Deutschland

Olaf Scholz und Robert Habeck: die Krisenmanager

Der eine ist nüchtern bis an die Schmerzgrenze, der andere öffentlich auch mal zu Tränen gerührt. Kanzler Scholz und sein Vize Habeck sind sehr verschiedene Typen. Was sagt das über ihren politischen Führungsstil?

Als Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler, diese Woche in Berlin die Frühwarnstufe des “Notfallplans Gas” verkündete, stand ihm die Sorge ins Gesicht geschrieben. Der Westen und die EU streiten mit Russland, das Gas-Lieferungen in Rubel bezahlt haben möchte. Die Bundesregierung lehnt das ab. Was passiert, wenn Putin die Lieferungen ganz stoppt? Habeck sagt: “Das kann ich Ihnen nicht sagen.” Er sagt nicht: “Das wird nicht passieren, wir haben Verträge.” Er sagt, dass er das nicht weiß.

Habeck sagt auffällig oft, dass er etwas nicht weiß. Und er antwortet wirklich auf die ihm gestellten Fragen. Auch dem bekannten, früheren ZDF-Nachrichtenmoderator Klaus Kleber ist das in seiner aktiven Zeit positiv aufgefallen. Als er Ende 2021 in den Ruhestand ging, sagte Kleber dem “Münchner Merkur”, Habeck interessiere sich für die Fragen, die man stelle und er versuche darauf einzugehen. “Er hat nicht immer eine wirklich überzeugende Antwort, aber er lässt sich auf das Gespräch ein.”

Als Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler, diese Woche in Berlin die Frühwarnstufe des “Notfallplans Gas” verkündete, stand ihm die Sorge ins Gesicht geschrieben. Der Westen und die EU streiten mit Russland, das Gas-Lieferungen in Rubel bezahlt haben möchte. Die Bundesregierung lehnt das ab. Was passiert, wenn Putin die Lieferungen ganz stoppt? Habeck sagt: “Das kann ich Ihnen nicht sagen.” Er sagt nicht: “Das wird nicht passieren, wir haben Verträge.” Er sagt, dass er das nicht weiß.

Über Bundeskanzler Scholz fiel Klebers Urteil weniger positiv aus. Scholz interessiere sich weniger für die Fragen und antworte, was ihm in den Sinn komme. Das macht der SPD-Politiker Scholz besonders gerne, wenn er auf Fragen nicht antworten möchte. Da können die Nachfragen noch so bohrend und direkt sein, Scholz weicht aus und lässt sich dabei nicht aus seiner stoisch anmutenden Ruhe bringen. Aus seiner Zeit als Regierungschef von Hamburg ist das sogenannte “Erste Scholz’sche Gesetz” überliefert, wie es in der Hansestadt augenzwinkernd genannt wird. Es lautet: “Wir sind nie beleidigt, wir sind nie hysterisch.” Doch manchmal wirkt der Bundeskanzler so kontrolliert, nüchtern und rational, dass man ihn für bar jeder Empathie halten könnte.

Scholz: Seine stoische Ruhe

Als er 2011 zum ersten Mal mit absoluter Mehrheit zum Ersten Bürgermeister von Hamburg gewählt worden sei, sei das “schon was ganz, ganz Besonderes” gewesen, erzählte Scholz kürzlich in einem TV-Interview. “Und ich gebe gerne zu, ich musste, als ich die ersten Meldungen darüber kriegte, auch einmal in einen Raum gehen, wo ich für mich allein war.” Das soll er übrigens auch am Abend der Bundestagswahl in der SPD-Zentrale gemacht haben.

Zum Freuen allein sein? Das könnte Robert Habeck wohl nicht passieren. Der Wirtschaftsminister lässt Emotionen zu, auch öffentlich. Als Russland die Ukraine überfiel, war dem Grünen der Schock über den Krieg offen anzumerken. Ein paar Tage zuvor kämpfte Habeck in der ARD-TV-Talkshow “Sandra Maischberger” sogar sichtlich mit den Tränen. “Sie wirken ziemlich angefasst”, sagte Gastgeberin Maischberger. Und Habeck sagte: “Ich muss da nicht kämpfen in diesem Krieg und ich werde auch nicht sterben, aber wenn es passiert, werden viele Menschen sterben.” Habeck macht nie den Versuch, seine Gefühle zu kaschieren. Denn das passt zu dem Image des nachdenklichen, pragmatischen, unideologischen Grünen, das ihm nützt.

Als der Wirtschaftsminister kürzlich in die Golf-Region reiste, um unter anderem im Emirat Katar um mehr Gaslieferungen zu bitten, hatte er ein eigenes Fernsehteam seines Ministeriums dabei, das Videos für die sozialen Medien produzierte.

Habeck wurde beispielsweise gezeigt, wie er nachdenklich in Doha am Strand stand und auf das Wasser blickte.

Hinzu kommen Einblicke in seinen Alltag als gestresster Minister in TV- und Zeitungsberichten: Er sei tagelang in Berlin nicht zum Einkaufen gekommen und habe etwa sein Frühstücks-Müsli schon mal mit Wasser zu sich nehmen müssen. Bei der Bevölkerung in Deutschland kommt das alles durchaus gut an. Laut jüngsten Umfragen sind 60 Prozent der Bundesbürger mit Scholz’ Arbeit zufrieden, Habeck kommt auf 53 Prozent. 

Private Einblicke, so etwas ist Olaf Scholz fremd. Sein Leben jenseits der Politik hat er schon immer komplett abgeschottet. Fehler einräumen, Schwächen zeigen? Undenkbar. “Bekommt Deutschland die Führung, die es verdient?”, fragte ihn kürzlich eine TV-Moderatorin und spielte damit auf eine Äußerung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi an, der mehr deutsche Führung fordert. Er finde, dass er “ziemlich schnell und ziemlich viel Führung” gezeigt habe, erwiderte der Kanzler mit selbstbewusst vorgerecktem Kinn. “Wenn jemand das anders sieht, dann gestatte ich das sehr gerne, weil das zur Demokratie und zur Meinungsfreiheit dazugehört. Aber es ist nicht realistisch, dass das eine seriöse Haltung ist.”

Ein – typisch Scholz – sperrig formulierter Satz, mit dem er sagen will: Ich habe alles richtig gemacht und wer das nicht so sieht, liegt falsch. Das grenzt schon an Arroganz. Doch Olaf Scholz war schon immer mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein ausgestattet. Seit mehr als 40 Jahren ist er politisch aktiv, hat in seiner Laufbahn hohe Ämter erklommen, aber auch viele Rückschläge und Niederlagen erlitten. Stets stand er ohne Klagen wieder auf und machte weiter. Selbstzweifel hätten da nur gebremst.

Sein Selbstbewusstsein bezieht er auch aus Wissen. Scholz ist jemand, der sich immer gut vorbereitet. Hinter den Kulissen arbeitet der Kanzler viel und hart, liest alle Akten genau, ist stets umfassend informiert und kennt jedes Detail. Er hält sich gerne für klüger als andere. Im Kabinett seiner Vorgängerin Angela Merkel wurde Scholz, der damals noch Finanzminister war, scherzhaft “Schlau-Schlumpf” genannt, angelehnt an eine Comic-Figur. Übersetzt heißt das: Besserwisser.

So möchte Robert Habeck nicht erscheinen. Im Mai vergangenen Jahres, damals noch als Parteichef der Grünen, sprach er sich bei einem Besuch in der Ukraine für Waffenlieferungen an das Land aus. In Deutschland wollte das zu diesem Zeitpunkt noch niemand hören, auch seine Partei nicht. Da zeigte sich dann, wie pragmatisch Habeck sein kann. Er erwähnte seine Forderung nicht mehr. Im Moment zwecklos, so offenbar sein Kalkül. Auch jetzt, wo die meisten Politiker in Deutschland Waffenlieferungen befürworten, kommt er nicht von sich aus auf seine alte Forderung zurück. Er hat ja Recht behalten, alle können das nachlesen. Das reicht ihm offenbar.

Unterschiedlich sind Scholz und Habeck auch in Punkto Spontanität. Freie Rede liegt dem Kanzler genauso wenig wie Improvisation. Das sorgte kürzlich für einen Eklat, als der ukrainische Präsident Selenskyj, aus Kiew zugeschaltet, eine Rede im Bundestag hielt. Zwar war vorab im Parlament verabredet worden, nicht mit einer Debatte zu reagieren, doch die Rede war so eindrücklich, dass es angebracht gewesen wäre. Das muss auch der Kanzler gemerkt haben. Er hätte spontan ans Rednerpult gehen und ein paar Worte sagen müssen. Diesen Vorwurf musste er sich nachher von vielen Abgeordneten, auch aus der eigenen Partei, gefallen lassen. Doch unvorbereitet wollte er das nicht.

Während Scholz erst einmal nachdenken und planen muss und immer versucht, möglichst alle Unwägbarkeiten im Vorfeld auszuräumen, nimmt Habeck in Kauf, Fehler zu machen. In Katar kam er nicht umhin, die prekäre Menschenrechtslage in dem Land offen anzusprechen, das war klar. Fast flapsig sagte er während der Reise: “Ich hatte ein bisschen Sorge, na, wie ist das wohl, wenn ich das offen anspreche? Ob ich dann rausgeworfen werde? Aber so war es überhaupt nicht.” 

Wo sich Scholz jedes Wort zurechtlegt und auf keinen Fall etwas sagen will, das ihm anschließend angekreidet werden kann, formuliert Habeck manchmal so, als säße er nicht in einem Interview, sondern unterhalte sich privat. “Bei allem, was geschehen kann, ist ein Stopp der Gas-Lieferungen aus Russland ja noch ein geringes Übel. Ich meine, der Typ hat Atomwaffen!”, sagte Habeck im DW-Interview. Der Typ – das ist der russische Präsident Wladimir Putin. 

Was Olaf Scholz und Robert Habeck indes eint, ist das Wissen, dass die “Zeitenwende” von allen Regierungsmitgliedern ein großes Maß an Umdenken verlangt und sie beide diesen Prozess maßgeblich steuern müssen. Das gilt für die Themen Energiesicherheit, wo die Grünen damit leben müssen, dass fossile Energieträger länger gebraucht werden. Das gilt aber auch beim Thema Pazifismus, das sowohl bei den Grünen als auch der SPD viele umtreibt. Regieren sei eben kein Wunschkonzert, erwähnt der grüne Wirtschaftsminister immer wieder. Wichtig ist für die Regierung, dass sie neben ihren Parteien auch die Menschen mitnimmt. In eine aus dem jetzigen Blickwinkel heraus durchaus ungewisse Zukunft. Die unterschiedliche Art der beiden Spitzenpolitiker Olaf Scholz und Robert Habeck könnte dabei durchaus hilfreich sein. In den Grundzügen sind sie nämlich oft einer Meinung.

Debatte über Energiesicherheit in Deutschland Robert Habeck
Bundestag Bundeskanzler Olaf Scholz

Als Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler, diese Woche in Berlin die Frühwarnstufe des “Notfallplans Gas” verkündete, stand ihm die Sorge ins Gesicht geschrieben. Der Westen und die EU streiten mit Russland, das Gas-Lieferungen in Rubel bezahlt haben möchte. Die Bundesregierung lehnt das ab. Was passiert, wenn Putin die Lieferungen ganz stoppt? Habeck sagt: “Das kann ich Ihnen nicht sagen.” Er sagt nicht: “Das wird nicht passieren, wir haben Verträge.” Er sagt, dass er das nicht weiß.

Habeck sagt auffällig oft, dass er etwas nicht weiß. Und er antwortet wirklich auf die ihm gestellten Fragen. Auch dem bekannten, früheren ZDF-Nachrichtenmoderator Klaus Kleber ist das in seiner aktiven Zeit positiv aufgefallen. Als er Ende 2021 in den Ruhestand ging, sagte Kleber dem “Münchner Merkur”, Habeck interessiere sich für die Fragen, die man stelle und er versuche darauf einzugehen. “Er hat nicht immer eine wirklich überzeugende Antwort, aber er lässt sich auf das Gespräch ein.”

Scholz: Seine stoische Ruhe

Über Bundeskanzler Scholz fiel Klebers Urteil weniger positiv aus. Scholz interessiere sich weniger für die Fragen und antworte, was ihm in den Sinn komme. Das macht der SPD-Politiker Scholz besonders gerne, wenn er auf Fragen nicht antworten möchte. Da können die Nachfragen noch so bohrend und direkt sein, Scholz weicht aus und lässt sich dabei nicht aus seiner stoisch anmutenden Ruhe bringen. Aus seiner Zeit als Regierungschef von Hamburg ist das sogenannte “Erste Scholz’sche Gesetz” überliefert, wie es in der Hansestadt augenzwinkernd genannt wird. Es lautet: “Wir sind nie beleidigt, wir sind nie hysterisch.” Doch manchmal wirkt der Bundeskanzler so kontrolliert, nüchtern und rational, dass man ihn für bar jeder Empathie halten könnte.

Als er 2011 zum ersten Mal mit absoluter Mehrheit zum Ersten Bürgermeister von Hamburg gewählt worden sei, sei das “schon was ganz, ganz Besonderes” gewesen, erzählte Scholz kürzlich in einem TV-Interview. “Und ich gebe gerne zu, ich musste, als ich die ersten Meldungen darüber kriegte, auch einmal in einen Raum gehen, wo ich für mich allein war.” Das soll er übrigens auch am Abend der Bundestagswahl in der SPD-Zentrale gemacht haben.

Zum Freuen allein sein? Das könnte Robert Habeck wohl nicht passieren. Der Wirtschaftsminister lässt Emotionen zu, auch öffentlich. Als Russland die Ukraine überfiel, war dem Grünen der Schock über den Krieg offen anzumerken. Ein paar Tage zuvor kämpfte Habeck in der ARD-TV-Talkshow “Sandra Maischberger” sogar sichtlich mit den Tränen. “Sie wirken ziemlich angefasst”, sagte Gastgeberin Maischberger. Und Habeck sagte: “Ich muss da nicht kämpfen in diesem Krieg und ich werde auch nicht sterben, aber wenn es passiert, werden viele Menschen sterben.” Habeck macht nie den Versuch, seine Gefühle zu kaschieren. Denn das passt zu dem Image des nachdenklichen, pragmatischen, unideologischen Grünen, das ihm nützt.

Als der Wirtschaftsminister kürzlich in die Golf-Region reiste, um unter anderem im Emirat Katar um mehr Gaslieferungen zu bitten, hatte er ein eigenes Fernsehteam seines Ministeriums dabei, das Videos für die sozialen Medien produzierte.

Habeck: Kein Problem mit Gefühlen

Habeck wurde beispielsweise gezeigt, wie er nachdenklich in Doha am Strand stand und auf das Wasser blickte.

Scholz: Schottet das Private komplett ab

Hinzu kommen Einblicke in seinen Alltag als gestresster Minister in TV- und Zeitungsberichten: Er sei tagelang in Berlin nicht zum Einkaufen gekommen und habe etwa sein Frühstücks-Müsli schon mal mit Wasser zu sich nehmen müssen. Bei der Bevölkerung in Deutschland kommt das alles durchaus gut an. Laut jüngsten Umfragen sind 60 Prozent der Bundesbürger mit Scholz’ Arbeit zufrieden, Habeck kommt auf 53 Prozent. 

Private Einblicke, so etwas ist Olaf Scholz fremd. Sein Leben jenseits der Politik hat er schon immer komplett abgeschottet. Fehler einräumen, Schwächen zeigen? Undenkbar. “Bekommt Deutschland die Führung, die es verdient?”, fragte ihn kürzlich eine TV-Moderatorin und spielte damit auf eine Äußerung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi an, der mehr deutsche Führung fordert. Er finde, dass er “ziemlich schnell und ziemlich viel Führung” gezeigt habe, erwiderte der Kanzler mit selbstbewusst vorgerecktem Kinn. “Wenn jemand das anders sieht, dann gestatte ich das sehr gerne, weil das zur Demokratie und zur Meinungsfreiheit dazugehört. Aber es ist nicht realistisch, dass das eine seriöse Haltung ist.”

Ein – typisch Scholz – sperrig formulierter Satz, mit dem er sagen will: Ich habe alles richtig gemacht und wer das nicht so sieht, liegt falsch. Das grenzt schon an Arroganz. Doch Olaf Scholz war schon immer mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein ausgestattet. Seit mehr als 40 Jahren ist er politisch aktiv, hat in seiner Laufbahn hohe Ämter erklommen, aber auch viele Rückschläge und Niederlagen erlitten. Stets stand er ohne Klagen wieder auf und machte weiter. Selbstzweifel hätten da nur gebremst.

Habeck: Früh für Waffenlieferungen an die Ukraine

Sein Selbstbewusstsein bezieht er auch aus Wissen. Scholz ist jemand, der sich immer gut vorbereitet. Hinter den Kulissen arbeitet der Kanzler viel und hart, liest alle Akten genau, ist stets umfassend informiert und kennt jedes Detail. Er hält sich gerne für klüger als andere. Im Kabinett seiner Vorgängerin Angela Merkel wurde Scholz, der damals noch Finanzminister war, scherzhaft “Schlau-Schlumpf” genannt, angelehnt an eine Comic-Figur. Übersetzt heißt das: Besserwisser.

So möchte Robert Habeck nicht erscheinen. Im Mai vergangenen Jahres, damals noch als Parteichef der Grünen, sprach er sich bei einem Besuch in der Ukraine für Waffenlieferungen an das Land aus. In Deutschland wollte das zu diesem Zeitpunkt noch niemand hören, auch seine Partei nicht. Da zeigte sich dann, wie pragmatisch Habeck sein kann. Er erwähnte seine Forderung nicht mehr. Im Moment zwecklos, so offenbar sein Kalkül. Auch jetzt, wo die meisten Politiker in Deutschland Waffenlieferungen befürworten, kommt er nicht von sich aus auf seine alte Forderung zurück. Er hat ja Recht behalten, alle können das nachlesen. Das reicht ihm offenbar.

Habeck: “Der Typ hat Atomwaffen!”

Unterschiedlich sind Scholz und Habeck auch in Punkto Spontanität. Freie Rede liegt dem Kanzler genauso wenig wie Improvisation. Das sorgte kürzlich für einen Eklat, als der ukrainische Präsident Selenskyj, aus Kiew zugeschaltet, eine Rede im Bundestag hielt. Zwar war vorab im Parlament verabredet worden, nicht mit einer Debatte zu reagieren, doch die Rede war so eindrücklich, dass es angebracht gewesen wäre. Das muss auch der Kanzler gemerkt haben. Er hätte spontan ans Rednerpult gehen und ein paar Worte sagen müssen. Diesen Vorwurf musste er sich nachher von vielen Abgeordneten, auch aus der eigenen Partei, gefallen lassen. Doch unvorbereitet wollte er das nicht.

Während Scholz erst einmal nachdenken und planen muss und immer versucht, möglichst alle Unwägbarkeiten im Vorfeld auszuräumen, nimmt Habeck in Kauf, Fehler zu machen. In Katar kam er nicht umhin, die prekäre Menschenrechtslage in dem Land offen anzusprechen, das war klar. Fast flapsig sagte er während der Reise: “Ich hatte ein bisschen Sorge, na, wie ist das wohl, wenn ich das offen anspreche? Ob ich dann rausgeworfen werde? Aber so war es überhaupt nicht.” 

SPD Mitgliederentscheid Olaf Scholz Klara Geywitz

Wo sich Scholz jedes Wort zurechtlegt und auf keinen Fall etwas sagen will, das ihm anschließend angekreidet werden kann, formuliert Habeck manchmal so, als säße er nicht in einem Interview, sondern unterhalte sich privat. “Bei allem, was geschehen kann, ist ein Stopp der Gas-Lieferungen aus Russland ja noch ein geringes Übel. Ich meine, der Typ hat Atomwaffen!”, sagte Habeck im DW-Interview. Der Typ – das ist der russische Präsident Wladimir Putin. 

Was Olaf Scholz und Robert Habeck indes eint, ist das Wissen, dass die “Zeitenwende” von allen Regierungsmitgliedern ein großes Maß an Umdenken verlangt und sie beide diesen Prozess maßgeblich steuern müssen. Das gilt für die Themen Energiesicherheit, wo die Grünen damit leben müssen, dass fossile Energieträger länger gebraucht werden. Das gilt aber auch beim Thema Pazifismus, das sowohl bei den Grünen als auch der SPD viele umtreibt. Regieren sei eben kein Wunschkonzert, erwähnt der grüne Wirtschaftsminister immer wieder. Wichtig ist für die Regierung, dass sie neben ihren Parteien auch die Menschen mitnimmt. In eine aus dem jetzigen Blickwinkel heraus durchaus ungewisse Zukunft. Die unterschiedliche Art der beiden Spitzenpolitiker Olaf Scholz und Robert Habeck könnte dabei durchaus hilfreich sein. In den Grundzügen sind sie nämlich oft einer Meinung.

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