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SLAPP-Klagen: EU will Aktivisten schützen

Klagen wegen Verleumdung: Damit versuchen Firmen und Privatpersonen oft Kritiker einzuschüchtern, die ihnen Korruption oder Umweltvergehen nachweisen. Die EU-Kommission will diese sogenannten SLAPP-Klagen unterbinden.

“Dass die EU-Kommission jetzt handelt, gehört zum Erbe von Daphne Caruana Galizia“, sagt der maltesische Blogger Manuel Delia. Seit Jahren kämpft er für die Aufklärung des Mordes an der Journalistin und gegen politische Korruption auf der Insel. Als Caruana Galizia starb, seien fast 50 Verfahren gegen sie anhängig gewesen: Einschüchterungsversuche der Politiker und Geschäftsleute, die sie in ihren Veröffentlichungen an den Pranger gestellt hatte.

Der Begriff SLAPP ist die Abkürzung für “Strategic Lawsuit against Public Participation” – das ist ein Gerichtsverfahren gegen Beteiligung der Öffentlichkeit, mit dem kritische Journalisten und Aktivisten mundtot gemacht werden sollen. Sie werden in jahrelange Verleumdungs- und andere Klagen hineingezogen, die oft unbegründet sind, aber hohe Gerichtskosten und Geldstrafen zur Folge haben und ihre Existenz vernichten können.

“Dass die EU-Kommission jetzt handelt, gehört zum Erbe von Daphne Caruana Galizia“, sagt der maltesische Blogger Manuel Delia. Seit Jahren kämpft er für die Aufklärung des Mordes an der Journalistin und gegen politische Korruption auf der Insel. Als Caruana Galizia starb, seien fast 50 Verfahren gegen sie anhängig gewesen: Einschüchterungsversuche der Politiker und Geschäftsleute, die sie in ihren Veröffentlichungen an den Pranger gestellt hatte.

Manuel Delia hat selbst Erfahrung mit SLAPP-Klagen gemacht. Die in Malta ansässige Satabank, der wegen des Verdachts auf Geldwäsche ihre Lizenz entzogen wurde, verklagte den Blogger 2018 wegen seiner Veröffentlichungen darüber. “Eine deutsche NGO hat meine Verteidigung bezahlt”, erzählt er, so dass er im vergangenen Dezember den Fall gewinnen konnte. 

SLAPP-Klagen sind existenzbedrohend

Zuvor hatte ihn einer der Anwälte der Bank gewarnt, er werde “von den Dingli-Klippen (in Malta) springen müssen”, falls er einen Artikel über Christo Georgiev, den bulgarischen Miteigentümer der Bank, veröffentliche. Seine Gegner drohten mit einer Klage in Großbritannien. Delia zog den Text zurück, die Gefahr war zu hoch. Immerhin gewann er mit Hilfe seiner Unterstützer dann das parallel angestrengte Verfahren in Bulgarien.

“Putins Netz”, das zum Bestseller gewordene Buch der Journalistin Catherine Belton über Putins Aufstieg, ist einer der jüngsten spektakulären Fälle. Die darin genannten Oligarchen überzogen die Autorin mit einer Serie von SLAPP-Klagen. Dazu gehörte auch Roman Abramowitsch, mit dem Beltons Verlag HarperCollins sich im vergangenen Dezember nach einigen Änderungen einigte. Die Journalistin bedankte sich beim Verlag für die juristische Unterstützung – doch solche Verfahren können sich nur große Verlage leisten. 

Als sie den Gesetzentwurf gegen solche Klagen vorstellte, nutzte die Vizepräsidentin der EU-Kommission und Justizkommissarin Vera Jourova diesen Fall, um die Brisanz dieser Verfahren zu illustrieren. Ein wesentliches Element sei das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Klägern und Beklagten. “Es sind Verfahren, die reiche Leute anstrengen, und Freiberuflicher oder kleine Herausgeber und Medienunternehmen bekommen dadurch große Probleme.”

Die EU will eine Richtlinie verabschieden, die grenzüberschreitende SLAPP-Klagen künftig im Keim ersticken und ihre schädliche Wirkung unterbinden soll. Gerichte sollen offensichtlich unbegründete Fälle bereits im Vorfeld abweisen können. Außerdem soll die Beweislast umgekehrt werden – der Kläger muss dann selbst nachweisen, dass seine Klage berechtigt ist. Und schließlich soll es eine Strafandrohung gegen Kläger geben, die versuchen, Journalisten oder Aktivisten zum Schweigen zu bringen. Die Opfer sollen entschädigt werden.

Zusätzlich gab die Justizkommissarin den EU-Mitgliedsländern Empfehlungen: Sie sollen ihre Gesetzgebung so ändern, dass SLAPP-Klagen schwieriger werden, sie könnten etwa die Vorschriften gegen Verleumdung neu fassen und dafür keine Gefängnisstrafen mehr androhen. Auch sollten sie die Öffentlichkeit über das Problem aufklären und die Betroffenen bei ihrer Verteidigung unterstützen.

Vera Jourova erinnerte auch an den ermordeten slowakischen Journalisten Jan Kuciak, der ebenfalls durch missbräuchliche Gerichtsverfahren bedroht worden sei. “Es ist schockierend, wenn Journalisten unter Druck gesetzt und verfolgt werden und die Mitgliedsstaaten ihre Sicherheit nicht garantieren.” Die Rechtsstaatlichkeit in Europa könne nur geschützt werden, wenn die Medien als “Wachhunde” ihre Aufgabe frei erfüllen dürften. Eine freie Berichterstattung werde besonders bei Fällen von Geldwäsche, Korruption oder Umweltverschmutzung oft verhindert.

“In ungefähr der Hälfte der EU-Länder beobachten wir die Nutzung von SLAPP-Klagen gegen Veröffentlichungen”, sagt Camille Petit von der Europäischen Journalistenföderation. Dazu gehörten Kroatien, Frankreich, Italien, Polen, Bulgarien, Irland und andere. “Wir sehen, dass die Praxis sich immer weiter verbreitet hat, es ist sozusagen ein neues Instrument,  um Journalisten und Medienunternehmen unter Druck zu setzen.” Allein in Kroatien zum Beispiel gebe es rund 900 anhängige Verfahren, die Gewerkschaften und Journalistenverbände dokumentiert hätten. “Das Ziel der Klagen ist weniger, sie zu gewinnen, als die Journalisten einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.”

Camille Petit lobt, dass die EU-Kommission das Problem jetzt erkannt hat und dagegen vorgehen will. Sie kritisiert allerdings, dass der bindende Teil der Regelung nur für grenzüberschreitende Fälle gelte. Die meisten SLAPP-Klagen würden jedoch innerhalb nationaler Grenzen eingereicht.

Das schränke den Anwendungsbereich erheblich ein, beklagt auch die Organisation Reporter ohne Grenzen. Auch die Grünen im Europaparlament begrüßen zwar die Regelung im Prinzip, sehen aber noch “Luft nach oben”, weil sie keine innerstaatlichen und keine strafrechtlichen Fälle abdecke. “Jetzt müssen die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten die Chance ergreifen, indem sie diese Richtlinie ambitioniert in nationale Gesetzgebung umsetzen und über die Mindeststandards der Kommission hinausgehen”, betont die grüne Abgeordnete Viola von Cramon.

Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken lobt vor allem die geplante frühe Abweisung solcher Klagen und die Beweislastumkehr, “weil langwierige und missbräuchliche Gerichtsprozesse schnell unterbunden werden können”. Bisher aber habe noch kein EU-Land Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen ergriffen. “Unsere Gerichte dürfen nicht von mächtigen Unternehmen, reichen Einzelpersonen oder korrupten Politikern missbraucht werden, um unbequeme Kritik loszuwerden.” 

Über den Vorschlag der Kommission müssen noch das Europaparlament und der Rat der Mitgliedsstaaten entscheiden.

Malta | Journalist Manuel Delia
Buchcover Putin’s People von Catherine Belton
Mordfall Jan Kuciak und Martina Kusnirova

“Dass die EU-Kommission jetzt handelt, gehört zum Erbe von Daphne Caruana Galizia“, sagt der maltesische Blogger Manuel Delia. Seit Jahren kämpft er für die Aufklärung des Mordes an der Journalistin und gegen politische Korruption auf der Insel. Als Caruana Galizia starb, seien fast 50 Verfahren gegen sie anhängig gewesen: Einschüchterungsversuche der Politiker und Geschäftsleute, die sie in ihren Veröffentlichungen an den Pranger gestellt hatte.

Der Begriff SLAPP ist die Abkürzung für “Strategic Lawsuit against Public Participation” – das ist ein Gerichtsverfahren gegen Beteiligung der Öffentlichkeit, mit dem kritische Journalisten und Aktivisten mundtot gemacht werden sollen. Sie werden in jahrelange Verleumdungs- und andere Klagen hineingezogen, die oft unbegründet sind, aber hohe Gerichtskosten und Geldstrafen zur Folge haben und ihre Existenz vernichten können.

SLAPP-Klagen sind existenzbedrohend

Manuel Delia hat selbst Erfahrung mit SLAPP-Klagen gemacht. Die in Malta ansässige Satabank, der wegen des Verdachts auf Geldwäsche ihre Lizenz entzogen wurde, verklagte den Blogger 2018 wegen seiner Veröffentlichungen darüber. “Eine deutsche NGO hat meine Verteidigung bezahlt”, erzählt er, so dass er im vergangenen Dezember den Fall gewinnen konnte. 

Zuvor hatte ihn einer der Anwälte der Bank gewarnt, er werde “von den Dingli-Klippen (in Malta) springen müssen”, falls er einen Artikel über Christo Georgiev, den bulgarischen Miteigentümer der Bank, veröffentliche. Seine Gegner drohten mit einer Klage in Großbritannien. Delia zog den Text zurück, die Gefahr war zu hoch. Immerhin gewann er mit Hilfe seiner Unterstützer dann das parallel angestrengte Verfahren in Bulgarien.

“Putins Netz”, das zum Bestseller gewordene Buch der Journalistin Catherine Belton über Putins Aufstieg, ist einer der jüngsten spektakulären Fälle. Die darin genannten Oligarchen überzogen die Autorin mit einer Serie von SLAPP-Klagen. Dazu gehörte auch Roman Abramowitsch, mit dem Beltons Verlag HarperCollins sich im vergangenen Dezember nach einigen Änderungen einigte. Die Journalistin bedankte sich beim Verlag für die juristische Unterstützung – doch solche Verfahren können sich nur große Verlage leisten. 

Als sie den Gesetzentwurf gegen solche Klagen vorstellte, nutzte die Vizepräsidentin der EU-Kommission und Justizkommissarin Vera Jourova diesen Fall, um die Brisanz dieser Verfahren zu illustrieren. Ein wesentliches Element sei das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Klägern und Beklagten. “Es sind Verfahren, die reiche Leute anstrengen, und Freiberuflicher oder kleine Herausgeber und Medienunternehmen bekommen dadurch große Probleme.”

Was soll sich in der EU ändern?

Die EU will eine Richtlinie verabschieden, die grenzüberschreitende SLAPP-Klagen künftig im Keim ersticken und ihre schädliche Wirkung unterbinden soll. Gerichte sollen offensichtlich unbegründete Fälle bereits im Vorfeld abweisen können. Außerdem soll die Beweislast umgekehrt werden – der Kläger muss dann selbst nachweisen, dass seine Klage berechtigt ist. Und schließlich soll es eine Strafandrohung gegen Kläger geben, die versuchen, Journalisten oder Aktivisten zum Schweigen zu bringen. Die Opfer sollen entschädigt werden.

SLAPP-Fälle nehmen zu

Zusätzlich gab die Justizkommissarin den EU-Mitgliedsländern Empfehlungen: Sie sollen ihre Gesetzgebung so ändern, dass SLAPP-Klagen schwieriger werden, sie könnten etwa die Vorschriften gegen Verleumdung neu fassen und dafür keine Gefängnisstrafen mehr androhen. Auch sollten sie die Öffentlichkeit über das Problem aufklären und die Betroffenen bei ihrer Verteidigung unterstützen.

Vera Jourova erinnerte auch an den ermordeten slowakischen Journalisten Jan Kuciak, der ebenfalls durch missbräuchliche Gerichtsverfahren bedroht worden sei. “Es ist schockierend, wenn Journalisten unter Druck gesetzt und verfolgt werden und die Mitgliedsstaaten ihre Sicherheit nicht garantieren.” Die Rechtsstaatlichkeit in Europa könne nur geschützt werden, wenn die Medien als “Wachhunde” ihre Aufgabe frei erfüllen dürften. Eine freie Berichterstattung werde besonders bei Fällen von Geldwäsche, Korruption oder Umweltverschmutzung oft verhindert.

“In ungefähr der Hälfte der EU-Länder beobachten wir die Nutzung von SLAPP-Klagen gegen Veröffentlichungen”, sagt Camille Petit von der Europäischen Journalistenföderation. Dazu gehörten Kroatien, Frankreich, Italien, Polen, Bulgarien, Irland und andere. “Wir sehen, dass die Praxis sich immer weiter verbreitet hat, es ist sozusagen ein neues Instrument,  um Journalisten und Medienunternehmen unter Druck zu setzen.” Allein in Kroatien zum Beispiel gebe es rund 900 anhängige Verfahren, die Gewerkschaften und Journalistenverbände dokumentiert hätten. “Das Ziel der Klagen ist weniger, sie zu gewinnen, als die Journalisten einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.”

Camille Petit lobt, dass die EU-Kommission das Problem jetzt erkannt hat und dagegen vorgehen will. Sie kritisiert allerdings, dass der bindende Teil der Regelung nur für grenzüberschreitende Fälle gelte. Die meisten SLAPP-Klagen würden jedoch innerhalb nationaler Grenzen eingereicht.

Das schränke den Anwendungsbereich erheblich ein, beklagt auch die Organisation Reporter ohne Grenzen. Auch die Grünen im Europaparlament begrüßen zwar die Regelung im Prinzip, sehen aber noch “Luft nach oben”, weil sie keine innerstaatlichen und keine strafrechtlichen Fälle abdecke. “Jetzt müssen die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten die Chance ergreifen, indem sie diese Richtlinie ambitioniert in nationale Gesetzgebung umsetzen und über die Mindeststandards der Kommission hinausgehen”, betont die grüne Abgeordnete Viola von Cramon.

Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken lobt vor allem die geplante frühe Abweisung solcher Klagen und die Beweislastumkehr, “weil langwierige und missbräuchliche Gerichtsprozesse schnell unterbunden werden können”. Bisher aber habe noch kein EU-Land Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen ergriffen. “Unsere Gerichte dürfen nicht von mächtigen Unternehmen, reichen Einzelpersonen oder korrupten Politikern missbraucht werden, um unbequeme Kritik loszuwerden.” 

Über den Vorschlag der Kommission müssen noch das Europaparlament und der Rat der Mitgliedsstaaten entscheiden.

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