Welt

Sängerin Ruslana: “Wir lieben die Ukraine zu sehr, um sie jemandem zu überlassen”

2004 gewann die Ukrainerin Ruslana den ESC und wurde zur Symbolfigur der Orangen Revolution. Politisch aktiv ist die Sängerin geblieben. Im DW-Interview sagt sie, wie der Westen und auch Russen der Ukraine helfen können.

DW: Ruslana, Sie sind jetzt in den Karpaten, einem Gebirge im Westen der Ukraine. Sie sind aus Kiew dorthin gefahren. Was haben Sie unterwegs gesehen? Was passiert jetzt in der Ukraine?

Ruslana: Derzeit passiert im ganzen Land überall das Gleiche. Die einen müssen sich vor Raketenangriffen in einem Bunker schützen, andere versuchen auf eigene Gefahr mit dem Auto zu fliehen, in den Pausen zwischen Sirenenalarm und Raketenangriffen. Auch in Lwiw (auf Deutsch: Lemberg – Anm. d. Red.) heulen die Sirenen und die Menschen müssen in die Bunker. Ich habe nicht erwartet, dass man Kiew bombardieren wird, ich war darauf nicht vorbereitet und dachte, das alles sei nur Einschüchterung. Doch plötzlich schlugen Raketen in Kiew ein – erst eine, dann die zweite und die dritte. Allein an einem Morgen gab es sechs Einschläge in Kiew, Raketen- und Drohnenangriffe. Auch in den Städten Melitopol, Charkiw und Tschernihiw gab es Raketenangriffe. All das bewegt sich jetzt in Richtung Kiew.

DW: Ruslana, Sie sind jetzt in den Karpaten, einem Gebirge im Westen der Ukraine. Sie sind aus Kiew dorthin gefahren. Was haben Sie unterwegs gesehen? Was passiert jetzt in der Ukraine?

Die Offensive wird von allen Seiten geführt, und wie es jetzt aussieht, könnte Kiew umzingelt werden, wie es in Ilowajsk (im Donbass 2014 – Anm. d. Red.) der Fall war. Die Menschen sind morgens aufgewacht und waren entsetzt: Warum wird ihr ruhiges, friedliches Leben auf einmal gestört? Ich bin ein friedliebender Mensch, eine Musikerin, und plötzlich fallen mir Raketen auf den Kopf, Flugzeuge fliegen und Panzer fahren auf mich zu. Warum nur?! Aber ich muss sagen: Unser Militär, unsere Jungs, sind sehr tapfer, selbstbewusst und sie lieben ihr Land sehr. Das sehe ich in ihren Gesichtern und höre es auch in ihren Worten. Sie werden die Ukraine nicht aufgeben. Wir alle werden die Ukraine nicht aufgeben.

Haben Sie darüber nachgedacht, das Land für eine Weile zu verlassen?

Warum sollte ich mein Land verlassen? Haben Sie gehört, was die Ukrainer sagen? Haben Sie gesehen, was sie ständig in den sozialen Medien posten? “Wir gehen nirgendwo hin! Das ist unser Land! Das ist unser Zuhause! Das ist unsere Straße! Das ist unsere Stadt!” Verlassen? Nie im Leben!

Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer seiner Ansprachen, dass die Ukrainer ihren Staat allein verteidigen, während die mächtigsten Länder der Welt nur zusehen. Was sollte der Westen Ihrer Meinung nach jetzt tun?

Der Westen sollte Russland sofort vom Zahlungssystem SWIFT ausschließen. Alle Transaktionen über SWIFT sollten gesperrt werden. Der Westen sollte jeden einzelnen von Putins Oligarchen mit Sanktionen belegen und kein russisches Gas und Öl mehr nutzen. All das muss umgehend geschehen. Der Westen muss der Ukraine auch bei der Sperrung des Luftraums helfen und uns im Schwarzen Meer schützen.

Ich habe keine Angst, es offen zu sagen: Vielleicht hat man Angst vor Putins Atomknopf. Zumal er offen damit gedroht hat. Das muss ihnen wohl Angst gemacht haben. Aber mit ihrer Angst dulden sie den Krieg! Putin wird nicht nach der Ukraine Halt machen, er wird weiter gehen, und früher oder später wird man ihn stoppen müssen. Deshalb: Solange der Aggressor noch nicht voll ausgeholt hat, lasst ihn uns gemeinsam stoppen.

Einige Ihrer Kollegen aus Russland haben inzwischen den Krieg gegen die Ukraine verurteilt. Wie bewerten Sie das? Kommt das nicht acht Jahre zu spät?

Diejenigen, die während des Maidan (pro-westliche Proteste im Jahr 2014 – Anm. d. Red.) für die Ukraine eingetreten sind, stehen auch heute auf ihrer Seite. Ich werde nie die unterstützenden Worte der Sängerin Alla Pugatschowa vergessen, auch nicht von Andrej Makarewitsch, er ist ein starker Mensch, er ist einfach unglaublich! Ich liebe seine Lieder jetzt noch viel mehr! Auch der Komiker Maxim Galkin hat sich geäußert. In Russland hat eine Welle begonnen, und ich denke, sie wird noch stärker werden und wir werden ein anderes, neues Russland sehen. Sollten jetzt Russen meine Wort lesen, dann will ich ihnen sagen: Dies ist der Moment für Eure Freiheit. Nutzt ihn! Die Ukraine leidet jetzt, aber zumindest wissen wir, dass wir für unsere gemeinsame Freiheit kämpfen. Unterstützt uns von Eurer Seite. Zeigt, dass Ihr freie Menschen seid und Kraft habt. Menschen waren schon immer stark, wenn sie zusammenhielten. Koordiniert Euch und Ihr werdet erfolgreich sein. Schließlich haben wir das auch geschafft!

Ruslana, was möchten Sie den Ukrainern in dieser Situation sagen?

Wir Ukrainer haben Glück, dass wir Ukrainer sind, dass wir so ein schönes Land haben, dass wir eben so sind, wie wir sind. Es ist aber für uns ein großes Unglück, dass in unser Land jetzt ein Aggressor gekommen ist, dass eine Art Imperium ständig versucht, uns unsere Heimat zu nehmen. Aber wir lieben sie zu sehr, um sie jemandem zu überlassen, der sie begehrt. Wer mit guten Absichten in die Ukraine kommt, der wird von der Ukraine guten Herzens aufgenommen. Wenn aber jemand mit bösen Absichten kommt, dann begräbt er sich selbst. Wir glauben an unser Land. Die Ukraine gab es, gibt es und wird es auch geben.

Übersetzung aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Ukraine | Menschen in Kiew suchen Schutz in Metro-Stationen
Dutzende Männer, viele mit Rucksäcken, warten in einer Halle
Ukraine-Konflikt - Präsident Selenskyj an einem Rednerpult im ukrainischen Präsidialamt

DW: Ruslana, Sie sind jetzt in den Karpaten, einem Gebirge im Westen der Ukraine. Sie sind aus Kiew dorthin gefahren. Was haben Sie unterwegs gesehen? Was passiert jetzt in der Ukraine?

Ruslana: Derzeit passiert im ganzen Land überall das Gleiche. Die einen müssen sich vor Raketenangriffen in einem Bunker schützen, andere versuchen auf eigene Gefahr mit dem Auto zu fliehen, in den Pausen zwischen Sirenenalarm und Raketenangriffen. Auch in Lwiw (auf Deutsch: Lemberg – Anm. d. Red.) heulen die Sirenen und die Menschen müssen in die Bunker. Ich habe nicht erwartet, dass man Kiew bombardieren wird, ich war darauf nicht vorbereitet und dachte, das alles sei nur Einschüchterung. Doch plötzlich schlugen Raketen in Kiew ein – erst eine, dann die zweite und die dritte. Allein an einem Morgen gab es sechs Einschläge in Kiew, Raketen- und Drohnenangriffe. Auch in den Städten Melitopol, Charkiw und Tschernihiw gab es Raketenangriffe. All das bewegt sich jetzt in Richtung Kiew.

Die Offensive wird von allen Seiten geführt, und wie es jetzt aussieht, könnte Kiew umzingelt werden, wie es in Ilowajsk (im Donbass 2014 – Anm. d. Red.) der Fall war. Die Menschen sind morgens aufgewacht und waren entsetzt: Warum wird ihr ruhiges, friedliches Leben auf einmal gestört? Ich bin ein friedliebender Mensch, eine Musikerin, und plötzlich fallen mir Raketen auf den Kopf, Flugzeuge fliegen und Panzer fahren auf mich zu. Warum nur?! Aber ich muss sagen: Unser Militär, unsere Jungs, sind sehr tapfer, selbstbewusst und sie lieben ihr Land sehr. Das sehe ich in ihren Gesichtern und höre es auch in ihren Worten. Sie werden die Ukraine nicht aufgeben. Wir alle werden die Ukraine nicht aufgeben.

Haben Sie darüber nachgedacht, das Land für eine Weile zu verlassen?

Warum sollte ich mein Land verlassen? Haben Sie gehört, was die Ukrainer sagen? Haben Sie gesehen, was sie ständig in den sozialen Medien posten? “Wir gehen nirgendwo hin! Das ist unser Land! Das ist unser Zuhause! Das ist unsere Straße! Das ist unsere Stadt!” Verlassen? Nie im Leben!

Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer seiner Ansprachen, dass die Ukrainer ihren Staat allein verteidigen, während die mächtigsten Länder der Welt nur zusehen. Was sollte der Westen Ihrer Meinung nach jetzt tun?

Der Westen sollte Russland sofort vom Zahlungssystem SWIFT ausschließen. Alle Transaktionen über SWIFT sollten gesperrt werden. Der Westen sollte jeden einzelnen von Putins Oligarchen mit Sanktionen belegen und kein russisches Gas und Öl mehr nutzen. All das muss umgehend geschehen. Der Westen muss der Ukraine auch bei der Sperrung des Luftraums helfen und uns im Schwarzen Meer schützen.

Ich habe keine Angst, es offen zu sagen: Vielleicht hat man Angst vor Putins Atomknopf. Zumal er offen damit gedroht hat. Das muss ihnen wohl Angst gemacht haben. Aber mit ihrer Angst dulden sie den Krieg! Putin wird nicht nach der Ukraine Halt machen, er wird weiter gehen, und früher oder später wird man ihn stoppen müssen. Deshalb: Solange der Aggressor noch nicht voll ausgeholt hat, lasst ihn uns gemeinsam stoppen.

Einige Ihrer Kollegen aus Russland haben inzwischen den Krieg gegen die Ukraine verurteilt. Wie bewerten Sie das? Kommt das nicht acht Jahre zu spät?

Diejenigen, die während des Maidan (pro-westliche Proteste im Jahr 2014 – Anm. d. Red.) für die Ukraine eingetreten sind, stehen auch heute auf ihrer Seite. Ich werde nie die unterstützenden Worte der Sängerin Alla Pugatschowa vergessen, auch nicht von Andrej Makarewitsch, er ist ein starker Mensch, er ist einfach unglaublich! Ich liebe seine Lieder jetzt noch viel mehr! Auch der Komiker Maxim Galkin hat sich geäußert. In Russland hat eine Welle begonnen, und ich denke, sie wird noch stärker werden und wir werden ein anderes, neues Russland sehen. Sollten jetzt Russen meine Wort lesen, dann will ich ihnen sagen: Dies ist der Moment für Eure Freiheit. Nutzt ihn! Die Ukraine leidet jetzt, aber zumindest wissen wir, dass wir für unsere gemeinsame Freiheit kämpfen. Unterstützt uns von Eurer Seite. Zeigt, dass Ihr freie Menschen seid und Kraft habt. Menschen waren schon immer stark, wenn sie zusammenhielten. Koordiniert Euch und Ihr werdet erfolgreich sein. Schließlich haben wir das auch geschafft!

Ruslana, was möchten Sie den Ukrainern in dieser Situation sagen?

Wir Ukrainer haben Glück, dass wir Ukrainer sind, dass wir so ein schönes Land haben, dass wir eben so sind, wie wir sind. Es ist aber für uns ein großes Unglück, dass in unser Land jetzt ein Aggressor gekommen ist, dass eine Art Imperium ständig versucht, uns unsere Heimat zu nehmen. Aber wir lieben sie zu sehr, um sie jemandem zu überlassen, der sie begehrt. Wer mit guten Absichten in die Ukraine kommt, der wird von der Ukraine guten Herzens aufgenommen. Wenn aber jemand mit bösen Absichten kommt, dann begräbt er sich selbst. Wir glauben an unser Land. Die Ukraine gab es, gibt es und wird es auch geben.

Übersetzung aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"