Beauty-Filter im Netz: Schönheitswahn mit Schattenseiten
Große Augen, volle Lippen, perfekte Haut: Beauty-Filter in Sozialen Medien lassen jedes Selfie in Sekundenschnelle per Mausklick wie das Foto eines Starmodels aussehen. Doch Psychologen warnen vor den Folgen.
Jeder kennt sie, jeder hat sie: Pickel, Poren, Hautunreinheiten. Dass unser aller Aussehen nicht makellos ist, ist die normalste Sache der Welt. Und doch werden diese Unregelmäßigkeiten in den Sozialen Netzwerken immer häufiger wegretuschiert. Dort – so scheint es manchmal – lächeln einem quasi alle Menschen stets mit perfekter Frisur, makelloser Haut und strahlend weißen Zähnen entgegen.
Der Markt für Gesichtsfilter-Programme boomt – und die Filter selbst sind in den vergangenen Jahren immer ausgefeilter geworden. Von kleineren Korrekturen – glattere Haut, übertünchte Pickel oder kräftigere Augenbrauen – bis hin zu Maßnahmen, die das komplette Gesicht verändern, ist dabei alles möglich.
Jeder kennt sie, jeder hat sie: Pickel, Poren, Hautunreinheiten. Dass unser aller Aussehen nicht makellos ist, ist die normalste Sache der Welt. Und doch werden diese Unregelmäßigkeiten in den Sozialen Netzwerken immer häufiger wegretuschiert. Dort – so scheint es manchmal – lächeln einem quasi alle Menschen stets mit perfekter Frisur, makelloser Haut und strahlend weißen Zähnen entgegen.
Die App “FaceTune” des israelischen Unternehmens Lightricks wurde bislang bereits mehr als 200 Millionen Mal heruntergeladen; die Apps “YouCam Makeup” aus Taiwan und “BeautyPlus” aus Singapur schaffen es jeweils auf über 100 Millionen Downloads. Noch vor einigen Jahren konnten dabei nur Fotografien aufgebessert werden. Doch mittlerweile lassen sich auch in Videos die Gesichter von Menschen, die sich filmen, technisch so ausgefeilt und umfassend verändern, dass die Bildbearbeitung kaum noch zu erkennen ist.
Künstliche Intelligenz sorgt für künstliche Schönheit
Erst Anfang März hatten zwei neue Filter auf TikTok für großes Aufsehen gesorgt. Mithilfe künstlicher Intelligenz lässt der “Teenage-Look”-Filter Menschen jünger aussehen; der “Bold Glamour”-Filter hingegen rechnet das eigene Gesicht zu einem Schönheitsideal-Bild mit volleren Lippen, strahlenderen Augen, schlankerer Nase und makelloser Haut hoch.
Waren diese Veränderungen in früheren Versionen noch durch schnelle Bewegungen des Kopfes oder durch das Ab- und wieder Aufdecken einer Gesichtshälfte zu entlarven, ist das bei diesen neuen Filtern quasi überhaupt nicht mehr möglich.
Verfolgt wird dabei ein im Endeffekt sehr einheitliches Schönheitsideal: schwarze Haut wird im allgemeinen leicht aufgehellt, weiße Haut mit einem rosigeren Teint versehen, markante Nasen verschmälert. “Dieses ästhetisch Ansprechende ist durchaus problematisch zu sehen, weil in den Filtern viele Stereotype kondensieren”, kritisiert Katja Gunkel, Dozentin für Kunstpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt. Die Technik sei zwar brandneu, doch die Rollenklischees, die dadurch bedient werden, seien veraltet. “Es gibt ganz viele hochproblematische Filter, die für jeden zur Anwendung bereitstehen und natürlich auch einen ganz großen Konformitätsdruck, der damit einhergeht.”
Und das hat mitunter gravierende Folgen für die Psyche der User. Zwei Drittel junger Menschen, ergab eine Studie des britischen YMCA, fühlen sich von Schönheits-Standard in Sozialen Netzwerken unter Druck gesetzt. Einer Umfrage der britischen Jugendorganisation Girlguiding zufolge würde rund ein Drittel aller Mädchen zwischen 11 und 21 Jahren kein unbearbeitetes Foto von sich mehr posten. “Es ist ein Spiel mit dem Teufel”, sagt die deutsche YouTuberin Silvi Carlsson, die sich in ihren Videos öffentlich gegen Schönheitsfilter positioniert. “Sobald wir mit den Filtern öffentlich auftreten, bekommen wir positives Feedback in Form von Herzchen und Likes. Wir fühlen uns akzeptiert, schütten Dopamin aus.” Was aber mache es mit uns, wenn wir uns danach ohne Filter, dafür aber mit Pickeln, Pigmentflecken oder Augenringen unter unsere Mitmenschen begeben? “Wir werden von Social Media darauf hintrainiert, nach außen ein perfektes Ich abzugeben”, sagt Carlsson, “das macht uns kaputt.”
Das daraus resultierende Krankheitsbild besitzt sogar einen eigenen Namen: Selfie- oder Snapchat-Dysmorphie. Je mehr gefilterte Selfies zur Norm werden, desto mehr wird das Selbstwertgefühl vieler Menschen beeinträchtigt. Das Gefühl, den Ansprüchen dieser Schönheitsideale nicht mehr gewachsen zu sein, kann sogar Depressionen auslösen, heißt es im Fachblatt JAMA Facial Plastic Surgery.
Um das Phänomen in den Griff zu bekommen, versuchen mehrere Staaten, per Gesetz gegenzusteuern. In Norwegen und Israel gibt es bereits eine Kennzeichnungspflicht für Fotos, die per Filter manipuliert wurden, sobald mit diesen auf Sozialen Netzwerken Werbung betrieben wird. Ein Gesetzentwurf in Frankreich sieht ähnliches für Foto- und Videoaufnahmen vor, hier drohen Influencern bei Zuwiderhandlung sogar Strafen von bis zu 300.000 Euro oder sechs Monaten Gefängnis. Auch in Großbritannien werden derartige Regulierungen bereits diskutiert.
In Deutschland gibt es bislang keine derartige gesetzliche Vorgabe. Im vergangenen Jahr startete die Youtuberin Silvi Carlsson eine Petition, die das ändern soll. Auch die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister unter Vorsitz der grünen Hamburger Senatorin Katharina Fegebank hat bereits im vergangenen Jahr eine Kennzeichnungspflicht bei der Bearbeitung von Bildmaterial in der Werbung und in sozialen Netzwerken gefordert. Allerdings gibt es dazu noch keinen Gesetzantrag auf Bundesebene.
Katja Gunkel wäre durchaus für eine solche Regulierung, aber: “Wir reden hier ja nur über den kommerziellen Bereich. Das kann man ja nicht für Selfies im Privatbereich anwenden, wie soll das gehen, wer soll das noch kontrollieren? Das würde ich dann auch als Zensur bezeichnen.” Vielmehr müsse schon bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig Aufklärung betrieben und die Medienkompetenz gestärkt werden. “Wir leben im Kapitalismus, und es funktioniert einfach wahnsinnig gut, Menschen auf die Art und Weise das Gefühl zu geben, sie müssten sich auch immer weiter selbst optimieren und das eben an Konsum von bestimmten Produkten oder Dienstleistungen wie medizinische Eingriffe binden”, sagt Katja Gunkel. “Diese ganze Maschinerie lebt ja von einem Gefühl des Mangels, der bestenfalls niemals gestillt wird, damit weiter konsumiert wird. Dementsprechend kann die Aufgabe nur sein: Wie kann man als User eine bestimmte Resilienz und Souveränität im Umgang mit diesen Bildern bekommen?”
Jeder kennt sie, jeder hat sie: Pickel, Poren, Hautunreinheiten. Dass unser aller Aussehen nicht makellos ist, ist die normalste Sache der Welt. Und doch werden diese Unregelmäßigkeiten in den Sozialen Netzwerken immer häufiger wegretuschiert. Dort – so scheint es manchmal – lächeln einem quasi alle Menschen stets mit perfekter Frisur, makelloser Haut und strahlend weißen Zähnen entgegen.
Der Markt für Gesichtsfilter-Programme boomt – und die Filter selbst sind in den vergangenen Jahren immer ausgefeilter geworden. Von kleineren Korrekturen – glattere Haut, übertünchte Pickel oder kräftigere Augenbrauen – bis hin zu Maßnahmen, die das komplette Gesicht verändern, ist dabei alles möglich.
Künstliche Intelligenz sorgt für künstliche Schönheit
Die App “FaceTune” des israelischen Unternehmens Lightricks wurde bislang bereits mehr als 200 Millionen Mal heruntergeladen; die Apps “YouCam Makeup” aus Taiwan und “BeautyPlus” aus Singapur schaffen es jeweils auf über 100 Millionen Downloads. Noch vor einigen Jahren konnten dabei nur Fotografien aufgebessert werden. Doch mittlerweile lassen sich auch in Videos die Gesichter von Menschen, die sich filmen, technisch so ausgefeilt und umfassend verändern, dass die Bildbearbeitung kaum noch zu erkennen ist.
Erst Anfang März hatten zwei neue Filter auf TikTok für großes Aufsehen gesorgt. Mithilfe künstlicher Intelligenz lässt der “Teenage-Look”-Filter Menschen jünger aussehen; der “Bold Glamour”-Filter hingegen rechnet das eigene Gesicht zu einem Schönheitsideal-Bild mit volleren Lippen, strahlenderen Augen, schlankerer Nase und makelloser Haut hoch.
Waren diese Veränderungen in früheren Versionen noch durch schnelle Bewegungen des Kopfes oder durch das Ab- und wieder Aufdecken einer Gesichtshälfte zu entlarven, ist das bei diesen neuen Filtern quasi überhaupt nicht mehr möglich.
Verfolgt wird dabei ein im Endeffekt sehr einheitliches Schönheitsideal: schwarze Haut wird im allgemeinen leicht aufgehellt, weiße Haut mit einem rosigeren Teint versehen, markante Nasen verschmälert. “Dieses ästhetisch Ansprechende ist durchaus problematisch zu sehen, weil in den Filtern viele Stereotype kondensieren”, kritisiert Katja Gunkel, Dozentin für Kunstpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt. Die Technik sei zwar brandneu, doch die Rollenklischees, die dadurch bedient werden, seien veraltet. “Es gibt ganz viele hochproblematische Filter, die für jeden zur Anwendung bereitstehen und natürlich auch einen ganz großen Konformitätsdruck, der damit einhergeht.”
Depressionen und Selbstwahrnehmungsstörungen
Und das hat mitunter gravierende Folgen für die Psyche der User. Zwei Drittel junger Menschen, ergab eine Studie des britischen YMCA, fühlen sich von Schönheits-Standard in Sozialen Netzwerken unter Druck gesetzt. Einer Umfrage der britischen Jugendorganisation Girlguiding zufolge würde rund ein Drittel aller Mädchen zwischen 11 und 21 Jahren kein unbearbeitetes Foto von sich mehr posten. “Es ist ein Spiel mit dem Teufel”, sagt die deutsche YouTuberin Silvi Carlsson, die sich in ihren Videos öffentlich gegen Schönheitsfilter positioniert. “Sobald wir mit den Filtern öffentlich auftreten, bekommen wir positives Feedback in Form von Herzchen und Likes. Wir fühlen uns akzeptiert, schütten Dopamin aus.” Was aber mache es mit uns, wenn wir uns danach ohne Filter, dafür aber mit Pickeln, Pigmentflecken oder Augenringen unter unsere Mitmenschen begeben? “Wir werden von Social Media darauf hintrainiert, nach außen ein perfektes Ich abzugeben”, sagt Carlsson, “das macht uns kaputt.”
Diskussion um staatliche Regulierung
Das daraus resultierende Krankheitsbild besitzt sogar einen eigenen Namen: Selfie- oder Snapchat-Dysmorphie. Je mehr gefilterte Selfies zur Norm werden, desto mehr wird das Selbstwertgefühl vieler Menschen beeinträchtigt. Das Gefühl, den Ansprüchen dieser Schönheitsideale nicht mehr gewachsen zu sein, kann sogar Depressionen auslösen, heißt es im Fachblatt JAMA Facial Plastic Surgery.
Um das Phänomen in den Griff zu bekommen, versuchen mehrere Staaten, per Gesetz gegenzusteuern. In Norwegen und Israel gibt es bereits eine Kennzeichnungspflicht für Fotos, die per Filter manipuliert wurden, sobald mit diesen auf Sozialen Netzwerken Werbung betrieben wird. Ein Gesetzentwurf in Frankreich sieht ähnliches für Foto- und Videoaufnahmen vor, hier drohen Influencern bei Zuwiderhandlung sogar Strafen von bis zu 300.000 Euro oder sechs Monaten Gefängnis. Auch in Großbritannien werden derartige Regulierungen bereits diskutiert.
In Deutschland gibt es bislang keine derartige gesetzliche Vorgabe. Im vergangenen Jahr startete die Youtuberin Silvi Carlsson eine Petition, die das ändern soll. Auch die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister unter Vorsitz der grünen Hamburger Senatorin Katharina Fegebank hat bereits im vergangenen Jahr eine Kennzeichnungspflicht bei der Bearbeitung von Bildmaterial in der Werbung und in sozialen Netzwerken gefordert. Allerdings gibt es dazu noch keinen Gesetzantrag auf Bundesebene.
Katja Gunkel wäre durchaus für eine solche Regulierung, aber: “Wir reden hier ja nur über den kommerziellen Bereich. Das kann man ja nicht für Selfies im Privatbereich anwenden, wie soll das gehen, wer soll das noch kontrollieren? Das würde ich dann auch als Zensur bezeichnen.” Vielmehr müsse schon bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig Aufklärung betrieben und die Medienkompetenz gestärkt werden. “Wir leben im Kapitalismus, und es funktioniert einfach wahnsinnig gut, Menschen auf die Art und Weise das Gefühl zu geben, sie müssten sich auch immer weiter selbst optimieren und das eben an Konsum von bestimmten Produkten oder Dienstleistungen wie medizinische Eingriffe binden”, sagt Katja Gunkel. “Diese ganze Maschinerie lebt ja von einem Gefühl des Mangels, der bestenfalls niemals gestillt wird, damit weiter konsumiert wird. Dementsprechend kann die Aufgabe nur sein: Wie kann man als User eine bestimmte Resilienz und Souveränität im Umgang mit diesen Bildern bekommen?”