Hotelzimmer für ukrainische Flüchtlinge
Wer es aus der Ukraine nach Deutschland geschafft hat, steht vor dem nächsten Dilemma: Wo finde ich eine Unterkunft? Florian Wichelmann hat dafür die Plattform everybedhelps.com geschaffen – mit großem Erfolg.
Der Berliner Unternehmer Florian Wichelmann ist im Immobiliengeschäft tätig. Als Geschäftsführer unter anderem von “nena apartments” bietet er an mehreren Standorten in Berlin Hotelzimmer für Selbstversorger an. Nun engagiert er sich in der Ukraine-Hilfe. Aus Hotelzimmern werden Unterkünfte für Geflüchtete.
DW: Herr Wichelmann, Sie haben die Plattform everybedhelps.com ins Leben gerufen, auf der Flüchtlinge aus der Ukraine eine Unterkunft finden können. Wie kam es dazu?
Der Berliner Unternehmer Florian Wichelmann ist im Immobiliengeschäft tätig. Als Geschäftsführer unter anderem von “nena apartments” bietet er an mehreren Standorten in Berlin Hotelzimmer für Selbstversorger an. Nun engagiert er sich in der Ukraine-Hilfe. Aus Hotelzimmern werden Unterkünfte für Geflüchtete.
Florian Wichelmann: Als meine Frau und ich am Sonntag nach der russischen Invasion in der Ukraine im Radio hörten, dass der russische Präsident Putin auch seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat, da waren wir nochmal mehr geschockt.
Und meine Frau fragte, ob wir denn auch Flüchtlinge aufnehmen würden zuhause, und ich sagte ja, können wir machen.
Und wie sind Sie dann auf die Idee für die Plattform everybedhelps.com gekommen?
Wir haben auch 2015 Flüchtlinge aufgenommen, damals aber in wesentlich kleinerem Umfang. Also dachte ich mir, ich könnte doch Wohnungen oder Apartments in meinen Häusern zur Verfügung stellen. Am Sonntagabend postete ich meine Idee bei LinkedIn und dass Leute, die schon Kontakt zu Flüchtlingen hatten, sich melden könnten. Am Montag war die Nachricht 25.000-mal angesehen worden und ich hatte mehrere Hundert Nachrichten. Daraufhin habe ich alle Apartmentbetreiber, die ich kenne, zusammengeholt, um ganz schnell eine Allianz zu bilden. Einen Tag später war everybedhelps.com online.
Und dann ging es ganz schnell: Die Nachricht verbreitete sich bei Facebook, das ZDF-Morgenmagazin hat bei uns gedreht, ich wurde in die Talkshow von Markus Lanz eingeladen, es gab eine große Medienresonanz. Naja, und das hat viele weitere Betreiber zum Mitmachen motiviert. Mittlerweile sind es 95 Betreiber in ganz Deutschland, die Unterkünfte anbieten. Bis heute konnten wir etwa 1200 Flüchtlinge unterbringen (Stand 22.03.2022).
Wie geht es jetzt weiter?
Das ist eine gute Frage: Es reicht nicht, dass jetzt die Häuser kurzfristig voll sind und das ganze dann versandet. Deshalb haben wir eine gemeinnützige GmbH gegründet, damit wir auch Spenden einnehmen und zielgerichtet einsetzen können. Damit wollen wir die Anschlussunterbringung subventionieren.
Alle beteiligten Betreiber haben gesagt, im März machen wir das kostenlos, aber man muss auch fairerweise sagen: Oft sitzen mehrköpfige Familien in einem kleinen Hotelzimmer, die sind natürlich viel besser in einer normalen Wohnung untergebracht. Doch die kostet dann Miete. Und dafür wollen wir Spenden sammeln, um dabei helfen zu können.
Warum stecken Sie so viel Energie und so viel Herzblut in dieses Projekt?
Es treibt mich an, dass ich als Unternehmer in der glücklichen Lage bin, dass ich helfen kann, dass ich was organisieren kann. Und dann frage ich nicht, wie kann ich damit Geld verdienen, sondern wenn um 16 Uhr die Anfrage kommt, muss sie bis 18 Uhr gelöst sein – das ist dann erstmal die Priorität!
Aber bei aller Freude über den Erfolg der Plattform wird man auch immer wieder ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, wenn man einige Geschichten sehr hautnah mitbekommt.
Erinnern Sie sich an eine persönliche Begegnung besonders?
Ja, eine ist wirklich schlimm gewesen und mir besonders nahegegangen: Eine Mutter mit zwei Töchtern, die ein bisschen Englisch und ein bisschen Deutsch sprach. Wir bekamen mit, wie sie zuhause angerufen hat, weil ihr Mann und ihre Schwestern noch in der Ukraine geblieben waren. Am Telefon hörten wir, es war auf Lautsprecher gestellt, wie die Schwester gebrüllt hat: “Die Russen kommen, die Russen kommen, wir werden beschossen”. Und die Frau rief: “Ihr müsst raus, ihr müsst euch retten!” Und dann brach das Gespräch ab. Später standen wir zusammen in der Lobby – ein Mitarbeiter von mir, ich und die Frau – und dann bekam sie einen Anruf, dass die Familie es aus dem Haus raus geschafft hat. Aber bei der Flucht mit dem Auto sind sie über eine Mine gefahren – alle tot.
Und in der Sekunde, wenn man so etwas live mitbekommt, dass Menschen sterben, da wurde uns nochmal bewusst, dass es nicht darauf ankommt, dass wir hier ein schönes Logo an die Wand hängen, oder das es um die Online-Initiative geht oder um Rückerstattung von Kosten – da blieb uns allen ein Kloß im Hals stecken.
Wie reagieren die regulären Gäste auf die Flüchtlinge in Ihren Hotels?
Wir erhalten gar keine Rückmeldung – und das ist eine gute Rückmeldung. Ich habe das selber ein paarmal gesehen, dass Gäste ganz normal durch die Lobby gelaufen sind, wo auch viele Hilfsgüter aufgestellt sind.
Die absolute Mehrheit hier möchte eine Willkommenskultur leben, möchte spenden, möchte helfen, es war immer eine dumme Minderheit, die einen Riesenlärm geschlagen hat und die viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen hat.
Wie ist die Perspektive für die Zukunft – der Wohnungsmarkt ist ja sehr angespannt?
Der Berliner Unternehmer Florian Wichelmann ist im Immobiliengeschäft tätig. Als Geschäftsführer unter anderem von “nena apartments” bietet er an mehreren Standorten in Berlin Hotelzimmer für Selbstversorger an. Nun engagiert er sich in der Ukraine-Hilfe. Aus Hotelzimmern werden Unterkünfte für Geflüchtete.
DW: Herr Wichelmann, Sie haben die Plattform everybedhelps.com ins Leben gerufen, auf der Flüchtlinge aus der Ukraine eine Unterkunft finden können. Wie kam es dazu?
Florian Wichelmann: Als meine Frau und ich am Sonntag nach der russischen Invasion in der Ukraine im Radio hörten, dass der russische Präsident Putin auch seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat, da waren wir nochmal mehr geschockt.
Und meine Frau fragte, ob wir denn auch Flüchtlinge aufnehmen würden zuhause, und ich sagte ja, können wir machen.
Und wie sind Sie dann auf die Idee für die Plattform everybedhelps.com gekommen?
Wir haben auch 2015 Flüchtlinge aufgenommen, damals aber in wesentlich kleinerem Umfang. Also dachte ich mir, ich könnte doch Wohnungen oder Apartments in meinen Häusern zur Verfügung stellen. Am Sonntagabend postete ich meine Idee bei LinkedIn und dass Leute, die schon Kontakt zu Flüchtlingen hatten, sich melden könnten. Am Montag war die Nachricht 25.000-mal angesehen worden und ich hatte mehrere Hundert Nachrichten. Daraufhin habe ich alle Apartmentbetreiber, die ich kenne, zusammengeholt, um ganz schnell eine Allianz zu bilden. Einen Tag später war everybedhelps.com online.
Und dann ging es ganz schnell: Die Nachricht verbreitete sich bei Facebook, das ZDF-Morgenmagazin hat bei uns gedreht, ich wurde in die Talkshow von Markus Lanz eingeladen, es gab eine große Medienresonanz. Naja, und das hat viele weitere Betreiber zum Mitmachen motiviert. Mittlerweile sind es 95 Betreiber in ganz Deutschland, die Unterkünfte anbieten. Bis heute konnten wir etwa 1200 Flüchtlinge unterbringen (Stand 22.03.2022).
Wie geht es jetzt weiter?
Das ist eine gute Frage: Es reicht nicht, dass jetzt die Häuser kurzfristig voll sind und das ganze dann versandet. Deshalb haben wir eine gemeinnützige GmbH gegründet, damit wir auch Spenden einnehmen und zielgerichtet einsetzen können. Damit wollen wir die Anschlussunterbringung subventionieren.
Alle beteiligten Betreiber haben gesagt, im März machen wir das kostenlos, aber man muss auch fairerweise sagen: Oft sitzen mehrköpfige Familien in einem kleinen Hotelzimmer, die sind natürlich viel besser in einer normalen Wohnung untergebracht. Doch die kostet dann Miete. Und dafür wollen wir Spenden sammeln, um dabei helfen zu können.
Warum stecken Sie so viel Energie und so viel Herzblut in dieses Projekt?
Es treibt mich an, dass ich als Unternehmer in der glücklichen Lage bin, dass ich helfen kann, dass ich was organisieren kann. Und dann frage ich nicht, wie kann ich damit Geld verdienen, sondern wenn um 16 Uhr die Anfrage kommt, muss sie bis 18 Uhr gelöst sein – das ist dann erstmal die Priorität!
Aber bei aller Freude über den Erfolg der Plattform wird man auch immer wieder ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, wenn man einige Geschichten sehr hautnah mitbekommt.
Erinnern Sie sich an eine persönliche Begegnung besonders?
Ja, eine ist wirklich schlimm gewesen und mir besonders nahegegangen: Eine Mutter mit zwei Töchtern, die ein bisschen Englisch und ein bisschen Deutsch sprach. Wir bekamen mit, wie sie zuhause angerufen hat, weil ihr Mann und ihre Schwestern noch in der Ukraine geblieben waren. Am Telefon hörten wir, es war auf Lautsprecher gestellt, wie die Schwester gebrüllt hat: “Die Russen kommen, die Russen kommen, wir werden beschossen”. Und die Frau rief: “Ihr müsst raus, ihr müsst euch retten!” Und dann brach das Gespräch ab. Später standen wir zusammen in der Lobby – ein Mitarbeiter von mir, ich und die Frau – und dann bekam sie einen Anruf, dass die Familie es aus dem Haus raus geschafft hat. Aber bei der Flucht mit dem Auto sind sie über eine Mine gefahren – alle tot.
Und in der Sekunde, wenn man so etwas live mitbekommt, dass Menschen sterben, da wurde uns nochmal bewusst, dass es nicht darauf ankommt, dass wir hier ein schönes Logo an die Wand hängen, oder das es um die Online-Initiative geht oder um Rückerstattung von Kosten – da blieb uns allen ein Kloß im Hals stecken.
Wie reagieren die regulären Gäste auf die Flüchtlinge in Ihren Hotels?
Wir erhalten gar keine Rückmeldung – und das ist eine gute Rückmeldung. Ich habe das selber ein paarmal gesehen, dass Gäste ganz normal durch die Lobby gelaufen sind, wo auch viele Hilfsgüter aufgestellt sind.
Die absolute Mehrheit hier möchte eine Willkommenskultur leben, möchte spenden, möchte helfen, es war immer eine dumme Minderheit, die einen Riesenlärm geschlagen hat und die viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen hat.
Wie ist die Perspektive für die Zukunft – der Wohnungsmarkt ist ja sehr angespannt?
Stimmt, der Wohnungsmarkt ist ein Riesenproblem. Andererseits sehen Sie ja auch, dass sich auf anderen Plattformen viele zusammenfinden, die Wohnungen anbieten können. Ich habe nicht so die ganz große Sorge, dass es kurzfristig nicht funktioniert. Aber wenn das stimmt, was Außenministerin Baerbock sagte, dass acht Millionen Menschen auf der Flucht sind, da muss der Staat wirklich überlegen, wie er das langfristig löst mit Wohnungsangeboten, Containerdörfern usw. Aber kurzfristig werden wir das schaffen. Es hat keiner die Absicht, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Die Großeltern, die Eltern, die Geschwister leben noch in der Ukraine, deshalb wollen sie wieder zurück, sobald der Krieg vorbei ist.