Wirtschaft

Vom letzten Versuch, einen deutschen Passagierjet zu bauen

Vor genau zwanzig Jahren wurde der Regionaljet Fairchild Dornier 728 vorgestellt. Er sollte das Basismodell einer innovativen Flugzeugfamilie werden. Doch dazu kam es nie. Trotzdem war es ein Meilenstein.

Frankreich und Großbritannien waren immer große Flugzeugbau-Nationen auch für Passagiermaschinen, auch nach dem Krieg. Die westdeutsche Luftfahrtindustrie hat dagegen lange nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ein einziger Passagierjet wurde in der Bundesrepublik entwickelt – die VFW 614, die im Juli 1971 zum Erstflug startete. Das innovative Kurzstreckenflugzeug wurde kommerziell ein Flop, nur 16 wurden verkauft.

Das 1978 eingestellte Programm gilt aber als Meilenstein für Deutschland auf dem Weg zum wichtigen Partner im erfolgreichen Airbus-Programm. Doch seit 1998 gab es plötzlich wieder einen kühnen Plan, ein in Deutschland ansässiges Unternehmen zum Systemführer gleich einer ganzen Familie von Regionaljets zu machen.

Frankreich und Großbritannien waren immer große Flugzeugbau-Nationen auch für Passagiermaschinen, auch nach dem Krieg. Die westdeutsche Luftfahrtindustrie hat dagegen lange nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ein einziger Passagierjet wurde in der Bundesrepublik entwickelt – die VFW 614, die im Juli 1971 zum Erstflug startete. Das innovative Kurzstreckenflugzeug wurde kommerziell ein Flop, nur 16 wurden verkauft.

Der Höhepunkt dieser Geschichte und ihr Ende liegen inzwischen zwanzig Jahre zurück: Beides spielte sich ab in Oberpfaffenhofen, auf einem Werksflugplatz südlich von München. Hier war für Jahre der Standort des zivilen Flugzeugherstellers Dornier Luftfahrt GmbH gewesen, einem Abkömmling jener Dornier-Werke, die in den 1920er Jahren das legendäre Flugboot Do-X gebaut hatten. Seit 1988 war der Regionalflugzeugbauer Teil der Daimler Benz-Gruppe.

Schauplatz Oberpfaffenhofen

Der Autohersteller hatte zuvor auch Fokker in den Niederlanden übernommen und wollte aus beiden eine Regionalflugzeugtochter formen. Nachdem das gescheitert war, verloren die Autobauer das Interesse, 1996 übernahm die US-Firma Fairchild Aviation die deutsche Firma und benannte sie um in Fairchild Dornier. Damals entstand hier vor allem die Dornier 228-Turboprop sowie der Nachfolger Dornier 328, von dem Fairchild Dornier nach der Übernahme flugs auch eine 328JET-Version herausbrachte.

Der große Paukenschlag erfolgte 1998, als das deutsch-amerikanische Unternehmen auf der ILA-Luftfahrtschau in Berlin seine kühnen Pläne vorstellte, eine ganze Familie von Regionaljets zu produzieren, vom 44- bis zum 110-Sitzer. Auf ihrem ILA-Stand zeigte die Firma Modelle des 428JET, des 528JET, des 728JET und des 928JET. Vier Jahre später, am 21. März 2002 fand die feierliche Vorstellung des Regionaljets 728JET von Fairchild Dornier statt. Als Höhepunkt fiel der Vorhang und gab den Blick frei auf das etwas gedrungen wirkende Flugzeug.

Bei allem Jubel um den vermeintlich erreichten Meilenstein des Herstellers war an dem Tag nichts so wie es aussah. “Als wir den roten Knopf beim Rollout drückten, um das Flugzeug dahinter zu enthüllen wusste ich, dass das nur eine innen leere, nicht flugfähige Hülle war”, sagt Nico Buchholz zwanzig Jahre später, damals Chef der Flottenmanagements der Lufthansa und oberster Flugzeugeinkäufer der Gruppe.

Weil die Gesellschaft dringend neue Flugzeuge in der 70-Sitzer-Kategorie brauchte, hatte Lufthansa am 29. April 1999 die entscheidende Bestellung für 60 der 728JETs plus 60 Optionen platziert. Das gab dem Projekt den in der Anfangsphase dringend benötigten Rückenwind. Bei der Enthüllung, so sagt Buchholz, “wusste ich, dass ich kurz darauf unseren Vertrag über die Bestellung stornieren würde. Das war für mich ein eher trauriges Event weil wir bereits wussten, was demnächst passieren würde.”

Und das geschah auch, unweigerlich: Am 2. April 2002 stellte Fairchild Dornier Insolvenzantrag. Verschiedene Versuche, durch das Engagement neuer Investoren den 728JET wiederzubeleben und möglichst auch andere Vertreter der geplanten Flugzeugfamilie wie den 928JET, an dem Lufthansa sehr interessiert war, scheiterten alle. Nicht ein einziges Flugzeug kam auch nur in die Nähe davon, flugbereit zu sein oder gar abzuheben.

Es gab damals eine große Marktlücke zu füllen bei weniger Konkurrenz als zuvor, weil Saab und Fokker aufgegeben hatten und Bombardier nicht mutig genug zum Handeln war. Damals wurde Regionalverkehr fast ausschließlich mit Turboprop-Flugzeugen betrieben, die die Passagiere zunehmend ablehnten, Regionaljets gab es nur bis zu 50 Sitzen. Übertriebene Marktprognosen heizten die Erwartungen an, in Oberpfaffenhofen malte man sich Verkäufe von bis zu 500 der 728JETs aus. Auf dem Papier wirkten die Bestellungen auch durchaus überzeugend mit 125 Festbestellungen (davon 60 von Lufthansa und 50 von der Leasingfirma GECAS) plus 164 Optionen im Gesamtwert von 11,7 Milliarden US-Dollar.

“Das Flugzeug sah sehr gut aus bei Flugleistungen und Aerodynamik, die aerodynamische Güte des Flügels war absolut genial für die damalige Zeit und wäre sogar heute noch sehr gut”, schwärmt Nico Buchholz. “Die 728 war aus der Sicht des Ingenieurs hervorragend designt, aber produktionstechnisch katastrophal. Ein guter Ingenieur muss auch mit auf die Produktion schauen”, verlangt der ehemalige Flugzeugeinkäufer.

Dabei hatte der Hersteller ehrgeizige Ziele: “Wir wollten uns bei der 728 am Airbus-Konzept orientieren”, sagte Chief Operating Officer John Wolf in einem Interview Anfang 2002, “es geht uns nicht darum, mit dem geringstmöglichen Aufwand ein Flugzeug zu bauen, sondern etwas zu entwickeln, was auch noch in 20 Jahren modern ist”, so Wolf. “Wir haben einen hohen Automatisierungsgrad erreicht, der uns erlaubt wesentlich präziser und mit weniger Fehlern zu arbeiten. Wir glauben, dass wir ein Flugzeug mit einem Drittel der Arbeitsstunden zusammenbauen können, die unser brasilianischer Wettbewerber Embraer benötigt. Selbst mit den höheren Lohnkosten in Deutschland schneiden wir dann immer noch viel besser ab”, war John Wolf überzeugt.

“Fairchild Dornier wollte allen Wünschen entsprechen und hat an viel zu vielen Varianten gleichzeitig gearbeitet, verzettelte sich dementsprechend immer mehr und rutschte zeitlich immer weiter nach hinten”, kommentiert Nico Buchholz rückblickend. Nachdem die Fairchild Dornier-Saga endete, fanden sich Flugzeughersteller von überall ein, von den Vereinigten Staaten über Russland bis Brasilien, und schauten sich die Überbleibsel in Oberpfaffenhofen genau an. Niemand entschied sich, das Wagnis einer wie auch immer gearteten Übernahme einzugehen. Aber bis heute lassen sich Spuren des damaligen Konzepts entdecken: “Wenn man sich die Bugsektion der A220 oder der Boeing 787 anschaut, sind die optischen Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen. Das 728-Cockpit hatte ja wegen der Funktionalität und Aerodynamik seine bestimmte Form bekommen. Das ist das Erbe der Fairchild Dornier 728”, sagt Nico Buchholz. Damit war der vermutlich letzte Versuch einer deutschen Systemführerschaft bei einem Passagierjet gescheitert. In Zukunft könnten deutsche Unternehmen diese Rolle dann vielleicht bei Flugtaxis spielen.

Computeranimation eines Fairchild Dornier 928 Jet
Präsentation der Fairchild Dornier-Modelle auf der Luftfahrtschau ILA Berlin 1998
Interieur der Fairchild Dornier 728

Frankreich und Großbritannien waren immer große Flugzeugbau-Nationen auch für Passagiermaschinen, auch nach dem Krieg. Die westdeutsche Luftfahrtindustrie hat dagegen lange nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ein einziger Passagierjet wurde in der Bundesrepublik entwickelt – die VFW 614, die im Juli 1971 zum Erstflug startete. Das innovative Kurzstreckenflugzeug wurde kommerziell ein Flop, nur 16 wurden verkauft.

Das 1978 eingestellte Programm gilt aber als Meilenstein für Deutschland auf dem Weg zum wichtigen Partner im erfolgreichen Airbus-Programm. Doch seit 1998 gab es plötzlich wieder einen kühnen Plan, ein in Deutschland ansässiges Unternehmen zum Systemführer gleich einer ganzen Familie von Regionaljets zu machen.

Schauplatz Oberpfaffenhofen

Der Höhepunkt dieser Geschichte und ihr Ende liegen inzwischen zwanzig Jahre zurück: Beides spielte sich ab in Oberpfaffenhofen, auf einem Werksflugplatz südlich von München. Hier war für Jahre der Standort des zivilen Flugzeugherstellers Dornier Luftfahrt GmbH gewesen, einem Abkömmling jener Dornier-Werke, die in den 1920er Jahren das legendäre Flugboot Do-X gebaut hatten. Seit 1988 war der Regionalflugzeugbauer Teil der Daimler Benz-Gruppe.

Der Autohersteller hatte zuvor auch Fokker in den Niederlanden übernommen und wollte aus beiden eine Regionalflugzeugtochter formen. Nachdem das gescheitert war, verloren die Autobauer das Interesse, 1996 übernahm die US-Firma Fairchild Aviation die deutsche Firma und benannte sie um in Fairchild Dornier. Damals entstand hier vor allem die Dornier 228-Turboprop sowie der Nachfolger Dornier 328, von dem Fairchild Dornier nach der Übernahme flugs auch eine 328JET-Version herausbrachte.

Der große Paukenschlag erfolgte 1998, als das deutsch-amerikanische Unternehmen auf der ILA-Luftfahrtschau in Berlin seine kühnen Pläne vorstellte, eine ganze Familie von Regionaljets zu produzieren, vom 44- bis zum 110-Sitzer. Auf ihrem ILA-Stand zeigte die Firma Modelle des 428JET, des 528JET, des 728JET und des 928JET. Vier Jahre später, am 21. März 2002 fand die feierliche Vorstellung des Regionaljets 728JET von Fairchild Dornier statt. Als Höhepunkt fiel der Vorhang und gab den Blick frei auf das etwas gedrungen wirkende Flugzeug.

Bei allem Jubel um den vermeintlich erreichten Meilenstein des Herstellers war an dem Tag nichts so wie es aussah. “Als wir den roten Knopf beim Rollout drückten, um das Flugzeug dahinter zu enthüllen wusste ich, dass das nur eine innen leere, nicht flugfähige Hülle war”, sagt Nico Buchholz zwanzig Jahre später, damals Chef der Flottenmanagements der Lufthansa und oberster Flugzeugeinkäufer der Gruppe.

Paukenschlag in Berlin 

Weil die Gesellschaft dringend neue Flugzeuge in der 70-Sitzer-Kategorie brauchte, hatte Lufthansa am 29. April 1999 die entscheidende Bestellung für 60 der 728JETs plus 60 Optionen platziert. Das gab dem Projekt den in der Anfangsphase dringend benötigten Rückenwind. Bei der Enthüllung, so sagt Buchholz, “wusste ich, dass ich kurz darauf unseren Vertrag über die Bestellung stornieren würde. Das war für mich ein eher trauriges Event weil wir bereits wussten, was demnächst passieren würde.”

Übertriebene Marktprognosen

Und das geschah auch, unweigerlich: Am 2. April 2002 stellte Fairchild Dornier Insolvenzantrag. Verschiedene Versuche, durch das Engagement neuer Investoren den 728JET wiederzubeleben und möglichst auch andere Vertreter der geplanten Flugzeugfamilie wie den 928JET, an dem Lufthansa sehr interessiert war, scheiterten alle. Nicht ein einziges Flugzeug kam auch nur in die Nähe davon, flugbereit zu sein oder gar abzuheben.

Es gab damals eine große Marktlücke zu füllen bei weniger Konkurrenz als zuvor, weil Saab und Fokker aufgegeben hatten und Bombardier nicht mutig genug zum Handeln war. Damals wurde Regionalverkehr fast ausschließlich mit Turboprop-Flugzeugen betrieben, die die Passagiere zunehmend ablehnten, Regionaljets gab es nur bis zu 50 Sitzen. Übertriebene Marktprognosen heizten die Erwartungen an, in Oberpfaffenhofen malte man sich Verkäufe von bis zu 500 der 728JETs aus. Auf dem Papier wirkten die Bestellungen auch durchaus überzeugend mit 125 Festbestellungen (davon 60 von Lufthansa und 50 von der Leasingfirma GECAS) plus 164 Optionen im Gesamtwert von 11,7 Milliarden US-Dollar.

“Das Flugzeug sah sehr gut aus bei Flugleistungen und Aerodynamik, die aerodynamische Güte des Flügels war absolut genial für die damalige Zeit und wäre sogar heute noch sehr gut”, schwärmt Nico Buchholz. “Die 728 war aus der Sicht des Ingenieurs hervorragend designt, aber produktionstechnisch katastrophal. Ein guter Ingenieur muss auch mit auf die Produktion schauen”, verlangt der ehemalige Flugzeugeinkäufer.

Verzettelt und abgerutscht

Dabei hatte der Hersteller ehrgeizige Ziele: “Wir wollten uns bei der 728 am Airbus-Konzept orientieren”, sagte Chief Operating Officer John Wolf in einem Interview Anfang 2002, “es geht uns nicht darum, mit dem geringstmöglichen Aufwand ein Flugzeug zu bauen, sondern etwas zu entwickeln, was auch noch in 20 Jahren modern ist”, so Wolf. “Wir haben einen hohen Automatisierungsgrad erreicht, der uns erlaubt wesentlich präziser und mit weniger Fehlern zu arbeiten. Wir glauben, dass wir ein Flugzeug mit einem Drittel der Arbeitsstunden zusammenbauen können, die unser brasilianischer Wettbewerber Embraer benötigt. Selbst mit den höheren Lohnkosten in Deutschland schneiden wir dann immer noch viel besser ab”, war John Wolf überzeugt.

“Fairchild Dornier wollte allen Wünschen entsprechen und hat an viel zu vielen Varianten gleichzeitig gearbeitet, verzettelte sich dementsprechend immer mehr und rutschte zeitlich immer weiter nach hinten”, kommentiert Nico Buchholz rückblickend. Nachdem die Fairchild Dornier-Saga endete, fanden sich Flugzeughersteller von überall ein, von den Vereinigten Staaten über Russland bis Brasilien, und schauten sich die Überbleibsel in Oberpfaffenhofen genau an. Niemand entschied sich, das Wagnis einer wie auch immer gearteten Übernahme einzugehen. Aber bis heute lassen sich Spuren des damaligen Konzepts entdecken: “Wenn man sich die Bugsektion der A220 oder der Boeing 787 anschaut, sind die optischen Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen. Das 728-Cockpit hatte ja wegen der Funktionalität und Aerodynamik seine bestimmte Form bekommen. Das ist das Erbe der Fairchild Dornier 728”, sagt Nico Buchholz. Damit war der vermutlich letzte Versuch einer deutschen Systemführerschaft bei einem Passagierjet gescheitert. In Zukunft könnten deutsche Unternehmen diese Rolle dann vielleicht bei Flugtaxis spielen.

Reste einer Fairchild Dornier 728 im Deutschen Technikmuseum Berlin

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