Amazonien: Erste Feuerbrigade indigener Frauen
Die Freiwilligenbrigade des Apinajé-Volks ist die erste in der Region, die ausschließlich aus Frauen besteht. Mit Unterstützung des brasilianischem Umwelt-Instituts kämpft sie für den Erhalt des Regenwaldes.
Marlucia Apinajé steht vor ihrem Team und gibt das Kommando zum Durchzählen. Nachdem jede einzelne ihre Nummer in der Reihe laut ausgesprochen hat, wiederholen sie mit fester Stimme: “Wir sind 29.”
Die 29 indigenen Frauen in feuerfester Kleidung gehören zur ersten weiblichen Brigade der Freiwilligen Feuerwehr im Amazonas. Sie sind vom Volk der Apinajé im Norden des brasilianischen Bundesstaates Tocantins. Dies ist – ein paar Monate nach Abschluss ihrer Schulung bei der Brasilianischen Umweltbehörde (IBAMA) – ihr erster Einsatz.
Marlucia Apinajé steht vor ihrem Team und gibt das Kommando zum Durchzählen. Nachdem jede einzelne ihre Nummer in der Reihe laut ausgesprochen hat, wiederholen sie mit fester Stimme: “Wir sind 29.”
Seit 2014 kümmert sich jedes Jahr im Mai eine Brigade im Rahmen des IBAMA-Präventionsprogrammes “Prevfogo” um sogenannte “queimas prescritas” (verordnete Brände). Dabei werden präventive Feuer an strategischen Punkten gelegt und überwacht. Durch diese Methode soll die Ausbreitung von Flächenbränden im Amazonas-Regenwald in der Trockenzeit von August bis Oktober vermieden werden.
Kontrollierte Feuer, um Großbrände zu vermeiden
Maria Aparecida Apinajé, von allen Cida genannt, ist eine der Initiatorinnen des Frauen-Feuerwehrteams. “In unserem Projekt geht es darum, unsere Traditionen zu bewahren, das Umweltbewusstsein zu erweitern und vor den Gefahren von Waldbränden und der Zerstörung unserer Gebiete zu warnen”, erklärt sie.
Doch die insgesamt 43 Absolventinnen des Feuerwehr-Trainings hatten teils schon vor Kursbeginn mit Schwierigkeiten zu kämpfen. “Mein Mann war dagegen, er wollte sich sogar von mir trennen”, erzählt Kelly Apinajé. “Er meint, Frauen sollten zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern.”
Seine Drohungen hielten die junge Frau nicht auf. Sie verließ ihr Dorf und überließ ihrem Mann für zwei Tage die Verantwortung für die vier Kinder.
Als die “queimas prescritas” an einem heißen Mai-Nachmittag beginnen, zeigt das Thermometer 31 Grad. Erfahrene Feuerwehrleute leiten die Frauen in abwechselnden Gruppen an, an strategischen Orten Feuer zu legen – und dann zu kontrollieren.
“Wir sind schnell erschöpft, weil wir schwer tragen müssen und es extrem heiß ist”, sagt Salma Apinajé. Gemeinsam mit Männern Waldbrände zu löschen ist für sie und die anderen Frauen eine komplett neue Erfahrung. “Ich habe mich gemeldet, um zu zeigen, dass auch wir Frauen stark und zu solchen Dingen fähig sind, nicht nur die Männer”, sagt sie.
Die Ausweisung des 1420 Quadratkilometer großen Schutzgebiets begann 1980 und wurde 1997 abgeschlossen. Der langwierige Prozess war von gewaltsamen Konflikten überschattet. Das Reservat der Indigenen ist von Farmen umgeben und wird an einer Stelle von der Fernstraße “Transamazônica” durchschnitten. Antonio Apinajé, der Anführer des Volkes, erzählt: “Wir haben so lange gekämpft, bis sie uns ein Stück Land zugestanden haben, das uns ja nach der brasilianischen Gesetzgebung auch zusteht.”
Nach Einschätzung der Feuerwehrleute werden viele Waldbrände hier von Menschen gelegt, die von außen ins Indigenengebiet kommen. “Es gibt viele Fischer und Jäger, die hier eindringen”, sagt Robson Apinajé, Chef der Präventionseinheit im Reservat. “Und wenn auf den Farmen um das Schutzgebiet herum Weideflächen abgebrannt werden, springt das Feuer auf unser Gebiet über.”
Wie Daten des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) zeigen, ist die Zahl der Brandherde in den indigenen Gebieten wieder angestiegen, nachdem sie 2018 den niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre erreicht hatte. Das INPE überwacht seit den 1970er Jahren anhand von Satellitenbildern den Zustand der brasilianischen Wälder.
Wie bei vielen hier sind auch bei Marlucia Apinajé die Schäden, die in der Vergangenheit durch Brände entstanden sind – am Wald, an den Obstbäume, den Wildtieren, den Heilkräutern – nur allzu präsent. Im nahegelegenen Dorf Prata unterhält sie eine Gärtnerei zur Wiederaufforstung degradierter Flächen. “Ich möchte einige Quellen bepflanzen, die bereits dabei sind auszutrocknen. Ich kämpfe dafür, dass wir unsere Pflanzen, unsere Heilkräuter nicht verlieren, dass wir nicht alles aussterben lassen”, sagt sie und zeigt auf verschiedene Setzlinge, die im Schatten eines Baches wachsen.
Auch Suene Apinajé hat sich den freiwilligen Feuerwehr-Frauen angeschlossen. Sie hofft, in Zukunft in die Vertragsbrigade aufgenommen zu werden. Dort würde die vierfache Mutter für sechs Monate Arbeit einen Mindestlohn erhalten, womit sie ihrer Familie ein höheres Einkommen verschaffen könnte.
Robson Apinajé wird emotional, wenn er über die Anstrengungen spricht, die die indigenen Frauen unternehmen. “Es ist nicht leicht für eine Frau, ihr Zuhause zu verlassen. Die Apinajé-Frauen sind Vorbilder, sie sind Kriegerinnen”, sagt er.
Kelly Apinajé, eine der gesprächigsten der Gruppe, ist erschöpft, nachdem sie das Feuer unter Kontrolle gebracht hat. “Ich werde nicht aufgeben. Viel kann ich zwar nicht tun, aber zumindest etwas – zusammen mit diesen Frauen, die mir Kraft geben”, sagt sie außer Atem.
Die Arbeit in der Freiwilligenbrigade soll aber nicht die einzige Initiative bleiben. Mitinitiatorin Cida bemüht sich neben vielen weiteren Aufgaben auch um weitere externe Unterstützung für Umweltbildungs- und Frauenförderungsmaßnahmen in den Dörfern. “Wir suchen nach Verbesserungen für unsere Zukunft, für unsere Kinder. Unsere Vorfahren haben dafür gekämpft, dass wir ein Schutzgebiet haben, jetzt müssen wir uns gut darum kümmern – für die künftigen Generationen. Das ist unser Erbe”, sagt sie.
Adaption: Ines Eisele
*Diese Reportage wurde mit Unterstützung des Dom-Phillips-Stipendiums produziert, einer besonderen Förderung des Pulitzer Center Rainforest Journalism Fund.
Marlucia Apinajé steht vor ihrem Team und gibt das Kommando zum Durchzählen. Nachdem jede einzelne ihre Nummer in der Reihe laut ausgesprochen hat, wiederholen sie mit fester Stimme: “Wir sind 29.”
Die 29 indigenen Frauen in feuerfester Kleidung gehören zur ersten weiblichen Brigade der Freiwilligen Feuerwehr im Amazonas. Sie sind vom Volk der Apinajé im Norden des brasilianischen Bundesstaates Tocantins. Dies ist – ein paar Monate nach Abschluss ihrer Schulung bei der Brasilianischen Umweltbehörde (IBAMA) – ihr erster Einsatz.
Kontrollierte Feuer, um Großbrände zu vermeiden
Seit 2014 kümmert sich jedes Jahr im Mai eine Brigade im Rahmen des IBAMA-Präventionsprogrammes “Prevfogo” um sogenannte “queimas prescritas” (verordnete Brände). Dabei werden präventive Feuer an strategischen Punkten gelegt und überwacht. Durch diese Methode soll die Ausbreitung von Flächenbränden im Amazonas-Regenwald in der Trockenzeit von August bis Oktober vermieden werden.
Maria Aparecida Apinajé, von allen Cida genannt, ist eine der Initiatorinnen des Frauen-Feuerwehrteams. “In unserem Projekt geht es darum, unsere Traditionen zu bewahren, das Umweltbewusstsein zu erweitern und vor den Gefahren von Waldbränden und der Zerstörung unserer Gebiete zu warnen”, erklärt sie.
Doch die insgesamt 43 Absolventinnen des Feuerwehr-Trainings hatten teils schon vor Kursbeginn mit Schwierigkeiten zu kämpfen. “Mein Mann war dagegen, er wollte sich sogar von mir trennen”, erzählt Kelly Apinajé. “Er meint, Frauen sollten zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern.”
Seine Drohungen hielten die junge Frau nicht auf. Sie verließ ihr Dorf und überließ ihrem Mann für zwei Tage die Verantwortung für die vier Kinder.
Wieder mehr Feuer
Als die “queimas prescritas” an einem heißen Mai-Nachmittag beginnen, zeigt das Thermometer 31 Grad. Erfahrene Feuerwehrleute leiten die Frauen in abwechselnden Gruppen an, an strategischen Orten Feuer zu legen – und dann zu kontrollieren.
Die Natur für künftige Generationen bewahren
“Wir sind schnell erschöpft, weil wir schwer tragen müssen und es extrem heiß ist”, sagt Salma Apinajé. Gemeinsam mit Männern Waldbrände zu löschen ist für sie und die anderen Frauen eine komplett neue Erfahrung. “Ich habe mich gemeldet, um zu zeigen, dass auch wir Frauen stark und zu solchen Dingen fähig sind, nicht nur die Männer”, sagt sie.
Die Ausweisung des 1420 Quadratkilometer großen Schutzgebiets begann 1980 und wurde 1997 abgeschlossen. Der langwierige Prozess war von gewaltsamen Konflikten überschattet. Das Reservat der Indigenen ist von Farmen umgeben und wird an einer Stelle von der Fernstraße “Transamazônica” durchschnitten. Antonio Apinajé, der Anführer des Volkes, erzählt: “Wir haben so lange gekämpft, bis sie uns ein Stück Land zugestanden haben, das uns ja nach der brasilianischen Gesetzgebung auch zusteht.”
Nach Einschätzung der Feuerwehrleute werden viele Waldbrände hier von Menschen gelegt, die von außen ins Indigenengebiet kommen. “Es gibt viele Fischer und Jäger, die hier eindringen”, sagt Robson Apinajé, Chef der Präventionseinheit im Reservat. “Und wenn auf den Farmen um das Schutzgebiet herum Weideflächen abgebrannt werden, springt das Feuer auf unser Gebiet über.”
Wie Daten des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) zeigen, ist die Zahl der Brandherde in den indigenen Gebieten wieder angestiegen, nachdem sie 2018 den niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre erreicht hatte. Das INPE überwacht seit den 1970er Jahren anhand von Satellitenbildern den Zustand der brasilianischen Wälder.
Wie bei vielen hier sind auch bei Marlucia Apinajé die Schäden, die in der Vergangenheit durch Brände entstanden sind – am Wald, an den Obstbäume, den Wildtieren, den Heilkräutern – nur allzu präsent. Im nahegelegenen Dorf Prata unterhält sie eine Gärtnerei zur Wiederaufforstung degradierter Flächen. “Ich möchte einige Quellen bepflanzen, die bereits dabei sind auszutrocknen. Ich kämpfe dafür, dass wir unsere Pflanzen, unsere Heilkräuter nicht verlieren, dass wir nicht alles aussterben lassen”, sagt sie und zeigt auf verschiedene Setzlinge, die im Schatten eines Baches wachsen.
Auch Suene Apinajé hat sich den freiwilligen Feuerwehr-Frauen angeschlossen. Sie hofft, in Zukunft in die Vertragsbrigade aufgenommen zu werden. Dort würde die vierfache Mutter für sechs Monate Arbeit einen Mindestlohn erhalten, womit sie ihrer Familie ein höheres Einkommen verschaffen könnte.
Robson Apinajé wird emotional, wenn er über die Anstrengungen spricht, die die indigenen Frauen unternehmen. “Es ist nicht leicht für eine Frau, ihr Zuhause zu verlassen. Die Apinajé-Frauen sind Vorbilder, sie sind Kriegerinnen”, sagt er.
Kelly Apinajé, eine der gesprächigsten der Gruppe, ist erschöpft, nachdem sie das Feuer unter Kontrolle gebracht hat. “Ich werde nicht aufgeben. Viel kann ich zwar nicht tun, aber zumindest etwas – zusammen mit diesen Frauen, die mir Kraft geben”, sagt sie außer Atem.
Die Arbeit in der Freiwilligenbrigade soll aber nicht die einzige Initiative bleiben. Mitinitiatorin Cida bemüht sich neben vielen weiteren Aufgaben auch um weitere externe Unterstützung für Umweltbildungs- und Frauenförderungsmaßnahmen in den Dörfern. “Wir suchen nach Verbesserungen für unsere Zukunft, für unsere Kinder. Unsere Vorfahren haben dafür gekämpft, dass wir ein Schutzgebiet haben, jetzt müssen wir uns gut darum kümmern – für die künftigen Generationen. Das ist unser Erbe”, sagt sie.
Adaption: Ines Eisele
*Diese Reportage wurde mit Unterstützung des Dom-Phillips-Stipendiums produziert, einer besonderen Förderung des Pulitzer Center Rainforest Journalism Fund.