Kultur

Haus der Kulturen der Welt: Wiedereröffnung mit Intendant Ndikung

Bonaventure Ndikung ist der erste afrikanische Intendant im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Die DW sprach mit ihm über seine Pläne – und Träume.

Ein halbes Jahr lang wurde renoviert, nun öffnet das Berliner Haus der Kulturen der Welt erneut seine Tore. Es ist die erste große Veranstaltung unter dem neuen Intendanten Bonaventure Soj Bejeng Ndikung, der sein Amt bereits im Januar angetreten hat.  Er ist 46 Jahre alt, in Kamerun geboren und hat Biotechnologie studiert. Die “schwangere Auster”, wie der Veranstaltungsort auch genannt wird, ist einer der bedeutendsten Diskursorte in Deutschland.

Im DW-Interview spricht Ndikung darüber, warum Kunst “die höchste Form der Politik” ist und gleichzeitig eine “universelle Sprache, die von fast allen Menschen verstanden wird”.

Ein halbes Jahr lang wurde renoviert, nun öffnet das Berliner Haus der Kulturen der Welt erneut seine Tore. Es ist die erste große Veranstaltung unter dem neuen Intendanten Bonaventure Soj Bejeng Ndikung, der sein Amt bereits im Januar angetreten hat.  Er ist 46 Jahre alt, in Kamerun geboren und hat Biotechnologie studiert. Die “schwangere Auster”, wie der Veranstaltungsort auch genannt wird, ist einer der bedeutendsten Diskursorte in Deutschland.

DW: Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist ein Ausstellungsort, aber auch ein Forum für gesellschaftliche Debatten. Sie sind der erste Afrikaner, der diese hoch angesehene kulturelle Einrichtung leitet. Ist das Ihrer Meinung nach heute noch erwähnenswert?

Bonaventure Ndikung: Ich bin der einzige Afrikaner, der in Deutschland Intendant einer solchen Institution ist. Das bedeutet, dass das nicht ganz normal ist. In ein paar Jahren wird das hoffentlich keine Seltenheit mehr sein.

Denken Sie, dass das Programm, das Sie als Afrikaner – als Kameruner – für das Haus der Kulturen der Welt zusammenstellen, anders aussehen wird, als wenn ein deutscher Intendant es planen würde?

Natürlich! Als Kameruner, als Afrikaner, bin ich kulturell anders geprägt, bin vertraut mit anderen Philosophien und spreche andere Sprachen. Das Programm, das wir anbieten werden, wird deshalb in der Tat anders sein. Es geht aber nicht nur um mich. Ich habe ein Team von 15 Kuratoren aus verschiedenen Teilen der Welt zusammengestellt. Sie alle bringen unterschiedliches Wissen mit. Sie kommen aus Asien, Südamerika, Afrika, den USA und Europa. Das wird natürlich unser Programm beeinflussen.

Sie sind von Beruf eigentlich Biotechnologe, aber Sie haben trotzdem schon früh begonnen, sich für Kunst und Kultur zu interessieren. Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Schon in Kamerun hatte ich engen Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern. So habe ich auf meine Art mit dem Kunststudium begonnen, als ich vielleicht 17 oder 18 Jahre alt war. Das war zu der Zeit als ich nach Yaoundé ging, um Biotechnologie zu studieren. Später in Berlin habe ich nach den Vorlesungen an der Uni Künstler getroffen. So fing alles an.

Sie werden manchmal als “kompromissloser Aktivist” gegen den Kolonialismus bezeichnet. Hat das etwas damit zu tun, dass Ihr Vater Anthropologe war?

Ich würde nicht sagen, dass ich ein Aktivist irgendeiner Sache bin – denn ich mag das Wort “Aktivist” nicht. Ich nehme mich eher als “Anwalt” für Dinge wahr, die ich in der Gesellschaft für wichtig halte.

Wie stehen Sie zur Rückgabe geraubter Kunstwerke an Afrika?

Für mich ist es ganz klar: Ich würde gerne afrikanische oder asiatische Objekte, sowie solche von Ureinwohnern der USA oder aus anderen Teilen der Welt, in ihrem Kontext sehen. Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen mit ihren heiligen oder historischen Artefakten zusammenkommen.

Was bedeutet das genau?

Es bedeutet, dass die Kolonialgeschichte überall auf der Welt eine zerstörerische Wirkung hatte. Menschen haben ihre Geschichte verloren. “Restitution” bedeutet für mich nicht nur Rückgabe, sondern auch die “Heilung” von dem, was zerstört wurde. Ich glaube, dass eine Dekolonisierung ohne Heilung, Wiedergutmachung und Rehabilitation nicht erreicht werden kann. Deshalb engagiere ich mich dafür.

Wenn ich es so formulieren darf, haben Sie sich einen ersten Traum erfüllt: Sie sind Intendant des Hauses der Kulturen der Welt. Welche Träume haben Sie noch?

(Lacht) Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, ob das mein Traum war. Ich würde gerne ein Feld in Kamerun haben, auf dem ich Dinge anbaue, die ich zusammen mit meinen Nachbarn und meiner Familie essen kann. Und vor allem würde ich auch gerne ein Museum in Kamerun haben, mit dem ich der enormen und großartigen kamerunischen Kultur etwas zurückgeben kann.

Ein anderes Museum als das in Foumban?

Das Museum in Foumban ist sicherlich einzigartig, aber Kamerun ist ein Land, das doppelt so groß ist wie Deutschland. In Deutschland gibt es Hunderte von Museen. Das bedeutet, dass es auch in Kamerun Hunderte von Museen geben kann. Ich glaube, dass Entkolonialisierung und Emanzipation vor allem durch Kultur erreicht werden. Wir müssen Orte der Kultur schaffen, weil wir ohne unsere Kultur nichts sind. Wir müssen unseren Kindern die Möglichkeit geben, ihre eigene Kultur und die Kulturen der Welt schätzen zu lernen. Dafür müssen sie bei ihrer eigenen Kultur anfangen.

Das Interview führte Dirke Köpp.

Vom 2. bis 4. Juni 2023 feiert das Haus der Kulturen der Welt in Berlin seine Wiedereröffnung. Auf dem Programm stehen vielfältige Veranstaltungen, darunter Konzerte, Lesungen, Aufführungen, Prozessionen und Rituale. Zudem wird eine Gruppenausstellung namens “O Quilombismo” für das Publikum zugänglich sei

Bonaventure Soh Bejeng Ndikung steht vor dem Haus der Kulturen der Welt

Ein halbes Jahr lang wurde renoviert, nun öffnet das Berliner Haus der Kulturen der Welt erneut seine Tore. Es ist die erste große Veranstaltung unter dem neuen Intendanten Bonaventure Soj Bejeng Ndikung, der sein Amt bereits im Januar angetreten hat.  Er ist 46 Jahre alt, in Kamerun geboren und hat Biotechnologie studiert. Die “schwangere Auster”, wie der Veranstaltungsort auch genannt wird, ist einer der bedeutendsten Diskursorte in Deutschland.

Im DW-Interview spricht Ndikung darüber, warum Kunst “die höchste Form der Politik” ist und gleichzeitig eine “universelle Sprache, die von fast allen Menschen verstanden wird”.

DW: Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist ein Ausstellungsort, aber auch ein Forum für gesellschaftliche Debatten. Sie sind der erste Afrikaner, der diese hoch angesehene kulturelle Einrichtung leitet. Ist das Ihrer Meinung nach heute noch erwähnenswert?

Bonaventure Ndikung: Ich bin der einzige Afrikaner, der in Deutschland Intendant einer solchen Institution ist. Das bedeutet, dass das nicht ganz normal ist. In ein paar Jahren wird das hoffentlich keine Seltenheit mehr sein.

Denken Sie, dass das Programm, das Sie als Afrikaner – als Kameruner – für das Haus der Kulturen der Welt zusammenstellen, anders aussehen wird, als wenn ein deutscher Intendant es planen würde?

Natürlich! Als Kameruner, als Afrikaner, bin ich kulturell anders geprägt, bin vertraut mit anderen Philosophien und spreche andere Sprachen. Das Programm, das wir anbieten werden, wird deshalb in der Tat anders sein. Es geht aber nicht nur um mich. Ich habe ein Team von 15 Kuratoren aus verschiedenen Teilen der Welt zusammengestellt. Sie alle bringen unterschiedliches Wissen mit. Sie kommen aus Asien, Südamerika, Afrika, den USA und Europa. Das wird natürlich unser Programm beeinflussen.

Sie sind von Beruf eigentlich Biotechnologe, aber Sie haben trotzdem schon früh begonnen, sich für Kunst und Kultur zu interessieren. Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Schon in Kamerun hatte ich engen Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern. So habe ich auf meine Art mit dem Kunststudium begonnen, als ich vielleicht 17 oder 18 Jahre alt war. Das war zu der Zeit als ich nach Yaoundé ging, um Biotechnologie zu studieren. Später in Berlin habe ich nach den Vorlesungen an der Uni Künstler getroffen. So fing alles an.

Sie werden manchmal als “kompromissloser Aktivist” gegen den Kolonialismus bezeichnet. Hat das etwas damit zu tun, dass Ihr Vater Anthropologe war?

Ich würde nicht sagen, dass ich ein Aktivist irgendeiner Sache bin – denn ich mag das Wort “Aktivist” nicht. Ich nehme mich eher als “Anwalt” für Dinge wahr, die ich in der Gesellschaft für wichtig halte.

Wie stehen Sie zur Rückgabe geraubter Kunstwerke an Afrika?

Für mich ist es ganz klar: Ich würde gerne afrikanische oder asiatische Objekte, sowie solche von Ureinwohnern der USA oder aus anderen Teilen der Welt, in ihrem Kontext sehen. Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen mit ihren heiligen oder historischen Artefakten zusammenkommen.

Was bedeutet das genau?

Es bedeutet, dass die Kolonialgeschichte überall auf der Welt eine zerstörerische Wirkung hatte. Menschen haben ihre Geschichte verloren. “Restitution” bedeutet für mich nicht nur Rückgabe, sondern auch die “Heilung” von dem, was zerstört wurde. Ich glaube, dass eine Dekolonisierung ohne Heilung, Wiedergutmachung und Rehabilitation nicht erreicht werden kann. Deshalb engagiere ich mich dafür.

Wenn ich es so formulieren darf, haben Sie sich einen ersten Traum erfüllt: Sie sind Intendant des Hauses der Kulturen der Welt. Welche Träume haben Sie noch?

(Lacht) Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, ob das mein Traum war. Ich würde gerne ein Feld in Kamerun haben, auf dem ich Dinge anbaue, die ich zusammen mit meinen Nachbarn und meiner Familie essen kann. Und vor allem würde ich auch gerne ein Museum in Kamerun haben, mit dem ich der enormen und großartigen kamerunischen Kultur etwas zurückgeben kann.

Ein anderes Museum als das in Foumban?

Das Museum in Foumban ist sicherlich einzigartig, aber Kamerun ist ein Land, das doppelt so groß ist wie Deutschland. In Deutschland gibt es Hunderte von Museen. Das bedeutet, dass es auch in Kamerun Hunderte von Museen geben kann. Ich glaube, dass Entkolonialisierung und Emanzipation vor allem durch Kultur erreicht werden. Wir müssen Orte der Kultur schaffen, weil wir ohne unsere Kultur nichts sind. Wir müssen unseren Kindern die Möglichkeit geben, ihre eigene Kultur und die Kulturen der Welt schätzen zu lernen. Dafür müssen sie bei ihrer eigenen Kultur anfangen.

Das Interview führte Dirke Köpp.

Vom 2. bis 4. Juni 2023 feiert das Haus der Kulturen der Welt in Berlin seine Wiedereröffnung. Auf dem Programm stehen vielfältige Veranstaltungen, darunter Konzerte, Lesungen, Aufführungen, Prozessionen und Rituale. Zudem wird eine Gruppenausstellung namens “O Quilombismo” für das Publikum zugänglich sei

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