“Unser Kampf gegen sexuelle Ausbeutung geht weiter”
Die Demokratische Republik Kongo gilt als eines der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit. Hier setzt sich Julienne Lusenge für Frauenrechte ein. Im DW-Interview schildert sie ihren schwierigen Kampf.
Deutsche Welle: Sie kommen aus Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo und engagieren sich seit vier Jahrzehnten für Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Welche Art von Unterstützung bieten Sie an?
Julienne Lusenge: Tatsächlich befindet sich unser Land seit mehr als 30 Jahren im Krieg. Ein Krieg, in dem wir täglich mit dem Thema sexueller Gewalt gegen Frauen konfrontiert werden. Ein Problem, das nicht nur die Frauen selbst betrifft: Opfer sind auch Kinder. Und auch die Männer. Sie alle werden durch die sexuelle Gewalt gegen ihre Frauen und Mütter traumatisiert. Ihr Leben wird zerstört.
Deutsche Welle: Sie kommen aus Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo und engagieren sich seit vier Jahrzehnten für Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Welche Art von Unterstützung bieten Sie an?
Die Menschen in den Ostprovinzen unseres Landes erleben kriegerische Auseinandersetzungen, ethnische Konflikte, Streitigkeiten zwischen Gemeinschaften. Wir helfen Frauen dabei, sich für die Wiederherstellung des Friedens in ihren Gemeinschaften zu engagieren. Es geht uns darum, möglichst viele Frauen durch Schulungen in die Lage zu versetzen, Konfliktdeeskalation zu betreiben. Wir bilden Frauen – darunter sind auch viele Opfer sexueller Gewalt oder Vertriebene – in allen möglichen Bereichen aus und erhöhen damit Ihre Chancen, ein eigenes Einkommen zu erzielen. Wir haben schon mehrere Ausbildungszentren eröffnet, wo die Frauen ein Handwerk erlernen. Sie lernen nähen. Sie lernen, wie man Gebäck herstellt. Oder sie absolvieren einen Alphabetisierungskurs.
Gibt es spezielle Hilfen für Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erfahren haben?
Für junge Mädchen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind oder aus Vergewaltigungen hervorgegangen sind, zahlen wir die Schulgebühren. Uns ist es wichtig, diese Mädchen zu begleiten und intensiv zu betreuen. Deshalb arbeiten wir mit geschulten Psychologen zusammen, die ihnen helfen, Traumata zu bewältigen. Auch vertriebene Frauen und Mädchen werden von unseren Psychologen begleitet. Wir haben auch Anwälte, die die Opfer vor Gericht vertreten. Es geht darum, Beweise zu sammeln, etwaige Zeugen zu kontaktieren und zu befragen. Das Ziel ist, möglichst viele Fälle sexueller Gewalt juristisch aufzuarbeiten, damit Urteile gegen die Täter gefällt werden. Alle Gerichtskosten tragen wir.
Es gibt also viel zu tun. Aber wir sind solidarisch und halten zusammen. Zum Glück können wir uns auf die Unterstützung von vielen internationalen Partnern, Hilfsorganisationen und Stiftungen verlassen, die unsere Arbeit unterstützen.
Sie arbeiten in einer Region, die seit über 30 Jahren sehr instabil ist. Im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo sind verschiedene bewaffnete Milizen und Terrorgruppen aktiv, die die Zivilbevölkerung angreifen. Gibt es Leute, die Ihre Arbeit ablehnen oder bekämpfen?
Ja, natürlich. Wenn wir uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen, sind wir bei vielen Leuten nicht gern gesehen. Vor allem zwischen 2002 bis 2008 gab es viele Angriffe auf unsere Mitarbeiter. Wir wurden auch von bewaffneten Gruppen verfolgt und angegriffen. Dreimal mussten wir aus Sicherheitsgründen unsere Räumlichkeiten verlassen! Wir wurden mit Macheten angegriffen. Häuser wurden zerstört. Unsere Arbeit ist nach wie vor mit vielen Risiken verbunden. Vor Kurzem hat einer unserer Kollegen Drohungen erhalten. Wir mussten ihn erst nach Goma und dann nach Kinshasa verlegen.
Aber wir werden nicht aufgeben. Wir werden natürlich unsere Arbeit fortsetzen. All die Menschen, die sich heute gegenüberstehen, werden morgen, wenn Frieden ist, davon profitieren.
Im nächsten Jahr sollen in der Demokratischen Republik Kongo Wahlen abgehalten werden. Was erwarten Sie vom nächsten Parlament, von der künftigen Regierung und vom nächsten Präsidenten?
Ich erwarte, dass sich die Frauen massiv in diese Wahlen einmischen. Ich hoffe, dass möglichst viele Frauen ins Parlament gewählt werden. Unsere Organisation SOFEPADI unterstützt diese Anliegen: Mit unseren internationalen Partnern wollen wir kongolesische Frauen dabei unterstützen, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren. Es ist wichtig und dringend notwendig, dass sich noch mehr Frauen als bisher politisch engagieren und positionieren. Ich wünsche mir natürlich transparente und gerechte Wahlen.
Unserem nächsten Staatsoberhaupt sagen wir Frauen, dass alle Kongolesen Zugang zu einer Grundversorgung haben sollen: Wir brauchen Wasser, Strom, Straßen, medizinische Versorgung. Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen. Wir müssen ihren Zugang zur Schulausbildung erleichtern. Aber dafür brauchen wir vor allem Frieden und Sicherheit. Sicherheit ist die Voraussetzung für Entwicklung. Ohne Sicherheit können wir keines unserer Probleme lösen.
Julienne Lusenge hilft mit ihrer Organisation “Weibliche Solidarität für Frieden und ganzheitliche Entwicklung” den Opfern sexueller Gewalt im Ostkongo.
Das Interview führte Sandrine Blanchard
Übersetzung aus dem Französischen: Antonio Cascais
Deutsche Welle: Sie kommen aus Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo und engagieren sich seit vier Jahrzehnten für Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Welche Art von Unterstützung bieten Sie an?
Julienne Lusenge: Tatsächlich befindet sich unser Land seit mehr als 30 Jahren im Krieg. Ein Krieg, in dem wir täglich mit dem Thema sexueller Gewalt gegen Frauen konfrontiert werden. Ein Problem, das nicht nur die Frauen selbst betrifft: Opfer sind auch Kinder. Und auch die Männer. Sie alle werden durch die sexuelle Gewalt gegen ihre Frauen und Mütter traumatisiert. Ihr Leben wird zerstört.
Die Menschen in den Ostprovinzen unseres Landes erleben kriegerische Auseinandersetzungen, ethnische Konflikte, Streitigkeiten zwischen Gemeinschaften. Wir helfen Frauen dabei, sich für die Wiederherstellung des Friedens in ihren Gemeinschaften zu engagieren. Es geht uns darum, möglichst viele Frauen durch Schulungen in die Lage zu versetzen, Konfliktdeeskalation zu betreiben. Wir bilden Frauen – darunter sind auch viele Opfer sexueller Gewalt oder Vertriebene – in allen möglichen Bereichen aus und erhöhen damit Ihre Chancen, ein eigenes Einkommen zu erzielen. Wir haben schon mehrere Ausbildungszentren eröffnet, wo die Frauen ein Handwerk erlernen. Sie lernen nähen. Sie lernen, wie man Gebäck herstellt. Oder sie absolvieren einen Alphabetisierungskurs.
Gibt es spezielle Hilfen für Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erfahren haben?
Für junge Mädchen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind oder aus Vergewaltigungen hervorgegangen sind, zahlen wir die Schulgebühren. Uns ist es wichtig, diese Mädchen zu begleiten und intensiv zu betreuen. Deshalb arbeiten wir mit geschulten Psychologen zusammen, die ihnen helfen, Traumata zu bewältigen. Auch vertriebene Frauen und Mädchen werden von unseren Psychologen begleitet. Wir haben auch Anwälte, die die Opfer vor Gericht vertreten. Es geht darum, Beweise zu sammeln, etwaige Zeugen zu kontaktieren und zu befragen. Das Ziel ist, möglichst viele Fälle sexueller Gewalt juristisch aufzuarbeiten, damit Urteile gegen die Täter gefällt werden. Alle Gerichtskosten tragen wir.
Es gibt also viel zu tun. Aber wir sind solidarisch und halten zusammen. Zum Glück können wir uns auf die Unterstützung von vielen internationalen Partnern, Hilfsorganisationen und Stiftungen verlassen, die unsere Arbeit unterstützen.
Sie arbeiten in einer Region, die seit über 30 Jahren sehr instabil ist. Im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo sind verschiedene bewaffnete Milizen und Terrorgruppen aktiv, die die Zivilbevölkerung angreifen. Gibt es Leute, die Ihre Arbeit ablehnen oder bekämpfen?
Ja, natürlich. Wenn wir uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen, sind wir bei vielen Leuten nicht gern gesehen. Vor allem zwischen 2002 bis 2008 gab es viele Angriffe auf unsere Mitarbeiter. Wir wurden auch von bewaffneten Gruppen verfolgt und angegriffen. Dreimal mussten wir aus Sicherheitsgründen unsere Räumlichkeiten verlassen! Wir wurden mit Macheten angegriffen. Häuser wurden zerstört. Unsere Arbeit ist nach wie vor mit vielen Risiken verbunden. Vor Kurzem hat einer unserer Kollegen Drohungen erhalten. Wir mussten ihn erst nach Goma und dann nach Kinshasa verlegen.
Aber wir werden nicht aufgeben. Wir werden natürlich unsere Arbeit fortsetzen. All die Menschen, die sich heute gegenüberstehen, werden morgen, wenn Frieden ist, davon profitieren.
Im nächsten Jahr sollen in der Demokratischen Republik Kongo Wahlen abgehalten werden. Was erwarten Sie vom nächsten Parlament, von der künftigen Regierung und vom nächsten Präsidenten?
Ich erwarte, dass sich die Frauen massiv in diese Wahlen einmischen. Ich hoffe, dass möglichst viele Frauen ins Parlament gewählt werden. Unsere Organisation SOFEPADI unterstützt diese Anliegen: Mit unseren internationalen Partnern wollen wir kongolesische Frauen dabei unterstützen, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren. Es ist wichtig und dringend notwendig, dass sich noch mehr Frauen als bisher politisch engagieren und positionieren. Ich wünsche mir natürlich transparente und gerechte Wahlen.
Unserem nächsten Staatsoberhaupt sagen wir Frauen, dass alle Kongolesen Zugang zu einer Grundversorgung haben sollen: Wir brauchen Wasser, Strom, Straßen, medizinische Versorgung. Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen. Wir müssen ihren Zugang zur Schulausbildung erleichtern. Aber dafür brauchen wir vor allem Frieden und Sicherheit. Sicherheit ist die Voraussetzung für Entwicklung. Ohne Sicherheit können wir keines unserer Probleme lösen.
Julienne Lusenge hilft mit ihrer Organisation “Weibliche Solidarität für Frieden und ganzheitliche Entwicklung” den Opfern sexueller Gewalt im Ostkongo.
Das Interview führte Sandrine Blanchard
Übersetzung aus dem Französischen: Antonio Cascais