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Ohne Ausweg: Nigerianer in Cherson

Dutzende afrikanische Studenten stecken in der Ukraine fest. Jeremiah Akpan aus Nigeria erzählt der Deutschen Welle von seinen erfolglosen Versuchen, die Stadt Cherson zu verlassen.

“Wir durchquerten mit dem Auto ein paar gefährliche Gebiete, die bereits bombardiert worden waren, und kamen schließlich zum Checkpoint. Plötzlich richteten russische Soldaten, die nur 15 Meter entfernt standen, ihre Waffen auf uns”, berichtet Jeremiah Akpan, ein nigerianischer Student, der in Cherson, im Süden der Ukraine, gestrandet ist. Die Hafenstadt in der Nähe des Schwarzen Meers hat etwa 290.000 Einwohner. Sie gehört zu den ersten Städten, die Anfang März von den russischen Streitkräften eingenommen wurde.

“Sie sprachen kein Wort, sie zielten einfach auf uns. Die Panzer und die Soldaten mit den Gewehren”, erzählt Akpan im Gespräch mit der Deutschen Welle. Fünf junge Männer saßen im Fahrzeug: der Fahrer, ein Palästinenser, drei Ägypter und Akpan selbst. “Einer der Ägypter hatte eine ägyptische Fahne dabei, mit der begann er zu wedeln. Sie forderten uns auf umzukehren. Ohne Worte, nur durch Handzeichen. Also sind wir umgekehrt”, erinnert sich Akpan an seinen ersten Fluchtversuch. Das war am 24. Februar, dem Tag, an dem der Krieg begann.

“Wir durchquerten mit dem Auto ein paar gefährliche Gebiete, die bereits bombardiert worden waren, und kamen schließlich zum Checkpoint. Plötzlich richteten russische Soldaten, die nur 15 Meter entfernt standen, ihre Waffen auf uns”, berichtet Jeremiah Akpan, ein nigerianischer Student, der in Cherson, im Süden der Ukraine, gestrandet ist. Die Hafenstadt in der Nähe des Schwarzen Meers hat etwa 290.000 Einwohner. Sie gehört zu den ersten Städten, die Anfang März von den russischen Streitkräften eingenommen wurde.

Zurück in Cherson suchte sich Akpan ein Versteck im Keller seiner Schule. Immer noch voll Hoffnung riefen er und drei weitere Studenten am nächsten Tag einen Taxifahrer außerhalb von Cherson an. Überall waren Straßensperren, aber der Fahrer erklärte sich bereit, die Studenten abzuholen, auch wenn es riskant war. So begann der zweite Versuch, die Stadt zu verlassen.

Schutz im Keller

Sie waren noch nicht lange unterwegs, als sie erneut von russischen Soldaten gestoppt wurden. Der Fahrer stieg aus seinem Fahrzeug aus und ging auf die Soldaten zu. Er bat sie, die jungen Männer passieren zu lassen, sie seien internationale Studenten. “Aber sie schrien ihn an und schubsten ihn immer wieder. Ich weiß nicht, was sie sagten, es war einfach furchtbar”, so Akpan. “Schließlich kamen sie mit dem Fahrer zum Auto und ließen die Luft aus den Reifen. Keine Ahnung, warum.”

Den jungen Männern rutschte das Herz in die Hose. Schnell stiegen sie aus dem Taxi aus und beobachteten das Geschehen von der anderen Straßenseite. Nachdem sie die Luft aus den Reifen gelassen hatten, gingen die Soldaten. Zum Glück hatte der Fahrer Ersatzreifen dabei und konnten so die Reifen wechseln. Doch auch der zweite Fluchtversuch endete damit, dass Akpan und seine Begleiter wieder nach Cherson zurückgefahren wurden.

Akpan zog sich wieder in den Keller zurück, in dem auch andere Menschen Zuflucht suchten. Seitdem erhält er immer wieder Anrufe und es werden andere Ausländer zu ihm geschickt, um im Keller Schutz zu finden oder Akpan um Hilfe zu bitten. Täglich werden es mehr. Am 15. März standen schon 87 Personen auf Akpans Liste. Als Vorsitzender der internationalen Studentenvereinigung von Cherson war er für all diese Menschen verantwortlich. Nach Angaben nigerianischer Behörden befinden sich immer noch etwa 80 Studierende in Cherson, die auf die Evakuierung warten.

Am Sonntag, dem 13. März, folgte der dritte Versuch, Cherson zu verlassen. Vier internationale Studenten beschlossen, das Risiko auf sich zu nehmen. Akpan war nicht darunter und weiß nicht, wann sie die Stadt verließen. Er sagt, er hätte versucht, sie davon abzuhalten, sich alleine auf den Weg zu machen.

Als die vier den dritten Checkpoint erreichten, wurden sie von russischen Soldaten aufgefordert auszusteigen. Die Soldaten überprüften ihre Pässe und ihr Gepäck und befahlen ihnen dann, das Gepäck wieder in das Taxi zu laden. Während der Fahrer gezwungen wurde, wieder nach Cherson zu fahren, wurden den Studenten die Augen verbunden. Für zwei Stunden wurde sie in einem Panzer gefangen gehalten.

Schließlich fuhren die Soldaten den Panzer an einen unbekannten Ort. Einige Zeit später wurden die vier Studenten in ein Gebäude geschubst. Als die Soldaten ihnen endlich ihre Fesseln und Augenbinden abnahmen, fanden sie sich in einem dunklen Raum mit anderen Ukrainern wieder. Es stank nach Urin und menschlichen Exkrementen.

Um etwa 21 Uhr kamen einige Soldaten, verbanden den jungen Männern erneut die Augen und steckten sie in ein weiteres Fahrzeug. Akpan vermutet, dass den Soldaten bewusst wurde, dass die Rückkehr des Taxifahrers nach Cherson ohne die vier Studenten Alarmglocken hätte läuten lassen.

Die Studenten wurden in ein Dorf gefahren und dort von den Soldaten abgesetzt. Man sagte ihnen, sie sollten sich auf den Weg zurück nach Cherson machen. Die Studenten liefen durch die kalte Winternacht und erreichten Cherson erst am Mittag des nächsten Tages. “So haben sie es zurück nach Cherson geschafft und konnten mir von ihren Erlebnissen berichten”, erklärt Akpan.

Danielle Ijeoma Onyekwere ist Mitbegründerin von Diaspora Relief, einer gemeinnützigen Organisation, die sich gemeinsam mit der nigerianischen Botschaft in Ungarn bemüht, Studenten aus der Ukraine zu evakuieren. Sie betont gegenüber der Deutschen Welle, dass die Lage in Cherson deutlich komplizierter sei, als es in Sumy der Fall war. Russische Soldaten haben nicht nur die gesamte Stadt eingenommen, sie sitzen in jeder Ecke, jedem Winkel von Cherson. Infolgedessen haben die Einwohner Angst, überhaupt einen Fuß vor die Tür zu setzen. Onyekwere rät Studenten, nicht auf eigene Faust die Stadt zu verlassen: “Ich rate davon ab, einen Evakuierungsversuch ohne Unterstützung der jeweiligen Regierungen zu starten.”

Sie empfiehlt den Studenten außerdem, gegenüber den Soldaten keine Aggressionen zu zeigen: “Ich rate dringend davon ab, sich gegen das Militär durchsetzen zu wollen. Davor habe ich die Studenten gewarnt. Ich empfehle ihnen, nett zu sein, damit die Dinge nicht eskalieren”, unterstreicht Onyekwere. “Versucht nicht, mit Gewalt die Stadt zu verlassen.” Onyekwere befürchtet, dass die Studenten die Hoffnung und das Vertrauen verloren haben, doch sie verspricht, dass Hilfe unterwegs ist.

Manche Studenten sind sehr krank und haben Angst, dass ihre Gesundheit weiter leidet. Sie bedrückt auch die Sorge, dass Cherson bald noch stärker unter Beschuss geraten könnte. Für Akpan kann die Hilfe nicht früh genug kommen: “Wir konnten in Erfahrung bringen, dass die Russen hier unten mehr Soldaten rekrutieren. Das wird ein Riesenchaos hier, darum machen wir jetzt so viel Lärm und bitten um Hilfe, solange Hilfe noch möglich ist.”

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Ukraine Cherson | Studenten aus Afrika Versteck im Keller
Ukraine Proteste gegen die russiche Invasion in Cherson

“Wir durchquerten mit dem Auto ein paar gefährliche Gebiete, die bereits bombardiert worden waren, und kamen schließlich zum Checkpoint. Plötzlich richteten russische Soldaten, die nur 15 Meter entfernt standen, ihre Waffen auf uns”, berichtet Jeremiah Akpan, ein nigerianischer Student, der in Cherson, im Süden der Ukraine, gestrandet ist. Die Hafenstadt in der Nähe des Schwarzen Meers hat etwa 290.000 Einwohner. Sie gehört zu den ersten Städten, die Anfang März von den russischen Streitkräften eingenommen wurde.

“Sie sprachen kein Wort, sie zielten einfach auf uns. Die Panzer und die Soldaten mit den Gewehren”, erzählt Akpan im Gespräch mit der Deutschen Welle. Fünf junge Männer saßen im Fahrzeug: der Fahrer, ein Palästinenser, drei Ägypter und Akpan selbst. “Einer der Ägypter hatte eine ägyptische Fahne dabei, mit der begann er zu wedeln. Sie forderten uns auf umzukehren. Ohne Worte, nur durch Handzeichen. Also sind wir umgekehrt”, erinnert sich Akpan an seinen ersten Fluchtversuch. Das war am 24. Februar, dem Tag, an dem der Krieg begann.

Schutz im Keller

Zurück in Cherson suchte sich Akpan ein Versteck im Keller seiner Schule. Immer noch voll Hoffnung riefen er und drei weitere Studenten am nächsten Tag einen Taxifahrer außerhalb von Cherson an. Überall waren Straßensperren, aber der Fahrer erklärte sich bereit, die Studenten abzuholen, auch wenn es riskant war. So begann der zweite Versuch, die Stadt zu verlassen.

Sie waren noch nicht lange unterwegs, als sie erneut von russischen Soldaten gestoppt wurden. Der Fahrer stieg aus seinem Fahrzeug aus und ging auf die Soldaten zu. Er bat sie, die jungen Männer passieren zu lassen, sie seien internationale Studenten. “Aber sie schrien ihn an und schubsten ihn immer wieder. Ich weiß nicht, was sie sagten, es war einfach furchtbar”, so Akpan. “Schließlich kamen sie mit dem Fahrer zum Auto und ließen die Luft aus den Reifen. Keine Ahnung, warum.”

Den jungen Männern rutschte das Herz in die Hose. Schnell stiegen sie aus dem Taxi aus und beobachteten das Geschehen von der anderen Straßenseite. Nachdem sie die Luft aus den Reifen gelassen hatten, gingen die Soldaten. Zum Glück hatte der Fahrer Ersatzreifen dabei und konnten so die Reifen wechseln. Doch auch der zweite Fluchtversuch endete damit, dass Akpan und seine Begleiter wieder nach Cherson zurückgefahren wurden.

Akpan zog sich wieder in den Keller zurück, in dem auch andere Menschen Zuflucht suchten. Seitdem erhält er immer wieder Anrufe und es werden andere Ausländer zu ihm geschickt, um im Keller Schutz zu finden oder Akpan um Hilfe zu bitten. Täglich werden es mehr. Am 15. März standen schon 87 Personen auf Akpans Liste. Als Vorsitzender der internationalen Studentenvereinigung von Cherson war er für all diese Menschen verantwortlich. Nach Angaben nigerianischer Behörden befinden sich immer noch etwa 80 Studierende in Cherson, die auf die Evakuierung warten.

Entführt und mit Ukrainern gefangen

Am Sonntag, dem 13. März, folgte der dritte Versuch, Cherson zu verlassen. Vier internationale Studenten beschlossen, das Risiko auf sich zu nehmen. Akpan war nicht darunter und weiß nicht, wann sie die Stadt verließen. Er sagt, er hätte versucht, sie davon abzuhalten, sich alleine auf den Weg zu machen.

Blick in eine ungewisse Zukunft

Als die vier den dritten Checkpoint erreichten, wurden sie von russischen Soldaten aufgefordert auszusteigen. Die Soldaten überprüften ihre Pässe und ihr Gepäck und befahlen ihnen dann, das Gepäck wieder in das Taxi zu laden. Während der Fahrer gezwungen wurde, wieder nach Cherson zu fahren, wurden den Studenten die Augen verbunden. Für zwei Stunden wurde sie in einem Panzer gefangen gehalten.

Schließlich fuhren die Soldaten den Panzer an einen unbekannten Ort. Einige Zeit später wurden die vier Studenten in ein Gebäude geschubst. Als die Soldaten ihnen endlich ihre Fesseln und Augenbinden abnahmen, fanden sie sich in einem dunklen Raum mit anderen Ukrainern wieder. Es stank nach Urin und menschlichen Exkrementen.

Um etwa 21 Uhr kamen einige Soldaten, verbanden den jungen Männern erneut die Augen und steckten sie in ein weiteres Fahrzeug. Akpan vermutet, dass den Soldaten bewusst wurde, dass die Rückkehr des Taxifahrers nach Cherson ohne die vier Studenten Alarmglocken hätte läuten lassen.

Die Studenten wurden in ein Dorf gefahren und dort von den Soldaten abgesetzt. Man sagte ihnen, sie sollten sich auf den Weg zurück nach Cherson machen. Die Studenten liefen durch die kalte Winternacht und erreichten Cherson erst am Mittag des nächsten Tages. “So haben sie es zurück nach Cherson geschafft und konnten mir von ihren Erlebnissen berichten”, erklärt Akpan.

Danielle Ijeoma Onyekwere ist Mitbegründerin von Diaspora Relief, einer gemeinnützigen Organisation, die sich gemeinsam mit der nigerianischen Botschaft in Ungarn bemüht, Studenten aus der Ukraine zu evakuieren. Sie betont gegenüber der Deutschen Welle, dass die Lage in Cherson deutlich komplizierter sei, als es in Sumy der Fall war. Russische Soldaten haben nicht nur die gesamte Stadt eingenommen, sie sitzen in jeder Ecke, jedem Winkel von Cherson. Infolgedessen haben die Einwohner Angst, überhaupt einen Fuß vor die Tür zu setzen. Onyekwere rät Studenten, nicht auf eigene Faust die Stadt zu verlassen: “Ich rate davon ab, einen Evakuierungsversuch ohne Unterstützung der jeweiligen Regierungen zu starten.”

Sie empfiehlt den Studenten außerdem, gegenüber den Soldaten keine Aggressionen zu zeigen: “Ich rate dringend davon ab, sich gegen das Militär durchsetzen zu wollen. Davor habe ich die Studenten gewarnt. Ich empfehle ihnen, nett zu sein, damit die Dinge nicht eskalieren”, unterstreicht Onyekwere. “Versucht nicht, mit Gewalt die Stadt zu verlassen.” Onyekwere befürchtet, dass die Studenten die Hoffnung und das Vertrauen verloren haben, doch sie verspricht, dass Hilfe unterwegs ist.

Manche Studenten sind sehr krank und haben Angst, dass ihre Gesundheit weiter leidet. Sie bedrückt auch die Sorge, dass Cherson bald noch stärker unter Beschuss geraten könnte. Für Akpan kann die Hilfe nicht früh genug kommen: “Wir konnten in Erfahrung bringen, dass die Russen hier unten mehr Soldaten rekrutieren. Das wird ein Riesenchaos hier, darum machen wir jetzt so viel Lärm und bitten um Hilfe, solange Hilfe noch möglich ist.”

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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