Deutschland

Bäcker vor dem Aus? Ein Biobäcker trotzt der Krise

Unter den explodierenden Kosten für Strom, Gas und Getreide ächzen auch Deutschlands Bäcker, für einige ist die Existenz gefährdet. Krisensicher: voraussichtlich nur große Ketten und Spezialisten wie Max Kugel in Bonn.

Wer das vielleicht beliebteste Brot in Bonn kaufen will, der muss eine Menge Zeit einplanen – die Schlange geht zuweilen bis zur nächsten Kreuzung. Das Föhrer Weißbrot, Schwarzbrot und Roggenvollkorn gibt es auch nur fünf Tage in der Woche. Und die Preise sind stolz: das Weizenvollkorn kostet seit einem Monat 80 Cent mehr, nun 6,60 Euro. Rund zwei Euro mehr als bei der Konkurrenz.

Doch Max Kugels Kunden in der gut situierten Bonner Südstadt geben sich weiterhin die Klinke in die Hand, so, als ob es den Ukraine-Krieg, gesalzene Strom- und Gasrechnungen und Sorgen vor dem Herbst und Winter gar nicht geben würde. Der 32-jährige Gründer der hippen Bäckerei wundert sich selbst ein wenig: “Ich rechne bei Preiserhöhungen immer mit Umsatzverlust, aber wir hatten keinen geringeren Absatz. Es war eher überraschend, dass wir immer noch sehr gut Brot verkauft haben.”

Wer das vielleicht beliebteste Brot in Bonn kaufen will, der muss eine Menge Zeit einplanen – die Schlange geht zuweilen bis zur nächsten Kreuzung. Das Föhrer Weißbrot, Schwarzbrot und Roggenvollkorn gibt es auch nur fünf Tage in der Woche. Und die Preise sind stolz: das Weizenvollkorn kostet seit einem Monat 80 Cent mehr, nun 6,60 Euro. Rund zwei Euro mehr als bei der Konkurrenz.

Riesige verbrauchsintensive Backöfen, die mit Strom und Gas betrieben werden. Preise für Mehl und Getreide, die durch die Decke schießen. Und dann noch der knallharte Wettbewerb mit den vielen Discountern und großen Ketten. 

Nur zehn Brotsorten, aber für jeden etwas dabei

Ausgerechnet in Deutschland, wo das Brot zum Kulturgut gehört wie Goethe, Fußball oder Mercedes-Benz, droht ein Bäckereisterben, viele Firmen fordern bereits einen Rettungsschirm der Regierung. “Die Zukunft der Branche wird so sein: entweder ganz groß oder ganz klein”, sagt Kugel.

Der umtriebige Brotbäcker zählt sich selbst zu den Kleinen mit den acht Angestellten und fünf Aushilfen am Backofen und im Verkauf, wobei er mit seinem Konzept sicherlich das Zeug dazu hätte, zu expandieren. “Da wo’s nur Brot gibt” ist der Slogan seines Betriebs, das auch auf jeder der weißen Verpackungstüten prangt.

Jeden Tag zehn Sorten ohne Konservierungsstoffe und Backmischungen, keine Brötchen, keinen Kuchen, keine Croissants. Sein Geschäftsmodell: aufs Wesentliche konzentrieren, nicht verzetteln, weniger ist mehr.

“Diese Fokussierung ist für mich das Erfolgsrezept. Für die, die in der Mitte so mitschwimmen, wird es schwierig”, sagt Kugel. “Auch die kleinen Bäcker, der Bäcker im Dorf, der für die Frau Müller noch ein Brot mit Kümmel macht und für die Frau Schmidt dann noch ein paar Sonnenblumenkerne darunter macht: Das ist einfach so ein Wurschteln, was wir so in den 80er und 90er angefangen haben und in vielen Bäckereien noch drinsteckt.”

Kugel düste in jenen Jahren mit dem Bobbycar durch die elterliche Backstube, hat dort auch später ganz klassisch die Ausbildung absolviert, sein Leben war vorgezeichnet: Irgendwann sollte er die Bäckerei seiner Eltern übernehmen. Doch Reisen in verschiedene Länder und Bäckereien zeigten ihm: Es geht auch anders. 2017 ging er mit 200.000 Euro Startkapital ins Risiko. Heute, fünf Jahre später, fühlt er sich krisenfest.

“Ich habe die Größe, um besser reagieren zu können, und das ist ein sehr beruhigendes Gefühl. Mit einem Laden können wir viel mehr spielen, wir lassen eine Brotsorte mal weg und erhöhen die anderen ein bisschen. Hätte ich jetzt fünf, zehn oder 20 Läden, hätte ich ein Problem, das ich nicht bewältigen könnte.”

Es ist nicht so, dass die gestiegenen Energie- und Getreidepreise Kugel keine Kopfschmerzen bereiten würden. Ende des Monats wird die Jahresabrechnung für Strom in Briefkasten liegen, mit voraussichtlich exorbitant gestiegenen Abschlagszahlungen für den Elektro-Ofen.

Der Jungunternehmer hat sich deswegen vorausschauend vor vier Wochen für eine Preiserhöhung entschieden, erst die zweite seit der Gründung. Schließlich sind da ja auch noch die Aufschläge für Roggen, Weizen und Dinkel, aber auch für Saatgut wie Sonnenblumen- oder Kürbiskerne.

“Wir sind zwar nicht von dem konventionellen Mehl abhängig, das oft in der Ukraine angebaut wird, weil wir das Getreide aus Deutschland beziehen. Aber hier in Deutschland haben alle Landwirte ihr Getreide erstmal zurückgehalten und gewartet, bis der Rohstoffpreis an der Börse hochging. Und dann erst haben sie das Getreide freigegeben zu den Mühlen.”

Knapp 10.000 Bäckereien gibt es in Deutschland, mit einem Gesamtumsatz von beinahe 15 Milliarden Euro bilden sie einen durchaus bedeutenden Handwerkszweig. Im Land der Brotliebhaber konsumiert jeder Haushalt pro Jahr durchschnittlich 56 Kilogramm Brot und Backwaren, heißt es stolz beim Zentralverband.

Mitte August aber schlug der Verband Alarm und ließ verkünden: “Im Gegensatz zu anderen Branchen und Privathaushalten kann das Bäckerhandwerk kaum Energie sparen. Wir fordern daher eindringlich konkrete Hilfen der Bundesregierung – ohne ein Rettungspaket für unsere Betriebe wird es mit der Gasumlage ab Herbst nicht gehen!”

Doch wenn Kugel hört, dass jetzt der Staat der kriselnden Branche unter die Arme greifen soll, schüttelt er mit dem Kopf. Und geht mit seiner Branche hart ins Gericht.

“Wir Bäcker sind immer ganz vorne mit dabei, wenn es ums Jammern geht. Die anderen haben doch auch die Probleme, der Privatmann, die Restaurants, die Metzgereien. Wir Bäcker hatten zwei Jahre während Corona durchweg geöffnet, weil wir systemrelevant waren, die Restaurants nicht, das heißt, die mussten alle schon an ihre Reserven ran. Natürlich haben wir einen sehr intensiven Energieverbrauch, das ist gar keine Frage. Aber für mich ist das Klagen der Bäcker völlig überzogen.”

Max Kugel ist überzeugt: Jeder Bäcker, der jetzt in die Insolvenz schlittere, habe schon vorher Probleme gehabt und etwas falsch gemacht. Zum Beispiel schon vor dem Ukraine-Krieg unabhängiger von russischem Gas zu werden, mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, einer Wärmepumpe im Keller, mit Abwärme von den Backöfen, die für den Warmwasserverbrauch in der Backstube benutzt wird.

Vielleicht sieht man just in der Bonner Südstadt wie unter einem Brennglas die Zukunft der deutschen Bäckereien: Spezialisten wie Kugel für Brotliebhaber, die für eine hohe Qualität jede Preiserhöhung mitmachen. Und zwei Lokale weiter die Bäckerkette mit Preisen für Otto Normalverbraucher, am Donnerstagmittag für die vielen Schülerinnen und Schüler des angrenzenden Gymnasiums.

Wie Max Kugel in diesen harten Zeiten für Bäcker an seiner Zukunft baut? “Der Krise trotzen, weiter so fokussiert bleiben wie bisher. Und sich auch bewusst machen, dass so ein kleines Unternehmen wirklich ein großes Glück sein kann.”

Brote beim Bonner Bäcker Max Kugel
Bonn Bäckerei Max Kugel
Brot Bäckerei Max Kugel

Wer das vielleicht beliebteste Brot in Bonn kaufen will, der muss eine Menge Zeit einplanen – die Schlange geht zuweilen bis zur nächsten Kreuzung. Das Föhrer Weißbrot, Schwarzbrot und Roggenvollkorn gibt es auch nur fünf Tage in der Woche. Und die Preise sind stolz: das Weizenvollkorn kostet seit einem Monat 80 Cent mehr, nun 6,60 Euro. Rund zwei Euro mehr als bei der Konkurrenz.

Doch Max Kugels Kunden in der gut situierten Bonner Südstadt geben sich weiterhin die Klinke in die Hand, so, als ob es den Ukraine-Krieg, gesalzene Strom- und Gasrechnungen und Sorgen vor dem Herbst und Winter gar nicht geben würde. Der 32-jährige Gründer der hippen Bäckerei wundert sich selbst ein wenig: “Ich rechne bei Preiserhöhungen immer mit Umsatzverlust, aber wir hatten keinen geringeren Absatz. Es war eher überraschend, dass wir immer noch sehr gut Brot verkauft haben.”

Nur zehn Brotsorten, aber für jeden etwas dabei

Riesige verbrauchsintensive Backöfen, die mit Strom und Gas betrieben werden. Preise für Mehl und Getreide, die durch die Decke schießen. Und dann noch der knallharte Wettbewerb mit den vielen Discountern und großen Ketten. 

Ausgerechnet in Deutschland, wo das Brot zum Kulturgut gehört wie Goethe, Fußball oder Mercedes-Benz, droht ein Bäckereisterben, viele Firmen fordern bereits einen Rettungsschirm der Regierung. “Die Zukunft der Branche wird so sein: entweder ganz groß oder ganz klein”, sagt Kugel.

Der umtriebige Brotbäcker zählt sich selbst zu den Kleinen mit den acht Angestellten und fünf Aushilfen am Backofen und im Verkauf, wobei er mit seinem Konzept sicherlich das Zeug dazu hätte, zu expandieren. “Da wo’s nur Brot gibt” ist der Slogan seines Betriebs, das auch auf jeder der weißen Verpackungstüten prangt.

Jeden Tag zehn Sorten ohne Konservierungsstoffe und Backmischungen, keine Brötchen, keinen Kuchen, keine Croissants. Sein Geschäftsmodell: aufs Wesentliche konzentrieren, nicht verzetteln, weniger ist mehr.

In der Bäckerei der Eltern groß geworden

“Diese Fokussierung ist für mich das Erfolgsrezept. Für die, die in der Mitte so mitschwimmen, wird es schwierig”, sagt Kugel. “Auch die kleinen Bäcker, der Bäcker im Dorf, der für die Frau Müller noch ein Brot mit Kümmel macht und für die Frau Schmidt dann noch ein paar Sonnenblumenkerne darunter macht: Das ist einfach so ein Wurschteln, was wir so in den 80er und 90er angefangen haben und in vielen Bäckereien noch drinsteckt.”

Getreidepreise schießen in die Höhe

Kugel düste in jenen Jahren mit dem Bobbycar durch die elterliche Backstube, hat dort auch später ganz klassisch die Ausbildung absolviert, sein Leben war vorgezeichnet: Irgendwann sollte er die Bäckerei seiner Eltern übernehmen. Doch Reisen in verschiedene Länder und Bäckereien zeigten ihm: Es geht auch anders. 2017 ging er mit 200.000 Euro Startkapital ins Risiko. Heute, fünf Jahre später, fühlt er sich krisenfest.

“Ich habe die Größe, um besser reagieren zu können, und das ist ein sehr beruhigendes Gefühl. Mit einem Laden können wir viel mehr spielen, wir lassen eine Brotsorte mal weg und erhöhen die anderen ein bisschen. Hätte ich jetzt fünf, zehn oder 20 Läden, hätte ich ein Problem, das ich nicht bewältigen könnte.”

Es ist nicht so, dass die gestiegenen Energie- und Getreidepreise Kugel keine Kopfschmerzen bereiten würden. Ende des Monats wird die Jahresabrechnung für Strom in Briefkasten liegen, mit voraussichtlich exorbitant gestiegenen Abschlagszahlungen für den Elektro-Ofen.

Staatshilfen für die Bäckereien?

Der Jungunternehmer hat sich deswegen vorausschauend vor vier Wochen für eine Preiserhöhung entschieden, erst die zweite seit der Gründung. Schließlich sind da ja auch noch die Aufschläge für Roggen, Weizen und Dinkel, aber auch für Saatgut wie Sonnenblumen- oder Kürbiskerne.

“Wir sind zwar nicht von dem konventionellen Mehl abhängig, das oft in der Ukraine angebaut wird, weil wir das Getreide aus Deutschland beziehen. Aber hier in Deutschland haben alle Landwirte ihr Getreide erstmal zurückgehalten und gewartet, bis der Rohstoffpreis an der Börse hochging. Und dann erst haben sie das Getreide freigegeben zu den Mühlen.”

Erneuerbare Energien für die Backstube 

Knapp 10.000 Bäckereien gibt es in Deutschland, mit einem Gesamtumsatz von beinahe 15 Milliarden Euro bilden sie einen durchaus bedeutenden Handwerkszweig. Im Land der Brotliebhaber konsumiert jeder Haushalt pro Jahr durchschnittlich 56 Kilogramm Brot und Backwaren, heißt es stolz beim Zentralverband.

Mitte August aber schlug der Verband Alarm und ließ verkünden: “Im Gegensatz zu anderen Branchen und Privathaushalten kann das Bäckerhandwerk kaum Energie sparen. Wir fordern daher eindringlich konkrete Hilfen der Bundesregierung – ohne ein Rettungspaket für unsere Betriebe wird es mit der Gasumlage ab Herbst nicht gehen!”

Doch wenn Kugel hört, dass jetzt der Staat der kriselnden Branche unter die Arme greifen soll, schüttelt er mit dem Kopf. Und geht mit seiner Branche hart ins Gericht.

“Wir Bäcker sind immer ganz vorne mit dabei, wenn es ums Jammern geht. Die anderen haben doch auch die Probleme, der Privatmann, die Restaurants, die Metzgereien. Wir Bäcker hatten zwei Jahre während Corona durchweg geöffnet, weil wir systemrelevant waren, die Restaurants nicht, das heißt, die mussten alle schon an ihre Reserven ran. Natürlich haben wir einen sehr intensiven Energieverbrauch, das ist gar keine Frage. Aber für mich ist das Klagen der Bäcker völlig überzogen.”

Max Kugel ist überzeugt: Jeder Bäcker, der jetzt in die Insolvenz schlittere, habe schon vorher Probleme gehabt und etwas falsch gemacht. Zum Beispiel schon vor dem Ukraine-Krieg unabhängiger von russischem Gas zu werden, mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, einer Wärmepumpe im Keller, mit Abwärme von den Backöfen, die für den Warmwasserverbrauch in der Backstube benutzt wird.

Vielleicht sieht man just in der Bonner Südstadt wie unter einem Brennglas die Zukunft der deutschen Bäckereien: Spezialisten wie Kugel für Brotliebhaber, die für eine hohe Qualität jede Preiserhöhung mitmachen. Und zwei Lokale weiter die Bäckerkette mit Preisen für Otto Normalverbraucher, am Donnerstagmittag für die vielen Schülerinnen und Schüler des angrenzenden Gymnasiums.

Wie Max Kugel in diesen harten Zeiten für Bäcker an seiner Zukunft baut? “Der Krise trotzen, weiter so fokussiert bleiben wie bisher. Und sich auch bewusst machen, dass so ein kleines Unternehmen wirklich ein großes Glück sein kann.”

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