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Libyen: die unendliche Stagnation

Politisch kommt Libyen nicht voran. Mit der Wahl eines zweiten Präsidenten scheint das Land in die Vergangenheit zurückzufallen. Dabei wäre es gerade während des Ukraine-Krieges auf politische Einheit angewiesen.

Libyen kommt nicht aus der politischen Stagnation. Das Land hat wieder zwei miteinander konkurrierende Ministerpräsidenten, und die eigentlich auf den Dezember vergangenen, dann den Januar des laufenden Jahres vertagten Wahlen sollen nun im Juni stattfinden. Diesen Termin haben zumindest die Vereinten Nationen vorgeschlagen.

Ob es dazu kommt, ist offen. Zumindest auf den ersten Blick scheint Libyenwieder da angekommen, wo es bereits bis zum Februar 2021 stand, als sich Vertreter rivalisierender Machtgruppen nach Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen endlich unter Moderation der Vereinten Nationen auf eine Übergangsregierung unter Premier Abdul Hamid Dbaiba einigten. Dieser sollte sowohl Wahlen vorbereiten als auch einen Verfassungskonvent in die Wege leiten. Doch dann wurden die für den Dezember 2021 geplanten Wahlen kurz vor dem Termin vertagt – die maßgeblichen Akteure fürchteten um ihren jeweiligen Erfolg.

Libyen kommt nicht aus der politischen Stagnation. Das Land hat wieder zwei miteinander konkurrierende Ministerpräsidenten, und die eigentlich auf den Dezember vergangenen, dann den Januar des laufenden Jahres vertagten Wahlen sollen nun im Juni stattfinden. Diesen Termin haben zumindest die Vereinten Nationen vorgeschlagen.

Wie kompliziert der unumgängliche Einigungsprozess ist, zeigte sich am 10. Februar, als das Parlament in Tobruk einen zweiten Premier, den ehemaligen Innenminister Fathi Baschaga, wählte. Die Parlamentarier begründeten ihren Schritt damit, dass das Mandat des im Februar vergangenen Jahres unter Vermittlung der Vereinten Nationen eingesetzten Premiers Abdul Hamid Dbaiba mit den im Dezember geplatzten Wahlen abgelaufen sei. Dbaiba selbst will das nicht hinnehmen. Er macht bisher keine Anstalten, von seinem Amt zurückzutreten. Die von ihm geführte Regierung teilte Anfang März mit, sie arbeite trotz der Wahl im Osten des Landes wie gewohnt weiter.

“Es kommt ihnen auf ihre politische Karriere an”

Angesichts der jüngsten Entwicklung des Landes zeige sich eines der zentralen Probleme des Landes, sagt Thomas Volk, Libyen-Beauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung, im DW-Gespräch: “In der politischen Szene des Landes gibt es Protagonisten, denen es offenbar einzig und allein auf ihre eigene Karriere ankommt”, so Volk.

“Die einzige Gewissheit ist, dass die neue Konfrontation für die Libyer schlecht sein wird”, sagt der Libyen-Experte Tarek Megerisi vom European Council on Foreign Relations zum derzeitigen Patt. Dbaiba und die anderen Eliten Libyens hätten weit mehr miteinander gemeinsam als mit dem Volk, das sie regieren. “Sie streiten sich darum, wer von ihnen am wenigsten illegitim ist.”

Einer solchen Situation könnte eine neue Verfassung entgegenwirken, die das gebeutelte Land sich geben soll, sagt die Politikwissenschaftlerin Hager Ali, die am German Institut for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg zur politischen Konstitution der arabischen Staatenwelt forscht. Die zu erarbeitende neue Verfassung sei von entscheidender Bedeutung, da Libyen seit über zehn Jahren keinen politischen Pluralismus und damit auch keine entsprechenden Institutionen kenne. Allerdings könnte selbst die Arbeit an der Verfassung von persönlichen Interessen der politischen Akteure beeinflusst werden.

“Voraussetzung für die Teilhabe am Prozess der Verfassungsbildung ist allerdings ein Sieg bei den kommenden Wahlen. Daher versuchen die Akteure jetzt vor der Wahl die Wahlgesetze so festzulegen, dass man selbst die besten Gewinnchancen hat”, so Hager Ali. “Die willkürliche Festlegung von Wahldistrikten und Bestimmungen zur Parteienfinanzierung sind Mittel, mit denen sich die Akteure den Wahlsieg gegenseitig erschweren wollen.”

Der persönliche Ehrgeiz der Akteure deutet sich derzeit bereits an. Als enger Vertrauter von General Chalifa Haftar, der wiederum eng mit der ehemaligen Exilregierung in Tobruk verbundenen ist, versuche Premier Baschaga die Libyer nun mittels einer “raffinierten Propagandamaschine” für sich zu gewinnen, schreibt Tarek Megerisi.

Ob diese bei der Bevölkerung verfängt, ist noch nicht klar. Baschaga war auch deshalb gewählt worden, weil man ihm zutraute, die Armee sowie die der ehemaligen Regierung in Tripolis nahestehenden Islamisten für sich zu gewinnen. Doch nun scheint es, als seien beide nicht bereit, die Machtübernahme Baschagas hinzunehmen. Auch andere hochrangige Politiker hätten sich inzwischen gegen Baschaga zusammengeschlossen, so Megerisi.

Dabei käme es gerade jetzt, im Zeichen des russischen Angriffs auf die Ukraine, auf politische Kompromissfähigkeit an. Russland ist seit Jahren militärisch massiv in Libyen präsent und hat – wenngleich nicht als einziger ausländischer Staat – erheblichen Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes. Dennoch stimmte Libyen Ende Februar für die Annahme der Resolution ES-11/1, die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt.

Auch Baschaga selbst veröffentlichte eine Reihe von Tweets, in denen er den Angriff Russlands auf die Ukraine als “klare Verletzung des Völkerrechts und der Souveränität einer demokratischen Ukraine” verurteilte – und zwar ungeachtet des Umstands, dass Russland seine Ernennung zum Premier begrüßt hatte. “Wir denken, dass diese Entscheidung der libyschen Gesetzgeber respektiert werden sollte”, hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, die Ernennung Baschagas nach deren Bekanntwerden kommentiert.

Allerdings dürfte das Verhältnis des Baschaga-Lagers zu Moskau durch die Bemerkungen des Premiers kaum getrübt werden, heißt es in einer Analyse im Magazin Al-Monitor. Denn die Stellungnahme habe vor allem symbolische Bedeutung, ziehe aber keine konkreten politischen Konsequenzen nach sich.

Tatsächlich bleibe Libyen für Russland eine wichtige Drehscheibe, sagt Thomas Volk von der Konrad-Adenauer-Stiftung. “Über sein Militär und vor allem über das private Militärunternehmen Wagner habe Russland seinen Einfluss in Libyen in den letzten Jahren immer wieder geltend gemacht.”

Derzeit macht man sich in Libyen aber Sorgen darum, dass die durch den Krieg in der Ukraine stark steigenden Weizenpreise unabsehbare Auswirkungen für die Bevölkerung Libyens wie auch anderer arabischer Länderhaben werden. “Zugleich dürfte nun, da die russischen Kapazitäten auf den Krieg in der Ukraine konzentriert sind, die Türkei als Akteur in Libyen wieder stärker werden. Mit anderen Worten: Libyen wird sich weiterhin mit ausländischem Einfluss auseinandersetzen müssen.”

Auch innenpolitisch dürfte sich der Krieg in der Ukraine auf Libyen auswirken, sagt Hager Ali vom GIGA-Institut. “Die Bewirtschaftung der Bodenschätze dürfte in Zukunft eine noch größere Rolle spielen als bislang. Und je nachdem, wie etwa die Ölfelder verwaltet werden, ergeben sich daraus Folgen für politische Akteure, etwa im Hinblick auf den Klientelismus.”

So könnten die politischen Akteure versucht sein, die Einteilung politischer Distrikte auch an den Bodenschätzen auszurichten. Man habe bereits darauf geachtet, dass die meisten Ölvorkommen in den eigenen Distrikten liegen. Dieser Trend dürfte sich verstärken. “Auch dies dürfte die politische Einigung belasten.”

Libyen Krieg Massengrab Suche nach vermissten Personen
Frankreich | Libyen-Konferenz in Paris
Libyen | Öl- und Gas Bohrinsel im Mittelmeer

Libyen kommt nicht aus der politischen Stagnation. Das Land hat wieder zwei miteinander konkurrierende Ministerpräsidenten, und die eigentlich auf den Dezember vergangenen, dann den Januar des laufenden Jahres vertagten Wahlen sollen nun im Juni stattfinden. Diesen Termin haben zumindest die Vereinten Nationen vorgeschlagen.

Ob es dazu kommt, ist offen. Zumindest auf den ersten Blick scheint Libyenwieder da angekommen, wo es bereits bis zum Februar 2021 stand, als sich Vertreter rivalisierender Machtgruppen nach Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen endlich unter Moderation der Vereinten Nationen auf eine Übergangsregierung unter Premier Abdul Hamid Dbaiba einigten. Dieser sollte sowohl Wahlen vorbereiten als auch einen Verfassungskonvent in die Wege leiten. Doch dann wurden die für den Dezember 2021 geplanten Wahlen kurz vor dem Termin vertagt – die maßgeblichen Akteure fürchteten um ihren jeweiligen Erfolg.

“Es kommt ihnen auf ihre politische Karriere an”

Wie kompliziert der unumgängliche Einigungsprozess ist, zeigte sich am 10. Februar, als das Parlament in Tobruk einen zweiten Premier, den ehemaligen Innenminister Fathi Baschaga, wählte. Die Parlamentarier begründeten ihren Schritt damit, dass das Mandat des im Februar vergangenen Jahres unter Vermittlung der Vereinten Nationen eingesetzten Premiers Abdul Hamid Dbaiba mit den im Dezember geplatzten Wahlen abgelaufen sei. Dbaiba selbst will das nicht hinnehmen. Er macht bisher keine Anstalten, von seinem Amt zurückzutreten. Die von ihm geführte Regierung teilte Anfang März mit, sie arbeite trotz der Wahl im Osten des Landes wie gewohnt weiter.

Angesichts der jüngsten Entwicklung des Landes zeige sich eines der zentralen Probleme des Landes, sagt Thomas Volk, Libyen-Beauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung, im DW-Gespräch: “In der politischen Szene des Landes gibt es Protagonisten, denen es offenbar einzig und allein auf ihre eigene Karriere ankommt”, so Volk.

“Die einzige Gewissheit ist, dass die neue Konfrontation für die Libyer schlecht sein wird”, sagt der Libyen-Experte Tarek Megerisi vom European Council on Foreign Relations zum derzeitigen Patt. Dbaiba und die anderen Eliten Libyens hätten weit mehr miteinander gemeinsam als mit dem Volk, das sie regieren. “Sie streiten sich darum, wer von ihnen am wenigsten illegitim ist.”

Einer solchen Situation könnte eine neue Verfassung entgegenwirken, die das gebeutelte Land sich geben soll, sagt die Politikwissenschaftlerin Hager Ali, die am German Institut for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg zur politischen Konstitution der arabischen Staatenwelt forscht. Die zu erarbeitende neue Verfassung sei von entscheidender Bedeutung, da Libyen seit über zehn Jahren keinen politischen Pluralismus und damit auch keine entsprechenden Institutionen kenne. Allerdings könnte selbst die Arbeit an der Verfassung von persönlichen Interessen der politischen Akteure beeinflusst werden.

Hoffnung auf eine neue Verfassung

“Voraussetzung für die Teilhabe am Prozess der Verfassungsbildung ist allerdings ein Sieg bei den kommenden Wahlen. Daher versuchen die Akteure jetzt vor der Wahl die Wahlgesetze so festzulegen, dass man selbst die besten Gewinnchancen hat”, so Hager Ali. “Die willkürliche Festlegung von Wahldistrikten und Bestimmungen zur Parteienfinanzierung sind Mittel, mit denen sich die Akteure den Wahlsieg gegenseitig erschweren wollen.”

“Raffinierte Propagandamaschine”

Der persönliche Ehrgeiz der Akteure deutet sich derzeit bereits an. Als enger Vertrauter von General Chalifa Haftar, der wiederum eng mit der ehemaligen Exilregierung in Tobruk verbundenen ist, versuche Premier Baschaga die Libyer nun mittels einer “raffinierten Propagandamaschine” für sich zu gewinnen, schreibt Tarek Megerisi.

Ob diese bei der Bevölkerung verfängt, ist noch nicht klar. Baschaga war auch deshalb gewählt worden, weil man ihm zutraute, die Armee sowie die der ehemaligen Regierung in Tripolis nahestehenden Islamisten für sich zu gewinnen. Doch nun scheint es, als seien beide nicht bereit, die Machtübernahme Baschagas hinzunehmen. Auch andere hochrangige Politiker hätten sich inzwischen gegen Baschaga zusammengeschlossen, so Megerisi.

Dabei käme es gerade jetzt, im Zeichen des russischen Angriffs auf die Ukraine, auf politische Kompromissfähigkeit an. Russland ist seit Jahren militärisch massiv in Libyen präsent und hat – wenngleich nicht als einziger ausländischer Staat – erheblichen Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes. Dennoch stimmte Libyen Ende Februar für die Annahme der Resolution ES-11/1, die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt.

Das Verhältnis zu Russland

Auch Baschaga selbst veröffentlichte eine Reihe von Tweets, in denen er den Angriff Russlands auf die Ukraine als “klare Verletzung des Völkerrechts und der Souveränität einer demokratischen Ukraine” verurteilte – und zwar ungeachtet des Umstands, dass Russland seine Ernennung zum Premier begrüßt hatte. “Wir denken, dass diese Entscheidung der libyschen Gesetzgeber respektiert werden sollte”, hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, die Ernennung Baschagas nach deren Bekanntwerden kommentiert.

Allerdings dürfte das Verhältnis des Baschaga-Lagers zu Moskau durch die Bemerkungen des Premiers kaum getrübt werden, heißt es in einer Analyse im Magazin Al-Monitor. Denn die Stellungnahme habe vor allem symbolische Bedeutung, ziehe aber keine konkreten politischen Konsequenzen nach sich.

Auswirkungen des Ukraine-Krieges

Tatsächlich bleibe Libyen für Russland eine wichtige Drehscheibe, sagt Thomas Volk von der Konrad-Adenauer-Stiftung. “Über sein Militär und vor allem über das private Militärunternehmen Wagner habe Russland seinen Einfluss in Libyen in den letzten Jahren immer wieder geltend gemacht.”

Derzeit macht man sich in Libyen aber Sorgen darum, dass die durch den Krieg in der Ukraine stark steigenden Weizenpreise unabsehbare Auswirkungen für die Bevölkerung Libyens wie auch anderer arabischer Länderhaben werden. “Zugleich dürfte nun, da die russischen Kapazitäten auf den Krieg in der Ukraine konzentriert sind, die Türkei als Akteur in Libyen wieder stärker werden. Mit anderen Worten: Libyen wird sich weiterhin mit ausländischem Einfluss auseinandersetzen müssen.”

Auch innenpolitisch dürfte sich der Krieg in der Ukraine auf Libyen auswirken, sagt Hager Ali vom GIGA-Institut. “Die Bewirtschaftung der Bodenschätze dürfte in Zukunft eine noch größere Rolle spielen als bislang. Und je nachdem, wie etwa die Ölfelder verwaltet werden, ergeben sich daraus Folgen für politische Akteure, etwa im Hinblick auf den Klientelismus.”

So könnten die politischen Akteure versucht sein, die Einteilung politischer Distrikte auch an den Bodenschätzen auszurichten. Man habe bereits darauf geachtet, dass die meisten Ölvorkommen in den eigenen Distrikten liegen. Dieser Trend dürfte sich verstärken. “Auch dies dürfte die politische Einigung belasten.”

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