Jaroslawa Mahutschich über den Ukraine-Krieg: “Das schwierigste Jahr meines Lebens”
Für die ukrainische Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich war 2022 sowohl das schlimmste als auch das beste Jahr ihres Lebens. Mit der DW spricht sie über ein Jahr im Krieg und ihre Rolle als Botschafterin ihres Landes.
“Mein Ziel für dieses Jahr ist es, nicht zu weinen”, sagt Jaroslawa Mahutschich der DW. Dabei lacht die Hochspringerin aus der Ukraine. Nach dem, wie sie es nennt, “schwierigsten Jahr ihres Lebens”, überschattet vom Einmarsch Russlands in ihre Heimat, widmet sich die 21-Jährige wieder dem, was sie am besten kann. Die Olympia-Bronzemedaillengewinnerin von Tokio 2021 hat in diesem Jahr noch keinen Hallenwettkampf im Hochsprung verloren und ist die einzige Frau, die 2023 bereits mehrfach über 2,00 Meter gesprungen ist. Vor allem aber vertritt Mahutschich ihr Land – jetzt, wo es die Ukraine am dringendsten benötigt.
Das Jahr 2022 war wegen des russischen Angriffs und den daraus resultierenden Folgen sowohl das schlimmste aber sportlich auch das beste Jahr in Mahutschichs Leben: Bei den Hallenweltmeisterschaften in Belgrad gewann sie im März die Goldmedaille, im Juli bei der WM in Eugene holte sie Silber, eine weitere Goldmedaille gab es für Mahutschich im August bei den Europameisterschaften in München. Es war ein Jahr, in dem sie bei einem Diamond-League-Wettkampf in Brüssel eine persönliche Freiluft-Bestleistung von 2,05 Metern sprang und für die Wahl zur Leichtathletin des Jahres nominiert wurde.
“Mein Ziel für dieses Jahr ist es, nicht zu weinen”, sagt Jaroslawa Mahutschich der DW. Dabei lacht die Hochspringerin aus der Ukraine. Nach dem, wie sie es nennt, “schwierigsten Jahr ihres Lebens”, überschattet vom Einmarsch Russlands in ihre Heimat, widmet sich die 21-Jährige wieder dem, was sie am besten kann. Die Olympia-Bronzemedaillengewinnerin von Tokio 2021 hat in diesem Jahr noch keinen Hallenwettkampf im Hochsprung verloren und ist die einzige Frau, die 2023 bereits mehrfach über 2,00 Meter gesprungen ist. Vor allem aber vertritt Mahutschich ihr Land – jetzt, wo es die Ukraine am dringendsten benötigt.
Aber es war eben auch ein Jahr, in dem ihre Heimatstadt Dnipro von russischen Raketen bombardiert wurde, ein Jahr, in dem sie einen Großteil ihres Lebens und Trainings fern von zu Hause und getrennt von ihren Lieben verbrachte. Mahutschich war noch in Dnipro, als der Krieg begann. Nachdem sie kurz bei ihrer Trainerin Tatjana Stepanowa in der nahe gelegenen Stadt Suchatschiwka übernachtet hatte, reisten beide drei Tage mit dem Auto nach Belgrad in Serbien, wo sie eine Woche vor der Hallen-WM eintrafen.
Ein Jahr des Triumphs und der Tragödie
“Alle Ukrainer werden sich an den 24. Februar erinnern, den Tag, an dem der Krieg begann und Russland in unser Land kam”, sagte Mahutschich der DW. “Ich denke an meine Reise zu den Hallenweltmeisterschaften eine Woche vor dem Wettkampf. Wir haben diese lange Reise auf uns genommen, um an Wettkämpfen teilzunehmen, und wir hatten eine großartige Saison.”
Als Olympionikin hatte Mahutschich bereits Erfahrung darin, ihr Land auf internationaler Bühne zu vertreten, aber nach dem russischen Angriff ergriff sie die Gelegenheit, ihren Stolz auf ihr Volk öffentlich zu zeigen. Wenn sie an Wettkämpfen teilnimmt, trägt Mahutschich oft blauen und gelben Eyeliner. Sie sagt zudem offen und selbstbewusst ihre Meinung, wenn sie auf den Krieg in ihrer Heimat angesprochen wird. “Ich verstehe, dass ich eine Botschafterin für die Ukraine bin”, sagt sie. “Ich freue mich, dass ich mit Journalisten sprechen und zeigen kann, dass das ukrainische Volk niemals aufgibt.”
Die Stärke, die Mahutschich demonstrierte, ging jedoch auch mit einer gewissen Verletzlichkeit einher. Ihre Trainerin Tatjana Stepanowa, die neben Mahutschich mit Iryna Geraschtschenko eine weitere Top-Hochspringerin betreut, räumt ein, dass der Krieg bei beiden seine Spuren hinterlassen hat. “Es ist sehr schwer zu ertragen, aber wir schaffen es”, sagt Stepanowa der DW. “Wir sind ein starkes Volk. Wir wollen zeigen, dass wir gewinnen können – nicht nur im Sport, sondern auch im Krieg.”
Als Mahutschich Dnipro kurz nach Kriegsbeginn verließ, war sie sich nicht sicher, wann sie in die zentralukrainische Stadt zurückkehren könnte. Sie verbrachte die meiste Zeit des Jahres in der süddeutschen Stadt Erlangen – in einer von ihrem Sponsor Puma eingerichteten Unterkunft. Im vergangenen Dezember, nach zehn Monaten im Ausland, konnten Mahutschich, Stepanowa und andere über die Neujahrsfeiertage endlich nach Hause zurückkehren. Mahutschich erinnert sich besonders daran, wie glücklich sie war, als sie den Bahnhof von Dnipro sah.
“Ich bin mit einem Lächeln in die Stadt gefahren, weil ich das brauchte, um Energie zu tanken”, sagt sie. “Zu Hause zu sein, ist die beste Art, sich zu erholen.” Ihre Mutter, Schwester und Nichte waren zu ihr nach Deutschland gekommen, aber ihr Vater und ihre Großmutter blieben in der Ukraine. Trotz gelegentlicher Videoanrufe über ihr Handy forderte die Trennung ihren Tribut. “Es war wirklich schwierig. Manchmal habe ich im Zimmer geweint”, gibt Mahutschich zu. “Als ich nach Dnipro fuhr, umarmte ich meinen Vater, meine Großmutter…” Sie hält inne und berührt ihre Brust “…im Herzen, wirklich.”
Mahutschich konnte wieder zu Hause trainieren. Anfang Januar reiste sie mit ihrer Trainerin nach Lviv in die Westukraine, wo Mahutschich ihre Hallensaison eröffnete und auf Anhieb eine Jahresweltbestleistung von 2,02 Metern sprang. “Es war besser, sich zu Hause vorzubereiten”, sagt Tatjana Stepanowa. “Jaroslawa trainierte dort mit einem Funkeln in ihren Augen. Es ist sehr schwierig, in der ganzen Welt umherzuziehen und mal in einem Haus, mal in einem anderen zu leben.”
Bei aller Freude über die Heimkehr hing stets der Schatten des Kriegs über den Köpfen. Am Tag des Wettbewerbs in Lviv traf ein russischer Luftangriff ein mehrstöckiges Gebäude in Dnipro, bei dem 46 Menschen getötet und 80 weitere verletzt wurden – elf Menschen gelten noch immer als vermisst.
Mittlerweile lebt und trainiert Mahutschich in Belgien. Sie ist froh, wieder an Wettkämpfen teilzunehmen und arbeitet auf ihre beiden nächsten großen Ziele hin: die Olympischen Spiele 2024 in Paris und zuvor in diesem August die Weltmeisterschaften in Belgrad. Ob sie dort und bei Olympia an der Seite russischer und weißrussischer Athletinnen und Athleten antreten wird, ist noch unklar, da das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch nicht über deren Schicksal entschieden hat.
Jaroslawa Mahutschich hat dazu eine klare Meinung. Sie ist entschieden dagegen, dass Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus an den Wettkämpfen teilnehmen, solange der Krieg andauert. Und sie hat auch keinen Kontakt zu russischen Athletinnen und Athleten. “Sie sind für mich gestorben, wirklich. Seit dem 24. Februar [2022 – Anm. d. Red.] gibt es sie in meinem Leben nicht mehr wie früher”, sagt sie. “Ukrainische Athleten und ukrainische Sportler werden alles tun, damit weißrussische und russische Athleten nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, weil Russland ein terroristischer Staat ist.”
Eine Teilnahme wäre für Jaroslawa Mahutschich unter Umständen wohl nur dann vertretbar, wenn ein weiteres Ziel erreicht würde: “Dass der Krieg endet und dass unser Land gewinnt.”
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.
“Mein Ziel für dieses Jahr ist es, nicht zu weinen”, sagt Jaroslawa Mahutschich der DW. Dabei lacht die Hochspringerin aus der Ukraine. Nach dem, wie sie es nennt, “schwierigsten Jahr ihres Lebens”, überschattet vom Einmarsch Russlands in ihre Heimat, widmet sich die 21-Jährige wieder dem, was sie am besten kann. Die Olympia-Bronzemedaillengewinnerin von Tokio 2021 hat in diesem Jahr noch keinen Hallenwettkampf im Hochsprung verloren und ist die einzige Frau, die 2023 bereits mehrfach über 2,00 Meter gesprungen ist. Vor allem aber vertritt Mahutschich ihr Land – jetzt, wo es die Ukraine am dringendsten benötigt.
Das Jahr 2022 war wegen des russischen Angriffs und den daraus resultierenden Folgen sowohl das schlimmste aber sportlich auch das beste Jahr in Mahutschichs Leben: Bei den Hallenweltmeisterschaften in Belgrad gewann sie im März die Goldmedaille, im Juli bei der WM in Eugene holte sie Silber, eine weitere Goldmedaille gab es für Mahutschich im August bei den Europameisterschaften in München. Es war ein Jahr, in dem sie bei einem Diamond-League-Wettkampf in Brüssel eine persönliche Freiluft-Bestleistung von 2,05 Metern sprang und für die Wahl zur Leichtathletin des Jahres nominiert wurde.
Ein Jahr des Triumphs und der Tragödie
Aber es war eben auch ein Jahr, in dem ihre Heimatstadt Dnipro von russischen Raketen bombardiert wurde, ein Jahr, in dem sie einen Großteil ihres Lebens und Trainings fern von zu Hause und getrennt von ihren Lieben verbrachte. Mahutschich war noch in Dnipro, als der Krieg begann. Nachdem sie kurz bei ihrer Trainerin Tatjana Stepanowa in der nahe gelegenen Stadt Suchatschiwka übernachtet hatte, reisten beide drei Tage mit dem Auto nach Belgrad in Serbien, wo sie eine Woche vor der Hallen-WM eintrafen.
“Alle Ukrainer werden sich an den 24. Februar erinnern, den Tag, an dem der Krieg begann und Russland in unser Land kam”, sagte Mahutschich der DW. “Ich denke an meine Reise zu den Hallenweltmeisterschaften eine Woche vor dem Wettkampf. Wir haben diese lange Reise auf uns genommen, um an Wettkämpfen teilzunehmen, und wir hatten eine großartige Saison.”
Als Olympionikin hatte Mahutschich bereits Erfahrung darin, ihr Land auf internationaler Bühne zu vertreten, aber nach dem russischen Angriff ergriff sie die Gelegenheit, ihren Stolz auf ihr Volk öffentlich zu zeigen. Wenn sie an Wettkämpfen teilnimmt, trägt Mahutschich oft blauen und gelben Eyeliner. Sie sagt zudem offen und selbstbewusst ihre Meinung, wenn sie auf den Krieg in ihrer Heimat angesprochen wird. “Ich verstehe, dass ich eine Botschafterin für die Ukraine bin”, sagt sie. “Ich freue mich, dass ich mit Journalisten sprechen und zeigen kann, dass das ukrainische Volk niemals aufgibt.”
Die Stärke, die Mahutschich demonstrierte, ging jedoch auch mit einer gewissen Verletzlichkeit einher. Ihre Trainerin Tatjana Stepanowa, die neben Mahutschich mit Iryna Geraschtschenko eine weitere Top-Hochspringerin betreut, räumt ein, dass der Krieg bei beiden seine Spuren hinterlassen hat. “Es ist sehr schwer zu ertragen, aber wir schaffen es”, sagt Stepanowa der DW. “Wir sind ein starkes Volk. Wir wollen zeigen, dass wir gewinnen können – nicht nur im Sport, sondern auch im Krieg.”
Botschafterin für die Ukraine
Als Mahutschich Dnipro kurz nach Kriegsbeginn verließ, war sie sich nicht sicher, wann sie in die zentralukrainische Stadt zurückkehren könnte. Sie verbrachte die meiste Zeit des Jahres in der süddeutschen Stadt Erlangen – in einer von ihrem Sponsor Puma eingerichteten Unterkunft. Im vergangenen Dezember, nach zehn Monaten im Ausland, konnten Mahutschich, Stepanowa und andere über die Neujahrsfeiertage endlich nach Hause zurückkehren. Mahutschich erinnert sich besonders daran, wie glücklich sie war, als sie den Bahnhof von Dnipro sah.
Eine lang erwartete Heimkehr
“Ich bin mit einem Lächeln in die Stadt gefahren, weil ich das brauchte, um Energie zu tanken”, sagt sie. “Zu Hause zu sein, ist die beste Art, sich zu erholen.” Ihre Mutter, Schwester und Nichte waren zu ihr nach Deutschland gekommen, aber ihr Vater und ihre Großmutter blieben in der Ukraine. Trotz gelegentlicher Videoanrufe über ihr Handy forderte die Trennung ihren Tribut. “Es war wirklich schwierig. Manchmal habe ich im Zimmer geweint”, gibt Mahutschich zu. “Als ich nach Dnipro fuhr, umarmte ich meinen Vater, meine Großmutter…” Sie hält inne und berührt ihre Brust “…im Herzen, wirklich.”
Mahutschich konnte wieder zu Hause trainieren. Anfang Januar reiste sie mit ihrer Trainerin nach Lviv in die Westukraine, wo Mahutschich ihre Hallensaison eröffnete und auf Anhieb eine Jahresweltbestleistung von 2,02 Metern sprang. “Es war besser, sich zu Hause vorzubereiten”, sagt Tatjana Stepanowa. “Jaroslawa trainierte dort mit einem Funkeln in ihren Augen. Es ist sehr schwierig, in der ganzen Welt umherzuziehen und mal in einem Haus, mal in einem anderen zu leben.”
Bei aller Freude über die Heimkehr hing stets der Schatten des Kriegs über den Köpfen. Am Tag des Wettbewerbs in Lviv traf ein russischer Luftangriff ein mehrstöckiges Gebäude in Dnipro, bei dem 46 Menschen getötet und 80 weitere verletzt wurden – elf Menschen gelten noch immer als vermisst.
Mahutschich: Russische Athleten “sind für mich gestorben”
Mittlerweile lebt und trainiert Mahutschich in Belgien. Sie ist froh, wieder an Wettkämpfen teilzunehmen und arbeitet auf ihre beiden nächsten großen Ziele hin: die Olympischen Spiele 2024 in Paris und zuvor in diesem August die Weltmeisterschaften in Belgrad. Ob sie dort und bei Olympia an der Seite russischer und weißrussischer Athletinnen und Athleten antreten wird, ist noch unklar, da das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch nicht über deren Schicksal entschieden hat.
Jaroslawa Mahutschich hat dazu eine klare Meinung. Sie ist entschieden dagegen, dass Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus an den Wettkämpfen teilnehmen, solange der Krieg andauert. Und sie hat auch keinen Kontakt zu russischen Athletinnen und Athleten. “Sie sind für mich gestorben, wirklich. Seit dem 24. Februar [2022 – Anm. d. Red.] gibt es sie in meinem Leben nicht mehr wie früher”, sagt sie. “Ukrainische Athleten und ukrainische Sportler werden alles tun, damit weißrussische und russische Athleten nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, weil Russland ein terroristischer Staat ist.”
Eine Teilnahme wäre für Jaroslawa Mahutschich unter Umständen wohl nur dann vertretbar, wenn ein weiteres Ziel erreicht würde: “Dass der Krieg endet und dass unser Land gewinnt.”
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.