Kultur

Argentinien: Eine junge Politikerin wird Internet-Star und erntet Hass

2019 wird Ofelia Fernández mit 19 Jahren zur jüngsten Abgeordneten Lateinamerikas. Mit der Popularität stiegen die Followerzahlen auf Instagram und Twitter – doch mit ihnen kamen auch die Trolle.

“Fettes Schwein” steht in dem Tweet an Ofelia Fernández. Die 21-Jährige sitzt in ihrer lichtdurchfluteten Wohnung in Buenos Aires und liest Nachrichten, die ihr über die Sozialen Medien geschickt wurden. Nachrichten wie diese – und weitaus schlimmere – erhält Fernández täglich. Oft beinhalten sie Morddrohungen, Vergewaltigungsphantasien oder einfach nur hasserfüllte und widerwärtige Beleidigungen.

Angefangen mit den Hass-Nachrichten auf Twitter oder Instagram hat es 2019. Damals ließ sich Fernández als Kandidatin für das Parlament der argentinischen Hauptstadt zur Wahl stellen – und gewann. Sie wurde zur jüngsten Abgeordneten Südamerikas.

“Fettes Schwein” steht in dem Tweet an Ofelia Fernández. Die 21-Jährige sitzt in ihrer lichtdurchfluteten Wohnung in Buenos Aires und liest Nachrichten, die ihr über die Sozialen Medien geschickt wurden. Nachrichten wie diese – und weitaus schlimmere – erhält Fernández täglich. Oft beinhalten sie Morddrohungen, Vergewaltigungsphantasien oder einfach nur hasserfüllte und widerwärtige Beleidigungen.

Doch woher kommt der Hass? Ofelia Fernández steht für eine Generation, die sich für Frauenrechte stark macht. Als die Proteste für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen 2018 in Argentinien ihren Höhepunkt erreichen, hält sie eine emotionale Rede vor dem argentinischen Nationalkongress und geht damit viral. Als Abgeordnete setzt sie sich heute für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein. Eine wichtige und zugleich kräftezehrende Arbeit, für die sie von konservativen Trollen online zu einer von vielen Hassfiguren stilisiert wird.

Aktivistinnen weltweit sind betroffen

Und dieser Hass kann gefährlich werden, in einem Land, in dem im Schnitt täglich eine Frau ermordet wird. Die junge Argentinierin ist mit ihrem Kampf aber nicht alleine. Die Iranerin Masih Alinejad oder Rosebell Kagumire aus Uganda sind ebenso politisch aktiv im Internet. Die Frauen haben unterschiedliche Schwerpunkte, doch sie alle vereint die Gewalt, die ihnen tagtäglich online widerfährt.

Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in vielen lateinamerikanischen Ländern zeigt seit 2015 der Hashtag #NiUnaMenos. Mit ihm haben feministische Stimmen in Argentinien, Uruguay, Mexiko oder Chile auf die Missstände in ihren Ländern aufmerksam gemacht – und konnten einige Erfolge feiern. Argentinien führt 2020 ein liberales Abtreibungsrecht ein, zwei Jahre nachdem sich Ofelia Fernández vor dem Nationalkongress dafür ausgesprochen hatte. Doch obwohl in vielen lateinamerikanischen Ländern Frauenquoten oder anderweitige Gesetze zur Gleichberechtigung der Geschlechter eingeführt werden, bleiben die konservativen Stimmen im Netz laut.

Wie gefährlich das Leben für Feministinnen in Lateinamerika sein kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Mexiko. Bei einer Demonstration für mehr Gleichberechtigung in Guaymas werden vor wenigen drei Menschen erschossen. Es sind Beispiele wie diese, die zeigen, dass die Gewaltfantasien, die im Internet hemmungslos gepostet werden, nicht immer nur im virtuellen Raum bleiben. Und die Fernández 2020 dazu brachten, vorübergehend ihren Twitter-Account offline zu stellen. “Ich bin verrückt geworden. Ich war total paranoid, schon alleine, wenn ich in den Supermarkt gehen wollte, hatte ich Angst. Obwohl ich gleichzeitig auch wusste, dass das total übertrieben ist.”

Monatelang schottete sich Ofelia Fernández von ihren Social-Media-Profilen ab. Sie konsultiere Freundinnen und Freunde, ihre Familie und Beraterinnen, um zu lernen, mit Nachrichten umzugehen, in denen ihr detailliert erklärt wird, wie man sie töten wolle. Viele Wochen und unzählige Gespräche später, sagt Fernández, habe sich ihr Blick auf die Hass-Nachrichten verändert: “Ich wollte nicht mehr das Opfer sein. Ab jetzt bin ich ihre Gegnerin. Ich lasse mir nicht den Mund verbieten, sondern sage das, was ich denke. Wenn es ihnen nicht passt, dann haben sie Pech.”

Der Twitter-Account der 21-Jährigen ist seit einigen Wochen wieder online. Mittlerweile schaut sie nur noch selten in die privaten Nachrichten und die Kommentarspalten auf ihren Profilen. Doch Fernández ist wichtig, ein Vorbild zu sein, für die vielen jungen Frauen, die ihr auf Instagram und Twitter folgen. “Die schrecklichen Nachrichten, die ich bekomme, sollen nicht nur mich einschüchtern. Sie sollen eine ganze Generation einschüchtern, die laut ist und für progressive Werte einsteht.” Das könne sie nicht zulassen.

Seit Kurzem geht Ofelia Fernández auch rechtlich gegen viele Beleidigungen vor. Und hat ein Team, das ihre Social-Media-Accounts analysiert und gezielte Attacken aus rechten Milieus zu erkennen versucht – um sie dann öffentlich zu machen. So wolle sie zeigen, dass nicht alles in der Anonymität im Internet einfach so stehen bleiben kann. Doch das sei nur ein erster Schritt, so die Argentinierin. Auf lange Sicht brauche es ein gesellschaftliches Umdenken, dass Frauen in Argentinien – “aber auch Transmenschen und viele andere benachteiligte Gruppen weltweit”, wie Fernández immer wieder betont – wirkliche Gleichstellung erfahren. Und der Hass gegen sie endlich aufhört.

Ofelia Fernández sitzt hinter einem grünen Banner mit der folgenden Aufschrift: ahora es cuando - jetzt ist die Zeit gekommen
Ofelia Fernández, eine Frau mit dunklem Haar, sitzt an einem Tisch
Julieta Christofilakis

“Fettes Schwein” steht in dem Tweet an Ofelia Fernández. Die 21-Jährige sitzt in ihrer lichtdurchfluteten Wohnung in Buenos Aires und liest Nachrichten, die ihr über die Sozialen Medien geschickt wurden. Nachrichten wie diese – und weitaus schlimmere – erhält Fernández täglich. Oft beinhalten sie Morddrohungen, Vergewaltigungsphantasien oder einfach nur hasserfüllte und widerwärtige Beleidigungen.

Angefangen mit den Hass-Nachrichten auf Twitter oder Instagram hat es 2019. Damals ließ sich Fernández als Kandidatin für das Parlament der argentinischen Hauptstadt zur Wahl stellen – und gewann. Sie wurde zur jüngsten Abgeordneten Südamerikas.

Aktivistinnen weltweit sind betroffen

Doch woher kommt der Hass? Ofelia Fernández steht für eine Generation, die sich für Frauenrechte stark macht. Als die Proteste für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen 2018 in Argentinien ihren Höhepunkt erreichen, hält sie eine emotionale Rede vor dem argentinischen Nationalkongress und geht damit viral. Als Abgeordnete setzt sie sich heute für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein. Eine wichtige und zugleich kräftezehrende Arbeit, für die sie von konservativen Trollen online zu einer von vielen Hassfiguren stilisiert wird.

Und dieser Hass kann gefährlich werden, in einem Land, in dem im Schnitt täglich eine Frau ermordet wird. Die junge Argentinierin ist mit ihrem Kampf aber nicht alleine. Die Iranerin Masih Alinejad oder Rosebell Kagumire aus Uganda sind ebenso politisch aktiv im Internet. Die Frauen haben unterschiedliche Schwerpunkte, doch sie alle vereint die Gewalt, die ihnen tagtäglich online widerfährt.

Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in vielen lateinamerikanischen Ländern zeigt seit 2015 der Hashtag #NiUnaMenos. Mit ihm haben feministische Stimmen in Argentinien, Uruguay, Mexiko oder Chile auf die Missstände in ihren Ländern aufmerksam gemacht – und konnten einige Erfolge feiern. Argentinien führt 2020 ein liberales Abtreibungsrecht ein, zwei Jahre nachdem sich Ofelia Fernández vor dem Nationalkongress dafür ausgesprochen hatte. Doch obwohl in vielen lateinamerikanischen Ländern Frauenquoten oder anderweitige Gesetze zur Gleichberechtigung der Geschlechter eingeführt werden, bleiben die konservativen Stimmen im Netz laut.

Wie gefährlich das Leben für Feministinnen in Lateinamerika sein kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Mexiko. Bei einer Demonstration für mehr Gleichberechtigung in Guaymas werden vor wenigen drei Menschen erschossen. Es sind Beispiele wie diese, die zeigen, dass die Gewaltfantasien, die im Internet hemmungslos gepostet werden, nicht immer nur im virtuellen Raum bleiben. Und die Fernández 2020 dazu brachten, vorübergehend ihren Twitter-Account offline zu stellen. “Ich bin verrückt geworden. Ich war total paranoid, schon alleine, wenn ich in den Supermarkt gehen wollte, hatte ich Angst. Obwohl ich gleichzeitig auch wusste, dass das total übertrieben ist.”

Demonstrantinnen in Mexiko erschossen

Monatelang schottete sich Ofelia Fernández von ihren Social-Media-Profilen ab. Sie konsultiere Freundinnen und Freunde, ihre Familie und Beraterinnen, um zu lernen, mit Nachrichten umzugehen, in denen ihr detailliert erklärt wird, wie man sie töten wolle. Viele Wochen und unzählige Gespräche später, sagt Fernández, habe sich ihr Blick auf die Hass-Nachrichten verändert: “Ich wollte nicht mehr das Opfer sein. Ab jetzt bin ich ihre Gegnerin. Ich lasse mir nicht den Mund verbieten, sondern sage das, was ich denke. Wenn es ihnen nicht passt, dann haben sie Pech.”

Letzter Ausweg: Abschied von Twitter

Der Twitter-Account der 21-Jährigen ist seit einigen Wochen wieder online. Mittlerweile schaut sie nur noch selten in die privaten Nachrichten und die Kommentarspalten auf ihren Profilen. Doch Fernández ist wichtig, ein Vorbild zu sein, für die vielen jungen Frauen, die ihr auf Instagram und Twitter folgen. “Die schrecklichen Nachrichten, die ich bekomme, sollen nicht nur mich einschüchtern. Sie sollen eine ganze Generation einschüchtern, die laut ist und für progressive Werte einsteht.” Das könne sie nicht zulassen.

Seit Kurzem geht Ofelia Fernández auch rechtlich gegen viele Beleidigungen vor. Und hat ein Team, das ihre Social-Media-Accounts analysiert und gezielte Attacken aus rechten Milieus zu erkennen versucht – um sie dann öffentlich zu machen. So wolle sie zeigen, dass nicht alles in der Anonymität im Internet einfach so stehen bleiben kann. Doch das sei nur ein erster Schritt, so die Argentinierin. Auf lange Sicht brauche es ein gesellschaftliches Umdenken, dass Frauen in Argentinien – “aber auch Transmenschen und viele andere benachteiligte Gruppen weltweit”, wie Fernández immer wieder betont – wirkliche Gleichstellung erfahren. Und der Hass gegen sie endlich aufhört.

Auf dem Weg in eine bessere Welt

Ofelia Fernández tippt in ihr Handy

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"