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Wie die AU an ihrer Vermittlerrolle zu scheitern droht

Vor 60 Jahren wurde die OAU, die Vorgängerorganisation der Afrikanischen Union, gegründet. Beobachter bemängeln, die Organisation habe sich zum Papiertiger entwickelt. Das hängt auch mit ihrem Selbstverständnis zusammen.

Es war ein Zeitalter des Aufbruchs. Viele afrikanische Länder waren gerade unabhängig geworden. “Als die Organisation für Afrikanische Einheit am 25. Mai 1963 gegründet wurde, war sie ein Symbol für die Befreiung der afrikanischen Völker und ihre Hoffnung auf eine glückliche Zukunft”, sagt Adriano Nuvunga, Menschenrechtsaktivist und Vorsitzender der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation CDD (Zentrum für Demokratie und Entwicklung), im DW-Gespräch. Viel von dieser Aufbruchsstimmung ist in den Redebeiträgen spürbar: “Wir müssen uns jetzt vereinigen oder untergehen”, beschwor Ghanas erster Präsident Kwame Nkrumah. Wichtig damals: Mit der Fremdeinmischung sollte es vorbei sein, das geeinte Afrika sollte eine starke Stimme auf der internationalen Bühne bekommen.

Sechzig Jahre später erntet die Nachfolgeorganisation Afrikanische Union (AU) immer wieder scharfe Kritik. Auch Nuvunga hält sich da nicht zurück: “Heute ist die Afrikanische Union eine Organisation, die vor allem die Interessen der Mächtigen vertritt. Sie ist zahnlos und ineffektiv und erweist sich immer wieder als unfähig, für Wohlstand, Sicherheit und Frieden für alle Afrikaner zu sorgen.” Eine Kritik, die so oder ähnlich überall in Afrika zu hören ist.

Es war ein Zeitalter des Aufbruchs. Viele afrikanische Länder waren gerade unabhängig geworden. “Als die Organisation für Afrikanische Einheit am 25. Mai 1963 gegründet wurde, war sie ein Symbol für die Befreiung der afrikanischen Völker und ihre Hoffnung auf eine glückliche Zukunft”, sagt Adriano Nuvunga, Menschenrechtsaktivist und Vorsitzender der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation CDD (Zentrum für Demokratie und Entwicklung), im DW-Gespräch. Viel von dieser Aufbruchsstimmung ist in den Redebeiträgen spürbar: “Wir müssen uns jetzt vereinigen oder untergehen”, beschwor Ghanas erster Präsident Kwame Nkrumah. Wichtig damals: Mit der Fremdeinmischung sollte es vorbei sein, das geeinte Afrika sollte eine starke Stimme auf der internationalen Bühne bekommen.

Vor allem der Aufgabe, für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent zu sorgen, werde die AU nur selten gerecht, heißt es immer wieder von Vertretern zivilgesellschaftlicher Gruppen. Adriano Nuvunga nennt Beispiele: So sei die Afrikanische Union die Krisen im Sudan, in Tigray oder im Sahel nicht entschlossen genug angegangen. Auch die Lösung der Krise in der von Dschihadisten bedrohten Region Cabo Delgado im Norden seines Heimatlandes Mosambik schiebe die AU vor sich her: “In etwa 20 Ländern Afrikas gibt es gegenwärtig bewaffnete Konflikte. Die Afrikanische Union fühlt sich aber scheinbar nicht zuständig. Sie scheint überfordert.” Angesichts dessen fragt der Aktivist: “Ist die AU überhaupt reformierbar, oder sollte man vielmehr über einen Reset nachdenken?”

Kein Frieden, keine Sicherheit in Afrika

Ganz anders äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz, als er Anfang Mai dieses Jahres zu Gesprächen nach Äthiopien und Kenia reiste: Auf einem Pressetermin in Addis Abeba brachte ereinen Sitz der AU bei der G20, also dem seit 1999 bestehenden informellen Zusammenschluss aus 19 Wirtschaftsmächten und der Europäischen Union, ins Spiel.

“Es gibt mehrere Staaten, die bei Gesprächen mit mir signalisiert haben, dass sie so einen Sitz unterstützen, und ich bin sehr fest davon überzeugt, dass mein Vorschlag möglichst bald realisiert werden kann”, sagte Scholz nach einem Gespräch mit dem Kommissionsvorsitzenden der AU, Moussa Faki Mahamat.

Tatsächlich ist die AU eine auf dem Papier bedeutende Macht, vor allem wenn man die Zahl der Einwohner berücksichtigt, die die Organisation theoretisch vertritt: circa 1,4 Milliarden. Der Afrikanischen Union gehören heute alle 55 international anerkannten Staaten Afrikas an.

Doch wird die AU ihren Hauptzielen, für Wohlstand, Sicherheit und Frieden zu sorgen, gerecht? Die Friedensmissionen, in denen Afrikanische Truppen involviert seien, hätten sich tatsächlich als wenig effektiv erwiesen, sagt auch Hager Ali, Nordafrika-Expertin vom GIGA Institut für Afrika-Studien in Hamburg, im Interview mit der DW.

Doch sie stellt klar: “Das Problem der Zahnlosigkeit der Afrikanischen Union ergibt sich aus Faktoren, die es grundsätzlich auch bei anderen internationalen Organisationen gibt.” Das ergebe sich schon aus dem Selbstverständnis der Organisation etwa in Bezug auf das Eingreifen in Konflikten: “Aus legaler Perspektive können und dürfen internationale Organisationen wie die Afrikanische Union die Souveränität anderer Staaten nicht einfach umgehen, um invasiver in Konflikte einzugreifen oder sie beizulegen.”

Besonders vor dem Hintergrund der kolonialen Geschichte sei es zudem auch gar nicht gewollt, dass eine externe Kraft wie die Afrikanische Union in einen Staat eingreift, gerade weil in der Vergangenheit Kolonialmächte Völker in Afrika systematisch ihrer Autonomie beraubt hätten, so Hager Ali.

Immer wieder gerät die AU in die Kritik, zu passiv und zu zögerlich auf Kriege und Konflikte, etwa in Tigray, Mali oder im Sudan, zu reagieren. In der äthiopischen Unruheprovinz Tigray hat sich die Afrikanische Union zwar um eine Vermittlerrolle bemüht. Die Volksbefreiungsfront aus Tigray, TPLF, hat die Afrikanische Union aber immer wieder als Verhandlungsführer abgelehnt. Zu parteiisch sei die Organisation mit Sitz in Addis Abeba, hieß es immer wieder. Immerhin kamen im November 2022 Gespräche auf Einladung der Afrikanischen Union zustande, die zu einem Waffenstillstand führten.

GIGA-Expertin Hager Ali: “Nach ihren Statuten kann und soll die Afrikanische Union gar nicht mehr tun, als eine vermittelnde und unterstützende Rolle in der Bearbeitung von Konflikten einzunehmen. Das gilt auch für Peacekeeping-Operationen, wenn die AU militärisch aktiv wird.”

Peacekeeping-Operationen, in denen die Afrikanische Union im Sudan und in Mali involviert war, hätten nicht den Sinn und Zweck, regionale Konflikte über die Köpfe von Staaten hinweg beizulegen, sondern vor allem, Zivilisten zu schützen und die Rahmenbedingungen für eine Konfliktbearbeitung zu schaffen und zu sichern, erläutert die Wissenschaftlerin.

Insgesamt sei es sehr schwer zu beurteilen, ob die Afrikanische Union ihrer Vermittlerrolle bei Konflikten gerecht wird, sagt Hager Ali: “Es geht in Verhandlungen ja nicht um die Afrikanische Union selbst – sondern darum, ob und wie sie die Plattform und den Verhandlungsrahmen für andere Akteure und Konfliktparteien schafft. Ob diese Verhandlungen dann tatsächlich gelingen, liegt oft an den Akteuren selbst.”

Worin die Afrikanische Union aber durchaus scheitern könne, sei, dass sie diesen Verhandlungsrahmen nicht rechtzeitig aufbaue – oder die falschen Akteure an den Tisch bringe, fügt die Nordafrika-Expertin hinzu: “Jetzt, zum Beispiel im Falle des Sudan, läuft die Afrikanische Union konkret Gefahr, zivile und nichtstaatliche Akteure zu vernachlässigen und nur den eigentlichen Gewaltakteuren, also De-Facto-Präsident Al-Burhan und dem Anführer der Rapid Support Forces, Mohammed Hamdan Daglo, eine Plattform zu bieten.”

Dabei seien genau die nichtstaatlichen Akteure und Zivilisten die größten Leidtragenden dieser Krise. Genau diesem Risiko begegne die AU in allen Konflikten, an denen nichtstaatliche Konfliktparteien beteiligt sind – wie eben auch in Mali oder in der Tigray-Region. Verhandlungsrahmen der AU seien immer zugunsten staatlicher Akteure gestaltet, erklärt Hager Ali. Ebenjene Staaten also, die sich schon vor 60 Jahren, zu Beginn eines neuen Zeitalters, jede Einmischung von außen verbeten haben.

Logo der Afrikanischen Union am Eingang des Hauptsitzes in Addis Abeba (Foto: Ludovic Marin/AFP/Getty Images)
Äthiopien | Bundeskanzler Scholz mit AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat in Addis Abeba (Foto: Michael Kappeler/dpa/picture alliance)
Gründung der OAU 1963 (Foto: picture-alliance/dpa)

Es war ein Zeitalter des Aufbruchs. Viele afrikanische Länder waren gerade unabhängig geworden. “Als die Organisation für Afrikanische Einheit am 25. Mai 1963 gegründet wurde, war sie ein Symbol für die Befreiung der afrikanischen Völker und ihre Hoffnung auf eine glückliche Zukunft”, sagt Adriano Nuvunga, Menschenrechtsaktivist und Vorsitzender der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation CDD (Zentrum für Demokratie und Entwicklung), im DW-Gespräch. Viel von dieser Aufbruchsstimmung ist in den Redebeiträgen spürbar: “Wir müssen uns jetzt vereinigen oder untergehen”, beschwor Ghanas erster Präsident Kwame Nkrumah. Wichtig damals: Mit der Fremdeinmischung sollte es vorbei sein, das geeinte Afrika sollte eine starke Stimme auf der internationalen Bühne bekommen.

Sechzig Jahre später erntet die Nachfolgeorganisation Afrikanische Union (AU) immer wieder scharfe Kritik. Auch Nuvunga hält sich da nicht zurück: “Heute ist die Afrikanische Union eine Organisation, die vor allem die Interessen der Mächtigen vertritt. Sie ist zahnlos und ineffektiv und erweist sich immer wieder als unfähig, für Wohlstand, Sicherheit und Frieden für alle Afrikaner zu sorgen.” Eine Kritik, die so oder ähnlich überall in Afrika zu hören ist.

Kein Frieden, keine Sicherheit in Afrika

Vor allem der Aufgabe, für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent zu sorgen, werde die AU nur selten gerecht, heißt es immer wieder von Vertretern zivilgesellschaftlicher Gruppen. Adriano Nuvunga nennt Beispiele: So sei die Afrikanische Union die Krisen im Sudan, in Tigray oder im Sahel nicht entschlossen genug angegangen. Auch die Lösung der Krise in der von Dschihadisten bedrohten Region Cabo Delgado im Norden seines Heimatlandes Mosambik schiebe die AU vor sich her: “In etwa 20 Ländern Afrikas gibt es gegenwärtig bewaffnete Konflikte. Die Afrikanische Union fühlt sich aber scheinbar nicht zuständig. Sie scheint überfordert.” Angesichts dessen fragt der Aktivist: “Ist die AU überhaupt reformierbar, oder sollte man vielmehr über einen Reset nachdenken?”

Ganz anders äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz, als er Anfang Mai dieses Jahres zu Gesprächen nach Äthiopien und Kenia reiste: Auf einem Pressetermin in Addis Abeba brachte ereinen Sitz der AU bei der G20, also dem seit 1999 bestehenden informellen Zusammenschluss aus 19 Wirtschaftsmächten und der Europäischen Union, ins Spiel.

“Es gibt mehrere Staaten, die bei Gesprächen mit mir signalisiert haben, dass sie so einen Sitz unterstützen, und ich bin sehr fest davon überzeugt, dass mein Vorschlag möglichst bald realisiert werden kann”, sagte Scholz nach einem Gespräch mit dem Kommissionsvorsitzenden der AU, Moussa Faki Mahamat.

Tatsächlich ist die AU eine auf dem Papier bedeutende Macht, vor allem wenn man die Zahl der Einwohner berücksichtigt, die die Organisation theoretisch vertritt: circa 1,4 Milliarden. Der Afrikanischen Union gehören heute alle 55 international anerkannten Staaten Afrikas an.

Deutschland sieht AU als wichtigen Partner

Doch wird die AU ihren Hauptzielen, für Wohlstand, Sicherheit und Frieden zu sorgen, gerecht? Die Friedensmissionen, in denen Afrikanische Truppen involviert seien, hätten sich tatsächlich als wenig effektiv erwiesen, sagt auch Hager Ali, Nordafrika-Expertin vom GIGA Institut für Afrika-Studien in Hamburg, im Interview mit der DW.

AU-Probleme sind die internationaler Organisationen

Doch sie stellt klar: “Das Problem der Zahnlosigkeit der Afrikanischen Union ergibt sich aus Faktoren, die es grundsätzlich auch bei anderen internationalen Organisationen gibt.” Das ergebe sich schon aus dem Selbstverständnis der Organisation etwa in Bezug auf das Eingreifen in Konflikten: “Aus legaler Perspektive können und dürfen internationale Organisationen wie die Afrikanische Union die Souveränität anderer Staaten nicht einfach umgehen, um invasiver in Konflikte einzugreifen oder sie beizulegen.”

Besonders vor dem Hintergrund der kolonialen Geschichte sei es zudem auch gar nicht gewollt, dass eine externe Kraft wie die Afrikanische Union in einen Staat eingreift, gerade weil in der Vergangenheit Kolonialmächte Völker in Afrika systematisch ihrer Autonomie beraubt hätten, so Hager Ali.

Immer wieder gerät die AU in die Kritik, zu passiv und zu zögerlich auf Kriege und Konflikte, etwa in Tigray, Mali oder im Sudan, zu reagieren. In der äthiopischen Unruheprovinz Tigray hat sich die Afrikanische Union zwar um eine Vermittlerrolle bemüht. Die Volksbefreiungsfront aus Tigray, TPLF, hat die Afrikanische Union aber immer wieder als Verhandlungsführer abgelehnt. Zu parteiisch sei die Organisation mit Sitz in Addis Abeba, hieß es immer wieder. Immerhin kamen im November 2022 Gespräche auf Einladung der Afrikanischen Union zustande, die zu einem Waffenstillstand führten.

Was bleibt, ist die Vermittlerrolle

GIGA-Expertin Hager Ali: “Nach ihren Statuten kann und soll die Afrikanische Union gar nicht mehr tun, als eine vermittelnde und unterstützende Rolle in der Bearbeitung von Konflikten einzunehmen. Das gilt auch für Peacekeeping-Operationen, wenn die AU militärisch aktiv wird.”

Peacekeeping-Operationen, in denen die Afrikanische Union im Sudan und in Mali involviert war, hätten nicht den Sinn und Zweck, regionale Konflikte über die Köpfe von Staaten hinweg beizulegen, sondern vor allem, Zivilisten zu schützen und die Rahmenbedingungen für eine Konfliktbearbeitung zu schaffen und zu sichern, erläutert die Wissenschaftlerin.

“Zivilgesellschaft nicht vernachlässigen”

Insgesamt sei es sehr schwer zu beurteilen, ob die Afrikanische Union ihrer Vermittlerrolle bei Konflikten gerecht wird, sagt Hager Ali: “Es geht in Verhandlungen ja nicht um die Afrikanische Union selbst – sondern darum, ob und wie sie die Plattform und den Verhandlungsrahmen für andere Akteure und Konfliktparteien schafft. Ob diese Verhandlungen dann tatsächlich gelingen, liegt oft an den Akteuren selbst.”

Worin die Afrikanische Union aber durchaus scheitern könne, sei, dass sie diesen Verhandlungsrahmen nicht rechtzeitig aufbaue – oder die falschen Akteure an den Tisch bringe, fügt die Nordafrika-Expertin hinzu: “Jetzt, zum Beispiel im Falle des Sudan, läuft die Afrikanische Union konkret Gefahr, zivile und nichtstaatliche Akteure zu vernachlässigen und nur den eigentlichen Gewaltakteuren, also De-Facto-Präsident Al-Burhan und dem Anführer der Rapid Support Forces, Mohammed Hamdan Daglo, eine Plattform zu bieten.”

Dabei seien genau die nichtstaatlichen Akteure und Zivilisten die größten Leidtragenden dieser Krise. Genau diesem Risiko begegne die AU in allen Konflikten, an denen nichtstaatliche Konfliktparteien beteiligt sind – wie eben auch in Mali oder in der Tigray-Region. Verhandlungsrahmen der AU seien immer zugunsten staatlicher Akteure gestaltet, erklärt Hager Ali. Ebenjene Staaten also, die sich schon vor 60 Jahren, zu Beginn eines neuen Zeitalters, jede Einmischung von außen verbeten haben.

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