“Ich lebe in meinen Songs”: Bonos Memoiren “Surrender”
In seiner Autobiografie nimmt U2-Sänger Bono seine Leserschaft mit auf eine Zeitreise. Der Rockstar und Aktivist beschreibt sein Leben in 40 Songs und Illustrationen.
Bücher, die Erinnerungen an bestimmte Sounds heraufbeschwören, haben für Musikfans eine gewisse Faszination. Lassen sie doch die Stimmungen einer Zeit wieder aufleben, als wir diese Lieder rauf- und runter hörten.
In seiner Autobiografie “Surrender” (Kapitulation) öffnet der U2-Sänger Bono die Tür zu seinen eigenen Erinnerungen – mit einem quasi mitgelieferten Soundtrack: Bono schreibt nicht in Kapiteln – sondern in 40 Songs. Darunter die größten U2-Hits von “Sunday Bloody Sunday” und “I Still Haven’t Found What I’m Looking For” bis hin zu “Pride” und “One”. Die Idee, ein Leben in Songs zu packen, ist erfrischender als ein Lebenslauf, in dem Stationen chronologisch abgearbeitet werden. Sie lässt zu, dass der Autor in seinem Erinnerungsschatz herumreist – und dabei immer wieder durch die Zeit springt.
Bücher, die Erinnerungen an bestimmte Sounds heraufbeschwören, haben für Musikfans eine gewisse Faszination. Lassen sie doch die Stimmungen einer Zeit wieder aufleben, als wir diese Lieder rauf- und runter hörten.
In den ersten Kapiteln/Songs des Buches erinnert sich Bono an seine Kindheit und Jugend. Paul David Hewson, Jahrgang 1960, wurde in Dublin geboren und wächst in einer protestantisch-katholischen Familie auf – mit einem Opern singenden Vater, einer fröhlich-pragmatischen Mutter und einem sieben Jahre älteren Bruder. Als Bono 14 Jahre alt ist, stirbt seine Mutter Iris an einem Aneurysma. Erst 40 Jahre später wird er einen Song über sie schreiben: “Iris”.
Tiefer Einschnitt: Der Verlust der Mutter
Bono beschreibt darin, wie er, sein Bruder und sein Vater nach Iris’ Tod kaum zurechtkommen, wie der Männerhaushalt an dem Verlust fast zerbricht. Wie er immer wieder versucht, von seinem Vater gesehen zu werden. Wie sehr ihn Musik fasziniert. Wie Freundschaften entstehen. Zwischen Nachbarsjungen, in der Schule, mit Mädchen. Sein bester Freund verpasst ihm den Namen “Bono” – ursprünglich Bono Vox – schöne, starke Stimme.
Und dann treffen sich im Jahr 1976 vier Jungs im Alter von 15 und 16 Jahren nach der Schule in der Küche von Larry Mullen. Der hatte einen Aushang in der Schule gemacht: “Drummer sucht Musiker für eine Band”.
Bono, Adam Clayton und David Evans stopfen die Küche mit ihren Verstärkern und Boxen voll, kloppen sich die Seele aus dem Leib, und Larry kloppt am lautesten – Bono schreibt: “Es war eine herrliche Gewalt, (…) dieser Zimmerdonner, dachte ich, lässt das Haus zusammenkrachen.”
Über den Bassisten Adam Clayton sagt Bono: “Er spielte keine einzige Note an der richtigen Stelle oder in der richtigen Tonart. Was letztendlich keine Rolle spielte. 1976, als der Rockmusik durch Punk der Turbo verpasst wurde, war Adam der Geist des Rock’n ‘Roll.”
Für den Gitarristen David Evans, der später “The Edge” heißen wird, findet Bono bewundernde und poetische Worte: “Edge ist die Stille in jedem Geräusch. Er ist das Licht in der Farbe.”
Wenn Bono in Zeitsprüngen über die Entstehungsgeschichte von U2 schreibt, gibt es einiges zu lachen. Etwa wenn er beschreibt, wie sie sich recht erfolglos an Coverversionen von Beatles-, Beach Boys- oder Bob Dylan-Songs versuchen und sich schließlich der Realität stellen: “Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass wir als U2 angefangen haben, unsere eigenen Stücke zu schreiben, weil wir die Songs anderer Bands nicht spielen konnten.”
Diese “Babyschritte einer Babyband” seien ein ziemliches Chaos gewesen, bekennt Bono. Für ihn aber war es, wie neu geboren zu werden: “Der Punkrock hat mir einen Klaps auf den nackten Arsch gegeben, und ich habe angefangen zu schreien.”
Bono erzählt seine Geschichte und die seiner Band zwar in Songs, aber die einzelnen Sequenzen sind weit davon entfernt, “Making ofs” zu sein. So beschreibt Bono im Kapitel “Sunday Bloody Sunday” vor allem, was dieser Protestsong gegen das Blutvergießen im Nordirlandkonflikt aus U2 gemacht hat.
In “With Or Without You” sinniert er über seine Frau Ali, mit der er seit der Highschool-Zeit zusammen ist. Und spricht dabei auch die Eheprobleme an, die das Leben mit einem Popstar mit sich bringen. Ihr hat er dieses Buch gewidmet.
In “One” geht es nach Berlin. Man schreibt das Jahr 1990, U2 ist mittlerweile eine der erfolgreichsten Bands der Welt. In den Berliner Hansa-Studios suchen sie nach den Geistern ihrer Helden, Iggy Pop, David Bowie oder Nick Cavehaben hier schon Songs produziert. Während der Aufnahmen zum Album “Achtung Baby” macht die Band eine tiefe Sinnkrise durch. Der Song “One” habe die Band gerettet, schreibt Bono, denn alle hätten gemerkt, dass sie ohne einander kein Ganzes sind. “Wir haben den Song geschrieben, weil wir ihn hören wollten.”
In “Pride” beschreibt Bono, wie er kurz vor der Jahrtausendwende die Großen der Welt von der Idee der Jubilee-Bewegung (die sich dafür einsetzt, dass die reichsten Länder der Erde den ärmsten ihre Schulden erlassen) überzeugen will – und es schließlich schafft, selbst die US-Regierung dafür zu gewinnen.
“Surrender” widmet sich in großen Teilen Bonos Aktivismus und den zahlreichen Treffen mit Leuten wie Steve Jobs, Barack Obama oder Bill Gates. Bonos Kritiker halten sein politisches Engagement für unglaubwürdig, prangern seine öffentlichen Auftritte mit namhaften Politikern an und bezeichnen ihn gar als “Maskottchen der Mächtigen” (Zitat aus dem Wochenmagazin “Der Spiegel”).
Auch Bonos Umgang mit Investments und Steuergeldern wird oft kritisiert. Bono aber kennt die Argumente seiner Kritiker und nimmt ihnen den Wind aus den Segeln – mit Sätzen wie: “Ich kann es auch schon mal übertreiben, wenn ich für das eintrete, woran ich glaube, und das kann auch sehr ermüdend sein.” Für die 2014er-Aktion mit Apple, als das Album “Songs Of Innocence” ungefragt auf jedes iPhone dieser Erde gespielt wurde, entschuldigt er sich sogar.
Bono-Fans werden das Buch feiern. Auch wenn er den Kosmos Bono nicht verlässt und sich um sich selbst kreist, dabei auch mal einen schwülstig-naiven Ton anschlägt. Dafür ist er Bono, der Emotionsmensch, der seiner Leserschaft einen Einblick in seine Seelenwelt gibt, in seine Welt aus Glaube, Poesie, Musik und Liebe.
Tipp: Vor dem Lesen unbedingt die Songs zu einer Playlist zusammenstellen und vor oder während jedes Kapitels den Song hören.
Bücher, die Erinnerungen an bestimmte Sounds heraufbeschwören, haben für Musikfans eine gewisse Faszination. Lassen sie doch die Stimmungen einer Zeit wieder aufleben, als wir diese Lieder rauf- und runter hörten.
In seiner Autobiografie “Surrender” (Kapitulation) öffnet der U2-Sänger Bono die Tür zu seinen eigenen Erinnerungen – mit einem quasi mitgelieferten Soundtrack: Bono schreibt nicht in Kapiteln – sondern in 40 Songs. Darunter die größten U2-Hits von “Sunday Bloody Sunday” und “I Still Haven’t Found What I’m Looking For” bis hin zu “Pride” und “One”. Die Idee, ein Leben in Songs zu packen, ist erfrischender als ein Lebenslauf, in dem Stationen chronologisch abgearbeitet werden. Sie lässt zu, dass der Autor in seinem Erinnerungsschatz herumreist – und dabei immer wieder durch die Zeit springt.
Tiefer Einschnitt: Der Verlust der Mutter
In den ersten Kapiteln/Songs des Buches erinnert sich Bono an seine Kindheit und Jugend. Paul David Hewson, Jahrgang 1960, wurde in Dublin geboren und wächst in einer protestantisch-katholischen Familie auf – mit einem Opern singenden Vater, einer fröhlich-pragmatischen Mutter und einem sieben Jahre älteren Bruder. Als Bono 14 Jahre alt ist, stirbt seine Mutter Iris an einem Aneurysma. Erst 40 Jahre später wird er einen Song über sie schreiben: “Iris”.
Bono beschreibt darin, wie er, sein Bruder und sein Vater nach Iris’ Tod kaum zurechtkommen, wie der Männerhaushalt an dem Verlust fast zerbricht. Wie er immer wieder versucht, von seinem Vater gesehen zu werden. Wie sehr ihn Musik fasziniert. Wie Freundschaften entstehen. Zwischen Nachbarsjungen, in der Schule, mit Mädchen. Sein bester Freund verpasst ihm den Namen “Bono” – ursprünglich Bono Vox – schöne, starke Stimme.
Und dann treffen sich im Jahr 1976 vier Jungs im Alter von 15 und 16 Jahren nach der Schule in der Küche von Larry Mullen. Der hatte einen Aushang in der Schule gemacht: “Drummer sucht Musiker für eine Band”.
Bono, Adam Clayton und David Evans stopfen die Küche mit ihren Verstärkern und Boxen voll, kloppen sich die Seele aus dem Leib, und Larry kloppt am lautesten – Bono schreibt: “Es war eine herrliche Gewalt, (…) dieser Zimmerdonner, dachte ich, lässt das Haus zusammenkrachen.”
U2-Anfänge: Zimmerdonner in der Küche
Über den Bassisten Adam Clayton sagt Bono: “Er spielte keine einzige Note an der richtigen Stelle oder in der richtigen Tonart. Was letztendlich keine Rolle spielte. 1976, als der Rockmusik durch Punk der Turbo verpasst wurde, war Adam der Geist des Rock’n ‘Roll.”
“Babyschritte einer Babyband”
Für den Gitarristen David Evans, der später “The Edge” heißen wird, findet Bono bewundernde und poetische Worte: “Edge ist die Stille in jedem Geräusch. Er ist das Licht in der Farbe.”
Wenn Bono in Zeitsprüngen über die Entstehungsgeschichte von U2 schreibt, gibt es einiges zu lachen. Etwa wenn er beschreibt, wie sie sich recht erfolglos an Coverversionen von Beatles-, Beach Boys- oder Bob Dylan-Songs versuchen und sich schließlich der Realität stellen: “Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass wir als U2 angefangen haben, unsere eigenen Stücke zu schreiben, weil wir die Songs anderer Bands nicht spielen konnten.”
Diese “Babyschritte einer Babyband” seien ein ziemliches Chaos gewesen, bekennt Bono. Für ihn aber war es, wie neu geboren zu werden: “Der Punkrock hat mir einen Klaps auf den nackten Arsch gegeben, und ich habe angefangen zu schreien.”
Keine Making ofs
Bono erzählt seine Geschichte und die seiner Band zwar in Songs, aber die einzelnen Sequenzen sind weit davon entfernt, “Making ofs” zu sein. So beschreibt Bono im Kapitel “Sunday Bloody Sunday” vor allem, was dieser Protestsong gegen das Blutvergießen im Nordirlandkonflikt aus U2 gemacht hat.
In “With Or Without You” sinniert er über seine Frau Ali, mit der er seit der Highschool-Zeit zusammen ist. Und spricht dabei auch die Eheprobleme an, die das Leben mit einem Popstar mit sich bringen. Ihr hat er dieses Buch gewidmet.
Politik und Kritik
In “One” geht es nach Berlin. Man schreibt das Jahr 1990, U2 ist mittlerweile eine der erfolgreichsten Bands der Welt. In den Berliner Hansa-Studios suchen sie nach den Geistern ihrer Helden, Iggy Pop, David Bowie oder Nick Cavehaben hier schon Songs produziert. Während der Aufnahmen zum Album “Achtung Baby” macht die Band eine tiefe Sinnkrise durch. Der Song “One” habe die Band gerettet, schreibt Bono, denn alle hätten gemerkt, dass sie ohne einander kein Ganzes sind. “Wir haben den Song geschrieben, weil wir ihn hören wollten.”
In “Pride” beschreibt Bono, wie er kurz vor der Jahrtausendwende die Großen der Welt von der Idee der Jubilee-Bewegung (die sich dafür einsetzt, dass die reichsten Länder der Erde den ärmsten ihre Schulden erlassen) überzeugen will – und es schließlich schafft, selbst die US-Regierung dafür zu gewinnen.
“Surrender” widmet sich in großen Teilen Bonos Aktivismus und den zahlreichen Treffen mit Leuten wie Steve Jobs, Barack Obama oder Bill Gates. Bonos Kritiker halten sein politisches Engagement für unglaubwürdig, prangern seine öffentlichen Auftritte mit namhaften Politikern an und bezeichnen ihn gar als “Maskottchen der Mächtigen” (Zitat aus dem Wochenmagazin “Der Spiegel”).
Auch Bonos Umgang mit Investments und Steuergeldern wird oft kritisiert. Bono aber kennt die Argumente seiner Kritiker und nimmt ihnen den Wind aus den Segeln – mit Sätzen wie: “Ich kann es auch schon mal übertreiben, wenn ich für das eintrete, woran ich glaube, und das kann auch sehr ermüdend sein.” Für die 2014er-Aktion mit Apple, als das Album “Songs Of Innocence” ungefragt auf jedes iPhone dieser Erde gespielt wurde, entschuldigt er sich sogar.
Bono-Fans werden das Buch feiern. Auch wenn er den Kosmos Bono nicht verlässt und sich um sich selbst kreist, dabei auch mal einen schwülstig-naiven Ton anschlägt. Dafür ist er Bono, der Emotionsmensch, der seiner Leserschaft einen Einblick in seine Seelenwelt gibt, in seine Welt aus Glaube, Poesie, Musik und Liebe.
Tipp: Vor dem Lesen unbedingt die Songs zu einer Playlist zusammenstellen und vor oder während jedes Kapitels den Song hören.