Kultur

Schreibmarotten: Wie Meisterwerke der Literatur entstanden

In seinem Buch “Schreibwelten” erzählt der britische Journalist, Blogger und Autor Alex Johnson auf informative und unterhaltsame Weise von den Schreibritualen weltbekannter Autorinnen und Autoren.

Alex Johnson nimmt seine Leserinnen und Leser in “Schreibwelten” mit auf eine Reise durch die Weltliteratur. In seinem mit zahlreichen Illustrationen versehenen Band berichtet er von den Ritualen, Lieblingsorten und Tagesabläufen der ganz Großen der Weltliteratur, darunter so unterschiedliche wie Ernest Hemingway, Astrid Lindgren, Gertrude Stein, Stephen King oder Haruki Murakami. Wir stellen ein paar interessante Schreibmarotten, -orte und -rituale vor.

Die chilenisch-US-amerikanische Schriftstellerin Isabel Allende (“Das Geisterhaus”) schrieb ihre ersten Werke an so unterschiedlichen Orten wie ihrer Küche, einem umgebauten Wandschrank, in Cafés und Autos. Seit Ende der 1980er lebte sie in Kalifornien, wo sie sich 2001 ein neues Haus mit Blick über die Bucht von San Francisco bauen ließ, in dessen Garten sich ein Poolhaus mit eigenem Bad befand. Sie bezeichnete es liebevoll als “casita” (Häuschen). Es diente ihr bis zu ihrer Scheidung 2016 als Rückzugsort zum Schreiben. Darin gab es kein Telefon oder gar Internet und niemand außer ihr durfte es betreten – nur ein ausgewählter Kreis von Freundinnen, die sich alle zwei Wochen trafen. 

Alex Johnson nimmt seine Leserinnen und Leser in “Schreibwelten” mit auf eine Reise durch die Weltliteratur. In seinem mit zahlreichen Illustrationen versehenen Band berichtet er von den Ritualen, Lieblingsorten und Tagesabläufen der ganz Großen der Weltliteratur, darunter so unterschiedliche wie Ernest Hemingway, Astrid Lindgren, Gertrude Stein, Stephen King oder Haruki Murakami. Wir stellen ein paar interessante Schreibmarotten, -orte und -rituale vor.

Jeden Roman beginnt Allende an einem 8. Januar, denn an einem solchen schrieb sie jenen Brief an ihren sterbenden Großvater, der die Grundlage für ihren ersten Roman “Das Geisterhaus” bildete. Kurz davor entfernt sie alles, was mit dem Projekt nichts zu tun hat, und verschenkt alle Bücher, die sie bei Recherchen für das vorherige brauchte. Dann entzündet sie Kerzen und verbrennt Salbei, um die Geister ihrer Ahnen und den ihrer verstorbenen Tochter um Hilfe für ihr neues Buch zu bitten. Nach dem Ausführen ihrer Hunde, ihrer Morgenmeditation und einer Tasse Tee macht sie sich frühmorgens an die Arbeit und arbeitet bis abends um sieben am Schreibtisch, nur unterbrochen durch einen Spaziergang. Im Mai hat sie meist schon die Rohfassung des neuen Romans fertig.

Isabel Allende und ihr heiliges Poolhaus

Maya Angelou (1928–2014) mietete sich für jedes Buch monatsweise in nahe ihrer Wohnung gelegene, spartanisch eingerichtete Hotelzimmer ein, in denen sich außer einem Bett und einem Waschbecken nichts weiter befand. Sämtliche Bilder ließ sie abhängen. Im Gepäck hatte die US-amerikanische Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin nur eine Flasche Sherry für ihr Gläschen vor dem Mittagessen, Spielkarten, eine Bibel, Wörterbücher und Kreuzworträtsel.

Ihre Schreibarbeit begann sie täglich um halb sieben Uhr morgens. Auf dem Hotelbett schrieb sie von Hand auf linierte gelbe Notizblöcke. Niemand durfte von ihrer Anwesenheit erfahren und die Hotelangestellten durften sie nicht stören, außer um die Betten neu zu beziehen und den Papierkorb zu leeren. Nachmittags kehrte Angelou nach Hause zurück, um sich eine Pause und eine erfrischende Dusche zu gönnen. Am späteren Nachmittag überarbeitete sie, was sie morgens geschrieben hatte, mit der Schreibmaschine.

Der schottische Autor und Schöpfer von Sherlock Holmes, Sir Arthur Ignatius Conan Doyle (1859–1930), schrieb gerne auf seinen zahlreichen Vortragsreisen, die ihn durch die ganze Welt führten. 1925 bestellte er bei Goyard, einem Pariser Geschäft für Luxusartikel aus Leder, eine selbst erdachte Sonderanfertigung: einen Kofferschreibtisch. Dieser sah in geschlossenem Zustand wie ein eleganter Schrankkoffer aus. Wenn man ihn öffnete, verwandelte er sich jedoch in einen Schreibtisch mit kleinem Bücherregal, einer Schreibmaschine und Schubfächern.

Zwischen seinen Reisen schrieb Conan Doyle im Arbeitszimmer seines Hauses in London – mit Füllfederhalter und an einem ganz normalen Schreibtisch ohne Aufbau, umgeben von Harpunen aus seiner Zeit als Arzt auf einem Walfischfänger und Aquarellen seines Vaters. “Wenn mich ein Buch fesselt, bin ich gern bereit, den Tag durchzuarbeiten, nur unterbrochen von einem Spaziergang oder einer Siesta von ein, zwei Stunden am Nachmittag”, sagte Conan Doyle 1924 im Magazin “The Strand”.

Auch Ernest Hemingway (1899–1961) umgab sich gerne mit Jagdutensilien und -trophäen. An der Wand seines Schlafzimmers hing der präparierte Kopf einer Gazelle, auf dem Kleiderschrank lag ein Leopardenfell. Neben Regalen mit Büchern und Krimskrams gab es darin auch einen Schreibtisch. Diesen benutzte Hemingway allerdings nie, denn Platz gab es darauf ohnehin nicht: Laut seinem Biografen Aaron Hotchner war Hemingways Schreibtisch eher eine Ablage, unter anderem gefüllt mit Zeitungsausschnitten, einem Säckchen voller Raubtierzähnen, diversen Tieren aus Holz, einem Plüschlöwen sowie Schrotpatronen.

Hemingway schrieb meist in bequemen Slippern auf einem Antilopenfell stehend an einem Lesepult, am liebsten mit Bleistift. An einem guten Tag, berichtete er, verbrauche er manchmal sieben Bleistifte. Sobald er gut im Schreibfluss war, wechselte er zur Schreibmaschine. Diese stand in Brusthöhe mittig auf einem Bücherregal an der Wand. Hemingway führte eine Tabelle, in der er notierte, ob er sein Tagespensum von 500 oder 2000 Wörtern – ja nach Werk – einhielt. Hemingway arbeitete täglich ab Tagesanbruch. Um die Mittagszeit war Schluss, er ging dann spazieren, schwamm in seinem Pool oder genehmigte sich seinen ersten Drink – trotz seines legendären Alkoholkonsums trank er nie bei der Arbeit.

Der walisische Schriftsteller Dylan Thomas (1914–1953) liebte enge Räume zum Arbeiten. Als er in einer Wohnung in London lebte, schrieb er in einem Wohnwagen im Garten. Seine autobiografischen Erzählungen “Porträt des Künstlers als junger Hund” schrieb er wiederum in einer Laube im Park von Laugharne Castle in Wales. Seine Mäzenin Margaret Taylor stellte ihm auch eine Zeitlang ein Gartenhaus zur Verfügung.

Sein letztes Schreibzimmer wurde geradezu berühmt. Dabei handelte es sich um eine ehemalige Garage in Laugharne, die der Arzt des Ortes in den 1920er-Jahren für sein Automobil hatte bauen lassen. Die kleine Hütte steht auf gusseisernen Stützen und ragt jenseits der Straße über den Klippenrand hinaus, mit Blick über die darunterliegende Flussmündung. Als Thomas 1949 mit seiner Frau Caitlin in der Nähe ein ehemaliges Bootshaus bezog, ließ er in dem Schuppen mit Geld seiner Mäzenin Fenster und einen Ofen einbauen und schmückte es mit Bildern seiner Lieblingsschriftsteller, Wortlisten und Reproduktionen berühmter Kunstwerke. Auf seinem rot gestrichenen Schreibtisch lagen stets griffbereit seine Lieblingsbonbons.

In dem Haus mit dem fantastischen Ausblick entstand unter anderem das berühmte Gedicht “Geh nicht gelassen in die gute Nacht” und Teile seines Bandes “Unter dem Milchwald”. Mittags ging Thomas auf einen Drink ins nahegelegene Hotel und danach zum Mittagessen nach Hause, nachmittags arbeitete er von zwei bis sieben im Gartenhaus und verbrachte die Abende mit seiner Frau Caitlin im Pub. Damit er fleißiger arbeitete, schloss diese ihn manchmal im Häuschen ein. 2003 wurde es für 20.000 Pfund saniert.

Virginia Woolf (1882–1941) wusste: “Eine Frau muss Geld und einen Raum für sich haben, um Literatur zu verfassen.” In ihrem Essay “Ein Zimmer für sich allein (1929)” erklärt sie, warum ein Rückzugsort gerade für kreative Frauen wichtig ist. Im Monk’s House in East Sussex konnte Woolf sich genau so einen Platz einrichten, nachdem ihr Roman “Orlando” ein Bestseller geworden war. Sie ließ sich einen Anbau errichten, der ihr erst ausschließlich als Büro, später auch als Schlafzimmer diente. Zum Schreiben ging sie wiederum in ihr hölzernes Gartenhäuschen. Dort war die einzige Störung ihr Mann Leonard, wenn er auf dem Dachboden die frisch gepflückten Äpfel sortierte.

Wenn es Woolf im Winter im Häuschen zu kalt wurde, siedelte sie zum Schreiben in ihr Schlafzimmer um. Später wurde das Gartenhäuschen vergrößert. Dort schrieb sie, täglich einem strikten Zeitplan folgend, mit Feder und Tinte auf einem dünnen Schreibbrett, das auf ihrem Schoß lag. Später tippte Woolf ihre Texte am Schreibtisch ab. In einem Brief an ihre Freundin Ethel Smyth beschrieb sie ihren täglichen kurzen Weg zur Arbeit: “[Ich] werde an einer roten Rose schnuppern; werde sanft über den Rasen wogen (ich bewege mich, als trüge ich einen Korb mit Eiern auf dem Kopf), mir eine Zigarette anzünden, mein Schreibbrett auf die Knie nehmen; und mich, wie ein Taucher, sehr vorsichtig, in den letzten Satz hinablassen, den ich gestern geschrieben habe.”

Alle Beispiele und Informationen in diesem Artikel stammen aus “Schreibwelten” von Alex Johnson, 192 S., erschienen am 10.03.2023 im Verlag wbg Theiss. Mit 100 farbigen Abbildungen, aus dem Englischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer.

Eine Frau in einem prachtvollen Raum schaut aufmerksam zuhörend
Eine ältere Afroamerikanerin lächelt in die Kamera
Ein Mann mit großem Schnurrbar in nachenklicher Pose, vor ihm eine Kerze

Alex Johnson nimmt seine Leserinnen und Leser in “Schreibwelten” mit auf eine Reise durch die Weltliteratur. In seinem mit zahlreichen Illustrationen versehenen Band berichtet er von den Ritualen, Lieblingsorten und Tagesabläufen der ganz Großen der Weltliteratur, darunter so unterschiedliche wie Ernest Hemingway, Astrid Lindgren, Gertrude Stein, Stephen King oder Haruki Murakami. Wir stellen ein paar interessante Schreibmarotten, -orte und -rituale vor.

Die chilenisch-US-amerikanische Schriftstellerin Isabel Allende (“Das Geisterhaus”) schrieb ihre ersten Werke an so unterschiedlichen Orten wie ihrer Küche, einem umgebauten Wandschrank, in Cafés und Autos. Seit Ende der 1980er lebte sie in Kalifornien, wo sie sich 2001 ein neues Haus mit Blick über die Bucht von San Francisco bauen ließ, in dessen Garten sich ein Poolhaus mit eigenem Bad befand. Sie bezeichnete es liebevoll als “casita” (Häuschen). Es diente ihr bis zu ihrer Scheidung 2016 als Rückzugsort zum Schreiben. Darin gab es kein Telefon oder gar Internet und niemand außer ihr durfte es betreten – nur ein ausgewählter Kreis von Freundinnen, die sich alle zwei Wochen trafen. 

Isabel Allende und ihr heiliges Poolhaus

Jeden Roman beginnt Allende an einem 8. Januar, denn an einem solchen schrieb sie jenen Brief an ihren sterbenden Großvater, der die Grundlage für ihren ersten Roman “Das Geisterhaus” bildete. Kurz davor entfernt sie alles, was mit dem Projekt nichts zu tun hat, und verschenkt alle Bücher, die sie bei Recherchen für das vorherige brauchte. Dann entzündet sie Kerzen und verbrennt Salbei, um die Geister ihrer Ahnen und den ihrer verstorbenen Tochter um Hilfe für ihr neues Buch zu bitten. Nach dem Ausführen ihrer Hunde, ihrer Morgenmeditation und einer Tasse Tee macht sie sich frühmorgens an die Arbeit und arbeitet bis abends um sieben am Schreibtisch, nur unterbrochen durch einen Spaziergang. Im Mai hat sie meist schon die Rohfassung des neuen Romans fertig.

Maya Angelou (1928–2014) mietete sich für jedes Buch monatsweise in nahe ihrer Wohnung gelegene, spartanisch eingerichtete Hotelzimmer ein, in denen sich außer einem Bett und einem Waschbecken nichts weiter befand. Sämtliche Bilder ließ sie abhängen. Im Gepäck hatte die US-amerikanische Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin nur eine Flasche Sherry für ihr Gläschen vor dem Mittagessen, Spielkarten, eine Bibel, Wörterbücher und Kreuzworträtsel.

Ihre Schreibarbeit begann sie täglich um halb sieben Uhr morgens. Auf dem Hotelbett schrieb sie von Hand auf linierte gelbe Notizblöcke. Niemand durfte von ihrer Anwesenheit erfahren und die Hotelangestellten durften sie nicht stören, außer um die Betten neu zu beziehen und den Papierkorb zu leeren. Nachmittags kehrte Angelou nach Hause zurück, um sich eine Pause und eine erfrischende Dusche zu gönnen. Am späteren Nachmittag überarbeitete sie, was sie morgens geschrieben hatte, mit der Schreibmaschine.

Der schottische Autor und Schöpfer von Sherlock Holmes, Sir Arthur Ignatius Conan Doyle (1859–1930), schrieb gerne auf seinen zahlreichen Vortragsreisen, die ihn durch die ganze Welt führten. 1925 bestellte er bei Goyard, einem Pariser Geschäft für Luxusartikel aus Leder, eine selbst erdachte Sonderanfertigung: einen Kofferschreibtisch. Dieser sah in geschlossenem Zustand wie ein eleganter Schrankkoffer aus. Wenn man ihn öffnete, verwandelte er sich jedoch in einen Schreibtisch mit kleinem Bücherregal, einer Schreibmaschine und Schubfächern.

Maya Angelou und ihr Hotelritual

Zwischen seinen Reisen schrieb Conan Doyle im Arbeitszimmer seines Hauses in London – mit Füllfederhalter und an einem ganz normalen Schreibtisch ohne Aufbau, umgeben von Harpunen aus seiner Zeit als Arzt auf einem Walfischfänger und Aquarellen seines Vaters. “Wenn mich ein Buch fesselt, bin ich gern bereit, den Tag durchzuarbeiten, nur unterbrochen von einem Spaziergang oder einer Siesta von ein, zwei Stunden am Nachmittag”, sagte Conan Doyle 1924 im Magazin “The Strand”.

Arthur Conan Doyle und sein mobiler Schreibtisch

Auch Ernest Hemingway (1899–1961) umgab sich gerne mit Jagdutensilien und -trophäen. An der Wand seines Schlafzimmers hing der präparierte Kopf einer Gazelle, auf dem Kleiderschrank lag ein Leopardenfell. Neben Regalen mit Büchern und Krimskrams gab es darin auch einen Schreibtisch. Diesen benutzte Hemingway allerdings nie, denn Platz gab es darauf ohnehin nicht: Laut seinem Biografen Aaron Hotchner war Hemingways Schreibtisch eher eine Ablage, unter anderem gefüllt mit Zeitungsausschnitten, einem Säckchen voller Raubtierzähnen, diversen Tieren aus Holz, einem Plüschlöwen sowie Schrotpatronen.

Hemingway schrieb meist in bequemen Slippern auf einem Antilopenfell stehend an einem Lesepult, am liebsten mit Bleistift. An einem guten Tag, berichtete er, verbrauche er manchmal sieben Bleistifte. Sobald er gut im Schreibfluss war, wechselte er zur Schreibmaschine. Diese stand in Brusthöhe mittig auf einem Bücherregal an der Wand. Hemingway führte eine Tabelle, in der er notierte, ob er sein Tagespensum von 500 oder 2000 Wörtern – ja nach Werk – einhielt. Hemingway arbeitete täglich ab Tagesanbruch. Um die Mittagszeit war Schluss, er ging dann spazieren, schwamm in seinem Pool oder genehmigte sich seinen ersten Drink – trotz seines legendären Alkoholkonsums trank er nie bei der Arbeit.

Der walisische Schriftsteller Dylan Thomas (1914–1953) liebte enge Räume zum Arbeiten. Als er in einer Wohnung in London lebte, schrieb er in einem Wohnwagen im Garten. Seine autobiografischen Erzählungen “Porträt des Künstlers als junger Hund” schrieb er wiederum in einer Laube im Park von Laugharne Castle in Wales. Seine Mäzenin Margaret Taylor stellte ihm auch eine Zeitlang ein Gartenhaus zur Verfügung.

Ernest Hemingway und seine eigenwillige Deko

Sein letztes Schreibzimmer wurde geradezu berühmt. Dabei handelte es sich um eine ehemalige Garage in Laugharne, die der Arzt des Ortes in den 1920er-Jahren für sein Automobil hatte bauen lassen. Die kleine Hütte steht auf gusseisernen Stützen und ragt jenseits der Straße über den Klippenrand hinaus, mit Blick über die darunterliegende Flussmündung. Als Thomas 1949 mit seiner Frau Caitlin in der Nähe ein ehemaliges Bootshaus bezog, ließ er in dem Schuppen mit Geld seiner Mäzenin Fenster und einen Ofen einbauen und schmückte es mit Bildern seiner Lieblingsschriftsteller, Wortlisten und Reproduktionen berühmter Kunstwerke. Auf seinem rot gestrichenen Schreibtisch lagen stets griffbereit seine Lieblingsbonbons.

In dem Haus mit dem fantastischen Ausblick entstand unter anderem das berühmte Gedicht “Geh nicht gelassen in die gute Nacht” und Teile seines Bandes “Unter dem Milchwald”. Mittags ging Thomas auf einen Drink ins nahegelegene Hotel und danach zum Mittagessen nach Hause, nachmittags arbeitete er von zwei bis sieben im Gartenhaus und verbrachte die Abende mit seiner Frau Caitlin im Pub. Damit er fleißiger arbeitete, schloss diese ihn manchmal im Häuschen ein. 2003 wurde es für 20.000 Pfund saniert.

Dylan Thomas und sein Haus auf der Klippe

Virginia Woolf (1882–1941) wusste: “Eine Frau muss Geld und einen Raum für sich haben, um Literatur zu verfassen.” In ihrem Essay “Ein Zimmer für sich allein (1929)” erklärt sie, warum ein Rückzugsort gerade für kreative Frauen wichtig ist. Im Monk’s House in East Sussex konnte Woolf sich genau so einen Platz einrichten, nachdem ihr Roman “Orlando” ein Bestseller geworden war. Sie ließ sich einen Anbau errichten, der ihr erst ausschließlich als Büro, später auch als Schlafzimmer diente. Zum Schreiben ging sie wiederum in ihr hölzernes Gartenhäuschen. Dort war die einzige Störung ihr Mann Leonard, wenn er auf dem Dachboden die frisch gepflückten Äpfel sortierte.

Virginia Woolf und ihr Gartenschuppen

Wenn es Woolf im Winter im Häuschen zu kalt wurde, siedelte sie zum Schreiben in ihr Schlafzimmer um. Später wurde das Gartenhäuschen vergrößert. Dort schrieb sie, täglich einem strikten Zeitplan folgend, mit Feder und Tinte auf einem dünnen Schreibbrett, das auf ihrem Schoß lag. Später tippte Woolf ihre Texte am Schreibtisch ab. In einem Brief an ihre Freundin Ethel Smyth beschrieb sie ihren täglichen kurzen Weg zur Arbeit: “[Ich] werde an einer roten Rose schnuppern; werde sanft über den Rasen wogen (ich bewege mich, als trüge ich einen Korb mit Eiern auf dem Kopf), mir eine Zigarette anzünden, mein Schreibbrett auf die Knie nehmen; und mich, wie ein Taucher, sehr vorsichtig, in den letzten Satz hinablassen, den ich gestern geschrieben habe.”

Ein Mann mit grauem Bart une weit geöffnetem hellem Hemd blickt ernst in die Kamera

Alle Beispiele und Informationen in diesem Artikel stammen aus “Schreibwelten” von Alex Johnson, 192 S., erschienen am 10.03.2023 im Verlag wbg Theiss. Mit 100 farbigen Abbildungen, aus dem Englischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer.

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