DW-Exklusiv: Das deutsche Betongold der Familie Nasarbajew
Die Familie des kasachischen Ex-Präsidenten Nasarbajew investierte jahrelang in deutsche Luxusimmobilien, wie DW-Recherchen zeigen. Wird Deutschland zum “sicheren Hafen” für den Abgang eines Autokraten?
Fresken, majestätische Leuchten und Stuck, mit Edelholz verkleidete Decken – das Interieur von Schloss Seelach beeindruckt. Die wenigen Eingeweihten, die das Anwesen von innen sehen durften, sprechen vom herausragendsten Prestigeobjekt, das von den Neureichen aus dem Osten in Baden-Baden gebaut wurde. Die traditionsreiche Kurstadt mit historischen Bezügen zum russischen Zarenreich ist seit Jahrzehnten ein Sehnsuchtsort für Multimillionäre aus dem postsowjetischen Raum.
Im 19. Jahrhundert war Schloss Seelach die Sommerresidenz von Geheimrat Michail Chreptowitsch, einem geachteten russischen Diplomaten. Jahrzehntelang stand das imposante Haus leer und verfiel, bis es, so die Lokalpresse, von “kasachischen Investoren” gekauft und detailgetreu wiederaufgebaut wurde.
Fresken, majestätische Leuchten und Stuck, mit Edelholz verkleidete Decken – das Interieur von Schloss Seelach beeindruckt. Die wenigen Eingeweihten, die das Anwesen von innen sehen durften, sprechen vom herausragendsten Prestigeobjekt, das von den Neureichen aus dem Osten in Baden-Baden gebaut wurde. Die traditionsreiche Kurstadt mit historischen Bezügen zum russischen Zarenreich ist seit Jahrzehnten ein Sehnsuchtsort für Multimillionäre aus dem postsowjetischen Raum.
Knapp zehn Jahre lang gestalteten die Schlossherren aus Kasachstan das Anwesen nach ihrem Gusto: neben dem historischen Schloss entstanden mehrere große Wohnhäuser, dazu ein weitläufiger Park mit Springbrunnen und ein teils unterirdischer Wellnesstempel – 1000 Quadratmeter groß. Die Glaskuppel über dem 25-Meter-Schwimmbecken des Spa-Bereichs ist auf Satellitenbildern unübersehbar.
Vier Objekte, 100 Millionen Euro
Mindestens 60 Millionen Euro flossen in den Bau des Anwesens Schloss Seelach, das vor etwa zwei Jahren fertiggestellt wurde. Wie Einträge im deutschen Handelsregister dokumentieren, wurde um diese Summe sukzessive das Stammkapital der Firma Schloss Seelach Invest GmbH erhöht, die das Anwesen besitzt und verwaltet. “Da wurde geklotzt, nicht gekleckert”, sagte ein Gesprächspartner aus Baden-Baden, der den Bau vor Jahren mitbegleitete. Der Baufortschritt, erzählt er, wurde penibel mit zahlreichen Fotos dokumentiert, die an die Eigentümer in Kasachstan gingen. “Einmal waren sie mit einem Fresko unzufrieden. Alles musste neu gemacht werden, nachdem 150.000 Euro bereits bezahlt wurden”, so ein Eingeweihter, der seinen Namen nicht in der Presse lesen will.
Neben Schloss Seelach, so zeigen DW-Recherchen, gehören den kasachischen Investoren drei weitere Objekte in der Region, darunter herausragende Architekturdenkmäler: die im Stil des Historismus Anfang des 20. Jahrhunderts gebaute ehemalige Villa des Architekten Gustav Stroh und das Schlosshotel Bühlerhöhe. Insgesamt sind für alle vier Villen mehr als 100 Millionen Euro geflossen, wie Firmenunterlagen aus dem Handelsregister belegen.
“Das gehört alles einer Familie. Ich meine DIE Familie, wenn Sie verstehen, was ich meine.” Der ehemalige Mitarbeiter der Kasachen spricht immer nur in Andeutungen. Er wird leiser, als ob er Angst habe, dass jemand mitlauschen könnte: “Das ist alles wie für einen Präsidenten gemacht.”
Gesellschafter der Firma Schloss Seelach Invest GmbH ist die Verus Praedium International aus Kasachstan, die wiederum einer anderen kasachischen Firma – Kipros – gehört. Klarheit schafft ein Blick ins Transparenzregister, das in Deutschland vor einigen Jahren als Teil der EU-weiten Geldwäschebekämpfung gegründet wurde. Der wirtschaftlich Berechtigte hinter diesem Firmengeflecht ist Timur Kulibajew. Er ist Schwiegersohn des ehemaligen Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, und verheiratet mit Dinara, der mittleren Tochter des langjährigen Staatsoberhaupts.
Timur und Dinara Kulibajew sind dem Transparenzregister zufolge wirtschaftlich Berechtigte hinter einer weiteren deutschen Firma – Bühlerhöhe Castle Invest GmbH, deren Gesellschafterin die kasachische Immobilienfirma Mercury Properties ist. Diese Firma besitzt zwei Hotels in Bühl nahe Baden-Baden. Eines der Hotels – Schlosshotel Bühlerhöhe – ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung. Bundeskanzler Konrad Adenauer gehörte einst zu den Stammgästen.
Ende 2013 kam das historische Gästehaus in kasachischen Besitz – als bisher letztes Objekt in deren kleinem Immobilienimperium in Deutschland. Doch lange Zeit gab es in den Dokumenten keine Hinweise auf die Familie Nasarbajew. Gesellschafter der Firmen hinter den Hotels und Schlössern war der kasachische Ölunternehmer Jakow Tskhaj. Bei einer Reihe von Geschäften, unter anderem in der Immobilienbranche, ist er, laut einer Datenbank des kasachischen Finanzministeriums, Juniorpartner von Nasarbajews Tochter Dinara und ihrem Ehemann Timur Kulibajew.
Für diskrete Investitionen ist der 71-jährige Tskhaj wohl der perfekte Mann: Im Netz gibt es nicht einmal Bilder von ihm. Jahrelang flossen Millionen nach Baden-Baden über Tskhajs kasachische Holding Dostar-Invest und die Ölfirma Dostar Oil Service, bis das Stammkapital von Tskhajs Immobilienfirmen in Deutschland auf über 100 Millionen Euro anwuchs. Das geht aus dem Handelsregister hervor, wo jede Stammkapitalerhöhung kommuniziert wird.
Im Jahr 2020, als die Bauarbeiten im Luxusanwesen Schloss Seelach abgeschlossen waren, übertrug Tskhaj seine Anteile an der Firma Schloss Seelach Invest GmbH auf die kasachische Firma Verus Praedium International von Timur Kulibajew. Ähnlich hatte er ein Jahr zuvor 90 Prozent der Anteile an der Bühlerhöhe Castle Invest GmbH – der Eigentümerin des Schlosshotels in Bühl – an die kasachische Mercury Properties übertragen, die dem deutschen Transparenzregister zufolge Dinara und Timur Kulibajew gehört. Eine DW-Anfrage über die Umstände dieser Übertragung ließen die Gesellschafter der kasachischen Immobilienfirma unbeantwortet. Deutsche Hotels sind, der Internetseite von Mercury Properties zufolge, kein Bestandteil des offiziellen Immobilienportfolios der Firma.
Sandschar Bokajew, populärer kasachischer Investigativ-Blogger und politischer Kommentator, sieht in Jakow Tskhaj lediglich einen Strohmann und spricht von hohen Korruptionsrisiken durch das Verhältnis einflussreicher kasachischer Geschäftsleute mit der Familie des Ex-Präsidenten. “Nasarbajews Familienmitglieder und Menschen aus deren Umfeld privatisierten alles im Öl- und Gassektor, aber auch andere Rohstoffe und die Metallurgie. In Kasachstan weiß jeder, dass es ohne Zustimmung von Timur Kulibajew unmöglich ist, ins Ölgeschäft einzusteigen”, so Bokajew im Gespräch mit der DW.
Timur Kulibajew ist Vorsitzender des Branchenverbands Kazenergy, bis Mitte Januar war er Vorsitzender der Nationalen Industrie- und Handelskammer Atameken, die per Gesetz über große Einflussmöglichkeiten verfügt – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. Dinara und Timur Kulibajew sind Kasachstans reichstes Ehepaar. Forbes schätzt das Vermögen der Tochter und des Schwiegersohns des Ex-Präsidenten auf fast sechs Milliarden US-Dollar. Ihr Aufstieg begann, als Nursultan Nasarbajew 1991 kasachischer Präsident wurde. Nasarbajew regierte das Land als Alleinherrscher bis 2019, als er die Macht teilweise an seinen engen Vertrauten Kossym-Schomart Tokajew übergab.
Der Prunk der Familie Nasarbajew ist für viele Kasachen das Sinnbild für die soziale Ungleichheit im Land, meint Politikwissenschaftler Dosym Satpajew. Die Kluft zwischen arm und reich war einer der Auslöser der Unruhen in Kasachstan, die im Januar von der Regierung nur mit brutaler Gewalt beendet werden konnten. Hunderte Menschen starben. “Während die mit Nasarbajew eng verflochtene Elite immer reicher wurde, wurde die Armut keinesfalls geringer”, kritisiert Satpajew im DW-Interview. Insbesondere im Energiesektor des Landes mit seinen großen Ölreserven ist die Ungleichheit besonders eklatant. Die Ölförderung wird größtenteils von den regierenden Eliten kontrolliert, während die Arbeiter regelmäßig wegen niedriger Löhne streiken, so Satpajew.
Nach den Unruhen, die sich auch gegen den Schattenpräsidenten Nasarbajew richteten, trat der Ex-Präsident als Chef des Nationalen Sicherheitsrats zurück. Sein Schwiegersohn Kulibajew räumte den Vorsitz des mächtigen Atameken-Verbands. Präsident Kassym-Schomart Tokajew versprach, der Oligarchie im Land ein Ende zu bereiten.
Kasachische Oppositionspolitiker, die aus Angst vor Repressionen zum Teil in Europa leben, fordern seit Jahren die Sperrung von Konten und Vermögen der Familie Nasarbajew im Westen. “Wir fordern Sanktionen gegen Nasarbajews Familienmitglieder und seine engsten Vertrauten wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption. Deren Aktiva müssen gesperrt werden”, forderte Ende Januar der in London lebende Oppositionelle Akeschan Kaschegeldin im Gespräch mit der DW. Mit ähnlichen Forderungen demonstrierten Anfang Februar auch kasachische Aktivisten in Berlin.
Für Sandschar Bokajew wäre die Sperrung der Aktiva des Ex-Machthabers und seiner Familie ein Signal. “Es wird letztlich erst klar, dass Nasarbajews Epoche vorbei ist, wenn das Geld, das seine Familie außer Landes brachte, zurückkommt”, so Bokajew.
Das Recherchenetzwerk OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project) enthüllte kürzlich, dass von Nursultan Nasarbajew kontrollierte Stiftungen unter dem Deckmantel karitativer Zwecke ein Vermögen von weltweit ca. acht Milliarden US-Dollar angehäuft haben. Recherchen von Radio Liberty zufolge, verfügt die Familie Nasarbajew über Luxusimmobilien in Europa und in den USA im Wert von ca. 800 Millionen US-Dollar. Deutschland war nicht Teil dieser Recherchen.
Formal gesehen sind Investitionen des Ehepaars Kulibajew in Deutschland nicht illegal. Sie würden nur dann gegen das Geldwäschegesetz verstoßen, wenn in Kasachstan die kriminelle Herkunft der Gelder festgestellt worden wäre. Es ist aus rechtlicher Sicht schwer etwas dagegen einzuwenden, meint Thomas Helm, Vorsitzender der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft. “Wenn es um Beschlagnahme geht, können nur rechtsstaatliche Methoden in Frage kommen. Alles muss nachweisbar sein”, so Helm gegenüber der DW.
Was sind die Pläne für die deutschen Immobilien? Die kasachische Mercury Properties hält sich bedeckt. “Sieht aus, als würden sie lediglich Geld bunkern”, klagt Hubert Schnurr, der enttäuschte Bürgermeister der Stadt Bühl, wo die Kasachen zwei geschlossene Hotels besitzen. In die überfällige Modernisierung der Hotels sei kein Cent investiert worden. Hotels, für die laut Unterlagen aus dem Handelsregister mehr als 20 Millionen Euro gezahlt wurden, haben keine Perspektive. Die einzigen Gäste in den vergangenen Jahren waren bis zu hundert Bauarbeiter aus Litauen, die die Villen der Kasachen in Baden-Baden renovierten. “Ich bekomme regelmäßig Anfragen von deutschen Investoren, die die Hotels kaufen wollen”, sagt der Bürgermeister. “Doch von den Kasachen werden meine E-Mails nicht beantwortet.”
Fresken, majestätische Leuchten und Stuck, mit Edelholz verkleidete Decken – das Interieur von Schloss Seelach beeindruckt. Die wenigen Eingeweihten, die das Anwesen von innen sehen durften, sprechen vom herausragendsten Prestigeobjekt, das von den Neureichen aus dem Osten in Baden-Baden gebaut wurde. Die traditionsreiche Kurstadt mit historischen Bezügen zum russischen Zarenreich ist seit Jahrzehnten ein Sehnsuchtsort für Multimillionäre aus dem postsowjetischen Raum.
Im 19. Jahrhundert war Schloss Seelach die Sommerresidenz von Geheimrat Michail Chreptowitsch, einem geachteten russischen Diplomaten. Jahrzehntelang stand das imposante Haus leer und verfiel, bis es, so die Lokalpresse, von “kasachischen Investoren” gekauft und detailgetreu wiederaufgebaut wurde.
Vier Objekte, 100 Millionen Euro
Knapp zehn Jahre lang gestalteten die Schlossherren aus Kasachstan das Anwesen nach ihrem Gusto: neben dem historischen Schloss entstanden mehrere große Wohnhäuser, dazu ein weitläufiger Park mit Springbrunnen und ein teils unterirdischer Wellnesstempel – 1000 Quadratmeter groß. Die Glaskuppel über dem 25-Meter-Schwimmbecken des Spa-Bereichs ist auf Satellitenbildern unübersehbar.
Mindestens 60 Millionen Euro flossen in den Bau des Anwesens Schloss Seelach, das vor etwa zwei Jahren fertiggestellt wurde. Wie Einträge im deutschen Handelsregister dokumentieren, wurde um diese Summe sukzessive das Stammkapital der Firma Schloss Seelach Invest GmbH erhöht, die das Anwesen besitzt und verwaltet. “Da wurde geklotzt, nicht gekleckert”, sagte ein Gesprächspartner aus Baden-Baden, der den Bau vor Jahren mitbegleitete. Der Baufortschritt, erzählt er, wurde penibel mit zahlreichen Fotos dokumentiert, die an die Eigentümer in Kasachstan gingen. “Einmal waren sie mit einem Fresko unzufrieden. Alles musste neu gemacht werden, nachdem 150.000 Euro bereits bezahlt wurden”, so ein Eingeweihter, der seinen Namen nicht in der Presse lesen will.
Neben Schloss Seelach, so zeigen DW-Recherchen, gehören den kasachischen Investoren drei weitere Objekte in der Region, darunter herausragende Architekturdenkmäler: die im Stil des Historismus Anfang des 20. Jahrhunderts gebaute ehemalige Villa des Architekten Gustav Stroh und das Schlosshotel Bühlerhöhe. Insgesamt sind für alle vier Villen mehr als 100 Millionen Euro geflossen, wie Firmenunterlagen aus dem Handelsregister belegen.
“Das gehört alles einer Familie. Ich meine DIE Familie, wenn Sie verstehen, was ich meine.” Der ehemalige Mitarbeiter der Kasachen spricht immer nur in Andeutungen. Er wird leiser, als ob er Angst habe, dass jemand mitlauschen könnte: “Das ist alles wie für einen Präsidenten gemacht.”
Anonyme Familie aus Kasachstan
Gesellschafter der Firma Schloss Seelach Invest GmbH ist die Verus Praedium International aus Kasachstan, die wiederum einer anderen kasachischen Firma – Kipros – gehört. Klarheit schafft ein Blick ins Transparenzregister, das in Deutschland vor einigen Jahren als Teil der EU-weiten Geldwäschebekämpfung gegründet wurde. Der wirtschaftlich Berechtigte hinter diesem Firmengeflecht ist Timur Kulibajew. Er ist Schwiegersohn des ehemaligen Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, und verheiratet mit Dinara, der mittleren Tochter des langjährigen Staatsoberhaupts.
Ein weiteres historisches Haus
Timur und Dinara Kulibajew sind dem Transparenzregister zufolge wirtschaftlich Berechtigte hinter einer weiteren deutschen Firma – Bühlerhöhe Castle Invest GmbH, deren Gesellschafterin die kasachische Immobilienfirma Mercury Properties ist. Diese Firma besitzt zwei Hotels in Bühl nahe Baden-Baden. Eines der Hotels – Schlosshotel Bühlerhöhe – ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung. Bundeskanzler Konrad Adenauer gehörte einst zu den Stammgästen.
Ende 2013 kam das historische Gästehaus in kasachischen Besitz – als bisher letztes Objekt in deren kleinem Immobilienimperium in Deutschland. Doch lange Zeit gab es in den Dokumenten keine Hinweise auf die Familie Nasarbajew. Gesellschafter der Firmen hinter den Hotels und Schlössern war der kasachische Ölunternehmer Jakow Tskhaj. Bei einer Reihe von Geschäften, unter anderem in der Immobilienbranche, ist er, laut einer Datenbank des kasachischen Finanzministeriums, Juniorpartner von Nasarbajews Tochter Dinara und ihrem Ehemann Timur Kulibajew.
Für diskrete Investitionen ist der 71-jährige Tskhaj wohl der perfekte Mann: Im Netz gibt es nicht einmal Bilder von ihm. Jahrelang flossen Millionen nach Baden-Baden über Tskhajs kasachische Holding Dostar-Invest und die Ölfirma Dostar Oil Service, bis das Stammkapital von Tskhajs Immobilienfirmen in Deutschland auf über 100 Millionen Euro anwuchs. Das geht aus dem Handelsregister hervor, wo jede Stammkapitalerhöhung kommuniziert wird.
Der Ölmagnat übergibt an die Präsidentenfamilie
Im Jahr 2020, als die Bauarbeiten im Luxusanwesen Schloss Seelach abgeschlossen waren, übertrug Tskhaj seine Anteile an der Firma Schloss Seelach Invest GmbH auf die kasachische Firma Verus Praedium International von Timur Kulibajew. Ähnlich hatte er ein Jahr zuvor 90 Prozent der Anteile an der Bühlerhöhe Castle Invest GmbH – der Eigentümerin des Schlosshotels in Bühl – an die kasachische Mercury Properties übertragen, die dem deutschen Transparenzregister zufolge Dinara und Timur Kulibajew gehört. Eine DW-Anfrage über die Umstände dieser Übertragung ließen die Gesellschafter der kasachischen Immobilienfirma unbeantwortet. Deutsche Hotels sind, der Internetseite von Mercury Properties zufolge, kein Bestandteil des offiziellen Immobilienportfolios der Firma.
Sandschar Bokajew, populärer kasachischer Investigativ-Blogger und politischer Kommentator, sieht in Jakow Tskhaj lediglich einen Strohmann und spricht von hohen Korruptionsrisiken durch das Verhältnis einflussreicher kasachischer Geschäftsleute mit der Familie des Ex-Präsidenten. “Nasarbajews Familienmitglieder und Menschen aus deren Umfeld privatisierten alles im Öl- und Gassektor, aber auch andere Rohstoffe und die Metallurgie. In Kasachstan weiß jeder, dass es ohne Zustimmung von Timur Kulibajew unmöglich ist, ins Ölgeschäft einzusteigen”, so Bokajew im Gespräch mit der DW.
“Kein Ölgeschäft in Kasachstan ohne Kulibajew”
Timur Kulibajew ist Vorsitzender des Branchenverbands Kazenergy, bis Mitte Januar war er Vorsitzender der Nationalen Industrie- und Handelskammer Atameken, die per Gesetz über große Einflussmöglichkeiten verfügt – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. Dinara und Timur Kulibajew sind Kasachstans reichstes Ehepaar. Forbes schätzt das Vermögen der Tochter und des Schwiegersohns des Ex-Präsidenten auf fast sechs Milliarden US-Dollar. Ihr Aufstieg begann, als Nursultan Nasarbajew 1991 kasachischer Präsident wurde. Nasarbajew regierte das Land als Alleinherrscher bis 2019, als er die Macht teilweise an seinen engen Vertrauten Kossym-Schomart Tokajew übergab.
Immobilien im Westen als sozialer Sprengstoff
Der Prunk der Familie Nasarbajew ist für viele Kasachen das Sinnbild für die soziale Ungleichheit im Land, meint Politikwissenschaftler Dosym Satpajew. Die Kluft zwischen arm und reich war einer der Auslöser der Unruhen in Kasachstan, die im Januar von der Regierung nur mit brutaler Gewalt beendet werden konnten. Hunderte Menschen starben. “Während die mit Nasarbajew eng verflochtene Elite immer reicher wurde, wurde die Armut keinesfalls geringer”, kritisiert Satpajew im DW-Interview. Insbesondere im Energiesektor des Landes mit seinen großen Ölreserven ist die Ungleichheit besonders eklatant. Die Ölförderung wird größtenteils von den regierenden Eliten kontrolliert, während die Arbeiter regelmäßig wegen niedriger Löhne streiken, so Satpajew.
Nach den Unruhen, die sich auch gegen den Schattenpräsidenten Nasarbajew richteten, trat der Ex-Präsident als Chef des Nationalen Sicherheitsrats zurück. Sein Schwiegersohn Kulibajew räumte den Vorsitz des mächtigen Atameken-Verbands. Präsident Kassym-Schomart Tokajew versprach, der Oligarchie im Land ein Ende zu bereiten.
Kasachische Oppositionspolitiker, die aus Angst vor Repressionen zum Teil in Europa leben, fordern seit Jahren die Sperrung von Konten und Vermögen der Familie Nasarbajew im Westen. “Wir fordern Sanktionen gegen Nasarbajews Familienmitglieder und seine engsten Vertrauten wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption. Deren Aktiva müssen gesperrt werden”, forderte Ende Januar der in London lebende Oppositionelle Akeschan Kaschegeldin im Gespräch mit der DW. Mit ähnlichen Forderungen demonstrierten Anfang Februar auch kasachische Aktivisten in Berlin.
Für Sandschar Bokajew wäre die Sperrung der Aktiva des Ex-Machthabers und seiner Familie ein Signal. “Es wird letztlich erst klar, dass Nasarbajews Epoche vorbei ist, wenn das Geld, das seine Familie außer Landes brachte, zurückkommt”, so Bokajew.
Das Recherchenetzwerk OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project) enthüllte kürzlich, dass von Nursultan Nasarbajew kontrollierte Stiftungen unter dem Deckmantel karitativer Zwecke ein Vermögen von weltweit ca. acht Milliarden US-Dollar angehäuft haben. Recherchen von Radio Liberty zufolge, verfügt die Familie Nasarbajew über Luxusimmobilien in Europa und in den USA im Wert von ca. 800 Millionen US-Dollar. Deutschland war nicht Teil dieser Recherchen.
Formal gesehen sind Investitionen des Ehepaars Kulibajew in Deutschland nicht illegal. Sie würden nur dann gegen das Geldwäschegesetz verstoßen, wenn in Kasachstan die kriminelle Herkunft der Gelder festgestellt worden wäre. Es ist aus rechtlicher Sicht schwer etwas dagegen einzuwenden, meint Thomas Helm, Vorsitzender der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft. “Wenn es um Beschlagnahme geht, können nur rechtsstaatliche Methoden in Frage kommen. Alles muss nachweisbar sein”, so Helm gegenüber der DW.
Was sind die Pläne für die deutschen Immobilien? Die kasachische Mercury Properties hält sich bedeckt. “Sieht aus, als würden sie lediglich Geld bunkern”, klagt Hubert Schnurr, der enttäuschte Bürgermeister der Stadt Bühl, wo die Kasachen zwei geschlossene Hotels besitzen. In die überfällige Modernisierung der Hotels sei kein Cent investiert worden. Hotels, für die laut Unterlagen aus dem Handelsregister mehr als 20 Millionen Euro gezahlt wurden, haben keine Perspektive. Die einzigen Gäste in den vergangenen Jahren waren bis zu hundert Bauarbeiter aus Litauen, die die Villen der Kasachen in Baden-Baden renovierten. “Ich bekomme regelmäßig Anfragen von deutschen Investoren, die die Hotels kaufen wollen”, sagt der Bürgermeister. “Doch von den Kasachen werden meine E-Mails nicht beantwortet.”