Kultur

Theater für alle: “Récréâtrales” in Burkina Faso

Kulturschaffende im westafrikanischen Burkina Faso trotzen der Sicherheitskrise mit Theater: Beim Festival “Récréâtrales” regen zahlreiche Stücke zur Debatte um Terrorismus und Gewalt an.

Adékambi Carlos Zinsou und Edoxi Lionelle Gnoula stehen im Scheinwerferlicht auf einem sandigen Hinterhof in Ouagadougou, Hauptstadt von Burkina Faso. Um sie herum ist es stockdunkel. Immer wieder proben sie Szenen aus dem Theaterstück “Mögen unsere Kinder Riesen sein”. Elvire (Edoxi Lionelle Gnoula) drängt ihren Mann Madiba (Adékambi Carlos Zinsou), endlich in die Politik zu gehen, um der Familie ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Er fühlt sich jedoch zunehmend von ihr unter Druck gesetzt und kritisiert, dass sie zu viel Whiskey trinkt. Konflikte sind unvermeidbar und eskalieren immer mehr.

Das Stück des beninischen Regisseurs Sèdjro Giovanni Houansou dreht sich um Selbstbestimmung und den passenden Platz in der Gesellschaft. Zu sehen ist es im Rahmen von “Récréâtrales”. Das Theaterfestival läuft noch bis zum 5. November 2022 und gehört zu den wichtigsten Theatertreffen auf dem ganzen Kontinent. Schon Wochen vor Beginn haben zahlreiche Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit, nach Ouagadougou zu kommen, zu proben und sich auszutauschen. Das Festival gibt außerdem vielen Menschen Arbeit, sagt Schauspielerin Edoxi Lionelle Gnoula, die aus Burkina Faso kommt und bereits mehrfach teilgenommen hat. “Es ist ein fester Bestandteil in unserer Kulturszene.”

Adékambi Carlos Zinsou und Edoxi Lionelle Gnoula stehen im Scheinwerferlicht auf einem sandigen Hinterhof in Ouagadougou, Hauptstadt von Burkina Faso. Um sie herum ist es stockdunkel. Immer wieder proben sie Szenen aus dem Theaterstück “Mögen unsere Kinder Riesen sein”. Elvire (Edoxi Lionelle Gnoula) drängt ihren Mann Madiba (Adékambi Carlos Zinsou), endlich in die Politik zu gehen, um der Familie ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Er fühlt sich jedoch zunehmend von ihr unter Druck gesetzt und kritisiert, dass sie zu viel Whiskey trinkt. Konflikte sind unvermeidbar und eskalieren immer mehr.

Aus dem Viertel Gounghin ist “Récréâtrales” nicht mehr wegzudenken. Entlang einer knapp einen Kilometer sandigen Straße – vergangenes Jahr ist sie in “Rue des Récréâtrales” umbenannt worden – sind in den Hinterhöfen kleine Privatbühnen entstanden.

Eines der wichtigsten Theatertreffen Afrikas

Kinder schauen sich nach der Schule die Proben an. Katzen und Hühner laufen umher. “Das Theater verbindet sich mit den Menschen vor Ort. Es ist nah und für die Menschen da. Das macht es so außergewöhnlich und besonders”, sagt Edoxi Lionelle Gnoula. Zuschauerinnen und Zuschauern gibt das die Möglichkeit, direkt mit den Kunstschaffenden in Kontakt zu kommen. Mögliche Barrieren entstehen erst gar nicht, und das Festival wird zum “Theater für alle”.

Zusätzlich zu den Stücken finden abends Lesungen und Konzerte statt. Viele Stücke greifen Alltagsthemen auf, in denen sich viele wiederfinden. Neben der Frage um Selbstbestimmung thematisiert das Stück “La Foufoune” zum Beispiel die Frage von sexueller Selbstbestimmung.

Ein Thema beherrscht jedoch die 12. Auflage des 2002 gegründeten Festivals: die brutale Gewalt im Sahel. Alleine in Burkina Faso sind aufgrund von Anschlägen durch Terroristen und Überfällen durch bewaffnete Banden rund zwei Millionen Menschen auf der Flucht. “Mit dem Terrorismus im Norden durchlebt das Land gerade schwierige Zeiten. Das lässt sich heute in der Kunst nicht mehr ignorieren”, sagt Regisseur Serge Aimé Coulibaly. Bis Mitte Oktober hat er bei den Müncher Kammerspielen Regie geführt. Jetzt arbeitet er mit Frauen und Jugendlichen – alle sind Amateure – aus Gounghin zusammen, die für “Totenwache im Sahel” auf der Bühne stehen.

Das Stück erzählt vom Aufstand einer Frauengruppe, die Gewalt, Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit nicht mehr hinnimmt. Die Frauen kämpfen für eine bessere Zukunft. Für Aristide Tarnagda, den Leiter des Festivals, geht es aber nicht nur darum, Missstände sichtbar zu machen. Das Schauspiel könne auch beim Verarbeiten des Erlebten helfen, ist er sicher. Deshalb spielen auch Binnenvertriebene mit. “Außerdem sollen die Stücke Grundlage für Analysen für das sein, was gerade geschieht”, sagt Tarnagda.

Dass ausgerechnet in Burkina Faso ein panafrikanisches Theaterfestival stattfindet, ist kein Zufall. Seit 1969 treffen sich alle zwei Jahre Filmschaffende auf dem FESPACO, dem größten Filmfestival des Kontinents. Vor allem in der Hauptstadt sowie in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt fünf Autostunden südwestlich, sind auch kleinere Treffen wie das FITMO, das Marionettentheater-Festival, entstanden. Zur Theaterbegeisterung hat auch der einstige Präsident Thomas Sankara beigetragen. Während seiner Amtszeit – Sankara wurde 1987 ermordet und ist heute Nationalheld des Landes – ließ er in vielen Städten Amphitheater bauen.

Von jenem in Ouagadougou, dem Théâtre Populaire, war Jahrzehnte lang nichts mehr zu sehen. Sankaras Nachfolger, der 2014 abgesetzte Langzeitherrscher Blaise Compaoré, ließ die Spielstätte verfallen. Hohe Bäume und eine wilde Müllkippe versteckten sie außerdem. Martin Pockrandt, Leiter des Goethe-Instituts in Ouagadougou, führt über das Gelände. “Hier stand Müll, es war voller Schrott. Es war einfach auch wahnsinnig verfallen”, sagt er und bleibt immer wieder stehen. Langsam wird der Ort wieder zum Theater. Die große Bühne ist ebenso zugänglich wie die Räume dahinter und die Sitzbänke. Wenn später auch Licht installiert ist, können mehr als 2500 Zuschauerinnen und Zuschauer Vorstellungen sehen. Auch das, so Pockrandt, sei ein Schritt, um Burkina Fasos Theatertradition zu erhalten.

Burkina Faso | Theaterfestival Récréâtrales
Burkina Faso | Theaterfestival Récréâtrales
Burkina Faso | Theaterfestival Récréâtrales

Adékambi Carlos Zinsou und Edoxi Lionelle Gnoula stehen im Scheinwerferlicht auf einem sandigen Hinterhof in Ouagadougou, Hauptstadt von Burkina Faso. Um sie herum ist es stockdunkel. Immer wieder proben sie Szenen aus dem Theaterstück “Mögen unsere Kinder Riesen sein”. Elvire (Edoxi Lionelle Gnoula) drängt ihren Mann Madiba (Adékambi Carlos Zinsou), endlich in die Politik zu gehen, um der Familie ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Er fühlt sich jedoch zunehmend von ihr unter Druck gesetzt und kritisiert, dass sie zu viel Whiskey trinkt. Konflikte sind unvermeidbar und eskalieren immer mehr.

Das Stück des beninischen Regisseurs Sèdjro Giovanni Houansou dreht sich um Selbstbestimmung und den passenden Platz in der Gesellschaft. Zu sehen ist es im Rahmen von “Récréâtrales”. Das Theaterfestival läuft noch bis zum 5. November 2022 und gehört zu den wichtigsten Theatertreffen auf dem ganzen Kontinent. Schon Wochen vor Beginn haben zahlreiche Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit, nach Ouagadougou zu kommen, zu proben und sich auszutauschen. Das Festival gibt außerdem vielen Menschen Arbeit, sagt Schauspielerin Edoxi Lionelle Gnoula, die aus Burkina Faso kommt und bereits mehrfach teilgenommen hat. “Es ist ein fester Bestandteil in unserer Kulturszene.”

Eines der wichtigsten Theatertreffen Afrikas

Aus dem Viertel Gounghin ist “Récréâtrales” nicht mehr wegzudenken. Entlang einer knapp einen Kilometer sandigen Straße – vergangenes Jahr ist sie in “Rue des Récréâtrales” umbenannt worden – sind in den Hinterhöfen kleine Privatbühnen entstanden.

Kinder schauen sich nach der Schule die Proben an. Katzen und Hühner laufen umher. “Das Theater verbindet sich mit den Menschen vor Ort. Es ist nah und für die Menschen da. Das macht es so außergewöhnlich und besonders”, sagt Edoxi Lionelle Gnoula. Zuschauerinnen und Zuschauern gibt das die Möglichkeit, direkt mit den Kunstschaffenden in Kontakt zu kommen. Mögliche Barrieren entstehen erst gar nicht, und das Festival wird zum “Theater für alle”.

Zusätzlich zu den Stücken finden abends Lesungen und Konzerte statt. Viele Stücke greifen Alltagsthemen auf, in denen sich viele wiederfinden. Neben der Frage um Selbstbestimmung thematisiert das Stück “La Foufoune” zum Beispiel die Frage von sexueller Selbstbestimmung.

Ein Thema beherrscht jedoch die 12. Auflage des 2002 gegründeten Festivals: die brutale Gewalt im Sahel. Alleine in Burkina Faso sind aufgrund von Anschlägen durch Terroristen und Überfällen durch bewaffnete Banden rund zwei Millionen Menschen auf der Flucht. “Mit dem Terrorismus im Norden durchlebt das Land gerade schwierige Zeiten. Das lässt sich heute in der Kunst nicht mehr ignorieren”, sagt Regisseur Serge Aimé Coulibaly. Bis Mitte Oktober hat er bei den Müncher Kammerspielen Regie geführt. Jetzt arbeitet er mit Frauen und Jugendlichen – alle sind Amateure – aus Gounghin zusammen, die für “Totenwache im Sahel” auf der Bühne stehen.

Hinterhof statt Festspielhaus

Das Stück erzählt vom Aufstand einer Frauengruppe, die Gewalt, Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit nicht mehr hinnimmt. Die Frauen kämpfen für eine bessere Zukunft. Für Aristide Tarnagda, den Leiter des Festivals, geht es aber nicht nur darum, Missstände sichtbar zu machen. Das Schauspiel könne auch beim Verarbeiten des Erlebten helfen, ist er sicher. Deshalb spielen auch Binnenvertriebene mit. “Außerdem sollen die Stücke Grundlage für Analysen für das sein, was gerade geschieht”, sagt Tarnagda.

Krise auf die Bühne bringen

Dass ausgerechnet in Burkina Faso ein panafrikanisches Theaterfestival stattfindet, ist kein Zufall. Seit 1969 treffen sich alle zwei Jahre Filmschaffende auf dem FESPACO, dem größten Filmfestival des Kontinents. Vor allem in der Hauptstadt sowie in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt fünf Autostunden südwestlich, sind auch kleinere Treffen wie das FITMO, das Marionettentheater-Festival, entstanden. Zur Theaterbegeisterung hat auch der einstige Präsident Thomas Sankara beigetragen. Während seiner Amtszeit – Sankara wurde 1987 ermordet und ist heute Nationalheld des Landes – ließ er in vielen Städten Amphitheater bauen.

Von jenem in Ouagadougou, dem Théâtre Populaire, war Jahrzehnte lang nichts mehr zu sehen. Sankaras Nachfolger, der 2014 abgesetzte Langzeitherrscher Blaise Compaoré, ließ die Spielstätte verfallen. Hohe Bäume und eine wilde Müllkippe versteckten sie außerdem. Martin Pockrandt, Leiter des Goethe-Instituts in Ouagadougou, führt über das Gelände. “Hier stand Müll, es war voller Schrott. Es war einfach auch wahnsinnig verfallen”, sagt er und bleibt immer wieder stehen. Langsam wird der Ort wieder zum Theater. Die große Bühne ist ebenso zugänglich wie die Räume dahinter und die Sitzbänke. Wenn später auch Licht installiert ist, können mehr als 2500 Zuschauerinnen und Zuschauer Vorstellungen sehen. Auch das, so Pockrandt, sei ein Schritt, um Burkina Fasos Theatertradition zu erhalten.

Lange Theatertradition

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