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Ukraine-Krieg: Wo verläuft die Grenze zum Cyberwar?

Auf der Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit wird eines deutlich: Die Grenzen zwischen konventionellen und virtuellen Kriegen sind fließend.

“Das ist natürlich auch ein Cyberkrieg”, ​​​​sagt Sönke Neitzel, der den Überfall Russlands auf die Ukraine aus wissenschaftlicher Perspektive analysiert. Der Historiker lehrt an der Universität Potsdam Militärgeschichte. Die Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit am Hasso-Plattner-Institut ist für ihn also eine Art Heimspiel. Die zweitägige Veranstaltung ist ein Treffpunkt für Fachleute, um über die Cybersicherheitslage im Allgemeinen und den Ukraine-Krieg im Besonderen zu reden.

Neitzel beschreibt das von ihm wahrgenommene Bild auf dem virtuellen Schlachtfeld so: “Die Russen hacken ständig, die Ukrainer haben eine sehr lebendige IT-Szene. Eine Startup-Szene, die sie nutzbar machen.” Und er fügt hinzu: “Im Cyberbereich zu reagieren ist das eine, aber wir haben ganz handfeste Probleme.”

“Das ist natürlich auch ein Cyberkrieg”, ​​​​sagt Sönke Neitzel, der den Überfall Russlands auf die Ukraine aus wissenschaftlicher Perspektive analysiert. Der Historiker lehrt an der Universität Potsdam Militärgeschichte. Die Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit am Hasso-Plattner-Institut ist für ihn also eine Art Heimspiel. Die zweitägige Veranstaltung ist ein Treffpunkt für Fachleute, um über die Cybersicherheitslage im Allgemeinen und den Ukraine-Krieg im Besonderen zu reden.

Damit meint der Militär-Experte aber nicht primär den virtuellen Raum, sondern das, was er als die “klassischen, alten Dinge” in einem Krieg bezeichnet: Panzer zum Beispiel oder die Artillerie. Und auf diesem Gebiet, ist immer wieder aus der Ukraine zu hören, fehle es an elementaren Dingen. Mit den Worten Neitzels: “Mir nützen die ganzen schönen Apps überhaupt gar nichts, wenn ich keine Munition habe.” 

“Die Russen hacken ständig”

Wird der Cyberkrieg also überschätzt? Für Generalmajor Jürgen Setzer vom Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr hängt das davon ab, welche Ambitionen Angreifer und Verteidiger haben. “Wenn man Land nehmen will, braucht man Kräfte, um das Land zu besetzen”, sagt er mit Blick auf die offensichtlichen Ziele Russlands im Krieg gegen die Ukraine.

So weit, so klar. Aber man könne Staaten auch mit anderen Mitteln regierungsunfähig machen oder lähmen, sagt Setzer. Dabei denkt er an Desinformation durch Fake News sowie Cyberattacken auf lebensnotwendige Infrastruktur wie Stromnetze, Straßen, Schienen oder Krankenhäuser. So könne man möglicherweise die gesetzten Ziele erreichen, “ohne die Schwelle zum bewaffneten Konflikt zu überschreiten”. 

Welche Dimension die virtuelle Kriegsführung in der Ukraine tatsächlich hat, bleibt für Außenstehende unklar. Aus einem simplen Grund: “Den Cyberraum kann man schlecht im Bild zeigen”, sagt Setzer. Anders ausgedrückt: Virtuelle Angriffe sind zunächst meist unsichtbar, deren Folgen, zum Beispiel nach einer Cyberattacke auf die Stromversorgung, dagegen sofort. Hingegen sind konventionelle Kriegsmanöver im TV zu sehen oder auf Social-Media-Kanälen abrufbar: zerstörte Häuser und Panzer, aber auch kämpfende Soldaten und tote Zivilisten. Wobei es auch hier mitunter schwierig ist, Wahres von Falschem zu unterscheiden – Stichwort: Fake News. 

Dass der Ukraine-Krieg auf zwei Ebenen geführt wird, ist für die Cyber-Expertin Regine Grienberger aus dem deutschen Außenministerium keine Frage. Sie unterscheidet zwischen zwei Typen von Kombattanten: konventionelle Truppen auf den Schlachtfeldern und virtuelle Krieger, die niemand sieht. “Cyber-Söldner, die aus ganz anderen Staaten heraus operieren und sich trotzdem an den Kampfhandlungen beteiligen.”

Sogenannte DDos-Angriffe (Distributed-Denial-of-Service attack) seien ein Beispiel, sagt die Fachfrau aus dem Auswärtigen Amt. Dabei wird versucht, gezielt Computer-Systeme durch massenhaftes Aufrufen bestimmter Websites so stark zu überlasten, dass sie nur noch eingeschränkt funktionieren oder komplett lahmgelegt werden. Eine im zivilen wie militärischen Bereich beliebte Methode.

“Wie demobilisieren wir diese Menschen?”, fragt sich Regine Grienberger angesichts der kaum zu kontrollierenden Cyber-Heere weltweit und der möglichen Folgen für Deutschland im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Eine Antwort hat der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Wolfgang Wien: “Wir dürfen in Netze gehen und versuchen, Schaden abzuwehren”, sagt er auf der Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit.

Was er damit meint, ist die Überwachung des Internets, um mögliche Angreifer zu entdecken. Alles weitere müssten andere erledigen, denn: “Die Möglichkeit, einzugreifen oder ein System vom Netz zu nehmen, haben wir gesetzlich nicht.” Dafür ist in Deutschland das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zuständig. Man sei befugt, “Netzbetreiber notfalls anzuweisen, Internetleitungen zu blockieren”, erläutert Vizepräsident Gerhard Schabhüser.

So weit scheint es seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs aber noch nicht gekommen zu sein, deutet der Mann aus dem BSI an. Zwar befinde sich die Lage “noch immer im roten Bereich”, aber von einem Cyber-Krieg Russlands gegen Deutschland will Schabhüser nicht sprechen. Obwohl Deutschland 2022 seinen eigenen Worten zufolge zweimal “nur knapp an einer Krise vorbeigeschrammt ist”.

Zum einen habe ein russischer Angriff auf ein Satellitensystem auch die Fernwartung vieler Windräder in Deutschland lahmgelegt. Zum anderen sei die Versorgung mit Benzin und Mineralöl im Nordosten Deutschlands durch einen mutmaßlich pro-westlichen Hackerangriff auf die deutsche Tochter des russischen Energiekonzerns Rosneft gefährdet worden.

Insgesamt hält Schabhäuser seine Behörde aber für gut gerüstet, um Cyberattacken aus anderen Staaten abzuwehren. Der für die Aufklärung im Ausland zuständige Bundenachrichtendienst (BND) rechnet im Falle eines noch länger dauernden Kriegs in der Ukraine mit einer Zunahme von Cyberangriffen auf Deutschland. Trotzdem bleibt BND-Vizepräsident Wien gelassen: “Wir sind nicht ohnmächtig.”

Derweil registriert der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, im Cyberraum auf russischer Seite zunehmend kriminelle Strukturen. Die seien hochprofessionell und kaum von staatlichen Akteuren zu unterscheiden. “Das ist eine große Bedrohung, die wir in diesem und im nächsten Jahr weiterhin sehen werden”, prophezeit Münch auf der Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit.

 

Ein behelmter und mit olivgrüner Schutzweste ausgerüsteter ukrainischer Polizist steht in einem Trümmerfeld zerstörter Häuser

“Das ist natürlich auch ein Cyberkrieg”, ​​​​sagt Sönke Neitzel, der den Überfall Russlands auf die Ukraine aus wissenschaftlicher Perspektive analysiert. Der Historiker lehrt an der Universität Potsdam Militärgeschichte. Die Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit am Hasso-Plattner-Institut ist für ihn also eine Art Heimspiel. Die zweitägige Veranstaltung ist ein Treffpunkt für Fachleute, um über die Cybersicherheitslage im Allgemeinen und den Ukraine-Krieg im Besonderen zu reden.

Neitzel beschreibt das von ihm wahrgenommene Bild auf dem virtuellen Schlachtfeld so: “Die Russen hacken ständig, die Ukrainer haben eine sehr lebendige IT-Szene. Eine Startup-Szene, die sie nutzbar machen.” Und er fügt hinzu: “Im Cyberbereich zu reagieren ist das eine, aber wir haben ganz handfeste Probleme.”

“Die Russen hacken ständig”

Damit meint der Militär-Experte aber nicht primär den virtuellen Raum, sondern das, was er als die “klassischen, alten Dinge” in einem Krieg bezeichnet: Panzer zum Beispiel oder die Artillerie. Und auf diesem Gebiet, ist immer wieder aus der Ukraine zu hören, fehle es an elementaren Dingen. Mit den Worten Neitzels: “Mir nützen die ganzen schönen Apps überhaupt gar nichts, wenn ich keine Munition habe.” 

Wird der Cyberkrieg also überschätzt? Für Generalmajor Jürgen Setzer vom Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr hängt das davon ab, welche Ambitionen Angreifer und Verteidiger haben. “Wenn man Land nehmen will, braucht man Kräfte, um das Land zu besetzen”, sagt er mit Blick auf die offensichtlichen Ziele Russlands im Krieg gegen die Ukraine.

So weit, so klar. Aber man könne Staaten auch mit anderen Mitteln regierungsunfähig machen oder lähmen, sagt Setzer. Dabei denkt er an Desinformation durch Fake News sowie Cyberattacken auf lebensnotwendige Infrastruktur wie Stromnetze, Straßen, Schienen oder Krankenhäuser. So könne man möglicherweise die gesetzten Ziele erreichen, “ohne die Schwelle zum bewaffneten Konflikt zu überschreiten”. 

Welche Dimension die virtuelle Kriegsführung in der Ukraine tatsächlich hat, bleibt für Außenstehende unklar. Aus einem simplen Grund: “Den Cyberraum kann man schlecht im Bild zeigen”, sagt Setzer. Anders ausgedrückt: Virtuelle Angriffe sind zunächst meist unsichtbar, deren Folgen, zum Beispiel nach einer Cyberattacke auf die Stromversorgung, dagegen sofort. Hingegen sind konventionelle Kriegsmanöver im TV zu sehen oder auf Social-Media-Kanälen abrufbar: zerstörte Häuser und Panzer, aber auch kämpfende Soldaten und tote Zivilisten. Wobei es auch hier mitunter schwierig ist, Wahres von Falschem zu unterscheiden – Stichwort: Fake News. 

Welche Waffen für welche Kriegsziele?

Dass der Ukraine-Krieg auf zwei Ebenen geführt wird, ist für die Cyber-Expertin Regine Grienberger aus dem deutschen Außenministerium keine Frage. Sie unterscheidet zwischen zwei Typen von Kombattanten: konventionelle Truppen auf den Schlachtfeldern und virtuelle Krieger, die niemand sieht. “Cyber-Söldner, die aus ganz anderen Staaten heraus operieren und sich trotzdem an den Kampfhandlungen beteiligen.”

“Den Cyberraum kann man schlecht im Bild zeigen”

Sogenannte DDos-Angriffe (Distributed-Denial-of-Service attack) seien ein Beispiel, sagt die Fachfrau aus dem Auswärtigen Amt. Dabei wird versucht, gezielt Computer-Systeme durch massenhaftes Aufrufen bestimmter Websites so stark zu überlasten, dass sie nur noch eingeschränkt funktionieren oder komplett lahmgelegt werden. Eine im zivilen wie militärischen Bereich beliebte Methode.

“Wie demobilisieren wir diese Menschen?”, fragt sich Regine Grienberger angesichts der kaum zu kontrollierenden Cyber-Heere weltweit und der möglichen Folgen für Deutschland im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Eine Antwort hat der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Wolfgang Wien: “Wir dürfen in Netze gehen und versuchen, Schaden abzuwehren”, sagt er auf der Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit.

Was er damit meint, ist die Überwachung des Internets, um mögliche Angreifer zu entdecken. Alles weitere müssten andere erledigen, denn: “Die Möglichkeit, einzugreifen oder ein System vom Netz zu nehmen, haben wir gesetzlich nicht.” Dafür ist in Deutschland das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zuständig. Man sei befugt, “Netzbetreiber notfalls anzuweisen, Internetleitungen zu blockieren”, erläutert Vizepräsident Gerhard Schabhüser.

Beliebte Methode: Computer lahmlegen

So weit scheint es seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs aber noch nicht gekommen zu sein, deutet der Mann aus dem BSI an. Zwar befinde sich die Lage “noch immer im roten Bereich”, aber von einem Cyber-Krieg Russlands gegen Deutschland will Schabhüser nicht sprechen. Obwohl Deutschland 2022 seinen eigenen Worten zufolge zweimal “nur knapp an einer Krise vorbeigeschrammt ist”.

Zum einen habe ein russischer Angriff auf ein Satellitensystem auch die Fernwartung vieler Windräder in Deutschland lahmgelegt. Zum anderen sei die Versorgung mit Benzin und Mineralöl im Nordosten Deutschlands durch einen mutmaßlich pro-westlichen Hackerangriff auf die deutsche Tochter des russischen Energiekonzerns Rosneft gefährdet worden.

Notfalls dürfen Internetleitungen blockiert werden

Insgesamt hält Schabhäuser seine Behörde aber für gut gerüstet, um Cyberattacken aus anderen Staaten abzuwehren. Der für die Aufklärung im Ausland zuständige Bundenachrichtendienst (BND) rechnet im Falle eines noch länger dauernden Kriegs in der Ukraine mit einer Zunahme von Cyberangriffen auf Deutschland. Trotzdem bleibt BND-Vizepräsident Wien gelassen: “Wir sind nicht ohnmächtig.”

Warum in Deutschland Windräder stillstanden

Derweil registriert der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, im Cyberraum auf russischer Seite zunehmend kriminelle Strukturen. Die seien hochprofessionell und kaum von staatlichen Akteuren zu unterscheiden. “Das ist eine große Bedrohung, die wir in diesem und im nächsten Jahr weiterhin sehen werden”, prophezeit Münch auf der Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit.

Windräder aus der Froschperspektive betrachtet vor dem Hintergrund eines dunklen, stark bewölkten Himmels.

 

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