Die nackte Wahrheit: So funktioniert deutsche Sauna
Nackt in die Sauna zu gehen, ist in Deutschland normal, aber für Menschen aus anderen Ländern kann das befremdlich sein. DW-Journalistin Sarah Hucal aus den USA hat es einiges an Überwindung gekostet, blank zu ziehen.
Es ist ein bewölkter Tag in Berlin und ich sitze in einem kleinen holzgetäfelten Raum mit 30 Menschen – Männer und Frauen… völlig nackt.
Die Temperatur steigt auf mehr als 95 Grad Celsius, während ich einen jungen Mann in einem Wickelrock beobachte, der ein Handtuch so gekonnt über seinem Kopf wirbelt, als würde John Wayne ein Lasso schwingen. Mit jedem heißen Windstoß, den er uns entgegenpeitscht, wird mein Körper von Eukalyptusduft durchströmt.
Es ist ein bewölkter Tag in Berlin und ich sitze in einem kleinen holzgetäfelten Raum mit 30 Menschen – Männer und Frauen… völlig nackt.
Schweißperlen laufen mir über die Stirn und ich bin kurz vor der Ohnmacht. Obwohl ich wie eine Sardine mit anderen unbekleideten Menschen in einem engen Raum zusammengepfercht bin, ist die Tatsache, dass ich nackt bin, das Letzte, woran ich denke, während ich grinse und die Hitze ertrage.
Nackt in einem türkischen Hamam
Der sogenannte Aufguss ist ein Höhepunkt des Saunaerlebnisses. Dabei wird duftendes Wasser auf heiße Kohlen gegossen und ein Handtuch durch die Luft gewirbelt, damit sich der Duft zusammen mit der Wärme im Raum verbreitet.
Im Vabali, einer indonesisch gestalteten Saunalandschaft mit beheizten Pools in Berlin-Mitte, gehört das zum täglichen Programm.
Was ich hier beschreibe, ist eigentlich ein ganz normaler Besuch in einer deutschen Sauna. Viele sind textilfrei. Das bedeutet, keine Badehose, kein Badeanzug oder Bikini! Wer übers Gelände läuft oder zum Essen ins Restaurant geht, trägt einen Bademantel. In den Saunen sitzt man auf Handtüchern, mit denen man sich aber auch umwickeln darf, wenn einem die Nacktheit dann doch zu unangenehm ist.
Für Menschen aus anderen Ländern kann das alles ziemlich befremdlich sein – so erging es mir zumindest am Anfang. Ich bin in den USA aufgewachsen, wo – und das sage ich ganz urteilsfrei – Nacktheit in der Öffentlichkeit einfach nicht üblich ist. Vor meinem Umzug nach Deutschland hätte ich mir nie vorstellen können, den ganzen Tag unbekleidet in einer gemischtgeschlechtlichen Saunalandschaft herumzulaufen.
Aber für mich ist es inzwischen ein Gefühl von Freiheit, alle Hüllen fallen zu lassen. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir jemand was “wegguckt”. Die deutsche Saunatradition kennenzulernen und zu erleben, war für mich eine der befreiendsten Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre, in denen ich inzwischen in Deutschland lebe.
Der Saunabesuch ist ein fester Bestandteil der deutschen Kultur: Schätzungsweise 31 Millionen Deutsche gehen regelmäßig in die Sauna, so der Deutsche Saunabund. Für mich war es ein schrittweiser Prozess, ein “Sauna-Nudist” zu werden.
Mein erstes Sauna-Erlebnis hatte ich mit einer Freundin in Istanbul, kurz bevor ich mit Anfang 20 nach Berlin zog. Wir wollten unbedingt ein authentisches türkisches Badehaus erleben und gingen in eines der historischen Hamams der Stadt. Türkische Saunen sind – anders als deutsche Saunen – nach Geschlechtern getrennt.
Meine Freundin und ich wurden vom Personal aufgefordert, in die Umkleidekabinen zu gehen und unsere Kleidung abzulegen. “Auch die Unterwäsche?”, fragte ich. “Ja, auch die Unterwäsche”, war die Antwort. In diesem Moment schämte ich mich sehr. Wo war ich, beim Frauenarzt? Ich verließ die Umkleidekabine und klammerte mich an das Handtuch, in das ich mich eingewickelt hatte.
Die Saunameisterin öffnete die Tür zu einem opulent verzierten, hohen Raum, in dem sich andere Frauen mit warmem Wasser aus silbernen Schüsseln wuschen. Die Mitarbeiterin riss uns buchstäblich die Handtücher vom Leib und schob uns beide mit einem kräftigen Stoß in den Badesaal. Meine Freundin und ich stolperten unbeholfen in den Raum, beide nackt.
Ich fühlte mich wie ein gerupftes Huhn und versuchte, mich mit den Händen zu bedecken – wie auf dem Gemälde “Die Geburt der Venus” von Sandro Botticelli, nur viel weniger elegant. Es war ein komisches Gefühl, mit meiner Freundin, die ich erst vor ein paar Monaten kennengelernt hatte, nackt zu sein.
Wir hatten keine Ahnung, was wir als nächstes tun sollten. Ich sah einige Schüssel und Wasserhähne, die aus den Wänden ragten. “Sie müssen sich waschen”, sagte eine Dame neben uns.
So weit, so gut. Dann kam die Behandlung, die ich gebucht hatte: ein Ganzkörperpeeling und eine Seifenmassage. Ich legte mich auf eine heiße Marmorplatte, die als Massagebank diente, und ließ meinen Blick zu den kunstvollen Mustern an der Decke darüber schweifen. Die ältere Frau, die mich einseifte und schrubbte, als wolle sie alle sieben Schichten meiner Haut abziehen, war ebenfalls oben ohne. Ich fragte mich, warum – das war doch wirklich nicht nötig.
Es war das erste Mal, dass ich in einem öffentlichen Raum nackt war. Und irgendwie fühlte ich mich überfordert, auch wenn es mir jetzt, einige Jahre später, dumm vorkommt.
Einige Monate später zog ich nach Deutschland und lernte die interessante Wellness-Kultur hier kennen. Damals, im Sommer 2010, arbeitete ich als Opernsängerin und hatte einen Auftritt im Chor einer Kinderoper bei den Bayreuther Festspielen.
Am ersten Probentag besuchten meine deutschen Kollegen und ich das örtliche Kneippbad – ein rechteckiges Fußbad, in dem man herumläuft. Das soll die Durchblutung fördern.
“Ich war im Kneippbad gegenüber der Oper”, schrieb ich in die Bildunterschrift eines Facebook-Fotos, das ich gepostet hatte. “Das ist im Grunde ein eiskaltes Bad für die Beine.” Eiskaltes Wasser war noch nie mein Ding, und ich fand es sehr seltsam, Leute zu sehen, die in ihrer Mittagspause in diesem kleinen Becken herumtrampelten. Ich habe es trotzdem ausprobiert.
An einem freien Tag fragte mich einer meiner Chorkollegen, ob ich mich einer Gruppe anschließen wolle, um in die Sauna zu gehen. Ich wusste, dass Männer und Frauen in Deutschland nicht getrennt werden und alle nackt beisammen sitzen. Deshalb lehnte ich ab. Wie könnte ich auch neben dem Freund meiner Kollegin – einem der Solisten, mit denen wir auf der Bühne standen – nackt schwitzen? Wie peinlich, dachte ich.
Es ist ein bewölkter Tag in Berlin und ich sitze in einem kleinen holzgetäfelten Raum mit 30 Menschen – Männer und Frauen… völlig nackt.
Die Temperatur steigt auf mehr als 95 Grad Celsius, während ich einen jungen Mann in einem Wickelrock beobachte, der ein Handtuch so gekonnt über seinem Kopf wirbelt, als würde John Wayne ein Lasso schwingen. Mit jedem heißen Windstoß, den er uns entgegenpeitscht, wird mein Körper von Eukalyptusduft durchströmt.
Nackt in einem türkischen Hamam
Schweißperlen laufen mir über die Stirn und ich bin kurz vor der Ohnmacht. Obwohl ich wie eine Sardine mit anderen unbekleideten Menschen in einem engen Raum zusammengepfercht bin, ist die Tatsache, dass ich nackt bin, das Letzte, woran ich denke, während ich grinse und die Hitze ertrage.
Der sogenannte Aufguss ist ein Höhepunkt des Saunaerlebnisses. Dabei wird duftendes Wasser auf heiße Kohlen gegossen und ein Handtuch durch die Luft gewirbelt, damit sich der Duft zusammen mit der Wärme im Raum verbreitet.
Im Vabali, einer indonesisch gestalteten Saunalandschaft mit beheizten Pools in Berlin-Mitte, gehört das zum täglichen Programm.
Was ich hier beschreibe, ist eigentlich ein ganz normaler Besuch in einer deutschen Sauna. Viele sind textilfrei. Das bedeutet, keine Badehose, kein Badeanzug oder Bikini! Wer übers Gelände läuft oder zum Essen ins Restaurant geht, trägt einen Bademantel. In den Saunen sitzt man auf Handtüchern, mit denen man sich aber auch umwickeln darf, wenn einem die Nacktheit dann doch zu unangenehm ist.
Wellness auf deutsche Art
Für Menschen aus anderen Ländern kann das alles ziemlich befremdlich sein – so erging es mir zumindest am Anfang. Ich bin in den USA aufgewachsen, wo – und das sage ich ganz urteilsfrei – Nacktheit in der Öffentlichkeit einfach nicht üblich ist. Vor meinem Umzug nach Deutschland hätte ich mir nie vorstellen können, den ganzen Tag unbekleidet in einer gemischtgeschlechtlichen Saunalandschaft herumzulaufen.
Endlich Freiheit
Aber für mich ist es inzwischen ein Gefühl von Freiheit, alle Hüllen fallen zu lassen. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir jemand was “wegguckt”. Die deutsche Saunatradition kennenzulernen und zu erleben, war für mich eine der befreiendsten Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre, in denen ich inzwischen in Deutschland lebe.
Der Saunabesuch ist ein fester Bestandteil der deutschen Kultur: Schätzungsweise 31 Millionen Deutsche gehen regelmäßig in die Sauna, so der Deutsche Saunabund. Für mich war es ein schrittweiser Prozess, ein “Sauna-Nudist” zu werden.
Mein erstes Sauna-Erlebnis hatte ich mit einer Freundin in Istanbul, kurz bevor ich mit Anfang 20 nach Berlin zog. Wir wollten unbedingt ein authentisches türkisches Badehaus erleben und gingen in eines der historischen Hamams der Stadt. Türkische Saunen sind – anders als deutsche Saunen – nach Geschlechtern getrennt.
Meine Freundin und ich wurden vom Personal aufgefordert, in die Umkleidekabinen zu gehen und unsere Kleidung abzulegen. “Auch die Unterwäsche?”, fragte ich. “Ja, auch die Unterwäsche”, war die Antwort. In diesem Moment schämte ich mich sehr. Wo war ich, beim Frauenarzt? Ich verließ die Umkleidekabine und klammerte mich an das Handtuch, in das ich mich eingewickelt hatte.
Die Saunameisterin öffnete die Tür zu einem opulent verzierten, hohen Raum, in dem sich andere Frauen mit warmem Wasser aus silbernen Schüsseln wuschen. Die Mitarbeiterin riss uns buchstäblich die Handtücher vom Leib und schob uns beide mit einem kräftigen Stoß in den Badesaal. Meine Freundin und ich stolperten unbeholfen in den Raum, beide nackt.
Ich fühlte mich wie ein gerupftes Huhn und versuchte, mich mit den Händen zu bedecken – wie auf dem Gemälde “Die Geburt der Venus” von Sandro Botticelli, nur viel weniger elegant. Es war ein komisches Gefühl, mit meiner Freundin, die ich erst vor ein paar Monaten kennengelernt hatte, nackt zu sein.
Wir hatten keine Ahnung, was wir als nächstes tun sollten. Ich sah einige Schüssel und Wasserhähne, die aus den Wänden ragten. “Sie müssen sich waschen”, sagte eine Dame neben uns.
So weit, so gut. Dann kam die Behandlung, die ich gebucht hatte: ein Ganzkörperpeeling und eine Seifenmassage. Ich legte mich auf eine heiße Marmorplatte, die als Massagebank diente, und ließ meinen Blick zu den kunstvollen Mustern an der Decke darüber schweifen. Die ältere Frau, die mich einseifte und schrubbte, als wolle sie alle sieben Schichten meiner Haut abziehen, war ebenfalls oben ohne. Ich fragte mich, warum – das war doch wirklich nicht nötig.
Es war das erste Mal, dass ich in einem öffentlichen Raum nackt war. Und irgendwie fühlte ich mich überfordert, auch wenn es mir jetzt, einige Jahre später, dumm vorkommt.
Einige Monate später zog ich nach Deutschland und lernte die interessante Wellness-Kultur hier kennen. Damals, im Sommer 2010, arbeitete ich als Opernsängerin und hatte einen Auftritt im Chor einer Kinderoper bei den Bayreuther Festspielen.
Am ersten Probentag besuchten meine deutschen Kollegen und ich das örtliche Kneippbad – ein rechteckiges Fußbad, in dem man herumläuft. Das soll die Durchblutung fördern.
“Ich war im Kneippbad gegenüber der Oper”, schrieb ich in die Bildunterschrift eines Facebook-Fotos, das ich gepostet hatte. “Das ist im Grunde ein eiskaltes Bad für die Beine.” Eiskaltes Wasser war noch nie mein Ding, und ich fand es sehr seltsam, Leute zu sehen, die in ihrer Mittagspause in diesem kleinen Becken herumtrampelten. Ich habe es trotzdem ausprobiert.
An einem freien Tag fragte mich einer meiner Chorkollegen, ob ich mich einer Gruppe anschließen wolle, um in die Sauna zu gehen. Ich wusste, dass Männer und Frauen in Deutschland nicht getrennt werden und alle nackt beisammen sitzen. Deshalb lehnte ich ab. Wie könnte ich auch neben dem Freund meiner Kollegin – einem der Solisten, mit denen wir auf der Bühne standen – nackt schwitzen? Wie peinlich, dachte ich.
In den vergangenen zehn Jahren in Berlin aber hat sich meine Einstellung zum Nacktsein geändert – vor allem durch meine Liebe zu meiner Lieblingssauna. Ich habe mich daran gewöhnt, alle Hüllen fallen zu lassen und durch die ruhige Anlage zu gehen. Es fühlt sich befreiend an!
Was Leute, die dem skeptisch gegenüberstehen, verstehen müssen: Man wird nicht beurteilt. Es fühlt sich natürlich an, mit anderen Menschen nackt zu sein, mit unseren Körpern in verschiedenen Formen und Größen, mit Tattoos oder ohne. Jeder ist auf sich selbst bedacht und entspannt. Manchmal schaue ich mich um und frage mich, wer, wie ich, gegen das Schamgefühl ankämpft und sich erst an die deutsche Freikörperkultur gewöhnen musste.
Was Leute, die dem skeptisch gegenüberstehen, verstehen müssen: Man wird nicht beurteilt. Es fühlt sich natürlich an, mit anderen Menschen nackt zu sein, mit unseren Körpern in verschiedenen Formen und Größen, mit Tattoos oder ohne. Jeder ist auf sich selbst bedacht und entspannt. Manchmal schaue ich mich um und frage mich, wer, wie ich, gegen das Schamgefühl ankämpft und sich erst an die deutsche Freikörperkultur gewöhnen musste.