Meinung: Ein Vertrag mit vielen Fragezeichen in Äthiopien
Nach zwei blutigen Kriegsjahren haben Regierung und Tigray-Rebellen ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Doch für eine dauerhafte Lösung des Konflikts bleiben zu viele Details ungeklärt, meint Ludger Schadomsky.
Die Bilder vom Mittwoch stimmten hoffnungsfroh: Redwan Hussein und Getachew Reda, die jeweiligen Chefunterhändler der äthiopischen Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray, kurz TPLF, zeigten sich am Verhandlungsort in Südafrika staatstragend im schwarzen Anzug und jovial händeschüttelnd.
Im Rekordtempo von knapp neun Tagen zimmerten beide Kriegsparteien zuvor ein Abkommen, das man eine kleine diplomatische Sensation nennen könnte – und das eben genau deshalb Anlass zur Skepsis geben muss.
Die Bilder vom Mittwoch stimmten hoffnungsfroh: Redwan Hussein und Getachew Reda, die jeweiligen Chefunterhändler der äthiopischen Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray, kurz TPLF, zeigten sich am Verhandlungsort in Südafrika staatstragend im schwarzen Anzug und jovial händeschüttelnd.
Denn allzu viele Details des umständlich formulierten “Agreement for lasting peace through a permanent cessation of hostilities” bleiben unklar, wichtige Akteure bleiben außen vor – und von einer “Roadmap” kann schon gar keine Rede sein. Einen “Wunschzettel für den Weihnachtsmann” nannte ein Kommentator das Ergebnis dann auch treffend.
“Wunschzettel für den Weihnachtsmann”
Während Afrikas zweitbevölkerungsreichste Nation nach zweijährigem Bürgerkrieg ihre Toten zählt – 500.000 sind eine eher konservative Schätzung, da viele zivile Opfer im verheerten Tigray erst in Wochen oder gar Monaten registiert werden können -, hält sich die Begeisterung auf den Straßen in engen Grenzen – zu groß ist die Skepsis. Je mehr Details des “Pretoria-Accords” durchsickern, umso größer werden die Fragezeichen.
Das größte steht dabei hinter der völligen Abwesenheit des Haupt-Aggressors: Äthiopiens Nachbar und militärische Schutzmacht Eritrea fehlte am Verhandlungstisch in Südafrika, und wird auch im Friedensdokument allenfalls indirekt erwähnt. Dabei sollte den Vermittlern der Afrikanischen Union bekannt sein, dass der eritreische Autokrat Isaias Afewerki nichts unversucht lassen wird, um das Übereinkommen zu hintertreiben. Nicht weniger als die Auslöschung der ehemaligen Waffenbrüder jenseits der Grenze in Tigray hat er sich auf die Fahnen geschrieben, wofür er nach neuesten Schätzungen das Leben von bis zu 90.000 Soldaten opferte. Warum sollte er sich zu einem Zeitpunkt, da der militärische Sieg zum Greifen nah ist, einem wachsweichen Abkommen verpflichtet fühlen?
Dies berührt unmittelbar einen weiteren Stolperstein auf Weg zu einem dauerhaften Frieden: die Entwaffnung der TPLF-nahen Kämpfer. Solange diese keinerlei Sicherheitsgarantien haben, werden sie schwerlich ihre Waffen abgeben. Und überhaupt: Wie sieht die Zukunft der TPLF aus, wenn die föderale Bundesregierung wie niedergeschrieben demnächst übernimmt?
Auch die Entwaffnung der zahlreichen paramilitärischen Akteure fiel der Hektik der Pretoria-Runde zum Opfer, vor allem die der besonders skrupellosen Ethno-Miliz Fano in der Grenzprovinz Amhara, die für abscheulichste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird.
Die Afrikanische Union, nach Monaten des Zauderns verspätet doch noch gefeiert für ihren diplomatischen Erfolg, steht nun in der Pflicht, das Papier von Pretoria mit konkreten Forderungen und Zeitleisten zu unterfüttern – eine Aufgabe, um die sie wahrlich nicht zu beneiden ist. Umso mehr, als die äthiopische Regierung nichts unversucht lässt, weiter zu zündeln. Die Tinte war kaum getrocknet in Südafrika, da brüstete sich Äthiopiens Premier Abiy Ahmed vor seinen Anhängern, man habe “100 Prozent” der eigenen Forderungen durchboxen können. Für die jetzt beginnenden, zähen und von tiefem Misstrauen geprägten Mikro-Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien bedeutet diese Großspurigkeit nichts Gutes.
Doch könnte schon bald Demut einkehren in Addis Abeba: Wenn nämlich die Vereinten Nationen die von äthiopischen Soldaten und ihren eritreischen Vasallen begangenen Massaker als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar als ethnische Säuberung untersuchen – und die Frage nach der politischen Verantwortung stellen. Seit Ministerpräsident Abiy Ahmed seine Gegner als “Krebsgeschwür” und “Unkraut” diffamiert, gilt es nicht mehr als ausgeschlossen, dass sich erstmalig ein Nobelpreisträger vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wird verantworten müssen.
Die Bilder vom Mittwoch stimmten hoffnungsfroh: Redwan Hussein und Getachew Reda, die jeweiligen Chefunterhändler der äthiopischen Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray, kurz TPLF, zeigten sich am Verhandlungsort in Südafrika staatstragend im schwarzen Anzug und jovial händeschüttelnd.
Im Rekordtempo von knapp neun Tagen zimmerten beide Kriegsparteien zuvor ein Abkommen, das man eine kleine diplomatische Sensation nennen könnte – und das eben genau deshalb Anlass zur Skepsis geben muss.
“Wunschzettel für den Weihnachtsmann”
Denn allzu viele Details des umständlich formulierten “Agreement for lasting peace through a permanent cessation of hostilities” bleiben unklar, wichtige Akteure bleiben außen vor – und von einer “Roadmap” kann schon gar keine Rede sein. Einen “Wunschzettel für den Weihnachtsmann” nannte ein Kommentator das Ergebnis dann auch treffend.
Während Afrikas zweitbevölkerungsreichste Nation nach zweijährigem Bürgerkrieg ihre Toten zählt – 500.000 sind eine eher konservative Schätzung, da viele zivile Opfer im verheerten Tigray erst in Wochen oder gar Monaten registiert werden können -, hält sich die Begeisterung auf den Straßen in engen Grenzen – zu groß ist die Skepsis. Je mehr Details des “Pretoria-Accords” durchsickern, umso größer werden die Fragezeichen.
Das größte steht dabei hinter der völligen Abwesenheit des Haupt-Aggressors: Äthiopiens Nachbar und militärische Schutzmacht Eritrea fehlte am Verhandlungstisch in Südafrika, und wird auch im Friedensdokument allenfalls indirekt erwähnt. Dabei sollte den Vermittlern der Afrikanischen Union bekannt sein, dass der eritreische Autokrat Isaias Afewerki nichts unversucht lassen wird, um das Übereinkommen zu hintertreiben. Nicht weniger als die Auslöschung der ehemaligen Waffenbrüder jenseits der Grenze in Tigray hat er sich auf die Fahnen geschrieben, wofür er nach neuesten Schätzungen das Leben von bis zu 90.000 Soldaten opferte. Warum sollte er sich zu einem Zeitpunkt, da der militärische Sieg zum Greifen nah ist, einem wachsweichen Abkommen verpflichtet fühlen?
Dies berührt unmittelbar einen weiteren Stolperstein auf Weg zu einem dauerhaften Frieden: die Entwaffnung der TPLF-nahen Kämpfer. Solange diese keinerlei Sicherheitsgarantien haben, werden sie schwerlich ihre Waffen abgeben. Und überhaupt: Wie sieht die Zukunft der TPLF aus, wenn die föderale Bundesregierung wie niedergeschrieben demnächst übernimmt?
Eritrea bleibt außen vor
Auch die Entwaffnung der zahlreichen paramilitärischen Akteure fiel der Hektik der Pretoria-Runde zum Opfer, vor allem die der besonders skrupellosen Ethno-Miliz Fano in der Grenzprovinz Amhara, die für abscheulichste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird.
Von Oslo nach Den Haag?
Die Afrikanische Union, nach Monaten des Zauderns verspätet doch noch gefeiert für ihren diplomatischen Erfolg, steht nun in der Pflicht, das Papier von Pretoria mit konkreten Forderungen und Zeitleisten zu unterfüttern – eine Aufgabe, um die sie wahrlich nicht zu beneiden ist. Umso mehr, als die äthiopische Regierung nichts unversucht lässt, weiter zu zündeln. Die Tinte war kaum getrocknet in Südafrika, da brüstete sich Äthiopiens Premier Abiy Ahmed vor seinen Anhängern, man habe “100 Prozent” der eigenen Forderungen durchboxen können. Für die jetzt beginnenden, zähen und von tiefem Misstrauen geprägten Mikro-Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien bedeutet diese Großspurigkeit nichts Gutes.
Doch könnte schon bald Demut einkehren in Addis Abeba: Wenn nämlich die Vereinten Nationen die von äthiopischen Soldaten und ihren eritreischen Vasallen begangenen Massaker als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar als ethnische Säuberung untersuchen – und die Frage nach der politischen Verantwortung stellen. Seit Ministerpräsident Abiy Ahmed seine Gegner als “Krebsgeschwür” und “Unkraut” diffamiert, gilt es nicht mehr als ausgeschlossen, dass sich erstmalig ein Nobelpreisträger vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wird verantworten müssen.