Berlin Hauptbahnhof: Ankunftsort für Ukrainer
Über zwei Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflüchtet. Die meisten bleiben in Ländern wie Polen, viele stranden aber auch am Berliner Hauptbahnhof. Die DW war vor Ort.
Es ist ein Uhr mittags und das weiße Zelt gegenüber des Berliner Hauptbahnhofs ist bereits stark gefüllt. Es herrscht lautes Stimmengewirr, auf langen Holzbänken sitzen Reihe an Reihe Menschen. Eine Zeltecke ist zum Spielplatz für ein paar Kinder geworden. Manche Menschen haben Koffer dabei – andere nur eine Plastiktüte und das, was sie am Körper tragen. So wie Zhanna N., die zu ihrem Schutz lieber nicht mit ganzem Namen genannt werden möchte. Jetzt sitzt sie hier auf einer der Bänke. Sie hat die Ukraine vor drei Tagen verlassen und ist gerade hier in Deutschland angekommen. “Das alles ist eine riesengroße Tragödie für unser Land”, klagt die Mittvierzigerin im Gespräch mit der DW. “Das war ein Schock. Viele Zivilisten werden sterben. Erst jetzt realisieren wir langsam, dass Krieg ist – und dass wir nicht wissen, wie lange er dauern wird.”
Müde sieht sie aus, die Ringe unter den Augen zeugen von dem Horror, den sie durchlebt hat, seitdem Putins Truppen ihr Heimatland überfallen haben. Sie und ihre Tochter waren zunächst aus der Hauptstadt Kiew ins westukrainische Lwiw geflohen. Von dort ging es weiter nach Polen und dann nach Berlin. Ihre Mutter, ihr Ex-Mann, ihre Brüder und andere Verwandte sind noch immer in der Ukraine. Ihre Hoffnung: dass sie überleben. Und, dass sie bald mit anderen Familienmitgliedern zusammenkommt, die ebenfalls auf der Flucht sind. “Meine Schwester ist auch weggegangen, ist aber nicht in Deutschland. Wir werden versuchen, uns zu treffen und füreinander da zu sein.”
Es ist ein Uhr mittags und das weiße Zelt gegenüber des Berliner Hauptbahnhofs ist bereits stark gefüllt. Es herrscht lautes Stimmengewirr, auf langen Holzbänken sitzen Reihe an Reihe Menschen. Eine Zeltecke ist zum Spielplatz für ein paar Kinder geworden. Manche Menschen haben Koffer dabei – andere nur eine Plastiktüte und das, was sie am Körper tragen. So wie Zhanna N., die zu ihrem Schutz lieber nicht mit ganzem Namen genannt werden möchte. Jetzt sitzt sie hier auf einer der Bänke. Sie hat die Ukraine vor drei Tagen verlassen und ist gerade hier in Deutschland angekommen. “Das alles ist eine riesengroße Tragödie für unser Land”, klagt die Mittvierzigerin im Gespräch mit der DW. “Das war ein Schock. Viele Zivilisten werden sterben. Erst jetzt realisieren wir langsam, dass Krieg ist – und dass wir nicht wissen, wie lange er dauern wird.”
So wie Zhanna geht es Tausenden Ukrainern. Jeden Tag kommen derzeit rund 15.000 Menschen aus der Ukraine allein in Berlin an. Für fast alle, die über Polen gekommen sind, ist Berlin der erste Anlaufpunkt in der Bundesrepublik – hier, am Hauptbahnhof und am Zentralen Omnibusbahnhof im Westen der Stadt, kommen die Züge und Busse aus Richtung Grenze zuerst an. Eine unglaubliche Herausforderung für die Hauptstadt. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, sieht ihr Bundesland mittlerweile kurz vor der Überforderung. Inzwischen würden Geflüchtete sogar in Messehallen untergebracht, sagt sie. Das zeige, “dass wir an die Grenzen der Kapazität kommen”, so die SPD-Politikerin.
Berlin am Limit
Jetzt fordert Berlin eine bundesweite Organisation der Verteilung der Menschen, Berlin hat sogar die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten. Angesichts der humanitären Katastrophe ist die Hilfsbereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger in Deutschland groß. “Das Herz ist da, die Bereitschaft zu helfen ist da, die Solidarität ist da” – so kommentierte Bundeskanzler Olaf Scholz die zahlreichen spontanen Aktionen und die Großzügigkeit vieler Menschen.
Das zeigt sich auch am provisorisch eingerichteten Ankunftszentrum am Berliner Hauptbahnhof. Es wimmelt hier vor freiwilligen Helfern. Für die Ankommenden sind sie an ihren gelben oder orangenen Westen zu erkennen. Sie bieten das an, was am nötigsten ist: Informationen, Kleidung, Essen. Eine von ihnen ist Erika, eine blonde Frau um die 20. Sie hat russische Wurzeln und kam vor einem Jahr nach Berlin. Jetzt ist sie jeden Tag bis zu fünf Stunden hier am Bahnhof, um auszuhelfen. “Viele sind einfach sehr müde, wenn sie ankommen. Andere sind völlig verstört und brauchen erstmal jemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist”, so Erika zur DW. “Auch, wenn wir nicht alles wissen: Wir versuchen so viel Anleitung zu geben wie möglich.”
In den ersten Tages des nur zwei Landesgrenzen entfernten Krieges waren Freiwillige wie Erika die einzigen, die am Bahnhof halfen. Inzwischen sind auch andere Hilfsorganisationen vor Ort – wie die Berliner Stadtmission, eine große, christliche Organisation. Sie hat auch das Zelt aufgestellt. Pressesprecherin Barbara Breuer ist stolz auf die Berliner. “Wir erleben eine riesengroße Solidarität hier am Berliner Hauptbahnhof. Viele Menschen nehmen sich frei und kommen einfach vorbei und helfen mit vollen Kräften.” Gleichzeitig sieht Breuer aber auch eine Gefahr in der selbstlosen Hilfe der Freiwilligen – etwas, was sie aus der Erfahrung ehrenamtlicher Arbeit kennt: “Sie müssen aufpassen, dass sie nicht ausbrennen. Viele Menschen kommen seit Beginn der Krise jeden Tag, arbeiten hier 18 bis 20 Stunden und brechen abends zusammen oder weinen, wenn man sie anspricht.” Das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer – eine Belastung auch für viele Helfer in Deutschland.
Zurück im Zelt der Stadtmission treffen wir Ruslan S. Er nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Saftkarton vor ihm. Er habe keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll, erzählt er. “In der Ukraine hatte ich nur noch Angst”, berichtet der Mann, der aus der viertgrößten Stadt des Landes, Dnipro, stammt. “Die Russen zerstören unsere Städte. Ich mache mir weniger Sorgen um mich selbst – viel mehr um meine Familie.” Ruslan und seine Familie sind über die Slowakei nach Deutschland geflüchtet. Eine Nacht hatten sie dort in einer Kirche verbracht, dann ging es weiter nach Deutschland. Erst jetzt kann er endlich ausruhen. “In die Ukraine kann ich wohl nicht zurück. Schon jetzt ist viel Infrastruktur zerstört. Und wir wissen ja nicht, was als nächstes passiert. Nein, in der Ukraine wird meine Familie nicht sicher sein”, so Ruslan.
Was auffällt: Ruslan ist einer der ganz wenigen Männer im Zelt. Die Regierung der Ukraine verbietet Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise. Stattdessen sollen sie bleiben und gegen die Russen kämpfen. Seinen Cousin Vlad macht das wütend. Er lebt eigentlich in den USA, ist jetzt extra nach Deutschland geflogen, um seinen Verwandten zu helfen. Seine anderen beiden Cousins konnten nicht mehr raus aus der Ukraine – während ihre Familien bis nach Berlin kamen. “Die Familien vermissen ihre Väter, es ist furchtbar. Wie sollen sie ohne sie zurechtkommen? Kein Mensch weiß, was passieren wird”, sagt Vlad.
Draußen vor dem Zelt sind inzwischen Busse angekommen. Ruslan und Vlad schauen zu, wie immer mehr Menschen aus dem Zelt ihre Sachen zusammenpacken und rausgehen. Die Busse bringen die Menschen zum von der Regierung eröffneten Willkommenszentrum, von dort aus sollen sie über die verschiedenen Bundesländer verteilt werden. Doch noch während sie aufbrechen, kommt oben im Hauptbahnhof der nächste Zug aus Polen an – schon bald wird das Zelt hier wieder voll sein.
Es ist ein Uhr mittags und das weiße Zelt gegenüber des Berliner Hauptbahnhofs ist bereits stark gefüllt. Es herrscht lautes Stimmengewirr, auf langen Holzbänken sitzen Reihe an Reihe Menschen. Eine Zeltecke ist zum Spielplatz für ein paar Kinder geworden. Manche Menschen haben Koffer dabei – andere nur eine Plastiktüte und das, was sie am Körper tragen. So wie Zhanna N., die zu ihrem Schutz lieber nicht mit ganzem Namen genannt werden möchte. Jetzt sitzt sie hier auf einer der Bänke. Sie hat die Ukraine vor drei Tagen verlassen und ist gerade hier in Deutschland angekommen. “Das alles ist eine riesengroße Tragödie für unser Land”, klagt die Mittvierzigerin im Gespräch mit der DW. “Das war ein Schock. Viele Zivilisten werden sterben. Erst jetzt realisieren wir langsam, dass Krieg ist – und dass wir nicht wissen, wie lange er dauern wird.”
Müde sieht sie aus, die Ringe unter den Augen zeugen von dem Horror, den sie durchlebt hat, seitdem Putins Truppen ihr Heimatland überfallen haben. Sie und ihre Tochter waren zunächst aus der Hauptstadt Kiew ins westukrainische Lwiw geflohen. Von dort ging es weiter nach Polen und dann nach Berlin. Ihre Mutter, ihr Ex-Mann, ihre Brüder und andere Verwandte sind noch immer in der Ukraine. Ihre Hoffnung: dass sie überleben. Und, dass sie bald mit anderen Familienmitgliedern zusammenkommt, die ebenfalls auf der Flucht sind. “Meine Schwester ist auch weggegangen, ist aber nicht in Deutschland. Wir werden versuchen, uns zu treffen und füreinander da zu sein.”
Berlin am Limit
So wie Zhanna geht es Tausenden Ukrainern. Jeden Tag kommen derzeit rund 15.000 Menschen aus der Ukraine allein in Berlin an. Für fast alle, die über Polen gekommen sind, ist Berlin der erste Anlaufpunkt in der Bundesrepublik – hier, am Hauptbahnhof und am Zentralen Omnibusbahnhof im Westen der Stadt, kommen die Züge und Busse aus Richtung Grenze zuerst an. Eine unglaubliche Herausforderung für die Hauptstadt. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, sieht ihr Bundesland mittlerweile kurz vor der Überforderung. Inzwischen würden Geflüchtete sogar in Messehallen untergebracht, sagt sie. Das zeige, “dass wir an die Grenzen der Kapazität kommen”, so die SPD-Politikerin.
Jetzt fordert Berlin eine bundesweite Organisation der Verteilung der Menschen, Berlin hat sogar die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten. Angesichts der humanitären Katastrophe ist die Hilfsbereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger in Deutschland groß. “Das Herz ist da, die Bereitschaft zu helfen ist da, die Solidarität ist da” – so kommentierte Bundeskanzler Olaf Scholz die zahlreichen spontanen Aktionen und die Großzügigkeit vieler Menschen.
Das zeigt sich auch am provisorisch eingerichteten Ankunftszentrum am Berliner Hauptbahnhof. Es wimmelt hier vor freiwilligen Helfern. Für die Ankommenden sind sie an ihren gelben oder orangenen Westen zu erkennen. Sie bieten das an, was am nötigsten ist: Informationen, Kleidung, Essen. Eine von ihnen ist Erika, eine blonde Frau um die 20. Sie hat russische Wurzeln und kam vor einem Jahr nach Berlin. Jetzt ist sie jeden Tag bis zu fünf Stunden hier am Bahnhof, um auszuhelfen. “Viele sind einfach sehr müde, wenn sie ankommen. Andere sind völlig verstört und brauchen erstmal jemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist”, so Erika zur DW. “Auch, wenn wir nicht alles wissen: Wir versuchen so viel Anleitung zu geben wie möglich.”
In den ersten Tages des nur zwei Landesgrenzen entfernten Krieges waren Freiwillige wie Erika die einzigen, die am Bahnhof halfen. Inzwischen sind auch andere Hilfsorganisationen vor Ort – wie die Berliner Stadtmission, eine große, christliche Organisation. Sie hat auch das Zelt aufgestellt. Pressesprecherin Barbara Breuer ist stolz auf die Berliner. “Wir erleben eine riesengroße Solidarität hier am Berliner Hauptbahnhof. Viele Menschen nehmen sich frei und kommen einfach vorbei und helfen mit vollen Kräften.” Gleichzeitig sieht Breuer aber auch eine Gefahr in der selbstlosen Hilfe der Freiwilligen – etwas, was sie aus der Erfahrung ehrenamtlicher Arbeit kennt: “Sie müssen aufpassen, dass sie nicht ausbrennen. Viele Menschen kommen seit Beginn der Krise jeden Tag, arbeiten hier 18 bis 20 Stunden und brechen abends zusammen oder weinen, wenn man sie anspricht.” Das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer – eine Belastung auch für viele Helfer in Deutschland.
Ohne Freiwillige geht nichts
Zurück im Zelt der Stadtmission treffen wir Ruslan S. Er nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Saftkarton vor ihm. Er habe keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll, erzählt er. “In der Ukraine hatte ich nur noch Angst”, berichtet der Mann, der aus der viertgrößten Stadt des Landes, Dnipro, stammt. “Die Russen zerstören unsere Städte. Ich mache mir weniger Sorgen um mich selbst – viel mehr um meine Familie.” Ruslan und seine Familie sind über die Slowakei nach Deutschland geflüchtet. Eine Nacht hatten sie dort in einer Kirche verbracht, dann ging es weiter nach Deutschland. Erst jetzt kann er endlich ausruhen. “In die Ukraine kann ich wohl nicht zurück. Schon jetzt ist viel Infrastruktur zerstört. Und wir wissen ja nicht, was als nächstes passiert. Nein, in der Ukraine wird meine Familie nicht sicher sein”, so Ruslan.
Die meisten Männer blieben zurück
Was auffällt: Ruslan ist einer der ganz wenigen Männer im Zelt. Die Regierung der Ukraine verbietet Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise. Stattdessen sollen sie bleiben und gegen die Russen kämpfen. Seinen Cousin Vlad macht das wütend. Er lebt eigentlich in den USA, ist jetzt extra nach Deutschland geflogen, um seinen Verwandten zu helfen. Seine anderen beiden Cousins konnten nicht mehr raus aus der Ukraine – während ihre Familien bis nach Berlin kamen. “Die Familien vermissen ihre Väter, es ist furchtbar. Wie sollen sie ohne sie zurechtkommen? Kein Mensch weiß, was passieren wird”, sagt Vlad.
Draußen vor dem Zelt sind inzwischen Busse angekommen. Ruslan und Vlad schauen zu, wie immer mehr Menschen aus dem Zelt ihre Sachen zusammenpacken und rausgehen. Die Busse bringen die Menschen zum von der Regierung eröffneten Willkommenszentrum, von dort aus sollen sie über die verschiedenen Bundesländer verteilt werden. Doch noch während sie aufbrechen, kommt oben im Hauptbahnhof der nächste Zug aus Polen an – schon bald wird das Zelt hier wieder voll sein.