Wirtschaft

Wie abhängig ist Taiwan von China?

Die militärischen Drohgebärden Pekings gegen Taiwan nach Nancy Pelosis Besuch sind massiv. Als Wirtschaftspartner kann aber vorerst weder Taiwan auf China, noch China auf Taiwan verzichten – doch es bleibt gefährlich.

Peking lässt gegenüber Taiwan die Muskeln spielen. Mit Militärmanövern und dem demonstrativen Eindringen in den Luftraum und die Gewässer der demokratischen Inselrepublik reagiert die Staats- und Parteiführung in Peking auf den Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan.

Und Peking reagierte mit Sanktionen: Zunächst sind allerdings nur Zitrusfrüchte, Makrelenfilets und andere Fisch-Produkte betroffen. Bereits vor dem Pelosi-Besuch stoppte Peking die Einfuhren von mehr als hundert taiwanischen Lebensmittelproduzenten. Außerdem soll jetzt auch der Export von natürlichem Sand nach Taiwan verboten werden, auf den unter anderem die Bauindustrie der Insel angewiesen ist.

Peking lässt gegenüber Taiwan die Muskeln spielen. Mit Militärmanövern und dem demonstrativen Eindringen in den Luftraum und die Gewässer der demokratischen Inselrepublik reagiert die Staats- und Parteiführung in Peking auf den Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan.

Einen Importstopp für elektronische Handelsgüter wie Mikrochips oder optische Komponenten zu verhängen, kann sich Chinas Wirtschaft dagegen nicht leisten.

Wirtschaftliches Kraftzentrum vor der Küste Chinas

Taiwan ist etwa so groß wie das deutsche Bundesland Baden-Württemberg und hat 23 Millionen Einwohner, was etwas mehr als einem Viertel der Bevölkerung Deutschlands entspricht. Und ähnlich wie Deutschland ist Taiwan für seine industriellen Exportgüter auf der ganzen Welt bekannt.

So wichtig wie die Automobilindustrie für die deutsche Volkswirtschaft, ist für Taiwan seine hochentwickelte Halbleiterbranche. Und wie abhängig Taiwan von Exporten ist, zeigt der Vergleich zu Deutschland. Rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung Taiwans entfällt auf seine Ausfuhren, in Deutschland waren es 2021 “nur” 47 Prozent.

Während 2021 das Bruttoinlands-Produkt (BIP) pro Kopf in der Volksrepublik nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei 12.259 US-Dollar lag, fiel der Wert in Taiwan mit 33.775 US-Dollar nahezu dreimal so hoch aus.

China ist Taiwans wichtigster Handelspartner, gefolgt von den USA. Mehr als 42 Prozent der Exporte Taiwans gehen nach China, von dort bezieht Taiwan gut 22 Prozent seiner Importe. Im Jahr 2020 wurden zwischen Taiwan und der Volksrepublik Waren und Dienstleistungen im Wert von 166 Milliarden US-Dollar ausgetauscht.

Taiwan gehört auch zu den wichtigsten Investoren auf dem Festland. Nach Angaben der Regierung in Taipeh investierten Unternehmen aus Taiwan zwischen 1991 und Ende Mai 2021 in insgesamt 44.577 Projekte im Wert rund 194 Milliarden US-Dollar. Eines der bekanntesten Beispiele dafür sind die Fabriken von Foxconn. Der Konzern aus Taiwan baut im südchinesischen Shenzhen und Werken im Norden und Westen Chinas iPhones für Apple, Galaxy-Smartphones für Samsung und Spielekonsolen für Sony.

Und an der Tatsache, dass mehr als die Hälfte aller Exporte Taiwans auf Halbleiter und andere IT-Technik entfallen, wird deutlich, wie wichtig Taiwan für den Rest der Welt ist – auch für China.

Vereinfacht ausgedrückt, funktioniert die Handelspartnerschaft zwischen China und Taiwan bei der IT-Technik so: Die Volksrepublik liefert wichtige Rohstoffe wie Seltene Erden und weniger hochwertige elektronische Komponenten aus der Massenproduktion, während Taiwan High End-Halbleiter und optische Komponenten aufs Festland exportiert, für deren Produktion China (noch) das Know-how fehlt.

Chinas zentrales Ziel ist es, die Fähigkeit zur Produktion von Spitzen-Chips zu erlangen – das hat die Staats- und Parteiführung immer wieder in Programmen wie Made in China 2025 unterstrichen. Bislang hängt die Volksrepublik diesem Ziel allerdings deutlich hinterher.

Wenn das Ziel erreicht ist, so glauben Experten, könnte es eng werden für Taiwan und die gewaltsame Wiedervereinigung mit der Volksrepublik würde dann für Staats- und Parteichef Xi Jinping auf der Tagesordnung stehen.

Westliche Sicherheitspolitiker erinnern daran, dass China immer wieder sein Ziel wiederholt hat, bis spätestens zur Hundertjahrfeier der Gründung der Volksrepublik 2049, Taiwan mit dem Festland zu vereinigen – wenn nötig unter Zwang.

Das werde aber vermutlich deutlich früher geschehen, glaubt Roderich Kiesewetter. Der CDU-Sicherheitsexperte ist Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Überwachung der deutschen Geheimdienste zuständig ist.

Kiesewetter wird im Interview mit dem Fernsehsender Welt deutlich: “Bisher war unser Parameter so, dass wir gesagt haben: Wenn China in der Lage ist, Halbleiter in der derselben Präzision, Geschwindigkeit und auch Menge herzustellen (wie Taiwan, Anm. d. Red.) – das wäre nicht vor 2027 der Fall -, dann ist ein Übergriff wahrscheinlich. Aber es gibt Denkschulen in China, die sagen: Gerade jetzt ist der Westen sehr gebunden im Krieg gegen Russland und in der Unterstützung der Ukraine.” 

Denn die Amerikaner hätten nach Einschätzung Pekings nicht die Kraft, sich gegen zwei Kriege an zwei Fronten zu stemmen. Noch sei China nicht zu einer Invasion bereit, glaubt Kiesewetter. Es gebe allerdings Warnzeichen: “Wir müssen uns schneller auf eine Eskalation einstellen, aber noch nicht in den nächsten Monaten.” 

Für Kishore Mahbubani ist klar, dass China künftig seine Interessen immer dominanter und rabiater durchsetzen wird. Sein Buch mit dem Titel Hat China schon gewonnen? Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht spielt durch, was passieren wird, wenn China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abgelöst hat.

Auch Kishore Mahbubani glaubt nicht, dass sich Peking schon jetzt Taiwan mit militärischer Gewalt einverleiben wird. “Denn die Chinesen sind noch viel mehr Geschäftsleute als Ideologen.” Für die Entscheidungsträger in Peking würden die Risiken ganz klar die Chancen überwiegen, betonte der Politikwissenschaftler, Diplomat und ehemalige Präsident des UN-Sicherheitsrats aus Singapur im Interview mit Bloomberg TV.

“Sie denken nicht in Quartalen oder Jahren, sondern in Jahrzehnten. Und wenn sie stark genug sind, werden sie sich für alles revanchieren, was sie in der Vergangenheit an Demütigungen hinnehmen mussten, weil sie damals noch nicht stark genug waren.”

Präsentation Foxconn Elektroauto Platform
Taiwan | Firmenlogo des Halbleiter Herstellers TSMC

Peking lässt gegenüber Taiwan die Muskeln spielen. Mit Militärmanövern und dem demonstrativen Eindringen in den Luftraum und die Gewässer der demokratischen Inselrepublik reagiert die Staats- und Parteiführung in Peking auf den Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan.

Und Peking reagierte mit Sanktionen: Zunächst sind allerdings nur Zitrusfrüchte, Makrelenfilets und andere Fisch-Produkte betroffen. Bereits vor dem Pelosi-Besuch stoppte Peking die Einfuhren von mehr als hundert taiwanischen Lebensmittelproduzenten. Außerdem soll jetzt auch der Export von natürlichem Sand nach Taiwan verboten werden, auf den unter anderem die Bauindustrie der Insel angewiesen ist.

Wirtschaftliches Kraftzentrum vor der Küste Chinas

Einen Importstopp für elektronische Handelsgüter wie Mikrochips oder optische Komponenten zu verhängen, kann sich Chinas Wirtschaft dagegen nicht leisten.

Taiwan ist etwa so groß wie das deutsche Bundesland Baden-Württemberg und hat 23 Millionen Einwohner, was etwas mehr als einem Viertel der Bevölkerung Deutschlands entspricht. Und ähnlich wie Deutschland ist Taiwan für seine industriellen Exportgüter auf der ganzen Welt bekannt.

So wichtig wie die Automobilindustrie für die deutsche Volkswirtschaft, ist für Taiwan seine hochentwickelte Halbleiterbranche. Und wie abhängig Taiwan von Exporten ist, zeigt der Vergleich zu Deutschland. Rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung Taiwans entfällt auf seine Ausfuhren, in Deutschland waren es 2021 “nur” 47 Prozent.

Während 2021 das Bruttoinlands-Produkt (BIP) pro Kopf in der Volksrepublik nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei 12.259 US-Dollar lag, fiel der Wert in Taiwan mit 33.775 US-Dollar nahezu dreimal so hoch aus.

Wirtschaftliche Stärke

China ist Taiwans wichtigster Handelspartner, gefolgt von den USA. Mehr als 42 Prozent der Exporte Taiwans gehen nach China, von dort bezieht Taiwan gut 22 Prozent seiner Importe. Im Jahr 2020 wurden zwischen Taiwan und der Volksrepublik Waren und Dienstleistungen im Wert von 166 Milliarden US-Dollar ausgetauscht.

Sicherheitsexperten: Invasion rückt näher

Taiwan gehört auch zu den wichtigsten Investoren auf dem Festland. Nach Angaben der Regierung in Taipeh investierten Unternehmen aus Taiwan zwischen 1991 und Ende Mai 2021 in insgesamt 44.577 Projekte im Wert rund 194 Milliarden US-Dollar. Eines der bekanntesten Beispiele dafür sind die Fabriken von Foxconn. Der Konzern aus Taiwan baut im südchinesischen Shenzhen und Werken im Norden und Westen Chinas iPhones für Apple, Galaxy-Smartphones für Samsung und Spielekonsolen für Sony.

Und an der Tatsache, dass mehr als die Hälfte aller Exporte Taiwans auf Halbleiter und andere IT-Technik entfallen, wird deutlich, wie wichtig Taiwan für den Rest der Welt ist – auch für China.

Vereinfacht ausgedrückt, funktioniert die Handelspartnerschaft zwischen China und Taiwan bei der IT-Technik so: Die Volksrepublik liefert wichtige Rohstoffe wie Seltene Erden und weniger hochwertige elektronische Komponenten aus der Massenproduktion, während Taiwan High End-Halbleiter und optische Komponenten aufs Festland exportiert, für deren Produktion China (noch) das Know-how fehlt.

“Mehr Geschäftsleute als Ideologen”

Chinas zentrales Ziel ist es, die Fähigkeit zur Produktion von Spitzen-Chips zu erlangen – das hat die Staats- und Parteiführung immer wieder in Programmen wie Made in China 2025 unterstrichen. Bislang hängt die Volksrepublik diesem Ziel allerdings deutlich hinterher.

Wenn das Ziel erreicht ist, so glauben Experten, könnte es eng werden für Taiwan und die gewaltsame Wiedervereinigung mit der Volksrepublik würde dann für Staats- und Parteichef Xi Jinping auf der Tagesordnung stehen.

Westliche Sicherheitspolitiker erinnern daran, dass China immer wieder sein Ziel wiederholt hat, bis spätestens zur Hundertjahrfeier der Gründung der Volksrepublik 2049, Taiwan mit dem Festland zu vereinigen – wenn nötig unter Zwang.

Das werde aber vermutlich deutlich früher geschehen, glaubt Roderich Kiesewetter. Der CDU-Sicherheitsexperte ist Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Überwachung der deutschen Geheimdienste zuständig ist.

China | PLA Kampfjet über Pingtan

Kiesewetter wird im Interview mit dem Fernsehsender Welt deutlich: “Bisher war unser Parameter so, dass wir gesagt haben: Wenn China in der Lage ist, Halbleiter in der derselben Präzision, Geschwindigkeit und auch Menge herzustellen (wie Taiwan, Anm. d. Red.) – das wäre nicht vor 2027 der Fall -, dann ist ein Übergriff wahrscheinlich. Aber es gibt Denkschulen in China, die sagen: Gerade jetzt ist der Westen sehr gebunden im Krieg gegen Russland und in der Unterstützung der Ukraine.” 

Denn die Amerikaner hätten nach Einschätzung Pekings nicht die Kraft, sich gegen zwei Kriege an zwei Fronten zu stemmen. Noch sei China nicht zu einer Invasion bereit, glaubt Kiesewetter. Es gebe allerdings Warnzeichen: “Wir müssen uns schneller auf eine Eskalation einstellen, aber noch nicht in den nächsten Monaten.” 

Für Kishore Mahbubani ist klar, dass China künftig seine Interessen immer dominanter und rabiater durchsetzen wird. Sein Buch mit dem Titel Hat China schon gewonnen? Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht spielt durch, was passieren wird, wenn China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abgelöst hat.

Auch Kishore Mahbubani glaubt nicht, dass sich Peking schon jetzt Taiwan mit militärischer Gewalt einverleiben wird. “Denn die Chinesen sind noch viel mehr Geschäftsleute als Ideologen.” Für die Entscheidungsträger in Peking würden die Risiken ganz klar die Chancen überwiegen, betonte der Politikwissenschaftler, Diplomat und ehemalige Präsident des UN-Sicherheitsrats aus Singapur im Interview mit Bloomberg TV.

“Sie denken nicht in Quartalen oder Jahren, sondern in Jahrzehnten. Und wenn sie stark genug sind, werden sie sich für alles revanchieren, was sie in der Vergangenheit an Demütigungen hinnehmen mussten, weil sie damals noch nicht stark genug waren.”

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