Ukraine aktuell: Hoffen auf die Feuerpause in Mariupol
Moskau will einen Korridor ermöglichen, damit Bürger die eingekesselte Hafenstadt Mariupol verlassen können. Der angekündigte Truppenanzug rund um Kiew lässt indes auf sich warten. Ein Überblick.
Das Wichtigste in Kürze:
Russland hat für diesen Donnerstag eine Feuerpause in der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol angeboten, damit Zivilisten diese verlassen können. “Russlands Streitkräfte erklären – ausschließlich zu humanitären Zwecken – am 31. März ab 10.00 Uhr (9.00 Uhr MESZ) eine Feuerpause”, sagte Generalmajor Michail Misinzew. Der Fluchtkorridor solle über die unter russischer Kontrolle stehende Stadt Berdjansk nach Saporischschja führen. Die ukrainische Armee müsse sich für die Sicherheit der Buskonvois einsetzen, in denen die Zivilisten befördert werden sollen, hieß es weiter.
Das Wichtigste in Kürze:
Eine entsprechende Ankündigung übermittelte das russische Verteidigungsministerium auch an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk kündigte daraufhin im Online-Dienst Telegram an, Kiew würde 45 Busse zur Evakuierung von Einwohnern nach Mariupol entsenden. Wereschtschuk hatte die Ankündigung Moskaus in der Nacht zunächst noch als weiteren Versuch russischer “Manipulation” bezeichnet.
Pentagon: Nur kleiner russischer Truppenabzug
Die Ukraine und Russland hatten sich zuletzt immer wieder gegenseitig beschuldigt, die Flucht von Einwohnern aus Mariupol zu sabotieren. Zuletzt hatte der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Telefonat mit Putin auf eine humanitäre Hilfsaktion für die seit Wochen eingeschlossene Stadt gepocht. Nach Angaben des dortigen Bürgermeisters befinden sich noch rund 170.000 Menschen in der Stadt. Sie hätten keinen Strom und die Lebensmittelvorräte gingen zur Neige.
Der angekündigte russische Truppenabzug im Raum Kiew hält sich nach Einschätzung der US-Regierung dagegen in engen Grenzen. “Wir haben in den letzten 24 Stunden gesehen, dass ein kleiner Prozentsatz der Truppen, die (…) Russland gegen Kiew in Stellung gebracht hatte, verlegt wurde, wahrscheinlich etwa 20 Prozent der Truppen”, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Einige dieser Soldaten seien nach Belarus verlagert worden. Nach Gesprächen mit der Ukraine in der Türkei hatte Russland am Dienstag zugesagt, seine Kampfhandlungen bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Die Soldaten würden jedoch nicht zurück nach Russland verlegt, sagte Kirby.
Die ukrainische Hauptstadt sei weiterhin von Luftangriffen bedroht, sagte Kirby. Er verwies darauf, dass die Bodentruppen rund um Kiew zuletzt ohnehin kaum noch Fortschritte gemacht hätten. Man beobachte, dass das russische Militär nun im Donbass in der Ostukraine viel aktiver sei. Die US-Regierung geht davon aus, dass die private russische Sicherheitsfirma “Wagner Gruppe” sich aktuell mit rund 1000 Söldnern auf diese Region konzentriere. Russland setze dort nun verstärkt auf Luftangriffe.
Aus dem von Kiew rund 100 Kilometer entfernten Tschernihiw wurden dagegen noch heftige Kämpfe gemeldet. Dort sei zivile Infrastruktur zerstört worden und die Stadt mit ehemals 280.000 Einwohnern sei noch immer ohne Wasser und Strom, erklärte der zuständige Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus in Online-Netzwerken. Auch der britische Geheimdienst berichtet von anhaltenden Kämpfen in den Vororten der Stadt. Nach Mariupol im Süden ist Tschernihiw die Stadt, die seit Beginn des von Russland am 24. Februar begonnenen Krieges mit am schwersten bombardiert wurde.
Ein Truppenabzug könnte nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums dagegen aus der Region rund um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl stattfinden. “Wir glauben, dass sie abziehen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, dass sie alle weg sind”, sagte ein Pentagon-Vertreter, der anonym bleiben wollte.
Ob der Rückzug auch das bislang von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk selbst betrifft, ist noch unklar. Nach Angaben des staatlichen AKW-Betreibers Energoatom soll die UN-Atomaufsichtsbehörde eine unabhängige Kontrolle der Reaktoren in Tschernobyl und Saporischschja übernehmen. Dazu würden Online-Überwachungseinsätze organisiert, erklärte Energoatom-Chef Pertro Kotin. Die Internationale Atomenergiebehörde solle ihren Einfluss geltend machen, um sicherzustellen, dass sich die russischen Atombehörden nicht in den AKW-Betrieb einmischen.
Der russische Exil-Oppositionelle Michail Chodorkowski glaubt, dass die russische Armee in der Ukraine militärisch feststeckt. Der russische Präsident habe dies nach einem Monat Krieg begriffen; sagte Chodorkowski der DW. Jetzt habe Wladimir Putin mehrere Möglichkeiten, entweder er eskaliere, was entweder eine Mobilisierung oder den Einsatz taktischer Atomwaffen bedeuten könnte, oder er beginne ernsthafte Friedensgespräche. Oder er konzentriere sich auf die bereits besetzten Gebiete in Donezk und Luhansk, um einen endlosen Partisanenkrieg zu verhindern.
Wichtig sei eine einheitliche Position des Westens. “Jeder Versuch, mit einem solchen Mann einen Kompromiss zu schließen, ohne ihm vorher Stärke zu zeigen, ist ein großer Fehler”, sagte Chodorkowski im Gespräch mit der DW. Das provoziere Putin nur, einen weiteren Schritt in Richtung eines Angriffs zu machen.
Die ukrainischen Behörden haben der russischen Armee vorgeworfen, erneut Phosphorwaffen in der Ostukraine eingesetzt zu haben. In der Kleinstadt Marinka hätten die von russischen Soldaten verwendeten Waffen “ein Dutzend Brände” verursacht, erklärte der Chef der Militärverwaltung der Region Donezk, Pawel Kyrylenko. Demnach wurden auch die Orte Heorhijiwka, Nowokalinowo und Otscheretyne bombardiert. Angaben zur Art der dabei verwendeten Waffen machte er nicht. Zivile Opfer habe es durch die Angriffe nicht gegeben, allerdings seien mehrere Häuser beschädigt worden.
Die Ukraine hat Russland wiederholt den Einsatz von Phosphorwaffen in zivilen Gebieten vorgeworfen. Phosphorwaffen sind völkerrechtlich nicht explizit verboten; allerdings ist ihr Einsatz laut einer Waffenkonvention von 1980 gegen Zivilisten und in städtischen Gebieten geächtet. Sie können schwerste Verbrennungen sowie Vergiftungen verursachen.
Der Beschuss von zivilen Zielen in der Ukraine verletzt nach Ansicht der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet das internationale Kriegsrecht. “Willkürliche Angriffe sind gemäß dem humanitären Völkerrecht verboten und können auf Kriegsverbrechen hinauslaufen”, sagte sie vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Nach ihren Angaben gibt es glaubwürdige Hinweise, dass russische Einheiten mindestens 24 Mal Streumunition in Siedlungsgebieten eingesetzt haben. Außerdem berichtete Bachelet über Angriffe auf Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser und Schulen. “Seit mehr als einem Monat erlebt die ganze Bevölkerung der Ukraine einen wahren Albtraum”, sagte sie. Die massive Zerstörung von zivilen Objekten und die hohe Opferzahl seien ein starker Hinweis, dass fundamentale Prinzipien des Kriegsrechts nicht beachtet worden seien.
Bislang habe ihr Büro mindestens 1189 tote und 1901 verletzte Zivilisten registriert. Die wahre Zahl liege aber viel höher. Bachelet stellte klar, dass ihr Büro nicht nur Hinweisen auf russische Verfehlungen nachgehe. Der angebliche Gebrauch von Streumunition durch ukrainische Einheiten werde ebenso untersucht, sagte sie, ohne Details zu nennen. Außerdem gebe es Berichte über die Tötung von zwei pro-russischen Zivilisten sowie über Hunderte Verhaftungen durch die ukrainische Polizei.
Das Wichtigste in Kürze:
Russland hat für diesen Donnerstag eine Feuerpause in der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol angeboten, damit Zivilisten diese verlassen können. “Russlands Streitkräfte erklären – ausschließlich zu humanitären Zwecken – am 31. März ab 10.00 Uhr (9.00 Uhr MESZ) eine Feuerpause”, sagte Generalmajor Michail Misinzew. Der Fluchtkorridor solle über die unter russischer Kontrolle stehende Stadt Berdjansk nach Saporischschja führen. Die ukrainische Armee müsse sich für die Sicherheit der Buskonvois einsetzen, in denen die Zivilisten befördert werden sollen, hieß es weiter.
Pentagon: Nur kleiner russischer Truppenabzug
Eine entsprechende Ankündigung übermittelte das russische Verteidigungsministerium auch an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk kündigte daraufhin im Online-Dienst Telegram an, Kiew würde 45 Busse zur Evakuierung von Einwohnern nach Mariupol entsenden. Wereschtschuk hatte die Ankündigung Moskaus in der Nacht zunächst noch als weiteren Versuch russischer “Manipulation” bezeichnet.
Die Ukraine und Russland hatten sich zuletzt immer wieder gegenseitig beschuldigt, die Flucht von Einwohnern aus Mariupol zu sabotieren. Zuletzt hatte der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Telefonat mit Putin auf eine humanitäre Hilfsaktion für die seit Wochen eingeschlossene Stadt gepocht. Nach Angaben des dortigen Bürgermeisters befinden sich noch rund 170.000 Menschen in der Stadt. Sie hätten keinen Strom und die Lebensmittelvorräte gingen zur Neige.
Der angekündigte russische Truppenabzug im Raum Kiew hält sich nach Einschätzung der US-Regierung dagegen in engen Grenzen. “Wir haben in den letzten 24 Stunden gesehen, dass ein kleiner Prozentsatz der Truppen, die (…) Russland gegen Kiew in Stellung gebracht hatte, verlegt wurde, wahrscheinlich etwa 20 Prozent der Truppen”, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Einige dieser Soldaten seien nach Belarus verlagert worden. Nach Gesprächen mit der Ukraine in der Türkei hatte Russland am Dienstag zugesagt, seine Kampfhandlungen bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Die Soldaten würden jedoch nicht zurück nach Russland verlegt, sagte Kirby.
Die ukrainische Hauptstadt sei weiterhin von Luftangriffen bedroht, sagte Kirby. Er verwies darauf, dass die Bodentruppen rund um Kiew zuletzt ohnehin kaum noch Fortschritte gemacht hätten. Man beobachte, dass das russische Militär nun im Donbass in der Ostukraine viel aktiver sei. Die US-Regierung geht davon aus, dass die private russische Sicherheitsfirma “Wagner Gruppe” sich aktuell mit rund 1000 Söldnern auf diese Region konzentriere. Russland setze dort nun verstärkt auf Luftangriffe.
Chodorkowski: Putin reagiert nur auf Druck
Aus dem von Kiew rund 100 Kilometer entfernten Tschernihiw wurden dagegen noch heftige Kämpfe gemeldet. Dort sei zivile Infrastruktur zerstört worden und die Stadt mit ehemals 280.000 Einwohnern sei noch immer ohne Wasser und Strom, erklärte der zuständige Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus in Online-Netzwerken. Auch der britische Geheimdienst berichtet von anhaltenden Kämpfen in den Vororten der Stadt. Nach Mariupol im Süden ist Tschernihiw die Stadt, die seit Beginn des von Russland am 24. Februar begonnenen Krieges mit am schwersten bombardiert wurde.
Neuer Bericht über Phosphorwaffen in der Ukraine
Ein Truppenabzug könnte nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums dagegen aus der Region rund um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl stattfinden. “Wir glauben, dass sie abziehen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, dass sie alle weg sind”, sagte ein Pentagon-Vertreter, der anonym bleiben wollte.
Ob der Rückzug auch das bislang von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk selbst betrifft, ist noch unklar. Nach Angaben des staatlichen AKW-Betreibers Energoatom soll die UN-Atomaufsichtsbehörde eine unabhängige Kontrolle der Reaktoren in Tschernobyl und Saporischschja übernehmen. Dazu würden Online-Überwachungseinsätze organisiert, erklärte Energoatom-Chef Pertro Kotin. Die Internationale Atomenergiebehörde solle ihren Einfluss geltend machen, um sicherzustellen, dass sich die russischen Atombehörden nicht in den AKW-Betrieb einmischen.
Der russische Exil-Oppositionelle Michail Chodorkowski glaubt, dass die russische Armee in der Ukraine militärisch feststeckt. Der russische Präsident habe dies nach einem Monat Krieg begriffen; sagte Chodorkowski der DW. Jetzt habe Wladimir Putin mehrere Möglichkeiten, entweder er eskaliere, was entweder eine Mobilisierung oder den Einsatz taktischer Atomwaffen bedeuten könnte, oder er beginne ernsthafte Friedensgespräche. Oder er konzentriere sich auf die bereits besetzten Gebiete in Donezk und Luhansk, um einen endlosen Partisanenkrieg zu verhindern.
Wichtig sei eine einheitliche Position des Westens. “Jeder Versuch, mit einem solchen Mann einen Kompromiss zu schließen, ohne ihm vorher Stärke zu zeigen, ist ein großer Fehler”, sagte Chodorkowski im Gespräch mit der DW. Das provoziere Putin nur, einen weiteren Schritt in Richtung eines Angriffs zu machen.
Die ukrainischen Behörden haben der russischen Armee vorgeworfen, erneut Phosphorwaffen in der Ostukraine eingesetzt zu haben. In der Kleinstadt Marinka hätten die von russischen Soldaten verwendeten Waffen “ein Dutzend Brände” verursacht, erklärte der Chef der Militärverwaltung der Region Donezk, Pawel Kyrylenko. Demnach wurden auch die Orte Heorhijiwka, Nowokalinowo und Otscheretyne bombardiert. Angaben zur Art der dabei verwendeten Waffen machte er nicht. Zivile Opfer habe es durch die Angriffe nicht gegeben, allerdings seien mehrere Häuser beschädigt worden.
Die Ukraine hat Russland wiederholt den Einsatz von Phosphorwaffen in zivilen Gebieten vorgeworfen. Phosphorwaffen sind völkerrechtlich nicht explizit verboten; allerdings ist ihr Einsatz laut einer Waffenkonvention von 1980 gegen Zivilisten und in städtischen Gebieten geächtet. Sie können schwerste Verbrennungen sowie Vergiftungen verursachen.
Der Beschuss von zivilen Zielen in der Ukraine verletzt nach Ansicht der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet das internationale Kriegsrecht. “Willkürliche Angriffe sind gemäß dem humanitären Völkerrecht verboten und können auf Kriegsverbrechen hinauslaufen”, sagte sie vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Nach ihren Angaben gibt es glaubwürdige Hinweise, dass russische Einheiten mindestens 24 Mal Streumunition in Siedlungsgebieten eingesetzt haben. Außerdem berichtete Bachelet über Angriffe auf Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser und Schulen. “Seit mehr als einem Monat erlebt die ganze Bevölkerung der Ukraine einen wahren Albtraum”, sagte sie. Die massive Zerstörung von zivilen Objekten und die hohe Opferzahl seien ein starker Hinweis, dass fundamentale Prinzipien des Kriegsrechts nicht beachtet worden seien.
Bislang habe ihr Büro mindestens 1189 tote und 1901 verletzte Zivilisten registriert. Die wahre Zahl liege aber viel höher. Bachelet stellte klar, dass ihr Büro nicht nur Hinweisen auf russische Verfehlungen nachgehe. Der angebliche Gebrauch von Streumunition durch ukrainische Einheiten werde ebenso untersucht, sagte sie, ohne Details zu nennen. Außerdem gebe es Berichte über die Tötung von zwei pro-russischen Zivilisten sowie über Hunderte Verhaftungen durch die ukrainische Polizei.