Wie Putin Europa verändert
Noch nie hat Europa politische Grundsätze und ideologische Traditionen so schnell über den Haufen geworfen wie in der vergangenen Woche. Die EU scheint vor einer verblüffenden Wiedergeburt zu stehen.
Man kann es das Gesetz der ungewollten Konsequenzen nennen: Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seinem Krieg gegen die Ukraine Europa zusammengeschweißt, den wirtschaftlichen und politischen Schmusekurs einiger EU-Länder beendet, viele seiner alten Freunde in den Untergrund getrieben und kleinteiligen Zank vorläufig beendet.
Die Begeisterung an der neu gefundenen Einigkeit mag vorübergehend sein, denn der Preis für die harten Sanktionen muss erst noch gezahlt werden. Dennoch wirkt Putins Krieg gegen die Ukraine für die EU wie ein Lebenselixier, rechts und links werden heilige Kühe geschlachtet und ein neuer Wind weht durch Europa.
Man kann es das Gesetz der ungewollten Konsequenzen nennen: Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seinem Krieg gegen die Ukraine Europa zusammengeschweißt, den wirtschaftlichen und politischen Schmusekurs einiger EU-Länder beendet, viele seiner alten Freunde in den Untergrund getrieben und kleinteiligen Zank vorläufig beendet.
Er hat es ja immer gesagt: Seit seinem Amtsantritt predigt der französische Präsident, dass Europa ökonomisch autonomer werden und imstande sein müsse, sich selbst zu verteidigen. Seine Kollegen ließen ihn genervt ins Leere laufen. Jetzt zeigt sich, wie sehr Emmanuel Macron Recht hatte. Auch er muss allerdings Fehler einräumen: Lange hatte der Franzose Wladimir Putin hofiert und geglaubt, es gehe ihm um Teilhabe und Achtung in Europa. Nach seinem letzten erfolglosen Verhandlungsversuch im Kreml fühlte sich Macron getäuscht.
Frankreich: Macron hat recht und Populisten sind auf Schleuderkurs
Seine politischen Gegner aber müssen sich über Nacht von ihrem Idol Putin lossagen und wollen nicht an ihre Tweets von früher erinnert werden. Bisher spielte die Pro-Putin-Linie des Altlinken Jean-Luc Melenchon, der Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihres rechtsextremen Konkurrenten Eric Zemmour im Wahlkampf keine Rolle. Jetzt sind für Le Pen die Fotos von 2017, wo sie sich ihren Wahlkampf von Putin finanzieren ließ, höchst peinlich. Ein Zemmour-Video in den sozialen Medien, in dem er Putin als Genie und quasi virtuellen Franzosen lobte, ist inzwischen ein Negativ-Hit. Und Melenchon räumt ein, er habe sich in dem Russen geirrt. Alle drei reden jetzt von Friedensgesprächen.
Der ungarische Premier Viktor Orban war in den letzten Jahren zum Fluch der EU geworden. Zunehmend autoritär, korrupt und bekennender Antidemokrat, stiftete der Ungar Unfrieden und torpedierte gemeinsame Beschlüsse. Der Abbau des Rechtstaats in Ungarn brachte ihn auf Kollisionskurs mit Brüssel. Und seine totale Ablehnung von Flüchtlingen verhinderte eine gemeinsame Migrationspolitik.
Am Wochenende aber fuhr Orban in die Grenzstadt Beregsurany, wo Flüchtlinge aus der Ukraine über die Grenze strömen, um sie willkommen zu heißen und ihnen die Hilfe Ungarns zu versprechen. Zugegeben: Viele von den Ankömmlingen gehören zur ungarischen Minderheit aus den Karpaten, dennoch musste Orban hier eine Rolle rückwärts machen.
Der Premier laviert jetzt zwischen seiner jahrelangen Putin-Nähe und der europäischen Empörung über den Krieg in der Ukraine. Vor wenigen Wochen noch hatte er den Russen im Kreml besucht, seine Forderung nach Sicherheitsgarantien für legitim und EU-Sanktionen für kontraproduktiv erklärt. Am vergangenen Samstag dann verkündete sein Sprecher, Budapest werde alle Sanktionen gegen Russland mittragen. Viktor Orban kann gar nicht so schnell zurückrudern, wie die anstehenden Wahlen im April es erfordern, denn öffentliche Meinung in Ungarn ist pro Ukraine.
Seit dem zweiten Weltkrieg erschien den Schweden ihre Neutralität als höchstes Gut. Prinzipiell vermieden sie es, Partei zu beziehen und profilierten sich als neutrale Unterhändler der Weltgemeinschaft. Jetzt erklärte Regierungschefin Magdalena Andersson, sie werde Helme, Schutzwesten und 5000 Anti-Panzerwaffen an die Ukraine liefern. Und auf die Drohung Putins, wenn Schweden und Finnland in die Nato eintreten wollten, müssten sie einen hohen Preis zahlen, erwiderte Stockholm kühl: Wir treffen unsere sicherheitspolitischen Entscheidungen selbst.
Auch Finnland reagierte frostig auf Putins Drohungen. Dort werden die aufgezwungene Blockfreiheit und der politische Einfluss des Kreml nach dem zweiten Weltkrieg inzwischen kritisch gesehen. Und mit 53 Prozent der Befragten unterstützt jetzt eine Mehrheit der Finnen zum ersten Mal einen Beitritt des Landes zur Nato. Der Wunsch nach Schutz durch das westliche Militärbündnis erscheint wichtiger als die gestrige Tradition der Neutralität.
Und auf die Frage nach einer möglichen “Finnlandisierung” der Ukraine winkt der frühere Premierminister Alexander Stubb nur ab: “Der Begriff ist traumatisch für uns”, es wäre eine Rückkehr zu den Regeln des Kalten Krieges und keine gute Lösung für die Ukraine. Mit der “Finnlandisierung” wird die Zeit in den 1970er Jahren beschrieben, als Finnland gegenüber der Sowjetunion schon in vorauseilendem Gehorsam Zugeständnisse machte.
“Deutschland übernimmt seine Rolle als globale Macht”, schrieb die Nachrichtenagentur Reuters am Montag und fasst damit die weltweiten Kommentare zusammen, die ihre Begeisterung und ihr Erstaunen über die 180-Grad-Wende von Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag im Bundestag ausdrücken. Mit einer Armbewegung fegte er alle jahrzehntealten Glaubenssätze bundesdeutscher Politik vom Tisch: Ja zu Waffen an die Ukraine, Ja zu einer einsatzbereiten Bundeswehr, Ja zu höheren Verteidigungsausgaben und Nein zur Energieabhängigkeit von Russland, Nein an die Putin-Versteher und Fürsprecher seiner autoritären Herrschaft.
Die englische Übersetzung der Scholz-Rede wurde wie heiße Ware über Twitter unter angelsächsischen Beobachtern geteilt, so groß war die Verblüffung über die Kehrtwende in Berlin. Der Kanzler trat rund dreißig Jahre bundesdeutscher Russlandpolitik in die Abfalltonne, insbesondere auch die seiner eigenen Partei. Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik ist am Tag danach nicht wieder zu erkennen.
Der tschechische Präsident Milos Zeman, jahrelang eifriger Unterstützer von Präsident Putin, nannte seinen früheren Freund jetzt einen “Irren, den man isolieren muss” und der den Frieden in Europa gefährde.
Der italienische Rechtspopulist Matteo Salvini hatte sich mehr als einmal mit einem Putin T-Shirt fotografieren lassen. Jetzt versucht er alte Lobeshymnen auf den Kreml-Herrn auf Social Media zu löschen und legte an der ukrainischen Botschaft in Rom Blumen nieder.
Der frühere schottische Ministerpräsident Alex Salmond hatte Putin nach der Annexion der Krim noch als russischen Patrioten gelobt. Jetzt legte er seine Talkshow im russischen Propagandasender RT nieder, bis der Frieden wieder hergestellt sei.
Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Francois Fillon, der österreichische Ex-Kanzler Christian Kern und andere legten ihre Posten bei russischen Staatsunternehmen unter Protest nieder. Bleibt nur der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit seinem Job bei Gazprom, der von “Fehlern auf beiden Seiten” spricht.
Man kann es das Gesetz der ungewollten Konsequenzen nennen: Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seinem Krieg gegen die Ukraine Europa zusammengeschweißt, den wirtschaftlichen und politischen Schmusekurs einiger EU-Länder beendet, viele seiner alten Freunde in den Untergrund getrieben und kleinteiligen Zank vorläufig beendet.
Die Begeisterung an der neu gefundenen Einigkeit mag vorübergehend sein, denn der Preis für die harten Sanktionen muss erst noch gezahlt werden. Dennoch wirkt Putins Krieg gegen die Ukraine für die EU wie ein Lebenselixier, rechts und links werden heilige Kühe geschlachtet und ein neuer Wind weht durch Europa.
Frankreich: Macron hat recht und Populisten sind auf Schleuderkurs
Er hat es ja immer gesagt: Seit seinem Amtsantritt predigt der französische Präsident, dass Europa ökonomisch autonomer werden und imstande sein müsse, sich selbst zu verteidigen. Seine Kollegen ließen ihn genervt ins Leere laufen. Jetzt zeigt sich, wie sehr Emmanuel Macron Recht hatte. Auch er muss allerdings Fehler einräumen: Lange hatte der Franzose Wladimir Putin hofiert und geglaubt, es gehe ihm um Teilhabe und Achtung in Europa. Nach seinem letzten erfolglosen Verhandlungsversuch im Kreml fühlte sich Macron getäuscht.
Seine politischen Gegner aber müssen sich über Nacht von ihrem Idol Putin lossagen und wollen nicht an ihre Tweets von früher erinnert werden. Bisher spielte die Pro-Putin-Linie des Altlinken Jean-Luc Melenchon, der Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihres rechtsextremen Konkurrenten Eric Zemmour im Wahlkampf keine Rolle. Jetzt sind für Le Pen die Fotos von 2017, wo sie sich ihren Wahlkampf von Putin finanzieren ließ, höchst peinlich. Ein Zemmour-Video in den sozialen Medien, in dem er Putin als Genie und quasi virtuellen Franzosen lobte, ist inzwischen ein Negativ-Hit. Und Melenchon räumt ein, er habe sich in dem Russen geirrt. Alle drei reden jetzt von Friedensgesprächen.
Der ungarische Premier Viktor Orban war in den letzten Jahren zum Fluch der EU geworden. Zunehmend autoritär, korrupt und bekennender Antidemokrat, stiftete der Ungar Unfrieden und torpedierte gemeinsame Beschlüsse. Der Abbau des Rechtstaats in Ungarn brachte ihn auf Kollisionskurs mit Brüssel. Und seine totale Ablehnung von Flüchtlingen verhinderte eine gemeinsame Migrationspolitik.
Am Wochenende aber fuhr Orban in die Grenzstadt Beregsurany, wo Flüchtlinge aus der Ukraine über die Grenze strömen, um sie willkommen zu heißen und ihnen die Hilfe Ungarns zu versprechen. Zugegeben: Viele von den Ankömmlingen gehören zur ungarischen Minderheit aus den Karpaten, dennoch musste Orban hier eine Rolle rückwärts machen.
Ungarn: Orban rudert zurück
Der Premier laviert jetzt zwischen seiner jahrelangen Putin-Nähe und der europäischen Empörung über den Krieg in der Ukraine. Vor wenigen Wochen noch hatte er den Russen im Kreml besucht, seine Forderung nach Sicherheitsgarantien für legitim und EU-Sanktionen für kontraproduktiv erklärt. Am vergangenen Samstag dann verkündete sein Sprecher, Budapest werde alle Sanktionen gegen Russland mittragen. Viktor Orban kann gar nicht so schnell zurückrudern, wie die anstehenden Wahlen im April es erfordern, denn öffentliche Meinung in Ungarn ist pro Ukraine.
Die Neutralen: Schweden und Finnland
Seit dem zweiten Weltkrieg erschien den Schweden ihre Neutralität als höchstes Gut. Prinzipiell vermieden sie es, Partei zu beziehen und profilierten sich als neutrale Unterhändler der Weltgemeinschaft. Jetzt erklärte Regierungschefin Magdalena Andersson, sie werde Helme, Schutzwesten und 5000 Anti-Panzerwaffen an die Ukraine liefern. Und auf die Drohung Putins, wenn Schweden und Finnland in die Nato eintreten wollten, müssten sie einen hohen Preis zahlen, erwiderte Stockholm kühl: Wir treffen unsere sicherheitspolitischen Entscheidungen selbst.
Auch Finnland reagierte frostig auf Putins Drohungen. Dort werden die aufgezwungene Blockfreiheit und der politische Einfluss des Kreml nach dem zweiten Weltkrieg inzwischen kritisch gesehen. Und mit 53 Prozent der Befragten unterstützt jetzt eine Mehrheit der Finnen zum ersten Mal einen Beitritt des Landes zur Nato. Der Wunsch nach Schutz durch das westliche Militärbündnis erscheint wichtiger als die gestrige Tradition der Neutralität.
Und auf die Frage nach einer möglichen “Finnlandisierung” der Ukraine winkt der frühere Premierminister Alexander Stubb nur ab: “Der Begriff ist traumatisch für uns”, es wäre eine Rückkehr zu den Regeln des Kalten Krieges und keine gute Lösung für die Ukraine. Mit der “Finnlandisierung” wird die Zeit in den 1970er Jahren beschrieben, als Finnland gegenüber der Sowjetunion schon in vorauseilendem Gehorsam Zugeständnisse machte.
Deutschland: Einstürzende politische Altbauten
“Deutschland übernimmt seine Rolle als globale Macht”, schrieb die Nachrichtenagentur Reuters am Montag und fasst damit die weltweiten Kommentare zusammen, die ihre Begeisterung und ihr Erstaunen über die 180-Grad-Wende von Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag im Bundestag ausdrücken. Mit einer Armbewegung fegte er alle jahrzehntealten Glaubenssätze bundesdeutscher Politik vom Tisch: Ja zu Waffen an die Ukraine, Ja zu einer einsatzbereiten Bundeswehr, Ja zu höheren Verteidigungsausgaben und Nein zur Energieabhängigkeit von Russland, Nein an die Putin-Versteher und Fürsprecher seiner autoritären Herrschaft.
Die englische Übersetzung der Scholz-Rede wurde wie heiße Ware über Twitter unter angelsächsischen Beobachtern geteilt, so groß war die Verblüffung über die Kehrtwende in Berlin. Der Kanzler trat rund dreißig Jahre bundesdeutscher Russlandpolitik in die Abfalltonne, insbesondere auch die seiner eigenen Partei. Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik ist am Tag danach nicht wieder zu erkennen.
Und sonst noch:
Der tschechische Präsident Milos Zeman, jahrelang eifriger Unterstützer von Präsident Putin, nannte seinen früheren Freund jetzt einen “Irren, den man isolieren muss” und der den Frieden in Europa gefährde.
Der italienische Rechtspopulist Matteo Salvini hatte sich mehr als einmal mit einem Putin T-Shirt fotografieren lassen. Jetzt versucht er alte Lobeshymnen auf den Kreml-Herrn auf Social Media zu löschen und legte an der ukrainischen Botschaft in Rom Blumen nieder.
Der frühere schottische Ministerpräsident Alex Salmond hatte Putin nach der Annexion der Krim noch als russischen Patrioten gelobt. Jetzt legte er seine Talkshow im russischen Propagandasender RT nieder, bis der Frieden wieder hergestellt sei.
Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Francois Fillon, der österreichische Ex-Kanzler Christian Kern und andere legten ihre Posten bei russischen Staatsunternehmen unter Protest nieder. Bleibt nur der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit seinem Job bei Gazprom, der von “Fehlern auf beiden Seiten” spricht.