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Ein Ausnahmepolitiker: Zum 20. Todestag von Zoran Djindjic

Mit dem Tod kam der Ruhm: In den Nachrufen auf den ehemaligen serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic, der 2003, nach nur gut zwei Jahren im Amt ermordet wurde, feierte man ihn als Ausnahmepolitiker.

Zoran Djindjic war von 2001 bis 2003 serbischer Ministerpräsident. Seine politische Karriere endete abrupt am 12. März 2003. Er wurde Opfer eines Attentäters. Vielen Zeitgenossen galt er als Ausnahmepolitiker. Genau das aber wollte er gerade nicht sein. 

Mit dem fragwürdigen Epitheton war Slobodan Milosevic bedacht worden, sein Gegenspieler. Djindjic wollte im Gegenteil Normalität stiften: ein Serbien, das sich, statt in nationalen Mythen zu baden, mit seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen befasst, das sich in der Nachbarschaft nach brauchbaren Modellen umschaut, statt dort Unruhe zu stiften. 

Zoran Djindjic war von 2001 bis 2003 serbischer Ministerpräsident. Seine politische Karriere endete abrupt am 12. März 2003. Er wurde Opfer eines Attentäters. Vielen Zeitgenossen galt er als Ausnahmepolitiker. Genau das aber wollte er gerade nicht sein. 

Fatalerweise ist Djindjic als Regierungschef eine Ausnahme geblieben. Statt ihm auf seinem entschlossenen Weg nach Europa zu folgen, überfordert sich sein Land mit einem permanenten Schlingern zwischen Ost und West.

Serbiens Überforderung

Als Persönlichkeit war der Anführer der Demokratischen Partei tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung. Hochgebildet, durchsetzungsstark und mit einem langen Atem gesegnet, dabei integer und freundlich, gut aussehend und charmant, bot Djindjic ein Spektrum von Tugenden, das in der Weltpolitik seinesgleichen suchte. Die weitgehend unblutige Revolution gegen Milosevic, die er organisierte und orchestrierte, gilt als sein Meisterstück. Nach dem verlorenen Krieg, dem in Kosovo, war der Autokrat Milosevic geschwächt. Er gebot aber noch immer über einen effizienten Machtapparat, und sein Ansehen in der Bevölkerung begann schon wieder zu wachsen, als Djindjic im Stillen eine Koalition gegen ihn schmiedete. 

Um sicherzugehen, dass Milosevics berüchtigte Spezialpolizei bei der bevorstehenden Großdemonstration im März kein Blutbad anrichtete, traf er sich sogar mit deren Anführer – dem Mann, der später sein Mörder wurde.

Die Regierung, die Djindjic nach erfolgter Absetzung von Milosevic bildete, verfügte kaum über Machtmittel. Armee, Polizei, weite Teile der Beamtenschaft waren nicht dem Staat, sondern dessen Oberhaupt loyal verbunden und orientierten sich nach dessen Verschwinden allein an ihren eigenen Interessen. Die “Demokratische Opposition Serbiens”, die die Regierung stellte, war ein disparater Haufen von Dissidenten, von weit rechts bis weit links, die sich noch nie einem Wählervotum gestellt hatten. Djindjic gelang es allein mit seinem Charisma, sie zu einer solidarischen Riege zusammen zu schmieden. Er gab die Parolen aus. 

Djindjic setzte alles auf die europäische Karte. Seine schwerste Entscheidung, die Auslieferung von Milosevic an das Haager Kriegsverbrechertribunal, verkaufte er – ganz ohne paneuropäisches oder menschenrechtliches Pathos – einfach als den Preis, den Serbien für die Annäherung an die EU nun einmal zu zahlen habe.

Politisch sozialisiert hatte sich Djindjic als 16-Jähriger in der Studentenrevolte des Jahres 1968, die auch an Jugoslawien nicht vorüberging. Als Student in Belgrad las er russische Anarchisten und trat gegen die vergreiste Partisanengeneration um den 60 Jahre älteren Tito auf, die das Land im Griff hielt. Mit einem Stipendium promovierte er 1978 im deutschen Konstanz in Philosophie und studierte später bei Jürgen Habermas, dem Kopf des Instituts für Sozialforschung und der “Frankfurter Schule”. Theoretische Debatten in intellektuellen Kreisen bestand er mühelos – auf Deutsch. 

Als er Ende der 1980er-Jahre nach Belgrad zurückging, war seine Sozialutopie längst einem liberalen Pragmatismus gewichen. Aber seine Prägung durch die deutsche Uni-Szene der 1970er-Jahre ließ sich nicht verleugnen. Nach dem Wahlsieg über Milosevic im Oktober 2001 beharrte Djindjic darauf, die Machtfrage über alles zu stellen – auch über die Verfassung, die auch nur eine Hervorbringung der Ära Milosevic war. In Djindjics Augen hatte eine Revolution stattgefunden. 

An Schmähungen gegen den “Deutschen”, seine angebliche Korruption, seine behauptete Inkonsequenz, fehlte es nicht. Als er eine amerikanische Tabakfabrik in das entindustrialisierte Land holte, warfen ihm die Zigarettenschmuggler Zigarettenschmuggel vor.

War er nicht vor dem NATO-Bombardement um Kosovo nach Montenegro geflüchtet, in das “Räubernest”? Hatte Djindjic nicht am Vorabend der großen Revolte des 5. Oktober 2001 einen schmutzigen Deal mit dem Anführer der berüchtigten “Roten Barette” geschlossen, Milosevics Mördertruppe? Und hatte er sich nicht, um Milosevic zu schaden, mitten im Krieg mit dessen Rivalen Radovan Karadzic gemein gemacht, dem radikalen Serbenführer in Bosnien?

Tatsächlich hatte der Oppositionelle auch den Kontakt zu Kriegsverbrechern und kriminellen Oligarchen nicht gescheut. Einmal an der Macht, war er gegenüber der Szene nicht zu kleinsten Zugeständnissen bereit. Seine Geradlinigkeit kostete ihn das Leben. Der Scharfschütze, der sich am 12. März 2003 gegenüber dem Belgrader Regierungsgebäude auf die Lauer legte und Djindjic tödlich traf, war der Vize-Chef der “Roten Barette”, der marodierenden Polizeitruppe, die das Mordopfer selbst kollektiv aus dem Staatsdienst entlassen hatte. Nach dem Tod des “Ausnahmepolitikers” trat nach und nach wieder lähmende Normalität ein. Sie hält bis heute an. 

Serbischer Ministerpräsident Zoran Djindjic ist tot
Serbien Sturz von Slobodan Milosevic - Slobodan Milosevic

Zoran Djindjic war von 2001 bis 2003 serbischer Ministerpräsident. Seine politische Karriere endete abrupt am 12. März 2003. Er wurde Opfer eines Attentäters. Vielen Zeitgenossen galt er als Ausnahmepolitiker. Genau das aber wollte er gerade nicht sein. 

Mit dem fragwürdigen Epitheton war Slobodan Milosevic bedacht worden, sein Gegenspieler. Djindjic wollte im Gegenteil Normalität stiften: ein Serbien, das sich, statt in nationalen Mythen zu baden, mit seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen befasst, das sich in der Nachbarschaft nach brauchbaren Modellen umschaut, statt dort Unruhe zu stiften. 

Serbiens Überforderung

Fatalerweise ist Djindjic als Regierungschef eine Ausnahme geblieben. Statt ihm auf seinem entschlossenen Weg nach Europa zu folgen, überfordert sich sein Land mit einem permanenten Schlingern zwischen Ost und West.

Als Persönlichkeit war der Anführer der Demokratischen Partei tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung. Hochgebildet, durchsetzungsstark und mit einem langen Atem gesegnet, dabei integer und freundlich, gut aussehend und charmant, bot Djindjic ein Spektrum von Tugenden, das in der Weltpolitik seinesgleichen suchte. Die weitgehend unblutige Revolution gegen Milosevic, die er organisierte und orchestrierte, gilt als sein Meisterstück. Nach dem verlorenen Krieg, dem in Kosovo, war der Autokrat Milosevic geschwächt. Er gebot aber noch immer über einen effizienten Machtapparat, und sein Ansehen in der Bevölkerung begann schon wieder zu wachsen, als Djindjic im Stillen eine Koalition gegen ihn schmiedete. 

Um sicherzugehen, dass Milosevics berüchtigte Spezialpolizei bei der bevorstehenden Großdemonstration im März kein Blutbad anrichtete, traf er sich sogar mit deren Anführer – dem Mann, der später sein Mörder wurde.

Die Regierung, die Djindjic nach erfolgter Absetzung von Milosevic bildete, verfügte kaum über Machtmittel. Armee, Polizei, weite Teile der Beamtenschaft waren nicht dem Staat, sondern dessen Oberhaupt loyal verbunden und orientierten sich nach dessen Verschwinden allein an ihren eigenen Interessen. Die “Demokratische Opposition Serbiens”, die die Regierung stellte, war ein disparater Haufen von Dissidenten, von weit rechts bis weit links, die sich noch nie einem Wählervotum gestellt hatten. Djindjic gelang es allein mit seinem Charisma, sie zu einer solidarischen Riege zusammen zu schmieden. Er gab die Parolen aus. 

Der lange Arm Milosevics

Djindjic setzte alles auf die europäische Karte. Seine schwerste Entscheidung, die Auslieferung von Milosevic an das Haager Kriegsverbrechertribunal, verkaufte er – ganz ohne paneuropäisches oder menschenrechtliches Pathos – einfach als den Preis, den Serbien für die Annäherung an die EU nun einmal zu zahlen habe.

Der junge Djindjic

Politisch sozialisiert hatte sich Djindjic als 16-Jähriger in der Studentenrevolte des Jahres 1968, die auch an Jugoslawien nicht vorüberging. Als Student in Belgrad las er russische Anarchisten und trat gegen die vergreiste Partisanengeneration um den 60 Jahre älteren Tito auf, die das Land im Griff hielt. Mit einem Stipendium promovierte er 1978 im deutschen Konstanz in Philosophie und studierte später bei Jürgen Habermas, dem Kopf des Instituts für Sozialforschung und der “Frankfurter Schule”. Theoretische Debatten in intellektuellen Kreisen bestand er mühelos – auf Deutsch. 

Als er Ende der 1980er-Jahre nach Belgrad zurückging, war seine Sozialutopie längst einem liberalen Pragmatismus gewichen. Aber seine Prägung durch die deutsche Uni-Szene der 1970er-Jahre ließ sich nicht verleugnen. Nach dem Wahlsieg über Milosevic im Oktober 2001 beharrte Djindjic darauf, die Machtfrage über alles zu stellen – auch über die Verfassung, die auch nur eine Hervorbringung der Ära Milosevic war. In Djindjics Augen hatte eine Revolution stattgefunden. 

An Schmähungen gegen den “Deutschen”, seine angebliche Korruption, seine behauptete Inkonsequenz, fehlte es nicht. Als er eine amerikanische Tabakfabrik in das entindustrialisierte Land holte, warfen ihm die Zigarettenschmuggler Zigarettenschmuggel vor.

Allein gegen alle

War er nicht vor dem NATO-Bombardement um Kosovo nach Montenegro geflüchtet, in das “Räubernest”? Hatte Djindjic nicht am Vorabend der großen Revolte des 5. Oktober 2001 einen schmutzigen Deal mit dem Anführer der berüchtigten “Roten Barette” geschlossen, Milosevics Mördertruppe? Und hatte er sich nicht, um Milosevic zu schaden, mitten im Krieg mit dessen Rivalen Radovan Karadzic gemein gemacht, dem radikalen Serbenführer in Bosnien?

Tatsächlich hatte der Oppositionelle auch den Kontakt zu Kriegsverbrechern und kriminellen Oligarchen nicht gescheut. Einmal an der Macht, war er gegenüber der Szene nicht zu kleinsten Zugeständnissen bereit. Seine Geradlinigkeit kostete ihn das Leben. Der Scharfschütze, der sich am 12. März 2003 gegenüber dem Belgrader Regierungsgebäude auf die Lauer legte und Djindjic tödlich traf, war der Vize-Chef der “Roten Barette”, der marodierenden Polizeitruppe, die das Mordopfer selbst kollektiv aus dem Staatsdienst entlassen hatte. Nach dem Tod des “Ausnahmepolitikers” trat nach und nach wieder lähmende Normalität ein. Sie hält bis heute an. 

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