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Skier für Geflüchtete – warum Sachspenden oft nicht helfen

An der polnisch-ukrainischen Grenze türmen sich Sachspenden. Ärzte und Pfleger wollen spontan in die Ukraine reisen, um zu helfen. Das alles ist zwar gut gemeint, aber oft schlecht gemacht. Was jetzt wirklich hilft. 

Senseo-Kaffeemaschinen, Teebeutel, Pelzmäntel oder abgelaufene Verbandskästen - all das wird Hilfsorganisationen angeboten. Es ist gut gemeint. Überall in Deutschland gibt es private Initiativen, die Sachspenden sammeln und an die Grenzen schicken. Doch oft ist das mehr Last als Hilfe.  

Hilfsorganisationen und soziale Medien berichten, dass Sachspenden mittlerweile auf der Straße liegen. Es türmen sich Kleidung, Decken und selbst Skier. Private Initiativen melden sich bei Hilfsorganisationen, weil sie voll beladene LKW haben, die keiner will. Aber auch die Organisationen lehnen ab.

Senseo-Kaffeemaschinen, Teebeutel, Pelzmäntel oder abgelaufene Verbandskästen - all das wird Hilfsorganisationen angeboten. Es ist gut gemeint. Überall in Deutschland gibt es private Initiativen, die Sachspenden sammeln und an die Grenzen schicken. Doch oft ist das mehr Last als Hilfe.  

 Sandra Lorenz, Sprecherin der Johanniter-Auslandshilfe, findet die Hilfsbereitschaft bemerkenswert. Sie kann den Impuls, selbst helfen zu wollen und nicht nur Geld zu spenden, nachvollziehen. Dennoch sagt sie: “Sachspenden werden lieblos abgelegt - und das bringt im Endeffekt nichts, weil der Bedarf gar nicht da ist und die Sachen nicht ankommen, wo sie ankommen sollen.” Viele spendeten Kleidung, dabei benötigten die Geflüchteten am Anfang vor allem Powerbanks und Hygieneartikel für Frauen. Es kamen Medikamente ohne Beipackzettel auf Ukrainisch oder Russisch an. Spielsachen wurden geliefert, die Geflüchtete bei der Weiterreise nicht mitnehmen konnten. 

An den Grenzen liegen die Sachspenden auf der Straße 

Hilfsorganisationen ermitteln zunächst den Bedarf vor Ort, erst dann werden Hilfsgüter geschickt. Diese Hilfe muss auch zwischen den Organisationen gut koordiniert werden, damit nicht an einem Ort zwei LKW-Ladungen mit Windeln ankommen und an einem anderen keine. Bei Katastrophen ist die Lage dynamisch: Wie viele Menschen flüchten, was sie brauchen – all das ändert sich laufend. 

Der logistische Aufwand bei Sachspenden ist sehr groß: lagern, sortieren, ermitteln, was noch brauchbar ist, Kleidung waschen – all das kostet viel Zeit. Es bringt auch häufig nichts, Güter bis an die Grenzen zu fahren. Hilfsorganisationen kaufen meistens direkt vor Ort ein. Das ist zwar aufgrund des Krieges in der Ukraine an vielen Orten nicht mehr möglich, aber in den angrenzenden Ländern ist das meiste verfügbar. Das ist auch wichtig, um die lokalen Märkte nicht kaputt zu machen. 

Hinzu kommt: Der Platz auf den Straßen ist begrenzt. Private Konvois können wichtige Hilfsgüter- und Krankentransporte blockieren. 

In vielen Fällen sind Sachspenden offenbar humanitäre Hilfe von vorgestern. So sagen es jedenfalls viele Helfer. Funktionieren die lokalen Märkte noch, geben Hilfsorganisationen immer öfter Bargeld aus. Eines der humanitären Prinzipien ist, die Würde des Menschen zu achten. Das heißt auch, Betroffene nicht zu entmündigen. Sie sollen sich das kaufen, was sie möchten: Medizin, die sie vertragen, Essen, auf das sie Lust haben, das ihrer Religion und Kultur entspricht. 

Die Sprecherin der Johanniter-Auslandshilfe sagt: “Die Menschen sollten sich fragen, was sie sich wünschen würden, wenn sie alles verloren hätten. Dann wollen sie sicherlich die Kleidung tragen, die ihnen gefällt und keinen zehn Jahre alten Pullover.” Die Kleiderspenden nach der Flutkatastrophe 2021 in Deutschland wollte auch kaum einer. Die Hallen sind bis heute voll.

Anders ist es im lokalen Bereich. Hier könnten Sachspenden helfen, sagt Laura Cazes von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), die ebenfalls humanitäre Hilfe leistet: “Man sollte aber immer nachfragen, ob es einen Bedarf gibt. Dann kann auch die Kaffeemaschine sinnvoll sein, wenn diese in einer Geflüchteten-Unterkunft gerade gebraucht wird.”

Auch zahlreiche Ärzte und Pflegekräfte melden sich bei Hilfsorganisationen, da sie jetzt helfen wollen. Doch die lehnen das meist ab. So sagt der Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Dieter Schütz: “Unsere Freiwilligen haben spezielle Trainings gemacht, in denen sie für den Katastrophen- und den Kriegsfall geschult wurden. Sie wissen, wie sie sich verhalten müssen. Wir schicken niemanden ohne Training in den Einsatz.”

Auf eigene Faust in die Ukraine reisen: keine gute Idee. Zum einen aufgrund des persönlichen Risikos, zum anderen aber auch, weil vielen Hilfsorganisationen von ihren lokalen Partnern bisher kein Bedarf an medizinischem Personal gemeldet wurde.  

Sandra Lorenz von der Johanniter-Auslandshilfe betont zudem, dass solche Eigeninitiativen eine weitere Belastung sein können. Die zusätzlichen Mediziner verbrauchten die wenigen Ressourcen, die das Land noch habe: “Unsere medizinischen Teams erfüllen die Standards der Weltgesundheitsorganisation und können sich selbst versorgen. Einfach so in ein Katastrophengebiet zu reisen, finde ich persönlich schwierig.” 

So unpersönlich es auch ist: Wer helfen will, sollte Geld spenden. Schütz sagt, das DRK rufe dabei vor allem zu zweckgebundenen Spenden auf, da Menschen meist in einer konkreten Situation helfen wollten. Lorenz von den Johannitern rät hingegen vor allem zu nicht zweckgebundenen Spenden. So komme das Geld da an, wo es am nötigsten gebraucht werde: “Der Ukraine-Krieg verschärft auch Krisen in anderen Ländern. Zum Beispiel aufgrund der nicht mehr gesicherten Weizenproduktion oder Inflation. Wie wir diese enorme Not in den nächsten Monaten auffangen sollen, macht mir große Sorgen.”

Wer sich lieber persönlich einsetzen will, sollte sich melden, so die Hilfsorganisationen. Hier könne man lokal und international aktiv werden: in den Bereichen Medizin, Medien, Logistik, Fahrdienst oder schlicht auch bei Essensausgaben. Entscheidend sei aber, dass Menschen sich langfristig engagierten und nicht nur kurz bei einer akuten Katastrophe. Das sei leider bisher oft der Fall gewesen. 

Fazit: Durch langfristiges Engagement kann bei Katastrophen und Krisen mit geschultem Personal koordiniert und strukturiert geholfen werden. So ist Hilfe nachhaltig und kommt da an, wo sie gebraucht wird.   

Lasst nicht einfach Sachen hier - steht auf einem Schild im polnischen Dorf Medyka an der ukrainischen Grenze
Sandra Lorenz, Sprecherin für die Johanniter-Auslandshilfe
Laura Cazes, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Digitalisierung bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V.

Senseo-Kaffeemaschinen, Teebeutel, Pelzmäntel oder abgelaufene Verbandskästen - all das wird Hilfsorganisationen angeboten. Es ist gut gemeint. Überall in Deutschland gibt es private Initiativen, die Sachspenden sammeln und an die Grenzen schicken. Doch oft ist das mehr Last als Hilfe.  

Hilfsorganisationen und soziale Medien berichten, dass Sachspenden mittlerweile auf der Straße liegen. Es türmen sich Kleidung, Decken und selbst Skier. Private Initiativen melden sich bei Hilfsorganisationen, weil sie voll beladene LKW haben, die keiner will. Aber auch die Organisationen lehnen ab.

An den Grenzen liegen die Sachspenden auf der Straße 

 Sandra Lorenz, Sprecherin der Johanniter-Auslandshilfe, findet die Hilfsbereitschaft bemerkenswert. Sie kann den Impuls, selbst helfen zu wollen und nicht nur Geld zu spenden, nachvollziehen. Dennoch sagt sie: “Sachspenden werden lieblos abgelegt - und das bringt im Endeffekt nichts, weil der Bedarf gar nicht da ist und die Sachen nicht ankommen, wo sie ankommen sollen.” Viele spendeten Kleidung, dabei benötigten die Geflüchteten am Anfang vor allem Powerbanks und Hygieneartikel für Frauen. Es kamen Medikamente ohne Beipackzettel auf Ukrainisch oder Russisch an. Spielsachen wurden geliefert, die Geflüchtete bei der Weiterreise nicht mitnehmen konnten. 

Hilfsorganisationen ermitteln zunächst den Bedarf vor Ort, erst dann werden Hilfsgüter geschickt. Diese Hilfe muss auch zwischen den Organisationen gut koordiniert werden, damit nicht an einem Ort zwei LKW-Ladungen mit Windeln ankommen und an einem anderen keine. Bei Katastrophen ist die Lage dynamisch: Wie viele Menschen flüchten, was sie brauchen – all das ändert sich laufend. 

Der logistische Aufwand bei Sachspenden ist sehr groß: lagern, sortieren, ermitteln, was noch brauchbar ist, Kleidung waschen – all das kostet viel Zeit. Es bringt auch häufig nichts, Güter bis an die Grenzen zu fahren. Hilfsorganisationen kaufen meistens direkt vor Ort ein. Das ist zwar aufgrund des Krieges in der Ukraine an vielen Orten nicht mehr möglich, aber in den angrenzenden Ländern ist das meiste verfügbar. Das ist auch wichtig, um die lokalen Märkte nicht kaputt zu machen. 

Hinzu kommt: Der Platz auf den Straßen ist begrenzt. Private Konvois können wichtige Hilfsgüter- und Krankentransporte blockieren. 

Es braucht bedarfsgerechte und koordinierte Hilfe 

In vielen Fällen sind Sachspenden offenbar humanitäre Hilfe von vorgestern. So sagen es jedenfalls viele Helfer. Funktionieren die lokalen Märkte noch, geben Hilfsorganisationen immer öfter Bargeld aus. Eines der humanitären Prinzipien ist, die Würde des Menschen zu achten. Das heißt auch, Betroffene nicht zu entmündigen. Sie sollen sich das kaufen, was sie möchten: Medizin, die sie vertragen, Essen, auf das sie Lust haben, das ihrer Religion und Kultur entspricht. 

Hilfsorganisationen geben Bargeld aus 

Die Sprecherin der Johanniter-Auslandshilfe sagt: “Die Menschen sollten sich fragen, was sie sich wünschen würden, wenn sie alles verloren hätten. Dann wollen sie sicherlich die Kleidung tragen, die ihnen gefällt und keinen zehn Jahre alten Pullover.” Die Kleiderspenden nach der Flutkatastrophe 2021 in Deutschland wollte auch kaum einer. Die Hallen sind bis heute voll.

Anders ist es im lokalen Bereich. Hier könnten Sachspenden helfen, sagt Laura Cazes von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), die ebenfalls humanitäre Hilfe leistet: “Man sollte aber immer nachfragen, ob es einen Bedarf gibt. Dann kann auch die Kaffeemaschine sinnvoll sein, wenn diese in einer Geflüchteten-Unterkunft gerade gebraucht wird.”

Auch zahlreiche Ärzte und Pflegekräfte melden sich bei Hilfsorganisationen, da sie jetzt helfen wollen. Doch die lehnen das meist ab. So sagt der Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Dieter Schütz: “Unsere Freiwilligen haben spezielle Trainings gemacht, in denen sie für den Katastrophen- und den Kriegsfall geschult wurden. Sie wissen, wie sie sich verhalten müssen. Wir schicken niemanden ohne Training in den Einsatz.”

Mediziner sollten nicht auf eigene Faust in die Ukraine reisen 

Auf eigene Faust in die Ukraine reisen: keine gute Idee. Zum einen aufgrund des persönlichen Risikos, zum anderen aber auch, weil vielen Hilfsorganisationen von ihren lokalen Partnern bisher kein Bedarf an medizinischem Personal gemeldet wurde.  

Sandra Lorenz von der Johanniter-Auslandshilfe betont zudem, dass solche Eigeninitiativen eine weitere Belastung sein können. Die zusätzlichen Mediziner verbrauchten die wenigen Ressourcen, die das Land noch habe: “Unsere medizinischen Teams erfüllen die Standards der Weltgesundheitsorganisation und können sich selbst versorgen. Einfach so in ein Katastrophengebiet zu reisen, finde ich persönlich schwierig.” 

Geld spenden und sich dauerhaft engagieren 

So unpersönlich es auch ist: Wer helfen will, sollte Geld spenden. Schütz sagt, das DRK rufe dabei vor allem zu zweckgebundenen Spenden auf, da Menschen meist in einer konkreten Situation helfen wollten. Lorenz von den Johannitern rät hingegen vor allem zu nicht zweckgebundenen Spenden. So komme das Geld da an, wo es am nötigsten gebraucht werde: “Der Ukraine-Krieg verschärft auch Krisen in anderen Ländern. Zum Beispiel aufgrund der nicht mehr gesicherten Weizenproduktion oder Inflation. Wie wir diese enorme Not in den nächsten Monaten auffangen sollen, macht mir große Sorgen.”

Wer sich lieber persönlich einsetzen will, sollte sich melden, so die Hilfsorganisationen. Hier könne man lokal und international aktiv werden: in den Bereichen Medizin, Medien, Logistik, Fahrdienst oder schlicht auch bei Essensausgaben. Entscheidend sei aber, dass Menschen sich langfristig engagierten und nicht nur kurz bei einer akuten Katastrophe. Das sei leider bisher oft der Fall gewesen. 

Dr. Dieter Schütz, Pressesprecher des DRK

Fazit: Durch langfristiges Engagement kann bei Katastrophen und Krisen mit geschultem Personal koordiniert und strukturiert geholfen werden. So ist Hilfe nachhaltig und kommt da an, wo sie gebraucht wird.   

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