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Der zweite Krieg der kosovarisch-ukrainischen Familie Zeka-Michailenko

Vor über zwanzig Jahren floh der Kosovo-Albaner Zeqirja Zeka mit seiner ukrainischen Frau Jana und ihren Kindern vor dem Kosovo-Krieg. Jetzt sind Janas Mutter und ihre Geschwister auf der Flucht – vor Putins Invasion.

Die Geschichte von Jana Michailenko und Zeqirja Zeka begann 1992 in Kiew. Der 33-jährige Elektroingenieur, der für einen Schweizer Konzern in der Ukraine arbeitete, fiel der erst 19-jährigen Ukrainerin wegen seines südländischen Flairs auf. “Er sah so italienisch aus. Dann sagte er, dass er aus Kosovo sei – und ich musste ihm gestehen, dass ich noch nie in meinem Leben von diesem Land gehört hatte,” erinnert sich Jana im Gespräch mit der DW.

Damals wohnten Jana und Zeqirja in Podol, einem Viertel der ukrainischen Hauptstadt Kiew, wo sie sich öfters über den Weg liefen. Nach ein paar dieser zufälligen Treffen verabredeten sie sich zum ersten Mal – an der berühmten Kirche des Heiligen Andreas. Seitdem sind sie ein Paar. Als Zeqirja Anfang 1993 in die kälteste Stadt der Welt, das 6000 Kilometer und sechs Zeitzonen entfernte Jakutsk im Nordosten Russlands versetzt wurde, ging Jana mit.

Die Geschichte von Jana Michailenko und Zeqirja Zeka begann 1992 in Kiew. Der 33-jährige Elektroingenieur, der für einen Schweizer Konzern in der Ukraine arbeitete, fiel der erst 19-jährigen Ukrainerin wegen seines südländischen Flairs auf. “Er sah so italienisch aus. Dann sagte er, dass er aus Kosovo sei – und ich musste ihm gestehen, dass ich noch nie in meinem Leben von diesem Land gehört hatte,” erinnert sich Jana im Gespräch mit der DW.

Kurz darauf wurde Jana schwanger. Am 13. September 1993 wurde Adrian geboren, der erste Sohn des kosovarisch-ukrainischen Paares. Jana und Zeqirja beschlossen zu heiraten – aber wegen der Entfernung zwischen Kosovo, Kiew und Jakutsk konnten weder die Familienmitglieder aus Kosovo noch die aus der Ukraine bei der Hochzeit dabei sein. Also feierten die beiden nur mit ihrem Baby und neuen, russischen Freunden.

Besuch aus Kiew

Ein Jahr später konnte Zeqirja seinen Arbeitgeber überzeugen, ihn nach Pristina, in die Hauptstadt Kosovos, zu versetzen. Jana lernte endlich die Familie ihres Ehemanns kennen. “Ich war überwältigt von der Freundlichkeit und dem liebevollen Empfang, den mir Zeqirjas Eltern und meine neuen, kosovo-albanischen Verwandten bereiteten,” erinnert sich die Ukrainerin.

Noch im selben Jahr kam Janas Mutter Vira für vier Wochen nach Pristina, um ihren Enkel und die Familie ihres Schwiegersohns kennenzulernen. So konnte sie Adrians ersten Geburtstag mitfeiern – aber das sollte auch schon der letzte Besuch der ukrainischen Oma für den Rest der 90er Jahre werden. Vira hatte Angst, nach Kosovo zu reisen, denn dort spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen der albanischen Mehrheitsbevölkerung und dem serbischen Staat immer weiter zu.

Damals war Kosovo nominell eine “autonome Provinz” Serbiens. Doch die mit der Autonomie verbundenen Rechte hatte der serbische Staatschef Slobodan Milosevic schon Ende der 80er Jahre abgeschafft. Seitdem wurden die Kosovo-Albaner – knapp 90 Prozent der Bevölkerung der Provinz – gegenüber den fünf bis sieben Prozent Serben benachteiligt. Dagegen protestierten viele Albaner zunächst jahrelang friedlich. Da sich ihre Lage dadurch aber nicht änderte, kam es ab 1996 zunehmend auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit serbischen Sicherheitskräften.

1996 wurde Janas und Zeqirjas erste Tochter Ardita geboren. In diesem Jahr nahm die ganze Familie Zeka an Protesten gegen die Lage der Albaner in Kosovo teil. Es kam zu Verhaftungen und Misshandlungen durch serbische Polizei. Das hinterließ vor allem bei Adrian Spuren: Jedesmal, wenn er eine uniformierte Person sah, bekam er Angstattacken. 1998 flohen Jana und Zeqirja mit Adrian und Ardita nach England.

Dort wurde ihre zweite Tochter Miranda geboren. Erst im Jahr 2000, nach Ende des Kosovokrieges, kehrten die Zekas in das nun von den Vereinten Nationen verwaltete Kosovo zurück. Kurz darauf verstarben Zeqirjas Eltern. Für die Kinder bleibt von den Großeltern seitdem nur Vira, die Oma in Kiew. Dort leben auch Janas Schwester Alla und ihr Bruder Michael.

2003 konnten Jana, Zeqirja, Adrian, Ardita und Miranda endlich alle zusammen in die Ukraine reisen. Probleme mit der Kommunikation gab es dabei nicht: Jana spricht neben Ukrainisch auch Russisch perfekt, Albanisch hat sie von ihrem Mann gelernt. Der beherrscht neben seiner Muttersprache auch Englisch, Russisch und Serbisch. Zuhause sprechen die Zekas meist Albanisch, aber Jana hat den Kindern auch Russisch beigebracht, da diese Sprache international verbreiteter ist als ihre ukrainische Muttersprache. Eine politische Bedeutung hatte diese Entscheidung damals nicht.

Das hat sich seit dem 24. Februar 2022 radikal geändert. Seitdem sind die ukrainischen Verwandten der Zekas direkt vom russischen Angriffskrieg bedroht – so wie sie selbst Ende der 90er vom Krieg in Kosovo. Jeden Tag treffen Bomben und Raketen der russischen Armee zivile Einrichtungen und Wohngebäude in der Ukraine. Mittlerweile auch in Kiew.

Diese Situation ist lebensbedrohlicher als alles, was die Familie Zeka und auch Janas Mutter bisher erlebt haben. Jana ist froh, dass Oma Vira und ihre Geschwister es geschafft haben, aus Kiew zu fliehen und sich nun in der Nähe der slowakischen Grenze aufhalten. Aber obwohl sie zu den Zekas nach Kosovo könnten, wollen sie die Ukraine nicht verlassen.

“Ich spreche jeden Tag mit meiner Mutter, damit ich weiß, dass es ihr und meinen Geschwistern gut geht”, sagt Jana im Gespräch mit der DW. “Gott sei Dank haben sie Internet, so können wir den Kontakt aufrechterhalten. Es ist sehr schwierig für mich zu wissen, dass ich nicht mehr tun kann. Das Einzige, was ich will, ist, meine Mama, meine Schwester und meinen Bruder wieder in die Arme zu schließen. Ich kann nur beten, dass sie am Leben bleiben und ihnen nichts passiert.”

Ukraine | St. Andreaskirche in Kiew
Kosovo Familienbilder Jana Zeka
Kosovo Familienbilder Jana Zeka

Die Geschichte von Jana Michailenko und Zeqirja Zeka begann 1992 in Kiew. Der 33-jährige Elektroingenieur, der für einen Schweizer Konzern in der Ukraine arbeitete, fiel der erst 19-jährigen Ukrainerin wegen seines südländischen Flairs auf. “Er sah so italienisch aus. Dann sagte er, dass er aus Kosovo sei – und ich musste ihm gestehen, dass ich noch nie in meinem Leben von diesem Land gehört hatte,” erinnert sich Jana im Gespräch mit der DW.

Damals wohnten Jana und Zeqirja in Podol, einem Viertel der ukrainischen Hauptstadt Kiew, wo sie sich öfters über den Weg liefen. Nach ein paar dieser zufälligen Treffen verabredeten sie sich zum ersten Mal – an der berühmten Kirche des Heiligen Andreas. Seitdem sind sie ein Paar. Als Zeqirja Anfang 1993 in die kälteste Stadt der Welt, das 6000 Kilometer und sechs Zeitzonen entfernte Jakutsk im Nordosten Russlands versetzt wurde, ging Jana mit.

Besuch aus Kiew

Kurz darauf wurde Jana schwanger. Am 13. September 1993 wurde Adrian geboren, der erste Sohn des kosovarisch-ukrainischen Paares. Jana und Zeqirja beschlossen zu heiraten – aber wegen der Entfernung zwischen Kosovo, Kiew und Jakutsk konnten weder die Familienmitglieder aus Kosovo noch die aus der Ukraine bei der Hochzeit dabei sein. Also feierten die beiden nur mit ihrem Baby und neuen, russischen Freunden.

Ein Jahr später konnte Zeqirja seinen Arbeitgeber überzeugen, ihn nach Pristina, in die Hauptstadt Kosovos, zu versetzen. Jana lernte endlich die Familie ihres Ehemanns kennen. “Ich war überwältigt von der Freundlichkeit und dem liebevollen Empfang, den mir Zeqirjas Eltern und meine neuen, kosovo-albanischen Verwandten bereiteten,” erinnert sich die Ukrainerin.

Noch im selben Jahr kam Janas Mutter Vira für vier Wochen nach Pristina, um ihren Enkel und die Familie ihres Schwiegersohns kennenzulernen. So konnte sie Adrians ersten Geburtstag mitfeiern – aber das sollte auch schon der letzte Besuch der ukrainischen Oma für den Rest der 90er Jahre werden. Vira hatte Angst, nach Kosovo zu reisen, denn dort spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen der albanischen Mehrheitsbevölkerung und dem serbischen Staat immer weiter zu.

Damals war Kosovo nominell eine “autonome Provinz” Serbiens. Doch die mit der Autonomie verbundenen Rechte hatte der serbische Staatschef Slobodan Milosevic schon Ende der 80er Jahre abgeschafft. Seitdem wurden die Kosovo-Albaner – knapp 90 Prozent der Bevölkerung der Provinz – gegenüber den fünf bis sieben Prozent Serben benachteiligt. Dagegen protestierten viele Albaner zunächst jahrelang friedlich. Da sich ihre Lage dadurch aber nicht änderte, kam es ab 1996 zunehmend auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit serbischen Sicherheitskräften.

Krieg in Kosovo

1996 wurde Janas und Zeqirjas erste Tochter Ardita geboren. In diesem Jahr nahm die ganze Familie Zeka an Protesten gegen die Lage der Albaner in Kosovo teil. Es kam zu Verhaftungen und Misshandlungen durch serbische Polizei. Das hinterließ vor allem bei Adrian Spuren: Jedesmal, wenn er eine uniformierte Person sah, bekam er Angstattacken. 1998 flohen Jana und Zeqirja mit Adrian und Ardita nach England.

Krieg in der Ukraine

Dort wurde ihre zweite Tochter Miranda geboren. Erst im Jahr 2000, nach Ende des Kosovokrieges, kehrten die Zekas in das nun von den Vereinten Nationen verwaltete Kosovo zurück. Kurz darauf verstarben Zeqirjas Eltern. Für die Kinder bleibt von den Großeltern seitdem nur Vira, die Oma in Kiew. Dort leben auch Janas Schwester Alla und ihr Bruder Michael.

2003 konnten Jana, Zeqirja, Adrian, Ardita und Miranda endlich alle zusammen in die Ukraine reisen. Probleme mit der Kommunikation gab es dabei nicht: Jana spricht neben Ukrainisch auch Russisch perfekt, Albanisch hat sie von ihrem Mann gelernt. Der beherrscht neben seiner Muttersprache auch Englisch, Russisch und Serbisch. Zuhause sprechen die Zekas meist Albanisch, aber Jana hat den Kindern auch Russisch beigebracht, da diese Sprache international verbreiteter ist als ihre ukrainische Muttersprache. Eine politische Bedeutung hatte diese Entscheidung damals nicht.

Das hat sich seit dem 24. Februar 2022 radikal geändert. Seitdem sind die ukrainischen Verwandten der Zekas direkt vom russischen Angriffskrieg bedroht – so wie sie selbst Ende der 90er vom Krieg in Kosovo. Jeden Tag treffen Bomben und Raketen der russischen Armee zivile Einrichtungen und Wohngebäude in der Ukraine. Mittlerweile auch in Kiew.

Diese Situation ist lebensbedrohlicher als alles, was die Familie Zeka und auch Janas Mutter bisher erlebt haben. Jana ist froh, dass Oma Vira und ihre Geschwister es geschafft haben, aus Kiew zu fliehen und sich nun in der Nähe der slowakischen Grenze aufhalten. Aber obwohl sie zu den Zekas nach Kosovo könnten, wollen sie die Ukraine nicht verlassen.

“Ich spreche jeden Tag mit meiner Mutter, damit ich weiß, dass es ihr und meinen Geschwistern gut geht”, sagt Jana im Gespräch mit der DW. “Gott sei Dank haben sie Internet, so können wir den Kontakt aufrechterhalten. Es ist sehr schwierig für mich zu wissen, dass ich nicht mehr tun kann. Das Einzige, was ich will, ist, meine Mama, meine Schwester und meinen Bruder wieder in die Arme zu schließen. Ich kann nur beten, dass sie am Leben bleiben und ihnen nichts passiert.”

Kosovo Familienbilder Jana Zeka

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