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Peking 2022: “Keine gewöhnlichen Olympischen Spiele”

Caroline Bergmann, Davis Van Opdorp und Jonathan Crane haben für die DW aus Peking über die Olympischen Winterspiele berichtet. Hier schildern sie ihre Erlebnisse.

Wie habt ihr die Spiele in Peking erlebt?

Davis van Opdorp: Ich hatte das Glück, einige historische Leistungen und Momente der olympischen Geschichte zu erleben. Leider musste ich jedoch genauso viel Zeit mit Warten in der Corona-Blase verbringen, wie damit, den Sport live zu verfolgen. Ich sehne mich nach Olympischen Spielen ohne Pandemie.

Wie habt ihr die Spiele in Peking erlebt?

Caroline Bergmann: Es war sicherlich meine erste und hoffentlich auch letzte Erfahrung dieser Art. Die Logistik war sehr zeitaufwendig und machte es schwer, sich auf den Sport und die Geschichten drumherum zu konzentrieren. Ich habe die Spiele hauptsächlich im Fernsehen verfolgt. Es war interessant zu sehen, wie sie für ein lokales Publikum inszeniert wurden: mit Werbespots, in denen neue chinesische Wintersportstars vorgestellt wurden. Da ich nur mit wenigen Personen sprechen und nur wenig filmen konnte, fühlte ich mich eher als Außenseiterin denn als Teil der Olympischen Spiele.

Jonathan Crane: Diese Olympischen Spiele waren mit nichts zu vergleichen, was ich bisher erlebt habe, und wahrscheinlich werde ich es auch nie wieder so erleben. Von dem Moment an, als wir in Peking aus dem Flugzeug stiegen und von Menschen in Schutzanzügen begrüßt wurden, wusste ich, dass dies keine gewöhnlichen Spiele würden. Und sie wurden es auch nicht, obwohl ein weiterer russischer Dopingskandal für eine fast beruhigende Vertrautheit sorgte.

Was waren für euch persönlich Highlights und Tiefpunkte der Spiele?

Van Opdorp: Es war ein echtes Vergnügen, Ski-Freestyle-Star Eileen Gu beim Big-Air-Wettbewerb zuzusehen. Das war der Moment, in dem ich dachte: Jetzt bin ich bei den Olympischen Spielen angekommen. Ganz anders war es, das Drama um die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa mit eigenen Augen zu verfolgen. Mir war klar, dass aufgrund des Dopingskandals Millionen von Menschen nur darauf warteten, dass dieses 15 Jahre alte Mädchen scheiterte.

Bergmann: Obwohl ich in dieser hochgradig künstlichen und sterilen Umgebung nur wenig Kontakt zu Einheimischen hatte, freundete ich mich mit dem Hotelpersonal an. Das gab mir einen Einblick in den Alltag ganz normaler Menschen in China. Die fehlenden Medaillenzeremonien nach praktisch allen Wettkämpfen nahmen dem, was ich für einen wichtigen olympischen Moment halte, den Glanz.

Crane: Für mich ist es immer etwas Besonderes, wenn Großbritannien, mein Heimatland, Gold gewinnt. Diesmal musste ich bis zum letzten Tag warten, ehe das britische Curling-Team der Frauen den Olympiasieg schaffte. Die Anreise zu den Austragungsorten in den Bergen war extrem mühsam. Auf dem Weg zu Nathalie Geisenbergers Olympiasieg im Rodeln saß ich allein im Bus. Das spricht für sich.

Wie war das Leben in der Olympia-“Blase”?

Van Opdorp: Surreal, nachvollziehbar, zum Verrücktwerden. Es fühlte sich nicht wie Peking an, sondern wie eine dystopische Welt aus einer Science-Fiction-Kurzgeschichte des US-Autoren Kurt Vonnegut. Aber im Großen und Ganzen war ich in der Lage, meine Arbeit zu erledigen. Und ich muss einräumen, dass ich mich 22 Tage lang am wohl sichersten Ort der Welt vor dem Coronavirus befand.

Bergmann: Ich hatte ambivalente Gefühle gegenüber der Blase. Einerseits war ich beeindruckt, wie perfekt versiegelt sie war. Andererseits verwandelte sich dieses Gefühl schnell in Traurigkeit. Wir mussten uns mit einer neuen Normalität abfinden: Reinigungspersonal in Schutzanzügen, die ständige Anwesenheit von Wachleuten und Polizisten, überall hohe Zäune. Das alles deprimierte mich und gab mir das Gefühl, dass meine persönliche und journalistische Freiheit unterdrückt wurde. Der Preis war hoch, aber ich kann sagen: Wir waren vor dem Coronavirus sicher, was angesichts der weltweiten Pandemie unbezahlbar ist.

Crane: Am Anfang war es beunruhigend, aber ich war überrascht, wie schnell ich mich daran gewöhnte. Die täglichen Coronavirus-Tests verliefen reibungsloser, als ich erwartet hatte. Einmal stand ich im Olympiapark, starrte auf die Seite jenseits der Blase und stellte mir vor, wie Steve McQueen im Film “Gesprengte Ketten” einfach auszubrechen. Aber mir fehlte dazu ein Motorrad, zudem schreckten mich fünf kräftige Wachleute ab, die mich auf Schritt und Tritt beobachteten.

Hätten die Winterspiele 2022 in Peking überhaupt stattfinden sollen? Was ist ihr Vermächtnis?

Van Opdorp: Die Argumente gegen die Spiele in Peking waren nachvollziehbar, doch die Diskussion kam zu spät. Schließlich wurden die Winterspiele bereits 2016 vergeben. Ich denke, dass sich mehr Menschen mit den mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen und dem autoritären System Chinas befasst haben, als wenn die Spiele Peking weggenommen worden wären. Aber das IOC kann sich nicht hinter seiner Politik der politischen Neutralität verstecken und die Athleten ständig in unangenehme moralische Positionen bringen.

Bergmann: Die Olympischen Spiele sind in Zeiten des Klimawandels und gesellschaftspolitischer Ungleichheiten nicht zukunftsfähig. Peking war der erste Austragungsort von Sommer- und Winterspielen, beide liefen nach außen hin “perfekt” ab. Aber allein das surreale Bild der Ski-Freestyle-Schanze inmitten eines Industriegebietes wirft Fragen nach der Plausibilität und Nachhaltigkeit künftiger Olympischer Spiele auf.

Crane: Trotz aller Kontroversen hat es Peking geschafft, die Spiele durchzuziehen: Die Blase hat letztendlich funktioniert. Leider glaube ich nicht, dass dies etwas an der Menschenrechtslage in China ändern wird. Aber ich würde mir wünschen, dass sich das IOC künftig zweimal überlegt, ob es in solche Länder zurückkehrt. Die bevorstehenden Olympischen Spiele in Paris, Mailand/Cortina d’Ampezzo und Los Angeles sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das IOC unter dem Deckmantel der “politischen Neutralität” den Profit über das Leben der Menschen gestellt hat.

Peking 2022: Corona-Helfer in Schutzmontur

Wie habt ihr die Spiele in Peking erlebt?

Davis van Opdorp: Ich hatte das Glück, einige historische Leistungen und Momente der olympischen Geschichte zu erleben. Leider musste ich jedoch genauso viel Zeit mit Warten in der Corona-Blase verbringen, wie damit, den Sport live zu verfolgen. Ich sehne mich nach Olympischen Spielen ohne Pandemie.

Caroline Bergmann: Es war sicherlich meine erste und hoffentlich auch letzte Erfahrung dieser Art. Die Logistik war sehr zeitaufwendig und machte es schwer, sich auf den Sport und die Geschichten drumherum zu konzentrieren. Ich habe die Spiele hauptsächlich im Fernsehen verfolgt. Es war interessant zu sehen, wie sie für ein lokales Publikum inszeniert wurden: mit Werbespots, in denen neue chinesische Wintersportstars vorgestellt wurden. Da ich nur mit wenigen Personen sprechen und nur wenig filmen konnte, fühlte ich mich eher als Außenseiterin denn als Teil der Olympischen Spiele.

Jonathan Crane: Diese Olympischen Spiele waren mit nichts zu vergleichen, was ich bisher erlebt habe, und wahrscheinlich werde ich es auch nie wieder so erleben. Von dem Moment an, als wir in Peking aus dem Flugzeug stiegen und von Menschen in Schutzanzügen begrüßt wurden, wusste ich, dass dies keine gewöhnlichen Spiele würden. Und sie wurden es auch nicht, obwohl ein weiterer russischer Dopingskandal für eine fast beruhigende Vertrautheit sorgte.

Was waren für euch persönlich Highlights und Tiefpunkte der Spiele?

Van Opdorp: Es war ein echtes Vergnügen, Ski-Freestyle-Star Eileen Gu beim Big-Air-Wettbewerb zuzusehen. Das war der Moment, in dem ich dachte: Jetzt bin ich bei den Olympischen Spielen angekommen. Ganz anders war es, das Drama um die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa mit eigenen Augen zu verfolgen. Mir war klar, dass aufgrund des Dopingskandals Millionen von Menschen nur darauf warteten, dass dieses 15 Jahre alte Mädchen scheiterte.

Bergmann: Obwohl ich in dieser hochgradig künstlichen und sterilen Umgebung nur wenig Kontakt zu Einheimischen hatte, freundete ich mich mit dem Hotelpersonal an. Das gab mir einen Einblick in den Alltag ganz normaler Menschen in China. Die fehlenden Medaillenzeremonien nach praktisch allen Wettkämpfen nahmen dem, was ich für einen wichtigen olympischen Moment halte, den Glanz.

Crane: Für mich ist es immer etwas Besonderes, wenn Großbritannien, mein Heimatland, Gold gewinnt. Diesmal musste ich bis zum letzten Tag warten, ehe das britische Curling-Team der Frauen den Olympiasieg schaffte. Die Anreise zu den Austragungsorten in den Bergen war extrem mühsam. Auf dem Weg zu Nathalie Geisenbergers Olympiasieg im Rodeln saß ich allein im Bus. Das spricht für sich.

Wie war das Leben in der Olympia-“Blase”?

Van Opdorp: Surreal, nachvollziehbar, zum Verrücktwerden. Es fühlte sich nicht wie Peking an, sondern wie eine dystopische Welt aus einer Science-Fiction-Kurzgeschichte des US-Autoren Kurt Vonnegut. Aber im Großen und Ganzen war ich in der Lage, meine Arbeit zu erledigen. Und ich muss einräumen, dass ich mich 22 Tage lang am wohl sichersten Ort der Welt vor dem Coronavirus befand.

Bergmann: Ich hatte ambivalente Gefühle gegenüber der Blase. Einerseits war ich beeindruckt, wie perfekt versiegelt sie war. Andererseits verwandelte sich dieses Gefühl schnell in Traurigkeit. Wir mussten uns mit einer neuen Normalität abfinden: Reinigungspersonal in Schutzanzügen, die ständige Anwesenheit von Wachleuten und Polizisten, überall hohe Zäune. Das alles deprimierte mich und gab mir das Gefühl, dass meine persönliche und journalistische Freiheit unterdrückt wurde. Der Preis war hoch, aber ich kann sagen: Wir waren vor dem Coronavirus sicher, was angesichts der weltweiten Pandemie unbezahlbar ist.

Crane: Am Anfang war es beunruhigend, aber ich war überrascht, wie schnell ich mich daran gewöhnte. Die täglichen Coronavirus-Tests verliefen reibungsloser, als ich erwartet hatte. Einmal stand ich im Olympiapark, starrte auf die Seite jenseits der Blase und stellte mir vor, wie Steve McQueen im Film “Gesprengte Ketten” einfach auszubrechen. Aber mir fehlte dazu ein Motorrad, zudem schreckten mich fünf kräftige Wachleute ab, die mich auf Schritt und Tritt beobachteten.

Hätten die Winterspiele 2022 in Peking überhaupt stattfinden sollen? Was ist ihr Vermächtnis?

Van Opdorp: Die Argumente gegen die Spiele in Peking waren nachvollziehbar, doch die Diskussion kam zu spät. Schließlich wurden die Winterspiele bereits 2016 vergeben. Ich denke, dass sich mehr Menschen mit den mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen und dem autoritären System Chinas befasst haben, als wenn die Spiele Peking weggenommen worden wären. Aber das IOC kann sich nicht hinter seiner Politik der politischen Neutralität verstecken und die Athleten ständig in unangenehme moralische Positionen bringen.

Freestyle-Sprungschanze im Industriegebiet in Peking

Bergmann: Die Olympischen Spiele sind in Zeiten des Klimawandels und gesellschaftspolitischer Ungleichheiten nicht zukunftsfähig. Peking war der erste Austragungsort von Sommer- und Winterspielen, beide liefen nach außen hin “perfekt” ab. Aber allein das surreale Bild der Ski-Freestyle-Schanze inmitten eines Industriegebietes wirft Fragen nach der Plausibilität und Nachhaltigkeit künftiger Olympischer Spiele auf.

Crane: Trotz aller Kontroversen hat es Peking geschafft, die Spiele durchzuziehen: Die Blase hat letztendlich funktioniert. Leider glaube ich nicht, dass dies etwas an der Menschenrechtslage in China ändern wird. Aber ich würde mir wünschen, dass sich das IOC künftig zweimal überlegt, ob es in solche Länder zurückkehrt. Die bevorstehenden Olympischen Spiele in Paris, Mailand/Cortina d’Ampezzo und Los Angeles sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das IOC unter dem Deckmantel der “politischen Neutralität” den Profit über das Leben der Menschen gestellt hat.

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