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Ein Rechtsradikaler von Putins Gnaden – zum Tod von Wladimir Schirinowski

Er warb mit Nazi-Parolen um Wählerstimmen und war treuer Weggefährte des Kremls. Der russische Rechtspopulist Wladimir Schirinowski ist mit 75 Jahren gestorben. Im Februar war er wegen COVID-19 ins Krankenhaus gekommen.

Ein KGB-Agent? Ein Russland-Hitler? Ein politischer Clown? In seiner langen Karriere war Wladimir Schirinowski vieles. Eines war er nicht: langweilig. “Der zündelt schön”, sagte einst Präsident Wladimir Putin über den russischen Rechtspopulisten Nummer eins. Das war Anerkennung von höchster Stelle, auch wenn sich der Kremlchef von dessen provokativen Äußerungen distanzierte.

Zündeln – das konnte Schirinowski gut. Mal schlug der Politiker vor, den Nordkaukasus mit Stacheldraht einzuzäunen, mal, eine Atombombe vor Istanbul abzuwerfen oder er drohte einer Journalistin mit Vergewaltigung. Oft schwadronierte er davon, die Ukraine zu besetzen. Rote Linien gab es nicht. Schirinowski gehörte neben den Kommunisten zu den Dinosauriern russischer Politik, die ihre Karriere noch in der Spätzeit der Sowjetunion begonnen hatten.

Ein KGB-Agent? Ein Russland-Hitler? Ein politischer Clown? In seiner langen Karriere war Wladimir Schirinowski vieles. Eines war er nicht: langweilig. “Der zündelt schön”, sagte einst Präsident Wladimir Putin über den russischen Rechtspopulisten Nummer eins. Das war Anerkennung von höchster Stelle, auch wenn sich der Kremlchef von dessen provokativen Äußerungen distanzierte.

Am Anfang stand ein Etikettenschwindel. 1989 war Schirinowski einer der Mitbegründer der Liberaldemokratischen Partei, der ersten Oppositionspartei in der Sowjetunion. Nach deren Zerfall wurde sie in Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR) umbenannt. Dabei ist die Partei weder liberal noch demokratisch. Es ist eine explosive Mischung aus Nationalismus, Revanchismus und Chauvinismus – oder einfach eine postsowjetische Version des Rechtspopulismus.

Ein Projekt des KGB?

Die LDPR war vor allem eins: eine Ein-Mann-Partei. Ohne ihren Vorsitzenden Schirinowski wäre sie nie so groß geworden. Schirinowski wurde im Volksmund “Schirik” genannt, ein fast liebevoller Spitzname. So nennt man keinen Politiker, sondern eher einen Kumpel. Er ist vielleicht ein Nazi, aber irgendwie lustig und sympathisch, so die Einstellung.

Der 1946 in Kasachstan geborene Schirinowski studierte in Moskau orientalische Sprachen und Jura, absolvierte ein Praktikum in der Türkei und engagierte sich als Rechtsexperte in diversen Strukturen, darunter einem Verlag, die mit Ausland zu tun hatten. Das gab später Anlass für Spekulationen über seine Verbindungen zum berüchtigten sowjetischen Geheimdienst KGB, der alle Auswärtskontakte sowjetischer Bürger besonders streng überwachte.

Der Verdacht, Schirinowskis Partei sei ein Projekt des KGB, steht bis heute im Raum. Angeblich wollte der Geheimdienst der wachsenden Proteststimmung ein Ventil geben und eine formell oppositionelle, aber kontrollierbare Partei schaffen. Eindeutige Beweise fehlen, doch das ist genau die Nische, in der die LDPR seit Jahrzehnten in der russischen Politik erfolgreich agiert.

Obwohl sich Schirinowski gegen den Zerfall der Sowjetunion engagierte, war der für ihn ein Glücksfall. Millionen enttäuschte und verarmte Russen, vor allem schlecht gebildete Männer in der Provinz, fanden in dem schillernden Politiker ihren Vertreter. Schirinowski umwarb seine Wähler oft mit ausländerfeindlichen, manchmal mit antisemitischen Parolen. Dabei hatte er selbst jüdische Wurzeln. Schirinowski wuchs ohne Vater auf und lernte nach eigenen Angaben erst später Details über dessen Leben kennen. Sein Vater, Wolf Edelstein, war ein jüdischer Geschäftsmann aus Ostpolen, der heutigen Westukraine. Er wurde vor dem Zweiten Weltkrieg von den Sowjets nach Kasachstan und danach nach Polen deportiert und wanderte von dort nach Israel aus.

Bei der Parlamentswahl 1993 bekam die LDPR mit rund 23 Prozent die meisten Stimmen, deutlich mehr als Rechtsliberale und Kommunisten. Es war Schirinowskis Höhepunkt als Politiker. Sogar seine Machtübernahme schien möglich, westliche Medien machten sich Sorgen wegen des Aufstiegs eines “Russland-Hitlers”. In dieser Zeit pflegte Schirinowski Kontakte zu Rechtsextremen in Europa, etwa zu dem französischen Politiker Jean-Marie Le Pen. Auch die Deutsche Volksunion (DVU) des Münchner Verlegers Gerhard Frey hatte bis in die Mitte der 1990er Jahre enge Beziehungen zu Schirinowski.

Der Politiker pflegte sorgfältig sein Image eines Showmans: Er trug knallbunte Sakkos, schimpfte oder wurde handgreiflich. Legendär ist die Szene, als Schirinowski 1995 bei einer Talkshow Boris Nemzow, dem damaligen Gouverneur von Nischni Nowgorod, ein Glas Saft ins Gesicht kippte.

Trotzdem ging es für ihn und seine LDPR Ende der 1990er bergab. Schirinowski kandidierte bei fast allen Präsidentschaftswahlen und wurde bestenfalls dritter. Für den Kreml war die LDPR lange ungefährlich und stimmte im Parlament meist im Einklang mit der Regierungspartei ab. Vieles von dem, was Schirinowski seit den 1990er Jahren forderte – Autokratie, Abkehr vom Westen, Militarisierung – setzte Putin als Präsident um. Schirinowski bekam auf staatlichen Kanälen viel Sendezeit und durfte das aussprechen, was für den Kreml zu heiß war.

Irgendwann wurde die LDPR zu stark. Vor allem im äußersten Osten des Landes entwickelte sie sich zu einer Protestpartei gegen den Kreml. In Gebiet Chabarowsk wurde der LDPR-Politiker Sergej Furgal zum Gouverneur gewählt, ein Affront für die Kremlpartei “Geeintes Russland”. Furgal wurde 2020 verhaftet, was monatelange Proteste auslöste. Das war für Putins Russland sehr ungewohnt.

Schirinowskis Tod dürfte seine Partei in eine Krise stürzen, ein charismatischer Nachfolger ist nicht in Sicht. Bedeutungslos wird sie allerdings nicht. Das rechtspopulistische Wählerpotenzial in Russland bleibt. Und der Kreml hat nach wie vor ein starkes Interesse daran, dass es gebunden ist – in einer kleinen, kontrollierbaren Partei, die Präsident Putin bis auf Weiteres nicht gefährlich werden kann.

Russland Präsidentenwahl Wladimir Schirinowski Kandidat
Russland Wladimir Wolfowitsch Schirinowski
Russland Präsidentenwahl Wladimir Schirinowski Kandidat

Ein KGB-Agent? Ein Russland-Hitler? Ein politischer Clown? In seiner langen Karriere war Wladimir Schirinowski vieles. Eines war er nicht: langweilig. “Der zündelt schön”, sagte einst Präsident Wladimir Putin über den russischen Rechtspopulisten Nummer eins. Das war Anerkennung von höchster Stelle, auch wenn sich der Kremlchef von dessen provokativen Äußerungen distanzierte.

Zündeln – das konnte Schirinowski gut. Mal schlug der Politiker vor, den Nordkaukasus mit Stacheldraht einzuzäunen, mal, eine Atombombe vor Istanbul abzuwerfen oder er drohte einer Journalistin mit Vergewaltigung. Oft schwadronierte er davon, die Ukraine zu besetzen. Rote Linien gab es nicht. Schirinowski gehörte neben den Kommunisten zu den Dinosauriern russischer Politik, die ihre Karriere noch in der Spätzeit der Sowjetunion begonnen hatten.

Ein Projekt des KGB?

Am Anfang stand ein Etikettenschwindel. 1989 war Schirinowski einer der Mitbegründer der Liberaldemokratischen Partei, der ersten Oppositionspartei in der Sowjetunion. Nach deren Zerfall wurde sie in Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR) umbenannt. Dabei ist die Partei weder liberal noch demokratisch. Es ist eine explosive Mischung aus Nationalismus, Revanchismus und Chauvinismus – oder einfach eine postsowjetische Version des Rechtspopulismus.

Die LDPR war vor allem eins: eine Ein-Mann-Partei. Ohne ihren Vorsitzenden Schirinowski wäre sie nie so groß geworden. Schirinowski wurde im Volksmund “Schirik” genannt, ein fast liebevoller Spitzname. So nennt man keinen Politiker, sondern eher einen Kumpel. Er ist vielleicht ein Nazi, aber irgendwie lustig und sympathisch, so die Einstellung.

Der 1946 in Kasachstan geborene Schirinowski studierte in Moskau orientalische Sprachen und Jura, absolvierte ein Praktikum in der Türkei und engagierte sich als Rechtsexperte in diversen Strukturen, darunter einem Verlag, die mit Ausland zu tun hatten. Das gab später Anlass für Spekulationen über seine Verbindungen zum berüchtigten sowjetischen Geheimdienst KGB, der alle Auswärtskontakte sowjetischer Bürger besonders streng überwachte.

Der Verdacht, Schirinowskis Partei sei ein Projekt des KGB, steht bis heute im Raum. Angeblich wollte der Geheimdienst der wachsenden Proteststimmung ein Ventil geben und eine formell oppositionelle, aber kontrollierbare Partei schaffen. Eindeutige Beweise fehlen, doch das ist genau die Nische, in der die LDPR seit Jahrzehnten in der russischen Politik erfolgreich agiert.

Auf dem Höhepunkt Anfang der 1990er

Obwohl sich Schirinowski gegen den Zerfall der Sowjetunion engagierte, war der für ihn ein Glücksfall. Millionen enttäuschte und verarmte Russen, vor allem schlecht gebildete Männer in der Provinz, fanden in dem schillernden Politiker ihren Vertreter. Schirinowski umwarb seine Wähler oft mit ausländerfeindlichen, manchmal mit antisemitischen Parolen. Dabei hatte er selbst jüdische Wurzeln. Schirinowski wuchs ohne Vater auf und lernte nach eigenen Angaben erst später Details über dessen Leben kennen. Sein Vater, Wolf Edelstein, war ein jüdischer Geschäftsmann aus Ostpolen, der heutigen Westukraine. Er wurde vor dem Zweiten Weltkrieg von den Sowjets nach Kasachstan und danach nach Polen deportiert und wanderte von dort nach Israel aus.

Sprachrohr für Kremlfantasien

Bei der Parlamentswahl 1993 bekam die LDPR mit rund 23 Prozent die meisten Stimmen, deutlich mehr als Rechtsliberale und Kommunisten. Es war Schirinowskis Höhepunkt als Politiker. Sogar seine Machtübernahme schien möglich, westliche Medien machten sich Sorgen wegen des Aufstiegs eines “Russland-Hitlers”. In dieser Zeit pflegte Schirinowski Kontakte zu Rechtsextremen in Europa, etwa zu dem französischen Politiker Jean-Marie Le Pen. Auch die Deutsche Volksunion (DVU) des Münchner Verlegers Gerhard Frey hatte bis in die Mitte der 1990er Jahre enge Beziehungen zu Schirinowski.

Der Politiker pflegte sorgfältig sein Image eines Showmans: Er trug knallbunte Sakkos, schimpfte oder wurde handgreiflich. Legendär ist die Szene, als Schirinowski 1995 bei einer Talkshow Boris Nemzow, dem damaligen Gouverneur von Nischni Nowgorod, ein Glas Saft ins Gesicht kippte.

Trotzdem ging es für ihn und seine LDPR Ende der 1990er bergab. Schirinowski kandidierte bei fast allen Präsidentschaftswahlen und wurde bestenfalls dritter. Für den Kreml war die LDPR lange ungefährlich und stimmte im Parlament meist im Einklang mit der Regierungspartei ab. Vieles von dem, was Schirinowski seit den 1990er Jahren forderte – Autokratie, Abkehr vom Westen, Militarisierung – setzte Putin als Präsident um. Schirinowski bekam auf staatlichen Kanälen viel Sendezeit und durfte das aussprechen, was für den Kreml zu heiß war.

Irgendwann wurde die LDPR zu stark. Vor allem im äußersten Osten des Landes entwickelte sie sich zu einer Protestpartei gegen den Kreml. In Gebiet Chabarowsk wurde der LDPR-Politiker Sergej Furgal zum Gouverneur gewählt, ein Affront für die Kremlpartei “Geeintes Russland”. Furgal wurde 2020 verhaftet, was monatelange Proteste auslöste. Das war für Putins Russland sehr ungewohnt.

Schirinowskis Tod dürfte seine Partei in eine Krise stürzen, ein charismatischer Nachfolger ist nicht in Sicht. Bedeutungslos wird sie allerdings nicht. Das rechtspopulistische Wählerpotenzial in Russland bleibt. Und der Kreml hat nach wie vor ein starkes Interesse daran, dass es gebunden ist – in einer kleinen, kontrollierbaren Partei, die Präsident Putin bis auf Weiteres nicht gefährlich werden kann.

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