Kopfüber, aber berühmt: Georg Baselitz wird 85
Mit 18 flog er von der Kunsthochschule in der DDR, weil es ihn zu Picasso hinzog. Das Image vom Querkopf hat Georg Baselitz gehegt wie seine Kunst selbst: Zum 85. Geburtstag eines Weltstars.
Wenn ein angehender Künstler schon früh von der Kunsthochschule fliegt, kann das entweder das Aus für ihn bedeuten – oder aber der Startschuss zu einer Weltkarriere sein. Im Fall von Georg Baselitz traf Letzteres zu. 1956 war er zum Studium aus dem sächsischen Deutschbaselitz nach Ostberlin gezogen, doch nach zwei Semestern an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst war Schluss, man attestierte ihm “gesellschaftspolitische Unreife”.
Der 18-Jährige, der damals noch Hans-Georg Kern hieß, hatte sich in den Semesterferien geweigert, zur solidarischen Mitarbeit in ein Industriekombinat nach Rostock zu fahren. Er malte lieber Bilder im Stile Picassos. “Durch Picassos Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei gab es dort Literatur über ihn. Wegen Picasso bin ich dann ja aus der DDR geflogen. Die Kulturbürokraten haben ihn irgendwann zum bürgerlichen Dekadenten erklärt”, so Baselitz in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung im August letzten Jahres.
Wenn ein angehender Künstler schon früh von der Kunsthochschule fliegt, kann das entweder das Aus für ihn bedeuten – oder aber der Startschuss zu einer Weltkarriere sein. Im Fall von Georg Baselitz traf Letzteres zu. 1956 war er zum Studium aus dem sächsischen Deutschbaselitz nach Ostberlin gezogen, doch nach zwei Semestern an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst war Schluss, man attestierte ihm “gesellschaftspolitische Unreife”.
Da die Mauer noch nicht gebaut war, zog er von Ost- nach Westberlin, wo er auf die zu jener Zeit in der deutschen Kunst omnipräsente Abstraktion traf. Statt sich einzureihen, waren Baselitz’ Figuren von einem expressiven Realismus geprägt – ein konsequentes Ausbrechen aus dem künstlerischen Status quo. 1961 nahm er seinen Künstlernamen an und erregte bald Aufsehen mit Bildern, die nicht in die bieder-gesellschaftlichen Konventionen passen wollten. “Ich war ein vollständig verquerer, verbohrter, renitenter Typ, der alle ablehnte”, sagte Baselitz einst über jene Zeit.
Provokation: Baselitz’ Markenzeichen
Zwei seiner Bilder, “Der nackte Mann” und “Die große Nacht im Eimer”, sorgten 1963 für einen Eklat und wurden beschlagnahmt. Baselitz und zwei Berliner Galeristen mussten sich wegen der Zurschaustellung von Pornografie verantworten, erst vor dem Landgericht Berlin und schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Die Bilder zeigten je eine Figur mit großem Penis, und wer wollte, konnte darin den Akt der Masturbation erkennen. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt.
Bis heute ist ungeklärt, ob das Aufsehen nicht bewusst inszeniert war: Der Galerist Michael Werner soll eine skandalisierende Berichterstattung befördert haben, die Grundlage der Beschlagnahme war. Richtig oder falsch: Baselitz verkaufte plötzlich Bilder – und ganz nebenbei war das Image vom unbeugsamen Rebell etabliert, das sich bis heute hält.
Baselitz hat dazu immer wieder durch streitbare Einlassungen beigetragen. So wiederholte er mehrfach, Frauen könnten nicht malen, was sich an den niedrigen Preisen widerspiegele, die ihre Gemälde auf dem Kunstmarkt erzielten. Die Documenta bezeichnete er einmal als “Paralympics”. Wohl bedachte Äußerungen, die die Marke Baselitz im Gespräch hielten.
2015 zog Baselitz seine Leihgaben aus deutschen Museen zurück, weil das Kulturgutschutzgesetz der Bundesregierung vorsah, Museumssammlungen in ihrer Gesamtheit unter einen Ausfuhrschutz zu stellen. Künstler, Sammler, Galeristen oder Auktionshäuser hätten Kunst dann ausschließlich in Deutschland verkaufen dürfen. Georg Baselitz’ Kunstwerke wechseln weltweit für hunderttausende Euro die Besitzer, ältere Werke erzielen bei Auktionen siebenstellige Beträge.
Für Baselitz kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. “Ich möchte da dabeibleiben, jung sein, dazugehören”, sagte er 2013 dem Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”. Scheint gelungen: Der aktuelle Kunstkompass von 2022 führt ihn auf Platz drei der wichtigsten lebenden zeitgenössischen Künstler.
1969 begann Georg Baselitz ein Kapitel, das ihn weltberühmt und einzigartig machen sollte: Er malte die Bilder auf dem Kopf. “Ich musste nun keine monströsen Dinge mehr erfinden. Ich konnte eine Fotografie nehmen, von einem Apfelbaum oder einem Adler, und in einer realistischen, konservativen Weise malen. Durch die Umkehrung war es unnötig geworden, die Malerei im Bild voranzutreiben.” Damit gelang es ihm, die Sehgewohnheiten der Betrachter aufzubrechen und ihren Blick zu schärfen: Sitzt alles dort, wo es hingehört? Und: Was soll das eigentlich?
“Ich finde die Idee großartig und würde mir das gar nicht mehr zutrauen, dass diese Idee von mir kommt”, erklärt der Künstler vor ein paar Jahren im Interview mit der DW. Aber sie kam ja in einer Zeit, in der ich völlig unbemerkt war. Meine Kollegen, mit denen ich in Konkurrenz stand, haben gesagt, ‘das ist ein Trick, ein Gag’. Ich finde, das ist eine gute Möglichkeit, Bilder zu machen, die anders aussehen als die Bilder davor und die Bilder der Anderen.”
Georg Baselitz schuf ein Alleinstellungsmerkmal – und widmete sich dann der Bildhauerei. Riesige Figuren aus Holz waren das Ergebnis. Baselitz malte auch frühere Bilder nach, der “Remix” sollte sie mit der Gegenwart verbinden. Museen in aller Welt haben seine Werke ausgestellt, er war im deutschen Pavillon der Kunstbiennale in Venedig vertreten. Baselitz, der seit 2013 mit seiner Frau in Salzburg lebt, wird anlässlich seines 85. Geburtstags am 23. Januar auch in seiner Heimat geehrt: Mit einer großen Georg Baselitz Werkschau würdigt das Museum Würth 2 den Künstler zu seinem 85. Geburtstag. Bis zum 16. Juli 2023 werden rund 50 seiner Arbeiten ausgestellt, vor allem sollen druckgrafische Werke gezeigt und so eine andere Seite des Neoexpressionisten präsentiert werden.
Wenn ein angehender Künstler schon früh von der Kunsthochschule fliegt, kann das entweder das Aus für ihn bedeuten – oder aber der Startschuss zu einer Weltkarriere sein. Im Fall von Georg Baselitz traf Letzteres zu. 1956 war er zum Studium aus dem sächsischen Deutschbaselitz nach Ostberlin gezogen, doch nach zwei Semestern an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst war Schluss, man attestierte ihm “gesellschaftspolitische Unreife”.
Der 18-Jährige, der damals noch Hans-Georg Kern hieß, hatte sich in den Semesterferien geweigert, zur solidarischen Mitarbeit in ein Industriekombinat nach Rostock zu fahren. Er malte lieber Bilder im Stile Picassos. “Durch Picassos Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei gab es dort Literatur über ihn. Wegen Picasso bin ich dann ja aus der DDR geflogen. Die Kulturbürokraten haben ihn irgendwann zum bürgerlichen Dekadenten erklärt”, so Baselitz in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung im August letzten Jahres.
Provokation: Baselitz’ Markenzeichen
Da die Mauer noch nicht gebaut war, zog er von Ost- nach Westberlin, wo er auf die zu jener Zeit in der deutschen Kunst omnipräsente Abstraktion traf. Statt sich einzureihen, waren Baselitz’ Figuren von einem expressiven Realismus geprägt – ein konsequentes Ausbrechen aus dem künstlerischen Status quo. 1961 nahm er seinen Künstlernamen an und erregte bald Aufsehen mit Bildern, die nicht in die bieder-gesellschaftlichen Konventionen passen wollten. “Ich war ein vollständig verquerer, verbohrter, renitenter Typ, der alle ablehnte”, sagte Baselitz einst über jene Zeit.
Zwei seiner Bilder, “Der nackte Mann” und “Die große Nacht im Eimer”, sorgten 1963 für einen Eklat und wurden beschlagnahmt. Baselitz und zwei Berliner Galeristen mussten sich wegen der Zurschaustellung von Pornografie verantworten, erst vor dem Landgericht Berlin und schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Die Bilder zeigten je eine Figur mit großem Penis, und wer wollte, konnte darin den Akt der Masturbation erkennen. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt.
Bis heute ist ungeklärt, ob das Aufsehen nicht bewusst inszeniert war: Der Galerist Michael Werner soll eine skandalisierende Berichterstattung befördert haben, die Grundlage der Beschlagnahme war. Richtig oder falsch: Baselitz verkaufte plötzlich Bilder – und ganz nebenbei war das Image vom unbeugsamen Rebell etabliert, das sich bis heute hält.
Baselitz hat dazu immer wieder durch streitbare Einlassungen beigetragen. So wiederholte er mehrfach, Frauen könnten nicht malen, was sich an den niedrigen Preisen widerspiegele, die ihre Gemälde auf dem Kunstmarkt erzielten. Die Documenta bezeichnete er einmal als “Paralympics”. Wohl bedachte Äußerungen, die die Marke Baselitz im Gespräch hielten.
Jung sein und dabeibleiben
2015 zog Baselitz seine Leihgaben aus deutschen Museen zurück, weil das Kulturgutschutzgesetz der Bundesregierung vorsah, Museumssammlungen in ihrer Gesamtheit unter einen Ausfuhrschutz zu stellen. Künstler, Sammler, Galeristen oder Auktionshäuser hätten Kunst dann ausschließlich in Deutschland verkaufen dürfen. Georg Baselitz’ Kunstwerke wechseln weltweit für hunderttausende Euro die Besitzer, ältere Werke erzielen bei Auktionen siebenstellige Beträge.
Bilder auf den Kopf gestellt
Für Baselitz kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. “Ich möchte da dabeibleiben, jung sein, dazugehören”, sagte er 2013 dem Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”. Scheint gelungen: Der aktuelle Kunstkompass von 2022 führt ihn auf Platz drei der wichtigsten lebenden zeitgenössischen Künstler.
1969 begann Georg Baselitz ein Kapitel, das ihn weltberühmt und einzigartig machen sollte: Er malte die Bilder auf dem Kopf. “Ich musste nun keine monströsen Dinge mehr erfinden. Ich konnte eine Fotografie nehmen, von einem Apfelbaum oder einem Adler, und in einer realistischen, konservativen Weise malen. Durch die Umkehrung war es unnötig geworden, die Malerei im Bild voranzutreiben.” Damit gelang es ihm, die Sehgewohnheiten der Betrachter aufzubrechen und ihren Blick zu schärfen: Sitzt alles dort, wo es hingehört? Und: Was soll das eigentlich?
“Ich finde die Idee großartig und würde mir das gar nicht mehr zutrauen, dass diese Idee von mir kommt”, erklärt der Künstler vor ein paar Jahren im Interview mit der DW. Aber sie kam ja in einer Zeit, in der ich völlig unbemerkt war. Meine Kollegen, mit denen ich in Konkurrenz stand, haben gesagt, ‘das ist ein Trick, ein Gag’. Ich finde, das ist eine gute Möglichkeit, Bilder zu machen, die anders aussehen als die Bilder davor und die Bilder der Anderen.”
Als Bildhauer schuf Baselitz riesige Figuren
Georg Baselitz schuf ein Alleinstellungsmerkmal – und widmete sich dann der Bildhauerei. Riesige Figuren aus Holz waren das Ergebnis. Baselitz malte auch frühere Bilder nach, der “Remix” sollte sie mit der Gegenwart verbinden. Museen in aller Welt haben seine Werke ausgestellt, er war im deutschen Pavillon der Kunstbiennale in Venedig vertreten. Baselitz, der seit 2013 mit seiner Frau in Salzburg lebt, wird anlässlich seines 85. Geburtstags am 23. Januar auch in seiner Heimat geehrt: Mit einer großen Georg Baselitz Werkschau würdigt das Museum Würth 2 den Künstler zu seinem 85. Geburtstag. Bis zum 16. Juli 2023 werden rund 50 seiner Arbeiten ausgestellt, vor allem sollen druckgrafische Werke gezeigt und so eine andere Seite des Neoexpressionisten präsentiert werden.