Meinung: Warum Joseph Ratzinger an der Sache vorbeischreibt
Würde er um Entschuldigung bitten, gar seine persönliche Verantwortung eingestehen? So persönlich das neue kurze Schreiben des emeritierten Papstes ist – es scheitert doch, meint Christoph Strack.
Joseph Ratzinger, der frühere Papst Benedikt XVI., verteidigt sich. Endlich. Wie angekündigt. Er nimmt Stellung zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen und der scharfen Kritik, die nach der Veröffentlichung des Münchner Gutachtens zu Missbrauch und Vertuschung gegen seine Person mit Blick auf seine fünf Jahre als Erzbischof von München und Freising erhoben wurden. Immerhin, er erklärt sich.
Das gleichzeitig in acht Sprachen veröffentlichte Schreiben ist, ob es nun komplett von ihm selbst verfasst wurde oder unter Mitwirkung anderer, ein echter Ratzinger-Text. Das galt aus verständlichen Gründen der Detailarbeit nicht für die gut 80 Seiten, die Teil des am 20. Januar veröffentlichten, rund 1900 Seiten umfassenden Gutachtens der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl waren. Und in denen eine widerlegbare, falsche Behauptung den früheren Papst in das Licht der Lüge rückte.
Joseph Ratzinger, der frühere Papst Benedikt XVI., verteidigt sich. Endlich. Wie angekündigt. Er nimmt Stellung zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen und der scharfen Kritik, die nach der Veröffentlichung des Münchner Gutachtens zu Missbrauch und Vertuschung gegen seine Person mit Blick auf seine fünf Jahre als Erzbischof von München und Freising erhoben wurden. Immerhin, er erklärt sich.
Und nun? Ist der Brief, der nach zuvor 82 Seiten nun kaum 70 Zeilen hat, die Bitte um Entschuldigung, die Andeutung eines Schuldeingeständnisses? Manche lesen das in diesen Text hinein. Aber Vorsicht: Entschuldigung wofür? Denn dieses Schreiben blickt eher nicht auf die einst Betroffenen, die Opfer, die Überlebenden. Bevor Ratzinger zum ersten Mal die “von Priestern sexuell missbrauchten Menschen” erwähnt, schreibt er ein Dutzend Mal das Wort “ich”. Noch häufiger tauchen die Pronomen “mich, mir, meine” auf, mit denen der 94-jährige frühere Papst von sich spricht. Ja, Ratzinger formuliert die “aufrichtige Bitte um Entschuldigung”. Aber für diese Bitte fehlt es an irgendeiner Form eines Schuldeingeständnisses, einer Verantwortungsübernahme.
Keine Verantwortungsübernahme
Einer derer, die vom Münchner Gutachten gleichfalls mit Fehlverhalten belastet worden waren, und zwar mit ungleich mehr Fällen von Fehlverhalten als Ratzinger, ist sein Nachfolger als Erzbischof von München, Kardinal Friedrich Wetter. Der ebenfalls bald 94-Jährige reagierte bereits Ende Januar. Und er formulierte Kernsätze zu seiner eigenen Verantwortung, in geradezu christlicher Demut. “Durch Theologie und Kirchenrecht sind in der katholischen Kirche die Vollmachten fast ausschließlich auf den Ortsbischof konzentriert. Dem entspricht eine undelegierbare persönliche Verantwortung.” Schreibt der Kardinal. Und er bittet deswegen um Entschuldigung.
Das galt für Wetters Vorgänger, Kardinal Ratzinger, genauso. Ein Bischof oder Erzbischof, so sieht es die Kirche, ist für alles in seinem Sprengel verantwortlich – “undelegierbar”.
Dabei ist dieses neue Schreiben, der vielleicht letzte Text des früheren Papstes, ein geistlicher Text, ein Testament. Er kann berühren, weil er mit hineinnimmt in die Glaubenswelt des Joseph Ratzinger, der auf seinen gnädigen Gott vertraut. Aber er führt in der Sache der Aufarbeitung, der Klärung von Verantwortung nicht weiter. Schuld sind immer die anderen.
Und so sei noch der Rahmen des Briefes gewürdigt. Joseph Ratzinger lebt mittlerweile länger zurückgezogen als nicht-mehr-Kardinal und nicht-mehr-Papst, als er selbst das Oberhaupt der Kirche war. Dennoch ist das Dokument überschrieben mit “Benedictus XVI, Papa emeritus” – ein Titel, der kirchlich nicht geregelt und bislang nicht vorgesehen ist. Und er unterzeichnet mit “Benedikt XVI.”. Es ist die Rolle dessen, der einst Papst war und deshalb fehlerfrei bleiben muss. Der sich nicht den Satz erlauben mag, dass er einen Fehler gemacht haben könnte. Ach, hat er ja gewiss nicht. Da werden schon Anwälte für sorgen.
Darin scheitert das so persönliche Schreiben. Wenn eine so geistliche Person, ein so großer Theologe nicht von eigener Schuld, von eigener Verantwortung schreiben kann – wer dann? Keiner werfe den ersten Stein. Die letzten Päpste sind doch, Schuld hin oder her, mittlerweile alle wenn nicht bereits heilig, so zumindest selig. Der Weg der Kirche durch die Zeit scheint gepflastert mit fehlerlosen Päpsten.
Ein letztes noch: Insgesamt zwei Mal verwendet Ratzinger den Begriff “Opfer”, zwei Mal unter gut 900 Worten. Danach findet sich dann noch zehn weitere Male das “ich”. Er hat gewiss alles richtig gemacht.
Joseph Ratzinger, der frühere Papst Benedikt XVI., verteidigt sich. Endlich. Wie angekündigt. Er nimmt Stellung zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen und der scharfen Kritik, die nach der Veröffentlichung des Münchner Gutachtens zu Missbrauch und Vertuschung gegen seine Person mit Blick auf seine fünf Jahre als Erzbischof von München und Freising erhoben wurden. Immerhin, er erklärt sich.
Das gleichzeitig in acht Sprachen veröffentlichte Schreiben ist, ob es nun komplett von ihm selbst verfasst wurde oder unter Mitwirkung anderer, ein echter Ratzinger-Text. Das galt aus verständlichen Gründen der Detailarbeit nicht für die gut 80 Seiten, die Teil des am 20. Januar veröffentlichten, rund 1900 Seiten umfassenden Gutachtens der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl waren. Und in denen eine widerlegbare, falsche Behauptung den früheren Papst in das Licht der Lüge rückte.
Keine Verantwortungsübernahme
Und nun? Ist der Brief, der nach zuvor 82 Seiten nun kaum 70 Zeilen hat, die Bitte um Entschuldigung, die Andeutung eines Schuldeingeständnisses? Manche lesen das in diesen Text hinein. Aber Vorsicht: Entschuldigung wofür? Denn dieses Schreiben blickt eher nicht auf die einst Betroffenen, die Opfer, die Überlebenden. Bevor Ratzinger zum ersten Mal die “von Priestern sexuell missbrauchten Menschen” erwähnt, schreibt er ein Dutzend Mal das Wort “ich”. Noch häufiger tauchen die Pronomen “mich, mir, meine” auf, mit denen der 94-jährige frühere Papst von sich spricht. Ja, Ratzinger formuliert die “aufrichtige Bitte um Entschuldigung”. Aber für diese Bitte fehlt es an irgendeiner Form eines Schuldeingeständnisses, einer Verantwortungsübernahme.
Einer derer, die vom Münchner Gutachten gleichfalls mit Fehlverhalten belastet worden waren, und zwar mit ungleich mehr Fällen von Fehlverhalten als Ratzinger, ist sein Nachfolger als Erzbischof von München, Kardinal Friedrich Wetter. Der ebenfalls bald 94-Jährige reagierte bereits Ende Januar. Und er formulierte Kernsätze zu seiner eigenen Verantwortung, in geradezu christlicher Demut. “Durch Theologie und Kirchenrecht sind in der katholischen Kirche die Vollmachten fast ausschließlich auf den Ortsbischof konzentriert. Dem entspricht eine undelegierbare persönliche Verantwortung.” Schreibt der Kardinal. Und er bittet deswegen um Entschuldigung.
Das galt für Wetters Vorgänger, Kardinal Ratzinger, genauso. Ein Bischof oder Erzbischof, so sieht es die Kirche, ist für alles in seinem Sprengel verantwortlich – “undelegierbar”.
Dabei ist dieses neue Schreiben, der vielleicht letzte Text des früheren Papstes, ein geistlicher Text, ein Testament. Er kann berühren, weil er mit hineinnimmt in die Glaubenswelt des Joseph Ratzinger, der auf seinen gnädigen Gott vertraut. Aber er führt in der Sache der Aufarbeitung, der Klärung von Verantwortung nicht weiter. Schuld sind immer die anderen.
Ein Testament
Und so sei noch der Rahmen des Briefes gewürdigt. Joseph Ratzinger lebt mittlerweile länger zurückgezogen als nicht-mehr-Kardinal und nicht-mehr-Papst, als er selbst das Oberhaupt der Kirche war. Dennoch ist das Dokument überschrieben mit “Benedictus XVI, Papa emeritus” – ein Titel, der kirchlich nicht geregelt und bislang nicht vorgesehen ist. Und er unterzeichnet mit “Benedikt XVI.”. Es ist die Rolle dessen, der einst Papst war und deshalb fehlerfrei bleiben muss. Der sich nicht den Satz erlauben mag, dass er einen Fehler gemacht haben könnte. Ach, hat er ja gewiss nicht. Da werden schon Anwälte für sorgen.
Nur fehlerlose Päpste
Darin scheitert das so persönliche Schreiben. Wenn eine so geistliche Person, ein so großer Theologe nicht von eigener Schuld, von eigener Verantwortung schreiben kann – wer dann? Keiner werfe den ersten Stein. Die letzten Päpste sind doch, Schuld hin oder her, mittlerweile alle wenn nicht bereits heilig, so zumindest selig. Der Weg der Kirche durch die Zeit scheint gepflastert mit fehlerlosen Päpsten.
Ein letztes noch: Insgesamt zwei Mal verwendet Ratzinger den Begriff “Opfer”, zwei Mal unter gut 900 Worten. Danach findet sich dann noch zehn weitere Male das “ich”. Er hat gewiss alles richtig gemacht.