Kultur

Afrikas rebellische Kreativszene

“Wenn es Freiheit gibt, kann sich die Kultur entfalten”, so Musiker Bobi Wine bei einem DW-Panel über Chancen und Hürden für Afrikas Kreativszene.

“Die Freiheit kommt zu denen, die kämpfen, aber nicht zu denen, die weinen, denn je mehr du weinst, desto mehr stirbt dein Volk, also steh auf und verteidige deine Rechte…!” Mit diesen Zeilen aus seinem Lied “Time Bomb” eröffnete Bobi Wine am 21. Juni das Panel, zu dem die DW-Kulturredaktion anlässlich des alljährlich stattfindenden Global Media Forum eingeladen hatte. In seinem Heimatland könnte Wine dafür im Gefängnis landen. Seit 2018 ist Robert Ssentamu Kyagulanyi, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, in Uganda ein “abgeschaffter Künstler”: “Ich darf keine Konzerte geben und meine Musik darf nicht im Radio oder im Fernsehen gespielt werden”, erklärt er. 

Bobi Wine ist Ugandas Regierung ein Dorn im Auge. Seit 2017 ist er selbst politisch aktiv und hat Präsident Yoweri Museveni, der mittlerweile seit 36 Jahren regiert, den Kampf angesagt. 2021 trat er sogar als Präsidentschaftskandidat an – allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz: Wine wurde in den letzten Jahren immer wieder verhaftet und gefoltert. Nachdem er die Wahl verloren hatte, wurden er und seine Familie – Wine hat mit seiner Frau Barbara vier Kinder – monatelang unter Hausarrest gestellt. Dass er überhaupt noch lebt, liegt womöglich daran, dass die Regierung zumindest nach außen hin den Anschein wahren will, dass Opposition möglich ist. Dabei regiert Yoweri Museveni das Land autokratisch – unliebsame Gegner lässt er mundtot machen oder einfach verschwinden.  

“Die Freiheit kommt zu denen, die kämpfen, aber nicht zu denen, die weinen, denn je mehr du weinst, desto mehr stirbt dein Volk, also steh auf und verteidige deine Rechte…!” Mit diesen Zeilen aus seinem Lied “Time Bomb” eröffnete Bobi Wine am 21. Juni das Panel, zu dem die DW-Kulturredaktion anlässlich des alljährlich stattfindenden Global Media Forum eingeladen hatte. In seinem Heimatland könnte Wine dafür im Gefängnis landen. Seit 2018 ist Robert Ssentamu Kyagulanyi, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, in Uganda ein “abgeschaffter Künstler”: “Ich darf keine Konzerte geben und meine Musik darf nicht im Radio oder im Fernsehen gespielt werden”, erklärt er. 

Sein Land verlassen möchte Wine trotzdem nicht. “Es wäre Verrat – an mir selbst und an meinem Leuten”, so der Musiker im Gespräch mit DW-Moderatorin Karin Helmstaedt. Und es würde letztlich auch keinen Sinn machen, fährt Wine fort: “Die Tyrannen, die in einigen Ländern Afrikas herrschen, können dich in jedem Teil der Welt aufspüren und ermorden.” Dann wolle er lieber in seinem eigenen Land sterben: “So erspare ich meiner Familie wenigstens die Kosten, meinen Leichnam von wo auch immer zu transportieren und nach Hause zu bringen. Uganda ist das Land, in dem ich geboren wurde und in dem ich am Ende des Tages auch begraben werde.”

Gehen oder bleiben?  

Schriftstellerin Stella Gaitano aus dem Südsudan, dem Nachbarland Ugandas, ist den schwierigen Schritt ins Exil gegangen. Auch sie wurde politisch verfolgt und mehrfach verhaftet, nicht nur wegen ihrer Texte, in denen sie die Kriegstreiberei in ihrer Heimatregion anprangert, sondern auch für ihre Arbeit als Aktivistin. Die im Sudan geborene Autorin beteiligte sich unter anderem an Protesten gegen den ehemaligen Machthaber und Autokraten Omar al-Bashir, der 2019 durch das Militär gestürzt wurde. Und sie ist involviert in verschiedene NGOs, die Geflüchtete und Vertriebe mit Lebensmittelspenden versorgen – aber auch mit Büchern. “Veränderung kann nur durch Bildung kommen”, so Gaitano. “Zu träumen ist nicht genug; wir müssen hart daran arbeiten, unsere Länder besser zu machen.”

Gaitano hat ihre Kinder darauf vorbereitet, dass ihr womöglich etwas zustoßen könnte oder sie eines Tages würde fliehen müssen. “Das hat mich stark gemacht und das hat sie stark gemacht”, so die Autorin, die seit März 2022 als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms der Schriftstellervereinigung PEN im nordrheinwestfälischen Kamen lebt. Ihre drei Söhne sind noch im Sudan bei Gaitanos EX-Mann – sie warten derzeit auf ihre Visa. 

Auch Filmemacher Ike Nnaebue aus Nigeria wollte vor über 20 Jahren seine Heimat verlassen, um sein Glück in Europa zu suchen: “Ich wollte meiner Mutter und meinen Geschwistern helfen. Mein Vater starb, als ich zwei Jahre alt war.” In Mali traf Nnaebue allerdings auf einen Mann, der ihn umstimmte: “Was er mir über die Gefahren der Reise erzählte, schreckte mich ab. Natürlich wollte ich Geld machen, aber dazu musste ich auch am Leben bleiben.”

Mittlerweile ist Nnaebue ein gefeierter Filmemacher. Sein Dokumentarfilm “No U-Turn” (dt. “Lagos – Tanger: Reise ohne Rückfahrschein”), in dem er Migranten zu Wort kommen lässt, wurde in diesem Jahr bei der Berlinale als herausragende Leistung ausgezeichnet. “Als Künstler haben wir eine sehr große Verantwortung. Ein Teil unserer Arbeit besteht darin, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und ihr die Richtung zu zeigen, in die wir gehen sollten”, so Nnaebue im Gespräch mit der DW. “Unsere Aufgabe als Kreative aus Afrika, aus Westafrika und insbesondere aus Nigeria ist es zu zeigen, was möglich ist. Zu zeigen, dass die Menschen träumen können, egal wo sie sind.”

Es sei eine wunderbare Zeit, um Filmemacher in Nigeria zu sein, fährt Nnaebue fort. Man könne zum Beispiel das Smartphone nutzen, wodurch das Filmemachen viel leichter und zugänglicher geworden sei. Und die Menschen seien nun auch bereit für Geschichten, die mehr in die Tiefe gingen, nicht nur die üblichen Nollywood-Streifen [Nigerias lokale Filmszene, Anmerk.d.Red.], in denen es vor allem um Liebe und Geld ginge. “Sie wollen Geschichten über Helden des täglichen Lebens hören.” Zum Beispiel über eine Marktfrau, die ihr Leben lang gespart hat und so ihren Kindern das Jura- und Medizinstudium ermöglichen kann. “Wir ermutigen die Leute, diese Art von Geschichten zu erzählen, denn das sind die Geschichten, die die Magie der Menschen zeigen.”

Diese Magie fängt auch die kamerunische Fotografin Angèle Etoundi Essamba ein. “Ich wollte mit all den Stereotypen brechen, die sich um die Darstellung nicht nur von Afrika, sondern auch der afrikanischen Frau rankten”, so Essamba, deren Werke ab diesem Jahr in die permanente Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art aufgenommen werden. “Ich wollte mir den schwarzen weiblichen Körper wieder aneignen, zeigen, dass er ein Körper wie jeder andere Körper ist. Ein Körper, der Fragen stellt, der anprangert, der von Entfaltung, Verletzung, Zerbrechlichkeit, aber vor allem von Stärke und Widerstandsfähigkeit spricht.”

Essamba ist fest davon überzeugt, dass Kunst Veränderung bewirken kann. In den letzten 20 Jahren sei afrikanische Kunst immer gefragter geworden, was ganz klar auch den Künstlern zugute gekommen sei. Im Gegensatz zu früher müsse man nicht mehr unbedingt den afrikanischen Kontinent verlassen, um in der internationalen Kunstszene mitmischen zu können: “Das Wichtigste ist, dass die Werke der Künstler reisen.” 

Der britisch-nigerianische Fotograf Akinbode Akinbiyi sieht das ganz ähnlich: “Es ist eine gute Zeit für afrikanische Künstler. Auf dem Kontinent geht es wirklich voran.” Akinbiyi lebt schon seit vielen Jahren in Berlin. Er reist regelmäßig nach Afrika, um dort Workshops zu geben. Jungen Künstlerinnen und Künstler gibt er dann vor allem diesen Rat: “Ich betone immer wieder, dass man für das, was man tut, leidenschaftlich sein muss.”

An Leidenschaft fehlt es keinem der fünf Gäste, die für die DW-Diskussion zusammen gekommen waren. Trotz aller Hürden, sei es nun Zensur, Konflikte oder mangelnde finanzielle Möglichkeiten, sind sie alle davon überzeugt, dass sozialer Wandel auch dank der Kunst möglich ist. “Die Kunst ist eine sanfte Macht”, so Stella Gaitano. “Und deshalb haben sie [die Diktatoren, Anmerk. d. Red.] Angst vor der Kultur und der Kunst, weil sie das Bewusstsein der Menschen verändert, weil sie das Bewusstsein schärft.”

“Wir alle kämpfen für Veränderung”, fasst Angèle Etoundi Essamba zusammen. Wichtig sei vor allem, das man bei diesem Kampf fest zusammenstehe.

Bobi Wine wird von Polizisten verhaftet
Blick auf das DW-Panel.

“Die Freiheit kommt zu denen, die kämpfen, aber nicht zu denen, die weinen, denn je mehr du weinst, desto mehr stirbt dein Volk, also steh auf und verteidige deine Rechte…!” Mit diesen Zeilen aus seinem Lied “Time Bomb” eröffnete Bobi Wine am 21. Juni das Panel, zu dem die DW-Kulturredaktion anlässlich des alljährlich stattfindenden Global Media Forum eingeladen hatte. In seinem Heimatland könnte Wine dafür im Gefängnis landen. Seit 2018 ist Robert Ssentamu Kyagulanyi, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, in Uganda ein “abgeschaffter Künstler”: “Ich darf keine Konzerte geben und meine Musik darf nicht im Radio oder im Fernsehen gespielt werden”, erklärt er. 

Bobi Wine ist Ugandas Regierung ein Dorn im Auge. Seit 2017 ist er selbst politisch aktiv und hat Präsident Yoweri Museveni, der mittlerweile seit 36 Jahren regiert, den Kampf angesagt. 2021 trat er sogar als Präsidentschaftskandidat an – allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz: Wine wurde in den letzten Jahren immer wieder verhaftet und gefoltert. Nachdem er die Wahl verloren hatte, wurden er und seine Familie – Wine hat mit seiner Frau Barbara vier Kinder – monatelang unter Hausarrest gestellt. Dass er überhaupt noch lebt, liegt womöglich daran, dass die Regierung zumindest nach außen hin den Anschein wahren will, dass Opposition möglich ist. Dabei regiert Yoweri Museveni das Land autokratisch – unliebsame Gegner lässt er mundtot machen oder einfach verschwinden.  

Gehen oder bleiben?  

Sein Land verlassen möchte Wine trotzdem nicht. “Es wäre Verrat – an mir selbst und an meinem Leuten”, so der Musiker im Gespräch mit DW-Moderatorin Karin Helmstaedt. Und es würde letztlich auch keinen Sinn machen, fährt Wine fort: “Die Tyrannen, die in einigen Ländern Afrikas herrschen, können dich in jedem Teil der Welt aufspüren und ermorden.” Dann wolle er lieber in seinem eigenen Land sterben: “So erspare ich meiner Familie wenigstens die Kosten, meinen Leichnam von wo auch immer zu transportieren und nach Hause zu bringen. Uganda ist das Land, in dem ich geboren wurde und in dem ich am Ende des Tages auch begraben werde.”

Schriftstellerin Stella Gaitano aus dem Südsudan, dem Nachbarland Ugandas, ist den schwierigen Schritt ins Exil gegangen. Auch sie wurde politisch verfolgt und mehrfach verhaftet, nicht nur wegen ihrer Texte, in denen sie die Kriegstreiberei in ihrer Heimatregion anprangert, sondern auch für ihre Arbeit als Aktivistin. Die im Sudan geborene Autorin beteiligte sich unter anderem an Protesten gegen den ehemaligen Machthaber und Autokraten Omar al-Bashir, der 2019 durch das Militär gestürzt wurde. Und sie ist involviert in verschiedene NGOs, die Geflüchtete und Vertriebe mit Lebensmittelspenden versorgen – aber auch mit Büchern. “Veränderung kann nur durch Bildung kommen”, so Gaitano. “Zu träumen ist nicht genug; wir müssen hart daran arbeiten, unsere Länder besser zu machen.”

Gaitano hat ihre Kinder darauf vorbereitet, dass ihr womöglich etwas zustoßen könnte oder sie eines Tages würde fliehen müssen. “Das hat mich stark gemacht und das hat sie stark gemacht”, so die Autorin, die seit März 2022 als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms der Schriftstellervereinigung PEN im nordrheinwestfälischen Kamen lebt. Ihre drei Söhne sind noch im Sudan bei Gaitanos EX-Mann – sie warten derzeit auf ihre Visa. 

Auch Filmemacher Ike Nnaebue aus Nigeria wollte vor über 20 Jahren seine Heimat verlassen, um sein Glück in Europa zu suchen: “Ich wollte meiner Mutter und meinen Geschwistern helfen. Mein Vater starb, als ich zwei Jahre alt war.” In Mali traf Nnaebue allerdings auf einen Mann, der ihn umstimmte: “Was er mir über die Gefahren der Reise erzählte, schreckte mich ab. Natürlich wollte ich Geld machen, aber dazu musste ich auch am Leben bleiben.”

Kunstwerke auf Reisen

Mittlerweile ist Nnaebue ein gefeierter Filmemacher. Sein Dokumentarfilm “No U-Turn” (dt. “Lagos – Tanger: Reise ohne Rückfahrschein”), in dem er Migranten zu Wort kommen lässt, wurde in diesem Jahr bei der Berlinale als herausragende Leistung ausgezeichnet. “Als Künstler haben wir eine sehr große Verantwortung. Ein Teil unserer Arbeit besteht darin, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und ihr die Richtung zu zeigen, in die wir gehen sollten”, so Nnaebue im Gespräch mit der DW. “Unsere Aufgabe als Kreative aus Afrika, aus Westafrika und insbesondere aus Nigeria ist es zu zeigen, was möglich ist. Zu zeigen, dass die Menschen träumen können, egal wo sie sind.”

Gemeinsam für Veränderung

Es sei eine wunderbare Zeit, um Filmemacher in Nigeria zu sein, fährt Nnaebue fort. Man könne zum Beispiel das Smartphone nutzen, wodurch das Filmemachen viel leichter und zugänglicher geworden sei. Und die Menschen seien nun auch bereit für Geschichten, die mehr in die Tiefe gingen, nicht nur die üblichen Nollywood-Streifen [Nigerias lokale Filmszene, Anmerk.d.Red.], in denen es vor allem um Liebe und Geld ginge. “Sie wollen Geschichten über Helden des täglichen Lebens hören.” Zum Beispiel über eine Marktfrau, die ihr Leben lang gespart hat und so ihren Kindern das Jura- und Medizinstudium ermöglichen kann. “Wir ermutigen die Leute, diese Art von Geschichten zu erzählen, denn das sind die Geschichten, die die Magie der Menschen zeigen.”

Diese Magie fängt auch die kamerunische Fotografin Angèle Etoundi Essamba ein. “Ich wollte mit all den Stereotypen brechen, die sich um die Darstellung nicht nur von Afrika, sondern auch der afrikanischen Frau rankten”, so Essamba, deren Werke ab diesem Jahr in die permanente Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art aufgenommen werden. “Ich wollte mir den schwarzen weiblichen Körper wieder aneignen, zeigen, dass er ein Körper wie jeder andere Körper ist. Ein Körper, der Fragen stellt, der anprangert, der von Entfaltung, Verletzung, Zerbrechlichkeit, aber vor allem von Stärke und Widerstandsfähigkeit spricht.”

Essamba ist fest davon überzeugt, dass Kunst Veränderung bewirken kann. In den letzten 20 Jahren sei afrikanische Kunst immer gefragter geworden, was ganz klar auch den Künstlern zugute gekommen sei. Im Gegensatz zu früher müsse man nicht mehr unbedingt den afrikanischen Kontinent verlassen, um in der internationalen Kunstszene mitmischen zu können: “Das Wichtigste ist, dass die Werke der Künstler reisen.” 

Der britisch-nigerianische Fotograf Akinbode Akinbiyi sieht das ganz ähnlich: “Es ist eine gute Zeit für afrikanische Künstler. Auf dem Kontinent geht es wirklich voran.” Akinbiyi lebt schon seit vielen Jahren in Berlin. Er reist regelmäßig nach Afrika, um dort Workshops zu geben. Jungen Künstlerinnen und Künstler gibt er dann vor allem diesen Rat: “Ich betone immer wieder, dass man für das, was man tut, leidenschaftlich sein muss.”

An Leidenschaft fehlt es keinem der fünf Gäste, die für die DW-Diskussion zusammen gekommen waren. Trotz aller Hürden, sei es nun Zensur, Konflikte oder mangelnde finanzielle Möglichkeiten, sind sie alle davon überzeugt, dass sozialer Wandel auch dank der Kunst möglich ist. “Die Kunst ist eine sanfte Macht”, so Stella Gaitano. “Und deshalb haben sie [die Diktatoren, Anmerk. d. Red.] Angst vor der Kultur und der Kunst, weil sie das Bewusstsein der Menschen verändert, weil sie das Bewusstsein schärft.”

“Wir alle kämpfen für Veränderung”, fasst Angèle Etoundi Essamba zusammen. Wichtig sei vor allem, das man bei diesem Kampf fest zusammenstehe.

Ike Nnaebue im Gespräch mit DW-Moderatorin Karin Helmstaedt

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