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Sturz der “Löwinnen” in Costa Rica

Ein Jahr und fünf Monate lang waren die Meisterinnen aus Alajuela in Costa Rica unbesiegt. Nun haben sie mit 1:4 verloren. Und die Playoffs im wenig bekannten Pionierland des Frauenfußballs versprechen wieder Spannung.

Vier Frauen sind dafür verantwortlich, dass die besten Fußballerinnen Costa Ricas eine unglaubliche Erfolgsserie beenden mussten. Melanie Monteagudo, Carol Sánchez, Cristin Granados und Yesmi Rodríguez trafen am Donnerstag für Sporting FC gegen die Meisterinnen aus Alajuela, die zuvor fast anderthalb Jahre lang nicht mehr verloren hatten. Wenn Alajuelense schon seine historische erste Niederlage nach so langer Zeit kassiert, haben sie sich vielleicht gedacht, dann mit 1:4 auch als richtige Schlappe. In 44 Partien war das Team von Trainer Wilmer López zuvor ungeschlagen gewesen, eine nationale Rekordserie ist gerissen. Drei Meisterschaften in Serie hatten die als unbesiegbar geltenden “Löwinnen” aus Alajuela geholt, als erstes Team überhaupt im Land.

Allerdings haben die Frauen aus der gut 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt Alajuela am Fuß des Vulkans Poás gewiss auch deutlich professionellere Bedingungen als die anderen Klubs. Während die Mehrheit der Liga in Provinzstadien mit rund 3000 Plätzen kickt, finden in Alajuelas Estadio Morera Soto eindrucksvolle 17.000 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz. Dieser Wert wird nur vom Rivalen Nummer eins, Saprissa, übertroffen. Einen eigenen Trikotdeal hat Alajuelense auch. Nun aber, kurz vor dem letzten Spieltag der regulären Saison am 6. November, sieht es gar nicht mehr so rosig aus für die “Löwinnen”. Zwischenzeitlich fielen sie auf Platz drei der Tabelle zurück, nach einem 2:1 am Sonntagabend gegen den Zweitplatzierten CS Herediano sind sie zurück auf Platz zwei hinter den Überraschungssiegerinnen vom Sporting FC.

Vier Frauen sind dafür verantwortlich, dass die besten Fußballerinnen Costa Ricas eine unglaubliche Erfolgsserie beenden mussten. Melanie Monteagudo, Carol Sánchez, Cristin Granados und Yesmi Rodríguez trafen am Donnerstag für Sporting FC gegen die Meisterinnen aus Alajuela, die zuvor fast anderthalb Jahre lang nicht mehr verloren hatten. Wenn Alajuelense schon seine historische erste Niederlage nach so langer Zeit kassiert, haben sie sich vielleicht gedacht, dann mit 1:4 auch als richtige Schlappe. In 44 Partien war das Team von Trainer Wilmer López zuvor ungeschlagen gewesen, eine nationale Rekordserie ist gerissen. Drei Meisterschaften in Serie hatten die als unbesiegbar geltenden “Löwinnen” aus Alajuela geholt, als erstes Team überhaupt im Land.

In der Tabelle geht es diesmal also enger und ausgeglichener zu als zuletzt, das ist eine gute Nachricht für die anstehenden Playoffs. Wie in vielen anderen süd- und mittelamerikanischen Ländern ist die Saison in Costa Rica zweigeteilt: in die Apertura und die Clausura. In beiden Spielzeiten gibt es unter den acht Teams der ersten Liga zunächst eine reguläre Saison. Anschließend treten in Playoffs die besten vier Teams gegeneinander an und spielen den Titel aus. Aktuell läuft die Clausura. Während die europäischen Ligen gerade erst ins Rollen kommen, steuert die erste Liga in Costa Rica also bereits auf den Höhepunkt zu. Und es könnte endlich wieder spannend werden im Titelrennen. Zumindest, wenn es darum geht, welcher Klub am Ende gewinnt, nicht woher er kommt.

Beste Voraussetzungen in Alajuela

Geografisch nämlich ist das Ganze eine sehr elitäre Angelegenheit: Fast alle Teams stammen aus dem wirtschaftlichen und politischen Zentrum rund um die Hauptstadt San José oder zumindest aus selbiger Provinz. Die einzige Ausnahme ist das traditionsreiche Municipal Pococí aus der Küstenprovinz Limón im Osten des Landes, aktuell mit zwei Punkten Rückstand auf einen Playoff-Platz. Pococís 28-jährige Starspielerin Kimberly Vargas hat, wie so viele in der Liga, drei Beschäftigungen: Die Verteidigerin ist nicht nur Fußballerin, sondern studiert parallel Bauingenieurwesen und arbeitet auf Baustellen. Ausbildung, Arbeit und Spitzensport zugleich gilt für Costa Ricas Fußballerinnen als sehr üblich.

In Europa dürfte kaum jemand je Details über den Fußball der Frauen in Costa Rica gehört haben – dabei hatte das Land eine globale Pionierrolle inne. Frauen spielten hier bereits organisiert Fußball zu Zeiten, als es in den meisten anderen Ländern noch verboten war. Der Historiker Chester Urbina Gaitán hat fußballspielende Frauen in Costa Rica schon ab 1924 nachgewiesen. Die Möglichkeit, dass auch Frauen Fußball spielen konnten, ergab sich laut Urbina Gaitán durch die stärkeren Verflechtungen mit dem Weltmarkt im 19. Jahrhundert, vor allem bei der Kaffeeproduktion, wodurch eine städtische Bourgeoisie entstand. Waren die Frauen im Fußball erst noch passiv tätig, etwa als Empfangsdamen bei Vereinsfesten oder als Köchinnen, gründeten sich 1926 gleich mehrere Frauenteams. Costa Rica war damit wohl das erste Land in Mittelamerika, in dem Frauen im modernen Fußball selbst auf dem Platz standen. Einige Mannschaften sollen als Flagge die der indigenen Mapuche genutzt haben – der Sport auch als antiimperialistische Plattform.

Möglich wurde all das aber auch durch Rassismus. Historiker Urbina Gaitán zumindest vertritt die These, dass die Frauen auch deshalb relativ machtvoll in männliches Territorium eindringen konnten, weil eine rassistische Staatsideologie es so wollte. Frauen sollten fit und leistungsfähig werden, um der eigenen “Rasse” leistungsfähige Kinder zu gebären. Dieser Unsinn änderte sich über die Jahrzehnte, die Pionierrolle aber blieb: 1949 wurde mit Deportivo Femenino Costa Rica FC der wohl erste reine Frauenfußballklub auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent gegründet. In den folgenden Jahren reisten Frauen aus Costa Rica auch ins Ausland, um den Fußball zu verbreiten, etwa nach Panama und El Salvador. Und in den Sechzigerjahren gründete Sportmanager Franklin Monestel für fünf Teams die erste nationale Liga. In der BRD war es Frauen damals immer noch verboten, Fußball zu spielen.

Auch koloniale Kontinuitäten sorgen dafür, dass all das in Europa fast unbekannt ist. Jüngst hat der Frauenverband UNIFFUT ein erstes Buch zur Historie fußballspielender Frauen in Costa Rica herausgegeben. Darin tauchen Geschichten auf, wie jene der Spielerin Ligia Torres, die von ihrem Dorf jedes Wochenende zunächst zweieinhalb Stunden zu Pferd und dann noch acht im Bus zurücklegte, um in der ersten Liga zu spielen. Sie wurde Meisterin. Ihre einzige Chance auf ein Spiel fürs Nationalteam wurde allerdings durch einen Erdrutsch verhindert. Torres war nominiert, konnte aber nicht anreisen, eine weitere Berufung in die Landesauswahl gab es für sie danach nicht.

Diese Zeiten haben sich geändert. Derzeit ist Costa Rica zum zweiten Mal überhaupt in seiner Geschichte für eine WM der Frauen qualifiziert, für das Turnier in Australien und Neuseeland 2023. Zum ersten Mal soll es über die Vorrunde hinausgehen. Und die Zeiten, in denen man zu Pferde anreiten musste, sind auch vorbei.

Luftaufname von Fußballstadion Estadio Alejandro Morera Soto in Costa Rica bei Nacht unter Flutlicht
Spielerinnen von LD Alajuelense posieren mit Sonnenbrillen für Meisterfoto

Vier Frauen sind dafür verantwortlich, dass die besten Fußballerinnen Costa Ricas eine unglaubliche Erfolgsserie beenden mussten. Melanie Monteagudo, Carol Sánchez, Cristin Granados und Yesmi Rodríguez trafen am Donnerstag für Sporting FC gegen die Meisterinnen aus Alajuela, die zuvor fast anderthalb Jahre lang nicht mehr verloren hatten. Wenn Alajuelense schon seine historische erste Niederlage nach so langer Zeit kassiert, haben sie sich vielleicht gedacht, dann mit 1:4 auch als richtige Schlappe. In 44 Partien war das Team von Trainer Wilmer López zuvor ungeschlagen gewesen, eine nationale Rekordserie ist gerissen. Drei Meisterschaften in Serie hatten die als unbesiegbar geltenden “Löwinnen” aus Alajuela geholt, als erstes Team überhaupt im Land.

Allerdings haben die Frauen aus der gut 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt Alajuela am Fuß des Vulkans Poás gewiss auch deutlich professionellere Bedingungen als die anderen Klubs. Während die Mehrheit der Liga in Provinzstadien mit rund 3000 Plätzen kickt, finden in Alajuelas Estadio Morera Soto eindrucksvolle 17.000 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz. Dieser Wert wird nur vom Rivalen Nummer eins, Saprissa, übertroffen. Einen eigenen Trikotdeal hat Alajuelense auch. Nun aber, kurz vor dem letzten Spieltag der regulären Saison am 6. November, sieht es gar nicht mehr so rosig aus für die “Löwinnen”. Zwischenzeitlich fielen sie auf Platz drei der Tabelle zurück, nach einem 2:1 am Sonntagabend gegen den Zweitplatzierten CS Herediano sind sie zurück auf Platz zwei hinter den Überraschungssiegerinnen vom Sporting FC.

Beste Voraussetzungen in Alajuela

In der Tabelle geht es diesmal also enger und ausgeglichener zu als zuletzt, das ist eine gute Nachricht für die anstehenden Playoffs. Wie in vielen anderen süd- und mittelamerikanischen Ländern ist die Saison in Costa Rica zweigeteilt: in die Apertura und die Clausura. In beiden Spielzeiten gibt es unter den acht Teams der ersten Liga zunächst eine reguläre Saison. Anschließend treten in Playoffs die besten vier Teams gegeneinander an und spielen den Titel aus. Aktuell läuft die Clausura. Während die europäischen Ligen gerade erst ins Rollen kommen, steuert die erste Liga in Costa Rica also bereits auf den Höhepunkt zu. Und es könnte endlich wieder spannend werden im Titelrennen. Zumindest, wenn es darum geht, welcher Klub am Ende gewinnt, nicht woher er kommt.

Geografisch nämlich ist das Ganze eine sehr elitäre Angelegenheit: Fast alle Teams stammen aus dem wirtschaftlichen und politischen Zentrum rund um die Hauptstadt San José oder zumindest aus selbiger Provinz. Die einzige Ausnahme ist das traditionsreiche Municipal Pococí aus der Küstenprovinz Limón im Osten des Landes, aktuell mit zwei Punkten Rückstand auf einen Playoff-Platz. Pococís 28-jährige Starspielerin Kimberly Vargas hat, wie so viele in der Liga, drei Beschäftigungen: Die Verteidigerin ist nicht nur Fußballerin, sondern studiert parallel Bauingenieurwesen und arbeitet auf Baustellen. Ausbildung, Arbeit und Spitzensport zugleich gilt für Costa Ricas Fußballerinnen als sehr üblich.

In Europa dürfte kaum jemand je Details über den Fußball der Frauen in Costa Rica gehört haben – dabei hatte das Land eine globale Pionierrolle inne. Frauen spielten hier bereits organisiert Fußball zu Zeiten, als es in den meisten anderen Ländern noch verboten war. Der Historiker Chester Urbina Gaitán hat fußballspielende Frauen in Costa Rica schon ab 1924 nachgewiesen. Die Möglichkeit, dass auch Frauen Fußball spielen konnten, ergab sich laut Urbina Gaitán durch die stärkeren Verflechtungen mit dem Weltmarkt im 19. Jahrhundert, vor allem bei der Kaffeeproduktion, wodurch eine städtische Bourgeoisie entstand. Waren die Frauen im Fußball erst noch passiv tätig, etwa als Empfangsdamen bei Vereinsfesten oder als Köchinnen, gründeten sich 1926 gleich mehrere Frauenteams. Costa Rica war damit wohl das erste Land in Mittelamerika, in dem Frauen im modernen Fußball selbst auf dem Platz standen. Einige Mannschaften sollen als Flagge die der indigenen Mapuche genutzt haben – der Sport auch als antiimperialistische Plattform.

Möglich wurde all das aber auch durch Rassismus. Historiker Urbina Gaitán zumindest vertritt die These, dass die Frauen auch deshalb relativ machtvoll in männliches Territorium eindringen konnten, weil eine rassistische Staatsideologie es so wollte. Frauen sollten fit und leistungsfähig werden, um der eigenen “Rasse” leistungsfähige Kinder zu gebären. Dieser Unsinn änderte sich über die Jahrzehnte, die Pionierrolle aber blieb: 1949 wurde mit Deportivo Femenino Costa Rica FC der wohl erste reine Frauenfußballklub auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent gegründet. In den folgenden Jahren reisten Frauen aus Costa Rica auch ins Ausland, um den Fußball zu verbreiten, etwa nach Panama und El Salvador. Und in den Sechzigerjahren gründete Sportmanager Franklin Monestel für fünf Teams die erste nationale Liga. In der BRD war es Frauen damals immer noch verboten, Fußball zu spielen.

Pionierinnen des Fußballs der Frauen

Auch koloniale Kontinuitäten sorgen dafür, dass all das in Europa fast unbekannt ist. Jüngst hat der Frauenverband UNIFFUT ein erstes Buch zur Historie fußballspielender Frauen in Costa Rica herausgegeben. Darin tauchen Geschichten auf, wie jene der Spielerin Ligia Torres, die von ihrem Dorf jedes Wochenende zunächst zweieinhalb Stunden zu Pferd und dann noch acht im Bus zurücklegte, um in der ersten Liga zu spielen. Sie wurde Meisterin. Ihre einzige Chance auf ein Spiel fürs Nationalteam wurde allerdings durch einen Erdrutsch verhindert. Torres war nominiert, konnte aber nicht anreisen, eine weitere Berufung in die Landesauswahl gab es für sie danach nicht.

Diese Zeiten haben sich geändert. Derzeit ist Costa Rica zum zweiten Mal überhaupt in seiner Geschichte für eine WM der Frauen qualifiziert, für das Turnier in Australien und Neuseeland 2023. Zum ersten Mal soll es über die Vorrunde hinausgehen. Und die Zeiten, in denen man zu Pferde anreiten musste, sind auch vorbei.

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