal? Tut mir leid, wenn Sie das Gefühl haben, diese Zeilen nicht zum ersten Mal zu lesen. Es muss wohl ein Déjà-vu sein.
Der französische Philosoph und Forscher Émile Boirac prägte den Ausdruck mit der Bedeutung “schon gesehen” im Jahr 1876. Denker haben jedoch schon lange vorher versucht, das Phänomen zu erklären. Im antiken Griechenland etwa hielt es der Philosoph Platon für ein Zeichen früherer Leben. In jüngerer Zeit beschrieb Psychoanalytiker Sigmund Freud das Déjà-vu als Erinnerung an eine unbewusste Fantasie, verbunden mit dem Wunsch, die gegenwärtige Situation zu verbessern. Der Psychiater Carl Jung wiederum glaubte, dass es mit dem kollektiven Unterbewusstsein in Zusammenhang stehe, während es in Hollywood-Filmen als “Fehler in der Matrix” dargestellt wird.
Ein wissenschaftliches Rätsel
“Mit übernatürlichen Ereignissen hat das alles nichts zu tun. Das Gefühl eines Déjà-vu ist völlig normal”, sagt dagegen James J. Giordano, Professor für Neurologie an der Georgetown-Universität in Washington, D.C. “Ein Déjà-vu ist das subjektive Empfinden einer Person, dass bestimmte Ereignisse, Aktivitäten, Gedanken und Gefühle schon einmal durchlebt wurden, obwohl das in Wahrheit nicht der Fall ist.”
Etwa 90 Prozent der Bevölkerung hatte schon einmal ein Déjà-vu. Je älter wir werden, desto seltener haben wir dieses Erlebnis. Aber wissen Sie, warum Sie manchmal dieses verstörende Gefühl beschleicht?
“Es gibt wirklich keinen Grund dafür”, so Giordano zur DW. “Unser Gehirn funktioniert im Grunde wie eine Zeit- und Raummaschine. Es nimmt alles in unserer Gegenwart und setzt es in Bezug zu ähnlichen oder unähnlichen Erlebnissen in unserer Vergangenheit. So kann unser Gehirn für die Zukunft planen. Aber es kommt vor, dass diese Signale verwechselt werden.”
Giordano denkt, das Phänomen könnte etwas mit einem Bereich in der Mitte des Gehirns zu tun haben, dem Thalamus. Alle Informationen, die durch das Gehör, den Geschmack, den Tastsinn und so weiter aufgenommen werden, müssen den Thalamus passieren, um zur äußersten Schicht zu gelangen, zur Großhirnrinde, und dort weiter interpretiert und verarbeitet zu werden.
“Weicht die Geschwindigkeit dieser verschiedenen Interaktionen ein bisschen voneinander ab, fühlt sich unser Erlebnis der Gegenwart so an, als wäre es eine Erinnerung. Unser Gehirn hat also buchstäblich die Gegenwart mit der Vergangenheit verwechselt”, erläutert Giordano.
Roderick Spears, außerordentlicher Professor für Migräneforschung und klinische Forschung an der US-amerikanischen Brown-Universität in Providence, Rhode Island, ist ebenfalls der Meinung, dass es keine stichhaltige Erklärung dafür gibt, warum und wie es zu einem Déjà-vu kommt. Denn Schlussfolgerungen zu ziehen, ist für die Wissenschaftler schwierig.
“Déjà-vus lassen sich schwer beobachten, weil sie spontan eintreten. Wir wissen nicht, wie wir solche Episoden im Labor auslösen können”, bedauert Spears. Über die Jahrzehnte haben Wissenschaftler verschiedene Theorien über das Warum und Wie entwickelt.
Eine aus neurologischer Sicht beliebte Theorie ist die doppelte neurologische Verarbeitung, bei der Informationen im Gehirn durch zwei verschiedene Prozesse gespeichert und abgerufen werden. Sie sitzen zum Beispiel in Ihrem Wohnzimmer und lesen diesen Artikel. Aus der Küche zieht der Duft Ihres vor sich hin köchelnden Abendessens herüber, Ihre Katze hat es sich im Körbchen neben Ihnen bequem gemacht, Ihr Handy signalisiert den Eingang einer Nachricht und Sie spüren die Wärme der Abendsonne auf Ihrer Haut. All diese Empfindungen werden bei der Verarbeitung miteinander verknüpft und als ein einzelnes Erlebnis abgelegt.
Kommt es während der Verarbeitung dieser Eingaben im Gehirn zu einer minimalen Verzögerung, interpretiert es die Erfahrung – so die Theorie – als zwei aufeinanderfolgende Ereignisse und gibt Ihnen das Gefühl, mit dem ersten bereits aus der Vergangenheit vertraut zu sein.
Der theoretische Physiker Michio Kaku ist überzeugt, dass es sich bei Déjà-vus um eine Erinnerungsstörung handelt, die auftritt, wenn “im Gehirn gespeicherte Erinnerungsfragmente aufgerufen werden, wenn wir uns in ein Umfeld begeben, das Ähnlichkeit mit etwas hat, das wir bereits erlebt haben”. Kaku hat auch Theorien dazu, ob wir zwischen parallelen Universen wechseln können – und der Frage, ob ein Déjà-vu uns etwas über unsere Position in diesen Universen sagen will.
Andere Studien legen nahe, dass Stress bei Déjà-vus eine Rolle spielen könnte. “Das Gehirn funktioniert besser, wenn es ausgeruht und energiegeladen ist. Wenn Sie sehr gestresst sind oder sich viele Sorgen machen, wird das Gehirn müde. Dann kann es passieren, dass sich das Muster unserer Gehirnaktivität leicht verschiebt. Unter solchen Umständen ist es nicht ungewöhnlich, ein Déjà-vu zu haben”, macht Giordano deutlich.
Spears fügt hinzu, dass Menschen mit einem hohen Bildungsgrad stärker zu Déjà-vus tendierten als Menschen, die weniger gebildet sind. “Menschen, die viel reisen, die sich an ihre Träume erinnern können und die zu liberalen Ansichten neigen, erleben häufiger Déjà-vus.”
Sind Déjà-vus ein Anzeichen für psychische Störungen? “Überhaupt nicht,” versichert Giordano. Auch gesunde Menschen haben immer wieder Déjà-vus. Am häufigsten treten sie im Alter zwischen 15 und 25 Jahren auf.
Spears rät jedoch jedem, der mehr als einige Mal im Jahr Déjà-vus erlebt, zum Beispiel mehrmals im Monat, medizinischen Rat einzuholen. Tritt ein Déjà-vu zudem im Zusammenhang mit einem Bewusstseinsverlust oder einem ungewöhnlichen, traumähnlichen Zustand auf, könnte es auf ernstere Probleme hinweisen.
“Man sollte darauf achten, ob ein Déjà-vu länger als ein paar Sekunden anhält oder ob man Schwierigkeiten hat, zu erkennen, was real ist und was nicht”, führt Spears aus. “Vielleicht stellt man auch fest, dass jemand unbewusste Verhaltensweisen an den Tag legt, zum Beispiel mit seinen Haaren spielt oder Gegenstände nicht festhalten kann. Auch eine erhöhte Herzfrequenz oder ein überwältigendes Angstgefühl wären Anlass für eine ärztliche Untersuchung.”
Denn in seltenen Fällen könne ein Déjà-vu ein Anzeichen für einen Anfall sein, insbesondere einen epileptischen Anfall. “Die meisten Anfälle haben ihren Ursprung im Temporallappen. Sie werden ausgelöst, wenn der Temporallappen überreizt ist und die Person noch halb bewusst, also nicht vollständig bewusstlos ist. Das kann zu einem Gefühl von Déjà-vu führen.”
Insgesamt herrscht große Übereinstimmung darüber, wie sich ein Déjà-vu anfühlt, und es gibt verschiedene Theorien darüber, wodurch es verursacht wird. Aber Wissenschaftler wissen noch nicht, was es eigentlich auslöst. Spears bedauert: “Wir haben dafür einfach noch keine solide strukturelle Erklärung.”
Moment, kennen wir uns nicht? Ah! War ich hier schon mal? Tut mir leid, wenn Sie das Gefühl haben, diese Zeilen nicht zum ersten Mal zu lesen. Es muss wohl ein Déjà-vu sein.
Sind Sie schon mal in eine neue Stadt gezogen und irgendwie kam Ihnen alles vertraut vor? Oder haben Sie eine Person kennengelernt und hatten das Gefühl, sie schon zu kennen? Dann zählen Sie zu den Menschen, die schon mal ein Déjà-vu hatten.
Ein wissenschaftliches Rätsel
Der französische Philosoph und Forscher Émile Boirac prägte den Ausdruck mit der Bedeutung “schon gesehen” im Jahr 1876. Denker haben jedoch schon lange vorher versucht, das Phänomen zu erklären. Im antiken Griechenland etwa hielt es der Philosoph Platon für ein Zeichen früherer Leben. In jüngerer Zeit beschrieb Psychoanalytiker Sigmund Freud das Déjà-vu als Erinnerung an eine unbewusste Fantasie, verbunden mit dem Wunsch, die gegenwärtige Situation zu verbessern. Der Psychiater Carl Jung wiederum glaubte, dass es mit dem kollektiven Unterbewusstsein in Zusammenhang stehe, während es in Hollywood-Filmen als “Fehler in der Matrix” dargestellt wird.
“Mit übernatürlichen Ereignissen hat das alles nichts zu tun. Das Gefühl eines Déjà-vu ist völlig normal”, sagt dagegen James J. Giordano, Professor für Neurologie an der Georgetown-Universität in Washington, D.C. “Ein Déjà-vu ist das subjektive Empfinden einer Person, dass bestimmte Ereignisse, Aktivitäten, Gedanken und Gefühle schon einmal durchlebt wurden, obwohl das in Wahrheit nicht der Fall ist.”
Etwa 90 Prozent der Bevölkerung hatte schon einmal ein Déjà-vu. Je älter wir werden, desto seltener haben wir dieses Erlebnis. Aber wissen Sie, warum Sie manchmal dieses verstörende Gefühl beschleicht?
“Es gibt wirklich keinen Grund dafür”, so Giordano zur DW. “Unser Gehirn funktioniert im Grunde wie eine Zeit- und Raummaschine. Es nimmt alles in unserer Gegenwart und setzt es in Bezug zu ähnlichen oder unähnlichen Erlebnissen in unserer Vergangenheit. So kann unser Gehirn für die Zukunft planen. Aber es kommt vor, dass diese Signale verwechselt werden.”
Gedankenspiele zum Paralleluniversum
Giordano denkt, das Phänomen könnte etwas mit einem Bereich in der Mitte des Gehirns zu tun haben, dem Thalamus. Alle Informationen, die durch das Gehör, den Geschmack, den Tastsinn und so weiter aufgenommen werden, müssen den Thalamus passieren, um zur äußersten Schicht zu gelangen, zur Großhirnrinde, und dort weiter interpretiert und verarbeitet zu werden.
Déjà-vu als Stress-Symptom
“Weicht die Geschwindigkeit dieser verschiedenen Interaktionen ein bisschen voneinander ab, fühlt sich unser Erlebnis der Gegenwart so an, als wäre es eine Erinnerung. Unser Gehirn hat also buchstäblich die Gegenwart mit der Vergangenheit verwechselt”, erläutert Giordano.
Roderick Spears, außerordentlicher Professor für Migräneforschung und klinische Forschung an der US-amerikanischen Brown-Universität in Providence, Rhode Island, ist ebenfalls der Meinung, dass es keine stichhaltige Erklärung dafür gibt, warum und wie es zu einem Déjà-vu kommt. Denn Schlussfolgerungen zu ziehen, ist für die Wissenschaftler schwierig.
“Déjà-vus lassen sich schwer beobachten, weil sie spontan eintreten. Wir wissen nicht, wie wir solche Episoden im Labor auslösen können”, bedauert Spears. Über die Jahrzehnte haben Wissenschaftler verschiedene Theorien über das Warum und Wie entwickelt.
Keine psychische Störung
Eine aus neurologischer Sicht beliebte Theorie ist die doppelte neurologische Verarbeitung, bei der Informationen im Gehirn durch zwei verschiedene Prozesse gespeichert und abgerufen werden. Sie sitzen zum Beispiel in Ihrem Wohnzimmer und lesen diesen Artikel. Aus der Küche zieht der Duft Ihres vor sich hin köchelnden Abendessens herüber, Ihre Katze hat es sich im Körbchen neben Ihnen bequem gemacht, Ihr Handy signalisiert den Eingang einer Nachricht und Sie spüren die Wärme der Abendsonne auf Ihrer Haut. All diese Empfindungen werden bei der Verarbeitung miteinander verknüpft und als ein einzelnes Erlebnis abgelegt.
Kommt es während der Verarbeitung dieser Eingaben im Gehirn zu einer minimalen Verzögerung, interpretiert es die Erfahrung – so die Theorie – als zwei aufeinanderfolgende Ereignisse und gibt Ihnen das Gefühl, mit dem ersten bereits aus der Vergangenheit vertraut zu sein.
Der theoretische Physiker Michio Kaku ist überzeugt, dass es sich bei Déjà-vus um eine Erinnerungsstörung handelt, die auftritt, wenn “im Gehirn gespeicherte Erinnerungsfragmente aufgerufen werden, wenn wir uns in ein Umfeld begeben, das Ähnlichkeit mit etwas hat, das wir bereits erlebt haben”. Kaku hat auch Theorien dazu, ob wir zwischen parallelen Universen wechseln können – und der Frage, ob ein Déjà-vu uns etwas über unsere Position in diesen Universen sagen will.
Andere Studien legen nahe, dass Stress bei Déjà-vus eine Rolle spielen könnte. “Das Gehirn funktioniert besser, wenn es ausgeruht und energiegeladen ist. Wenn Sie sehr gestresst sind oder sich viele Sorgen machen, wird das Gehirn müde. Dann kann es passieren, dass sich das Muster unserer Gehirnaktivität leicht verschiebt. Unter solchen Umständen ist es nicht ungewöhnlich, ein Déjà-vu zu haben”, macht Giordano deutlich.
Spears fügt hinzu, dass Menschen mit einem hohen Bildungsgrad stärker zu Déjà-vus tendierten als Menschen, die weniger gebildet sind. “Menschen, die viel reisen, die sich an ihre Träume erinnern können und die zu liberalen Ansichten neigen, erleben häufiger Déjà-vus.”
Sind Déjà-vus ein Anzeichen für psychische Störungen? “Überhaupt nicht,” versichert Giordano. Auch gesunde Menschen haben immer wieder Déjà-vus. Am häufigsten treten sie im Alter zwischen 15 und 25 Jahren auf.
Spears rät jedoch jedem, der mehr als einige Mal im Jahr Déjà-vus erlebt, zum Beispiel mehrmals im Monat, medizinischen Rat einzuholen. Tritt ein Déjà-vu zudem im Zusammenhang mit einem Bewusstseinsverlust oder einem ungewöhnlichen, traumähnlichen Zustand auf, könnte es auf ernstere Probleme hinweisen.
“Man sollte darauf achten, ob ein Déjà-vu länger als ein paar Sekunden anhält oder ob man Schwierigkeiten hat, zu erkennen, was real ist und was nicht”, führt Spears aus. “Vielleicht stellt man auch fest, dass jemand unbewusste Verhaltensweisen an den Tag legt, zum Beispiel mit seinen Haaren spielt oder Gegenstände nicht festhalten kann. Auch eine erhöhte Herzfrequenz oder ein überwältigendes Angstgefühl wären Anlass für eine ärztliche Untersuchung.”
Denn in seltenen Fällen könne ein Déjà-vu ein Anzeichen für einen Anfall sein, insbesondere einen epileptischen Anfall. “Die meisten Anfälle haben ihren Ursprung im Temporallappen. Sie werden ausgelöst, wenn der Temporallappen überreizt ist und die Person noch halb bewusst, also nicht vollständig bewusstlos ist. Das kann zu einem Gefühl von Déjà-vu führen.”
Insgesamt herrscht große Übereinstimmung darüber, wie sich ein Déjà-vu anfühlt, und es gibt verschiedene Theorien darüber, wodurch es verursacht wird. Aber Wissenschaftler wissen noch nicht, was es eigentlich auslöst. Spears bedauert: “Wir haben dafür einfach noch keine solide strukturelle Erklärung.”
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.