Meinung: Der EU-Afrika-Gipfel als letzte Chance für Europa
Wie oft kann man einen Neuanfang in den gemeinsamen Beziehungen beschwören? Da der Frust der Afrikanischen Union in Brüssel deutlich zu spüren war, sollte sich Europa endlich ehrlich machen, meint Ludger Schadomsky.
Es ist ein grobes Understatement, wenn Frankreichs Präsident sagt, die Beziehungen zwischen Europa und Afrika seien “ein bisschen ermüdet”. “Sackgasse” trifft es wohl eher. Auch wenn sich die Europäer vor dem gemeinsamen Gipfel mit der Afrikanischen Union schwer ins Zeug gelegt, Investitions- und Infrastrukturpakete geschnürt und Impfgerechtigkeit gelobt haben: Die Beziehung zwischen den Nachbarn gleicht einer langjährigen Ehe, in der der Mann seine immer neuen Versprechen bricht, während sich die frustrierte Frau anderen Interessenten zuwendet – in diesem Fall Chinesen, Russen, Türken, Japanern und Emiratis.
Afrika, soviel ist sicher, hat die als “Partnerschaft auf Augenhöhe” verbrämte Interessenspolitik der Europäer satt, wenn es Brüssel, Paris und Berlin doch in Wahrheit allein um Absatzmärkte und Migrationsabwehr geht. Dass ein Großteil der vollmundig verkündeten EU-Mittel nur umetikettiert, und mitnichten zusätzliches Geld ist, wird zwischen Abuja und Addis als Affront gesehen. Dicke Luft also an den Runden Tischen in Brüssel, an denen auch Bundeskanzler Olaf Scholz eine Kleingruppendiskussion moderieren durfte.
Es ist ein grobes Understatement, wenn Frankreichs Präsident sagt, die Beziehungen zwischen Europa und Afrika seien “ein bisschen ermüdet”. “Sackgasse” trifft es wohl eher. Auch wenn sich die Europäer vor dem gemeinsamen Gipfel mit der Afrikanischen Union schwer ins Zeug gelegt, Investitions- und Infrastrukturpakete geschnürt und Impfgerechtigkeit gelobt haben: Die Beziehung zwischen den Nachbarn gleicht einer langjährigen Ehe, in der der Mann seine immer neuen Versprechen bricht, während sich die frustrierte Frau anderen Interessenten zuwendet – in diesem Fall Chinesen, Russen, Türken, Japanern und Emiratis.
Auch Scholz weiß, dass die Zeit drängt: Längst ist die Neuauflage des kolonialen “Scramble for Africa” in vollem Gange. China stellt mit Billigkrediten Highways, Bahnlinien und Häfen im Dutzend in die Landschaft. Der Äthiopier Abiy Ahmed bestellt seine todbringenden Drohnen längst in der Türkei. Und Mali wirft dänische Spezialkräfte aus dem Land und heuert stattdessen Kreml-nahe Söldner an. Die Botschaft von alledem: Paternalismus war gestern. Heute haben wir die Wahl!
Wettlauf um Afrika
Und Europa? Entwirft zum Gipfel eine gemeinsame Vision 2030, “vergisst” aber, die Partner im Süden im Vorfeld einzubinden. Noch mehr dicke Luft.
Natürlich haben China, Russland und die Türkei einen Wettbewerbsvorteil: Sie sprechen – anders als das heterogene Europa – mit einer Stimme. Solange die Migrationspolitik von Ungarn der spanischen diametral entgegensteht, solange Menschen- und Minderheitsrechte, Klimapolitik und gute Regierungsführung nicht mehrheitsfähig sind, so lange krankt auch Europa an einer kohärenten Afrikastrategie. Sogar das kleine Estland hat eine eigene Afrikapolitik.
Wollen die Europäer die Partnerschaft “auf das nächste Level” heben, wie es die deutsche Kommissionspräsidentin von der Leyen formuliert, dann muss sich die EU endlich ehrlich machen. Neue Ehrlichkeit statt des Macron‘schen “New Deal”. Vertrauen und die (wenngleich belastete) gemeinsame Vergangenheit sind die Pfunde, mit denen Europa wuchern kann.
Für die Migrationspolitik müsste das heißen: Legale Zuwanderung vereinfachen, statt eine illegitime und brutale libysche Küstenwache zu alimentieren. Geordnete Zuwanderung sollte angesichts des Fachkräftemangels und der alternden Gesellschaften ohnehin im Interesse Europas sein.
Investitionsgelder sollten nicht mehr vorrangig für Bestellungen bei europäischen Firmen verwendet werden, sondern Arbeitsplätze vor Ort und lokale Wertschöpfung schaffen. Subventioniertes Fleisch und Geflügel aus EU-Mastbetrieben darf nicht länger die Lebensgrundlage afrikanischer Farmer zerstören – Hürden für den Export nach Europa müssen fallen!
Wie groß der Frust den Afrikaner über die “Impfstoff-Apartheid” ist, zeigte der ganz und gar undiplomatische Schlagabtausch zwischen Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa und Ursula von der Leyen bei der Pressekonferenz am Freitag. “Nicht nachhaltig” sei die Coronapolitik des Nordens, der sich einer Patentfreigabe verweigere – zu Lasten “Hunderter Millionen Menschen”. Die jüngste Zusage der EU von einer Milliarde Euro für Impfstoff-Käufe ist deshalb schon aus Gründen des Mutationsschutzes überfällig. Zügige Hilfe bei Wissenstransfer und Aufbau von Impfstoffproduktionen vor Ort sollte jetzt folgen – so könnte Vertrauen entstehen.
Doch beliebig oft kann ein Neuanfang nicht beschworen werden. Russland plant für Ende 2022 eine große Afrika-Konferenz. Dort dürften auch die russischen Söldner Visitenkarten verteilen. Es ist Zeit für eine neue Ehrlichkeit.
Es ist ein grobes Understatement, wenn Frankreichs Präsident sagt, die Beziehungen zwischen Europa und Afrika seien “ein bisschen ermüdet”. “Sackgasse” trifft es wohl eher. Auch wenn sich die Europäer vor dem gemeinsamen Gipfel mit der Afrikanischen Union schwer ins Zeug gelegt, Investitions- und Infrastrukturpakete geschnürt und Impfgerechtigkeit gelobt haben: Die Beziehung zwischen den Nachbarn gleicht einer langjährigen Ehe, in der der Mann seine immer neuen Versprechen bricht, während sich die frustrierte Frau anderen Interessenten zuwendet – in diesem Fall Chinesen, Russen, Türken, Japanern und Emiratis.
Afrika, soviel ist sicher, hat die als “Partnerschaft auf Augenhöhe” verbrämte Interessenspolitik der Europäer satt, wenn es Brüssel, Paris und Berlin doch in Wahrheit allein um Absatzmärkte und Migrationsabwehr geht. Dass ein Großteil der vollmundig verkündeten EU-Mittel nur umetikettiert, und mitnichten zusätzliches Geld ist, wird zwischen Abuja und Addis als Affront gesehen. Dicke Luft also an den Runden Tischen in Brüssel, an denen auch Bundeskanzler Olaf Scholz eine Kleingruppendiskussion moderieren durfte.
Wettlauf um Afrika
Auch Scholz weiß, dass die Zeit drängt: Längst ist die Neuauflage des kolonialen “Scramble for Africa” in vollem Gange. China stellt mit Billigkrediten Highways, Bahnlinien und Häfen im Dutzend in die Landschaft. Der Äthiopier Abiy Ahmed bestellt seine todbringenden Drohnen längst in der Türkei. Und Mali wirft dänische Spezialkräfte aus dem Land und heuert stattdessen Kreml-nahe Söldner an. Die Botschaft von alledem: Paternalismus war gestern. Heute haben wir die Wahl!
Und Europa? Entwirft zum Gipfel eine gemeinsame Vision 2030, “vergisst” aber, die Partner im Süden im Vorfeld einzubinden. Noch mehr dicke Luft.
Natürlich haben China, Russland und die Türkei einen Wettbewerbsvorteil: Sie sprechen – anders als das heterogene Europa – mit einer Stimme. Solange die Migrationspolitik von Ungarn der spanischen diametral entgegensteht, solange Menschen- und Minderheitsrechte, Klimapolitik und gute Regierungsführung nicht mehrheitsfähig sind, so lange krankt auch Europa an einer kohärenten Afrikastrategie. Sogar das kleine Estland hat eine eigene Afrikapolitik.
Wollen die Europäer die Partnerschaft “auf das nächste Level” heben, wie es die deutsche Kommissionspräsidentin von der Leyen formuliert, dann muss sich die EU endlich ehrlich machen. Neue Ehrlichkeit statt des Macron‘schen “New Deal”. Vertrauen und die (wenngleich belastete) gemeinsame Vergangenheit sind die Pfunde, mit denen Europa wuchern kann.
Neue Ehrlichkeit
Für die Migrationspolitik müsste das heißen: Legale Zuwanderung vereinfachen, statt eine illegitime und brutale libysche Küstenwache zu alimentieren. Geordnete Zuwanderung sollte angesichts des Fachkräftemangels und der alternden Gesellschaften ohnehin im Interesse Europas sein.
Neuanfang – das geht nicht nicht beliebig oft
Investitionsgelder sollten nicht mehr vorrangig für Bestellungen bei europäischen Firmen verwendet werden, sondern Arbeitsplätze vor Ort und lokale Wertschöpfung schaffen. Subventioniertes Fleisch und Geflügel aus EU-Mastbetrieben darf nicht länger die Lebensgrundlage afrikanischer Farmer zerstören – Hürden für den Export nach Europa müssen fallen!
Wie groß der Frust den Afrikaner über die “Impfstoff-Apartheid” ist, zeigte der ganz und gar undiplomatische Schlagabtausch zwischen Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa und Ursula von der Leyen bei der Pressekonferenz am Freitag. “Nicht nachhaltig” sei die Coronapolitik des Nordens, der sich einer Patentfreigabe verweigere – zu Lasten “Hunderter Millionen Menschen”. Die jüngste Zusage der EU von einer Milliarde Euro für Impfstoff-Käufe ist deshalb schon aus Gründen des Mutationsschutzes überfällig. Zügige Hilfe bei Wissenstransfer und Aufbau von Impfstoffproduktionen vor Ort sollte jetzt folgen – so könnte Vertrauen entstehen.
Doch beliebig oft kann ein Neuanfang nicht beschworen werden. Russland plant für Ende 2022 eine große Afrika-Konferenz. Dort dürften auch die russischen Söldner Visitenkarten verteilen. Es ist Zeit für eine neue Ehrlichkeit.