Earth Overshoot Day: Deutschland verbraucht drei Planeten
Deutschland hat sein Jahresbudget an verfügbaren natürlichen Ressourcen schon heute aufgebraucht. Von nun an leben wir auf Kosten ärmerer Länder und künftiger Generationen. Der globale “Overshoot Day” ist erst Ende Juli.
Deutschland hat sein Ressourcenbudget für das Jahr schon jetzt komplett verbraucht, fast acht Monate zu früh. Trotz der wirtschaftlichen Abkühlung durch den russischen Einmarsches in die Ukraine werden hierzulande weit mehr Ressourcen verbraucht, als der Planet verkraften könnte. Damit überschreitet die Bundesrepublik zum zweiten Mal in Folge die nachhaltigen biologischen Grenzen schon am 4. Mai eines Jahres.
Der weltweite “Overshoot Day” wird, wie im vergangenen Jahr, um den 28. Juli erwartet. Die U.S amerikanische Nichtregierungsorganisation Global Footprint Network errechnet seit drei Jahrzehnten die ökologischen Fußabdrücke einzelner Länder. 2022 wurde die Grenze ab der die Menschheit beim Ressourcenverbrauch über ihren Verhältnissen lebt, so früh wie niemals zu zuvor erreicht.
Deutschland hat sein Ressourcenbudget für das Jahr schon jetzt komplett verbraucht, fast acht Monate zu früh. Trotz der wirtschaftlichen Abkühlung durch den russischen Einmarsches in die Ukraine werden hierzulande weit mehr Ressourcen verbraucht, als der Planet verkraften könnte. Damit überschreitet die Bundesrepublik zum zweiten Mal in Folge die nachhaltigen biologischen Grenzen schon am 4. Mai eines Jahres.
1970 reichte die die sogenannte Biokapazität der Erde noch völlig aus, um den Ressourcenbedarf der Menschheit innerhalb eines Jahres zu decken. Unter Biokapazität versteht man die Fähigkeit der Ökosysteme, sowohl vom Menschen genutzte biologische Stoffe zu produzieren, als auch unsere Abfälle zu absorbieren. Ein halbes Jahrhundert später reichen die Kapazitäten des Planeten längst nicht mehr aus.
Wie hat sich der Overshoot Day über die Jahre entwickelt?
Heute bräuchten wir etwa 1,7 Planeten, um unseren ihren Lebensstil aufrechtzuerhalten. Würde die ganze Welt so konsumieren wie Deutschland bräuchten wir drei Erden. Doch da wir nur einen Planeten haben, stehen so anderswo zwangsläufig weniger Ressourcen zur Verfügung. Anders gesagt: die Kosten des Überkonsums müssen andere tragen, vor allem Länder des globalen Südens.
Indonesien oder Ecuador zum Beispiel überschreiten erst im Dezember ihre planetaren Grenzen. Gleichzeitig werden jedoch dort Ressourcen zugunsten von reichen Ländern wie Deutschland ausgebeutet.
“Deutschland ist der fünftgrößte Rohstoffverbraucher der Welt und importiert bis zu 99 % der Mineralien und Metalle aus Ländern des globalen Südens”, sagte Lara Louisa Siever, Referentin für Ressourcengerechtigkeit beim deutschen Entwicklungsnetzwerk INKOTA im vergangenen Jahr.
Negativer Spitzenreiter 2023 ist Katar. Das Emirat hatte schon zum 10. Februar alles seine erneuerbaren Ressourcen aufgebraucht.
Doch wie die meisten hoch entwickelten Länder ist auch Deutschland weit vorne auf der Liste. Frankreich erreicht die Grenze einen Tag später. Und auch Griechenland, das Vereinigte Königreich und Japan überschreiten ihr Limit noch diesen Monat.
“Das große Problem, das wir in Deutschland und generell im Globalen Norden haben, ist, dass wir noch nicht verstanden haben, dass die Ressourcen endlich sind”, sagt Viola Wohlgemuth, Referentin für Kreislaufwirtschaft und Giftstoffe bei Greenpeace Deutschland.
Daten des World Resources Council zeigten, dass die “Ausbeutung von Ressourcen und die Umwandlung in Produkten” für 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen und für 90 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt verantwortlich seien. Trotz dieser “enormen Ressourcenkrise” hätten Länder wie Deutschland “nichts gelernt”, so Wohlgemuth.
Dabei sei Deutschland lange “als Musterbeispiel für Klimatugenden” gelobt worden, so der Berliner Klimaaktivist Tadzio Müller. “Der Grund für diesen Mythos von Deutschland als Öko-Champion hat ironischerweise nichts mit der deutschen Industriepolitik oder den politischen Strategien auf Regierungsebene zu tun, sondern mit mächtigen sozialen Bewegungen.”
Müller verweist auf die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 70er und 80er Jahren, den Schwung für erneuerbare Energien in mittelständischen Unternehmen im Land und auf die jüngsten erfolgreichen Forderungen junger Klimaschützer nach einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Müller meint, dass sich vor allem die deutsche Wirtschaftspolitik grundlegen ändern müsse, namentlich das treibende Grundprinzip eines endlosen Wachstums. Sie sei nötig, wenn der durch übermäßigen Konsum getriebene Klimawandel und das “extrem ernste Problem des Verlusts der biologischen Vielfalt” angegangen werden sollen, so Müller.
Dies gelte auch für die Idee des grünen Wachstums, in seinen Worten der “Elektroauto-Kapitalismus”, der ebenfalls auf der massiven Ausweitung des Ressourcenverbrauchs – insbesondere bei Mineralien und seltenen Erden – beruhe.
Die Bundesregierung debattiert derzeit über eine Strategie für eine nationale Kreislaufwirtschaft. Durch effizientere Nutzung solle zwar der Ressourcenverbrauch reduziert werden, doch gleichzeitig das Wachstumsmodell beibehalten werden, kritisiert Müller.
Für Viola Wohlgemuth ist eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft unverzichtbar, um den weltweiten Überkonsum zu mindern. “Wir müssen unsere Geschäftsmodelle so ändern, dass Produkte wirklich wiederverwertbar sind”, sagte sie und verwies auf die Grundsätze von Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling, die beispielsweise dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft des Europäischen Green Deal zugrunde liegen. Wohlgemuth fordert auch eine klare Obergrenze des Ressourcenverbrauchs in Deutschland.
Das schließe auch den Energieverbrauch ein. Laut Greenpeace wird nur ein Viertel der deutschen Gaslieferungen zum Heizen oder Kochen verwendet. Ein Großteil der fossilen Brennstoffe werden für die nicht nachhaltige Herstellung von Gütern genutzt.
Klimaschädliche Treibhausgasemissionen seien eine direkte Folge der Überproduktion und des Überkonsums und müssten rasch gesenkt werden, wenn Deutschland seinen “Overshoot” reduzieren wolle, sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. “Die CO2-Emissionen in Deutschland müssten dreimal so schnell sinken wie heute”.
Als wirksame Maßnahmen dafür sieht Germanwatch unter anderem einen verbesserten Zugang zum emissionsarmen Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene und eine Einschränkung des Flugverkehrs. Ohne eine Lösung für den Überkonsum sei es für Deutschland nicht möglich, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu leben.
“Wir betrachten alle Probleme getrennt voneinander – Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt oder Nahrungsmittelknappheit – als ob sie unabhängig voneinander auftreten würden”, sagte Mathis Wackernagel, Gründer und Präsident des Global Footprint Network.
“Aber das sind alles Symptome, die dem desselben Thema zugrunde liegen: dass unser kollektiver Stoffwechsel, also die Menge an Dingen, die die Menschheit verbraucht, riesig geworden ist im Vergleich zu dem, was die Erde erneuern kann.”
Deutschland hat sein Ressourcenbudget für das Jahr schon jetzt komplett verbraucht, fast acht Monate zu früh. Trotz der wirtschaftlichen Abkühlung durch den russischen Einmarsches in die Ukraine werden hierzulande weit mehr Ressourcen verbraucht, als der Planet verkraften könnte. Damit überschreitet die Bundesrepublik zum zweiten Mal in Folge die nachhaltigen biologischen Grenzen schon am 4. Mai eines Jahres.
Der weltweite “Overshoot Day” wird, wie im vergangenen Jahr, um den 28. Juli erwartet. Die U.S amerikanische Nichtregierungsorganisation Global Footprint Network errechnet seit drei Jahrzehnten die ökologischen Fußabdrücke einzelner Länder. 2022 wurde die Grenze ab der die Menschheit beim Ressourcenverbrauch über ihren Verhältnissen lebt, so früh wie niemals zu zuvor erreicht.
Wie hat sich der Overshoot Day über die Jahre entwickelt?
1970 reichte die die sogenannte Biokapazität der Erde noch völlig aus, um den Ressourcenbedarf der Menschheit innerhalb eines Jahres zu decken. Unter Biokapazität versteht man die Fähigkeit der Ökosysteme, sowohl vom Menschen genutzte biologische Stoffe zu produzieren, als auch unsere Abfälle zu absorbieren. Ein halbes Jahrhundert später reichen die Kapazitäten des Planeten längst nicht mehr aus.
Heute bräuchten wir etwa 1,7 Planeten, um unseren ihren Lebensstil aufrechtzuerhalten. Würde die ganze Welt so konsumieren wie Deutschland bräuchten wir drei Erden. Doch da wir nur einen Planeten haben, stehen so anderswo zwangsläufig weniger Ressourcen zur Verfügung. Anders gesagt: die Kosten des Überkonsums müssen andere tragen, vor allem Länder des globalen Südens.
Indonesien oder Ecuador zum Beispiel überschreiten erst im Dezember ihre planetaren Grenzen. Gleichzeitig werden jedoch dort Ressourcen zugunsten von reichen Ländern wie Deutschland ausgebeutet.
“Deutschland ist der fünftgrößte Rohstoffverbraucher der Welt und importiert bis zu 99 % der Mineralien und Metalle aus Ländern des globalen Südens”, sagte Lara Louisa Siever, Referentin für Ressourcengerechtigkeit beim deutschen Entwicklungsnetzwerk INKOTA im vergangenen Jahr.
Deutschland an der Spitze der Rohstoffverbraucher
Negativer Spitzenreiter 2023 ist Katar. Das Emirat hatte schon zum 10. Februar alles seine erneuerbaren Ressourcen aufgebraucht.
Endloses Wachstum geht nicht bei endlichen Ressourcen
Doch wie die meisten hoch entwickelten Länder ist auch Deutschland weit vorne auf der Liste. Frankreich erreicht die Grenze einen Tag später. Und auch Griechenland, das Vereinigte Königreich und Japan überschreiten ihr Limit noch diesen Monat.
“Das große Problem, das wir in Deutschland und generell im Globalen Norden haben, ist, dass wir noch nicht verstanden haben, dass die Ressourcen endlich sind”, sagt Viola Wohlgemuth, Referentin für Kreislaufwirtschaft und Giftstoffe bei Greenpeace Deutschland.
Daten des World Resources Council zeigten, dass die “Ausbeutung von Ressourcen und die Umwandlung in Produkten” für 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen und für 90 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt verantwortlich seien. Trotz dieser “enormen Ressourcenkrise” hätten Länder wie Deutschland “nichts gelernt”, so Wohlgemuth.
Kreislaufwirtschaft unverzichtbar um Ressourcen zu schonen
Dabei sei Deutschland lange “als Musterbeispiel für Klimatugenden” gelobt worden, so der Berliner Klimaaktivist Tadzio Müller. “Der Grund für diesen Mythos von Deutschland als Öko-Champion hat ironischerweise nichts mit der deutschen Industriepolitik oder den politischen Strategien auf Regierungsebene zu tun, sondern mit mächtigen sozialen Bewegungen.”
Müller verweist auf die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 70er und 80er Jahren, den Schwung für erneuerbare Energien in mittelständischen Unternehmen im Land und auf die jüngsten erfolgreichen Forderungen junger Klimaschützer nach einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Müller meint, dass sich vor allem die deutsche Wirtschaftspolitik grundlegen ändern müsse, namentlich das treibende Grundprinzip eines endlosen Wachstums. Sie sei nötig, wenn der durch übermäßigen Konsum getriebene Klimawandel und das “extrem ernste Problem des Verlusts der biologischen Vielfalt” angegangen werden sollen, so Müller.
Deutschland muss Emissionssenkungen rasch beschleunigen
Dies gelte auch für die Idee des grünen Wachstums, in seinen Worten der “Elektroauto-Kapitalismus”, der ebenfalls auf der massiven Ausweitung des Ressourcenverbrauchs – insbesondere bei Mineralien und seltenen Erden – beruhe.
Die Bundesregierung debattiert derzeit über eine Strategie für eine nationale Kreislaufwirtschaft. Durch effizientere Nutzung solle zwar der Ressourcenverbrauch reduziert werden, doch gleichzeitig das Wachstumsmodell beibehalten werden, kritisiert Müller.
Für Viola Wohlgemuth ist eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft unverzichtbar, um den weltweiten Überkonsum zu mindern. “Wir müssen unsere Geschäftsmodelle so ändern, dass Produkte wirklich wiederverwertbar sind”, sagte sie und verwies auf die Grundsätze von Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling, die beispielsweise dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft des Europäischen Green Deal zugrunde liegen. Wohlgemuth fordert auch eine klare Obergrenze des Ressourcenverbrauchs in Deutschland.
Das schließe auch den Energieverbrauch ein. Laut Greenpeace wird nur ein Viertel der deutschen Gaslieferungen zum Heizen oder Kochen verwendet. Ein Großteil der fossilen Brennstoffe werden für die nicht nachhaltige Herstellung von Gütern genutzt.
Klimaschädliche Treibhausgasemissionen seien eine direkte Folge der Überproduktion und des Überkonsums und müssten rasch gesenkt werden, wenn Deutschland seinen “Overshoot” reduzieren wolle, sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. “Die CO2-Emissionen in Deutschland müssten dreimal so schnell sinken wie heute”.
Als wirksame Maßnahmen dafür sieht Germanwatch unter anderem einen verbesserten Zugang zum emissionsarmen Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene und eine Einschränkung des Flugverkehrs. Ohne eine Lösung für den Überkonsum sei es für Deutschland nicht möglich, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu leben.
“Wir betrachten alle Probleme getrennt voneinander – Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt oder Nahrungsmittelknappheit – als ob sie unabhängig voneinander auftreten würden”, sagte Mathis Wackernagel, Gründer und Präsident des Global Footprint Network.
“Aber das sind alles Symptome, die dem desselben Thema zugrunde liegen: dass unser kollektiver Stoffwechsel, also die Menge an Dingen, die die Menschheit verbraucht, riesig geworden ist im Vergleich zu dem, was die Erde erneuern kann.”