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Faktencheck: Warum diese militärischen Erfolge der Ukraine nicht echt sind

Nicht nur Russland verbreitet Falschinformationen über den Krieg. Ein virales Video zeigt angebliche Kriegserfolge der Ukraine. Ein DW-Faktencheck zeigt: Einige Bilder stammen allerdings aus anderen Kriegen.

In den umkämpften Gebieten der Ukraine ist die Arbeit für Journalisten schwierig bis unmöglich geworden, unabhängige Informationen und Bilder sind mancherorts also Mangelware. An ihre Stelle treten neben “User generated content”, also Bilder und Videos von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem Inhalte der beiden Konfliktparteien.

Russland und die Ukraine veröffentlichen nahezu täglich Videos von angeblichen militärischen Erfolgen, die nur schwer zu überprüfen sind. Wir haben ein virales Video zu angeblichen militärischen Operationen der Ukraine analysiert. Dabei zeigen wir auch, mit welchen digitalen Werkzeugen wir das Material untersucht haben.

In den umkämpften Gebieten der Ukraine ist die Arbeit für Journalisten schwierig bis unmöglich geworden, unabhängige Informationen und Bilder sind mancherorts also Mangelware. An ihre Stelle treten neben “User generated content”, also Bilder und Videos von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem Inhalte der beiden Konfliktparteien.

Behauptung: Der Twitter-Kanal “@ArmedForcesUkr” gilt als inoffizieller Account der ukrainischen Streitkräfte. Er hat inzwischen mehr als 450.000 Follower. Die Inhalte erreichen täglich hunderttausende Menschen und sollen die Erfolge der ukrainischen Armee in der Landesverteidigung gegen Russland zeigen. So auch hier: Ein Post mit einem 42 Sekunden langen Clip preist “Treffer der Territorialverteidigung der Ukrainischen Streitkräfte” an.

Vorsicht vor “offiziellen” Videos, die von inoffiziellen Konten gepostet werden

Das Video enthält 16 verschiedene Szenen von Explosionen, Tod und Zerstörung, die meist durch Drohnenangriffe, aber auch durch Bomben am Straßenrand und Scharfschützenangriffe verursacht werden. Ziel der gezeigten Militäroperationen seien “Orks”, ein abwertender Begriff der Verfasser zur Beschreibung russischer Soldaten. Das Video ist mit fröhlicher Musik unterlegt, zu der eine Kinderstimme “Lalala, töte den Moskal” singt – eine weitere abwertende Bezeichnung für Russen.

Aber werden tatsächliche Erfolge der ukrainischen Armee gezeigt?

DW Faktencheck: Irreführend.

Von insgesamt 16 im Videoclip gezeigten Kampfszenen konnte die DW sechs identifizieren, die definitiv nicht aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Jahr 2022 stammen. In einer Szene, die angeblich die Überlegenheit des ukrainischen Militärs darstellen soll, handelt es sich sogar um eine Operation russischer Scharfschützen. Die übrigen zehn Sequenzen konnten von uns nicht zweifelsfrei verifiziert werden.

Einen ersten Hinweis darauf, das Vorsicht geboten ist, liefert der Account selbst: @ArmedForcesUkr hat im Gegensatz zu den Accounts des ukrainischen Verteidigungsministeriums oder anderen Organen des ukrainischen Staates kein blaues Twitter-Verifizierungszeichen.

Bei genauer Untersuchung des Videos via Bilderrückwärtssuche fällt auf: Manche der gezeigten Szenen sind älter. Die ersten beiden sowie die letzte Szene des Videos zeigen Aufnahmen aus dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien. Sie tauchten erstmals im Oktober 2020 auf digitalen Plattformen auf. Mindestens einer dieser Ausschnitte stammt aus einem Video des aserbaidschanischen Militärs, das die gleichen türkischen Bayraktar-Drohnenmodelle verwendet, wie sie die Ukrainer gegen russische Streitkräfte einsetzen.

Das Video weist eine geringe Auflösung auf und wirkt verpixelt, entweder weil die einzelnen Sequenzen so oft hoch- und heruntergeladen wurden, dass die Qualität dabei gelitten hat. Oder weil die Ersteller die tatsächliche Herkunft der Sequenzen verbergen wollen. Denn je schlechter die Videoqualität, desto schwieriger die Rückverfolgung möglicher Manipulationen.  

Die bei Sekunde 26 gezeigte Wärmebild-Szene wurde bereits im Februar 2020 von einem russischen Account namens “milinfolive” auf Social-Media-Plattformen wie VKontakte und Telegram gepostet. In dem Beitrag wird das Material als “russische Spezialeinheiten bei der Arbeit in Syrien” beschrieben. Dem Konto zufolge wurde das Material vom Verteidigungsministerium veröffentlicht (siehe Screenshot). 

Es ist das einzige Material in dem Video, das keine Drohnenaufnahmen zeigt, sondern Bilder von Menschen, die aus nächster Nähe erschossen werden.

Lediglich 27 Sekunden des 42-sekündigen Clips können auf Videos zurückgeführt werden, die erst nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar 2022 auf digitalen Plattformen erschienen. Ein Teil davon ist mit dem Wasserzeichen @polkazov versehen und kann der Medienoperation des ukrainischen Asow-Bataillons zugeordnet werden. Diese Clips zeigen angeblich Angriffe der Ukrainer in der belagerten Stadt Mariupol Mitte März 2022.  

Einige Aufnahmen stammen offenbar aus einer Zusammenstellung der ukrainischen Streitkräfte von Drohnenangriffen in der Nähe von Cherson, die am 18. März 2022 auf YouTube veröffentlicht wurde. Eine andere Szene, die offenbar einen Panzerabwehrraketenangriff zeigt, wurde am 27. März 2022 von einem Mitglied des ukrainischen Ausschusses für nationale Sicherheit, Verteidigung und Nachrichtendienste, Jurij Mysjagin, auf Telegram hochgeladen.

Die DW überprüfte das Material in dem Posting von @ArmedForcesUkr mithilfe einer Bilderrückwärtssuche der Screenshots der einzelnen Szenen, um die ursprünglich hochgeladenen Videos zu finden. Anschließend suchten wir nach den ältesten Versionen der fraglichen Videosequenzen, um festzustellen, ob sie vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 entstanden sind. Dafür gibt es mehrere nützliche Webseiten wie TinEye oder Yandex sowie Browser-Plug-ins wie RevEye. 

Im Fall des Videos von @ArmedForcesUkr haben einige Twitter-Nutzer sofort kommentiert, dass der Clip Material enthält, das nicht in der Ukraine entstanden ist. Auch wenn zunächst Belege für solche Aussagen fehlen, sollte das stutzig machen. Dennoch wurde das Video zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels mehr als 160.000 Mal angesehen, wobei die Mehrheit der kommentierenden Nutzer den Inhalt feierte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch.

Screenshot Tweet mit angeblichen Erfolgen des ukrainischen Militärs
Bildkombination von Screenshots zweier Beiträge aus Twitter und Telegram

In den umkämpften Gebieten der Ukraine ist die Arbeit für Journalisten schwierig bis unmöglich geworden, unabhängige Informationen und Bilder sind mancherorts also Mangelware. An ihre Stelle treten neben “User generated content”, also Bilder und Videos von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem Inhalte der beiden Konfliktparteien.

Russland und die Ukraine veröffentlichen nahezu täglich Videos von angeblichen militärischen Erfolgen, die nur schwer zu überprüfen sind. Wir haben ein virales Video zu angeblichen militärischen Operationen der Ukraine analysiert. Dabei zeigen wir auch, mit welchen digitalen Werkzeugen wir das Material untersucht haben.

Vorsicht vor “offiziellen” Videos, die von inoffiziellen Konten gepostet werden

Behauptung: Der Twitter-Kanal “@ArmedForcesUkr” gilt als inoffizieller Account der ukrainischen Streitkräfte. Er hat inzwischen mehr als 450.000 Follower. Die Inhalte erreichen täglich hunderttausende Menschen und sollen die Erfolge der ukrainischen Armee in der Landesverteidigung gegen Russland zeigen. So auch hier: Ein Post mit einem 42 Sekunden langen Clip preist “Treffer der Territorialverteidigung der Ukrainischen Streitkräfte” an.

Das Video enthält 16 verschiedene Szenen von Explosionen, Tod und Zerstörung, die meist durch Drohnenangriffe, aber auch durch Bomben am Straßenrand und Scharfschützenangriffe verursacht werden. Ziel der gezeigten Militäroperationen seien “Orks”, ein abwertender Begriff der Verfasser zur Beschreibung russischer Soldaten. Das Video ist mit fröhlicher Musik unterlegt, zu der eine Kinderstimme “Lalala, töte den Moskal” singt – eine weitere abwertende Bezeichnung für Russen.

Aber werden tatsächliche Erfolge der ukrainischen Armee gezeigt?

DW Faktencheck: Irreführend.

Mehr als ein Drittel des Videos stammt nicht aus dem Krieg in der Ukraine

Von insgesamt 16 im Videoclip gezeigten Kampfszenen konnte die DW sechs identifizieren, die definitiv nicht aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Jahr 2022 stammen. In einer Szene, die angeblich die Überlegenheit des ukrainischen Militärs darstellen soll, handelt es sich sogar um eine Operation russischer Scharfschützen. Die übrigen zehn Sequenzen konnten von uns nicht zweifelsfrei verifiziert werden.

Per Bilderrückwärtssuche auf der Suche nach den Quellen

Einen ersten Hinweis darauf, das Vorsicht geboten ist, liefert der Account selbst: @ArmedForcesUkr hat im Gegensatz zu den Accounts des ukrainischen Verteidigungsministeriums oder anderen Organen des ukrainischen Staates kein blaues Twitter-Verifizierungszeichen.

Bei genauer Untersuchung des Videos via Bilderrückwärtssuche fällt auf: Manche der gezeigten Szenen sind älter. Die ersten beiden sowie die letzte Szene des Videos zeigen Aufnahmen aus dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien. Sie tauchten erstmals im Oktober 2020 auf digitalen Plattformen auf. Mindestens einer dieser Ausschnitte stammt aus einem Video des aserbaidschanischen Militärs, das die gleichen türkischen Bayraktar-Drohnenmodelle verwendet, wie sie die Ukrainer gegen russische Streitkräfte einsetzen.

Das Video weist eine geringe Auflösung auf und wirkt verpixelt, entweder weil die einzelnen Sequenzen so oft hoch- und heruntergeladen wurden, dass die Qualität dabei gelitten hat. Oder weil die Ersteller die tatsächliche Herkunft der Sequenzen verbergen wollen. Denn je schlechter die Videoqualität, desto schwieriger die Rückverfolgung möglicher Manipulationen.  

Die bei Sekunde 26 gezeigte Wärmebild-Szene wurde bereits im Februar 2020 von einem russischen Account namens “milinfolive” auf Social-Media-Plattformen wie VKontakte und Telegram gepostet. In dem Beitrag wird das Material als “russische Spezialeinheiten bei der Arbeit in Syrien” beschrieben. Dem Konto zufolge wurde das Material vom Verteidigungsministerium veröffentlicht (siehe Screenshot). 

Es ist das einzige Material in dem Video, das keine Drohnenaufnahmen zeigt, sondern Bilder von Menschen, die aus nächster Nähe erschossen werden.

Lediglich 27 Sekunden des 42-sekündigen Clips können auf Videos zurückgeführt werden, die erst nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar 2022 auf digitalen Plattformen erschienen. Ein Teil davon ist mit dem Wasserzeichen @polkazov versehen und kann der Medienoperation des ukrainischen Asow-Bataillons zugeordnet werden. Diese Clips zeigen angeblich Angriffe der Ukrainer in der belagerten Stadt Mariupol Mitte März 2022.  

Einige Aufnahmen stammen offenbar aus einer Zusammenstellung der ukrainischen Streitkräfte von Drohnenangriffen in der Nähe von Cherson, die am 18. März 2022 auf YouTube veröffentlicht wurde. Eine andere Szene, die offenbar einen Panzerabwehrraketenangriff zeigt, wurde am 27. März 2022 von einem Mitglied des ukrainischen Ausschusses für nationale Sicherheit, Verteidigung und Nachrichtendienste, Jurij Mysjagin, auf Telegram hochgeladen.

Die DW überprüfte das Material in dem Posting von @ArmedForcesUkr mithilfe einer Bilderrückwärtssuche der Screenshots der einzelnen Szenen, um die ursprünglich hochgeladenen Videos zu finden. Anschließend suchten wir nach den ältesten Versionen der fraglichen Videosequenzen, um festzustellen, ob sie vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 entstanden sind. Dafür gibt es mehrere nützliche Webseiten wie TinEye oder Yandex sowie Browser-Plug-ins wie RevEye. 

Im Fall des Videos von @ArmedForcesUkr haben einige Twitter-Nutzer sofort kommentiert, dass der Clip Material enthält, das nicht in der Ukraine entstanden ist. Auch wenn zunächst Belege für solche Aussagen fehlen, sollte das stutzig machen. Dennoch wurde das Video zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels mehr als 160.000 Mal angesehen, wobei die Mehrheit der kommentierenden Nutzer den Inhalt feierte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch.

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