Wie sehr trifft die Inflation die Jüngeren?
Viele jüngere Menschen sehen sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit Inflationsraten auf Rekordniveau konfrontiert. Vor allem Studenten und Berufseinsteiger stehen vor gewaltigen Hürden. Wie kommen sie über die Runden?
“Ich dachte immer, wenn ich mal so alt bin wie jetzt, dann hab ich ein kleines gebrauchtes Auto, mit dem ich öfter mal meine Oma in Bayern besuchen kann”, erzählt Alia Hudeib, eine 23-jährige Berlinerin. Das hatte sie sich schon in ihrer Schulzeit so ausgemalt. Alia hatte gehofft, das Auto mit Geld aus einem Studentenjob bezahlen zu können. “Doch das”, erzählt sie der DW, “wird ganz sicher so schnell nicht passieren.”
Da die Lebenshaltungskosten ständig steigen, sei der Verzicht auf ein Auto nicht die einzige Einschränkung in ihrem Leben. Momentan macht Alia Hudeib eine Ausbildung im Gesundheitswesen und verdient dabei monatlich etwa 600 Euro. Um über die Runden zu kommen, arbeitet sie nebenbei in einem Café. “Mein Verdienst reicht nicht aus, um die Art von Lebensmitteln zu kaufen, die ich gern hätte: gesunde Bio-Produkte von lokalen Produzenten”, sagt sie. “Bei den derzeitigen Preisen muss ich bei den billigsten Produkten im Supermarkt bleiben.”
“Ich dachte immer, wenn ich mal so alt bin wie jetzt, dann hab ich ein kleines gebrauchtes Auto, mit dem ich öfter mal meine Oma in Bayern besuchen kann”, erzählt Alia Hudeib, eine 23-jährige Berlinerin. Das hatte sie sich schon in ihrer Schulzeit so ausgemalt. Alia hatte gehofft, das Auto mit Geld aus einem Studentenjob bezahlen zu können. “Doch das”, erzählt sie der DW, “wird ganz sicher so schnell nicht passieren.”
In Deutschland hat die Inflation den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht. Daten der Internationalen Arbeitsorganisation zeigen, dass sich die Inflationsrate weltweit im März 2022 im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht hat. Verantwortlich dafür sind Engpässe bei den globalen Lieferketten, die durch die COVID-19-Pandemie und den Krieg in der Ukraine verursacht wurden. Sie führten zu einem beispiellosen Preisanstieg für lebenswichtige Güter, einschließlich Treibstoff und Lebensmittel.
Die Inflation trifft alle, aber nicht alle gleich
“Die Inflation wirkt sich auf jeden Menschen anders aus”, sagt Professor Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Gespräch mit der DW. “Wie sehr, hängt von Faktoren wie Lebensstil, Konsumgewohnheiten und finanzieller Situation ab.” So zeigen Untersuchungen internationaler Organisationen wie der Weltbank , dass eine hohe Inflationsrate Haushalte mit geringerem Einkommen normalerweise stärker belastet, während sie Vermögende weit weniger trifft.
Dasselbe gilt für verschiedene Altersgruppen. Obwohl es Menschen jeden Alters gibt, die stark unter hohen Inflationsraten leiden, sind Jüngere im Allgemeinen flexibler als ältere Erwachsene, wodurch sie die Schläge wirtschaftlicher Not besser verkraften können.
Die 24-jährige Valerie Lorraine ist vor ein paar Wochen in ihre neue Wohnung in Berlin gezogen. Die Studentin teilt sie sich mit zwei anderen Personen. “Mein ehemaliger Vermieter hat die Miete meiner früheren Wohnung erhöht”, sagt sie der DW. “Ich hatte Glück, eine kleinere zu finden, die in meinem Budget liegt.” Viele ihrer Kommilitonen seien dagegen gezwungen gewesen, zu ihren Eltern zurückzukehren oder heraus aus der Stadt zu ziehen, erzählt sie.
“Die meisten Menschen in ihren 30ern und 40ern können ihre Ausgaben nicht so reduzieren, wie es jüngere Menschen tun”, sagt Enzo Weber. “Zum Beispiel können diejenigen mit Familie nicht einfach in eine billigere Wohnung ziehen oder den Wohnort wechseln, um besser bezahlte Jobs zu finden.”
Außerdem “wohnen junge Menschen oft in kleineren Wohnungen und verbrauchen im Vergleich zu Menschen mittleren Alters weniger Energie”, so Weber. “Die meisten von ihnen besitzen keine Autos, sodass höhere Benzinpreise sie nicht so sehr treffen. Sie geben daher einen geringeren Teil ihres Einkommens für Energie aus.”
In den vergangenen Monaten hat in vielen Industrieländern der Arbeitskräftemangel die Gehälter in die Höhe getrieben – ein Fachkräftemangel, der mit der Wiedereröffnung von Unternehmen nach den Lockdowns zu Pandemiezeiten einsetzte. Wer in den Arbeitsmarkt einsteigen möchte, könne sich also die bestbezahlten Jobs aussuchen, sagt Weber: “Vor allem, wenn Sie bereit sind, neue Fähigkeiten zu erlernen und neue Jobs auszuprobieren. Für jemanden Anfang 20 ist es viel einfacher, zwischen Jobs zu wechseln und sich für einen besseren zu entscheiden, als für jemanden, der ein oder zwei Jahrzehnte in einer bestimmten Karriere verbracht hat.”
Das aber ist nicht die ganze Wahrheit. Die meisten jungen Menschen besitzen keine Vermögenswerte wie Immobilien, die mit der Inflation an Wert gewinnen. Angesichts der steigenden Immobilienpreise werden viele von ihnen möglicherweise auch nie in der Lage sein, eine zu kaufen.
In größeren Volkswirtschaften wie den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union gibt es ernsthafte Zweifel, ob der Anstieg der Löhne ausreicht, um den Preisanstieg auszugleichen. Offiziellen Daten zufolge ist der durchschnittliche Reallohn in Deutschland im vergangenen Jahr trotz einer Anhebung des Mindestlohns gesunken. US-Daten zeigen ein ähnliches Muster.
In ärmeren Ländern sind die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe geschossen, und es gibt noch keine Anzeichen für eine Erholung nach COVID-19. Dadurch haben junge Menschen in diesen Ländern deutlich weniger Spielraum als ihre Altersgenossen in fortgeschrittenen Volkswirtschaften.
Zudem müssen viele erst einmal versuchen, ihre während der Pandemie erlittenen Verluste auszugleichen. Zwei Jahre regelmäßiger Lockdowns haben die Perspektiven einer großen Zahl junger Akademiker weltweit irreversibel beschädigt, indem sie daran gehindert wurden, rechtzeitig in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Und ein verzögerter Berufseinstieg kann die Einkommen schmälern. Eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass ein Monat Arbeitslosigkeit im Alter zwischen 18 und 20 Jahren zu einem dauerhaften Einkommensverlust von zwei Prozent für das gesamte Arbeitsleben führen kann.
“Wir leben in einer Zeit grundlegender Umbrüche”, sagt Enzo Weber. “Unsere Technologien und Jobanforderungen ändern sich. Das birgt sowohl Gefahren als auch Chancen.” Sein Rat: “Nach verschiedenen Möglichkeiten suchen und offen bleiben! Je unflexibler Sie sind, desto anfälliger werden Sie für die schlimmsten Schäden jeder Katastrophe.”
Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan.
“Ich dachte immer, wenn ich mal so alt bin wie jetzt, dann hab ich ein kleines gebrauchtes Auto, mit dem ich öfter mal meine Oma in Bayern besuchen kann”, erzählt Alia Hudeib, eine 23-jährige Berlinerin. Das hatte sie sich schon in ihrer Schulzeit so ausgemalt. Alia hatte gehofft, das Auto mit Geld aus einem Studentenjob bezahlen zu können. “Doch das”, erzählt sie der DW, “wird ganz sicher so schnell nicht passieren.”
Da die Lebenshaltungskosten ständig steigen, sei der Verzicht auf ein Auto nicht die einzige Einschränkung in ihrem Leben. Momentan macht Alia Hudeib eine Ausbildung im Gesundheitswesen und verdient dabei monatlich etwa 600 Euro. Um über die Runden zu kommen, arbeitet sie nebenbei in einem Café. “Mein Verdienst reicht nicht aus, um die Art von Lebensmitteln zu kaufen, die ich gern hätte: gesunde Bio-Produkte von lokalen Produzenten”, sagt sie. “Bei den derzeitigen Preisen muss ich bei den billigsten Produkten im Supermarkt bleiben.”
Die Inflation trifft alle, aber nicht alle gleich
In Deutschland hat die Inflation den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht. Daten der Internationalen Arbeitsorganisation zeigen, dass sich die Inflationsrate weltweit im März 2022 im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht hat. Verantwortlich dafür sind Engpässe bei den globalen Lieferketten, die durch die COVID-19-Pandemie und den Krieg in der Ukraine verursacht wurden. Sie führten zu einem beispiellosen Preisanstieg für lebenswichtige Güter, einschließlich Treibstoff und Lebensmittel.
“Die Inflation wirkt sich auf jeden Menschen anders aus”, sagt Professor Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Gespräch mit der DW. “Wie sehr, hängt von Faktoren wie Lebensstil, Konsumgewohnheiten und finanzieller Situation ab.” So zeigen Untersuchungen internationaler Organisationen wie der Weltbank , dass eine hohe Inflationsrate Haushalte mit geringerem Einkommen normalerweise stärker belastet, während sie Vermögende weit weniger trifft.
Dasselbe gilt für verschiedene Altersgruppen. Obwohl es Menschen jeden Alters gibt, die stark unter hohen Inflationsraten leiden, sind Jüngere im Allgemeinen flexibler als ältere Erwachsene, wodurch sie die Schläge wirtschaftlicher Not besser verkraften können.
Die 24-jährige Valerie Lorraine ist vor ein paar Wochen in ihre neue Wohnung in Berlin gezogen. Die Studentin teilt sie sich mit zwei anderen Personen. “Mein ehemaliger Vermieter hat die Miete meiner früheren Wohnung erhöht”, sagt sie der DW. “Ich hatte Glück, eine kleinere zu finden, die in meinem Budget liegt.” Viele ihrer Kommilitonen seien dagegen gezwungen gewesen, zu ihren Eltern zurückzukehren oder heraus aus der Stadt zu ziehen, erzählt sie.
Jung und belastbar
“Die meisten Menschen in ihren 30ern und 40ern können ihre Ausgaben nicht so reduzieren, wie es jüngere Menschen tun”, sagt Enzo Weber. “Zum Beispiel können diejenigen mit Familie nicht einfach in eine billigere Wohnung ziehen oder den Wohnort wechseln, um besser bezahlte Jobs zu finden.”
Arbeitskräftemangel und Lohnerhöhungen
Außerdem “wohnen junge Menschen oft in kleineren Wohnungen und verbrauchen im Vergleich zu Menschen mittleren Alters weniger Energie”, so Weber. “Die meisten von ihnen besitzen keine Autos, sodass höhere Benzinpreise sie nicht so sehr treffen. Sie geben daher einen geringeren Teil ihres Einkommens für Energie aus.”
In den vergangenen Monaten hat in vielen Industrieländern der Arbeitskräftemangel die Gehälter in die Höhe getrieben – ein Fachkräftemangel, der mit der Wiedereröffnung von Unternehmen nach den Lockdowns zu Pandemiezeiten einsetzte. Wer in den Arbeitsmarkt einsteigen möchte, könne sich also die bestbezahlten Jobs aussuchen, sagt Weber: “Vor allem, wenn Sie bereit sind, neue Fähigkeiten zu erlernen und neue Jobs auszuprobieren. Für jemanden Anfang 20 ist es viel einfacher, zwischen Jobs zu wechseln und sich für einen besseren zu entscheiden, als für jemanden, der ein oder zwei Jahrzehnte in einer bestimmten Karriere verbracht hat.”
Das aber ist nicht die ganze Wahrheit. Die meisten jungen Menschen besitzen keine Vermögenswerte wie Immobilien, die mit der Inflation an Wert gewinnen. Angesichts der steigenden Immobilienpreise werden viele von ihnen möglicherweise auch nie in der Lage sein, eine zu kaufen.
Reicht der Anstieg der Löhne aus?
In größeren Volkswirtschaften wie den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union gibt es ernsthafte Zweifel, ob der Anstieg der Löhne ausreicht, um den Preisanstieg auszugleichen. Offiziellen Daten zufolge ist der durchschnittliche Reallohn in Deutschland im vergangenen Jahr trotz einer Anhebung des Mindestlohns gesunken. US-Daten zeigen ein ähnliches Muster.
In ärmeren Ländern sind die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe geschossen, und es gibt noch keine Anzeichen für eine Erholung nach COVID-19. Dadurch haben junge Menschen in diesen Ländern deutlich weniger Spielraum als ihre Altersgenossen in fortgeschrittenen Volkswirtschaften.
Zudem müssen viele erst einmal versuchen, ihre während der Pandemie erlittenen Verluste auszugleichen. Zwei Jahre regelmäßiger Lockdowns haben die Perspektiven einer großen Zahl junger Akademiker weltweit irreversibel beschädigt, indem sie daran gehindert wurden, rechtzeitig in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Und ein verzögerter Berufseinstieg kann die Einkommen schmälern. Eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass ein Monat Arbeitslosigkeit im Alter zwischen 18 und 20 Jahren zu einem dauerhaften Einkommensverlust von zwei Prozent für das gesamte Arbeitsleben führen kann.
“Wir leben in einer Zeit grundlegender Umbrüche”, sagt Enzo Weber. “Unsere Technologien und Jobanforderungen ändern sich. Das birgt sowohl Gefahren als auch Chancen.” Sein Rat: “Nach verschiedenen Möglichkeiten suchen und offen bleiben! Je unflexibler Sie sind, desto anfälliger werden Sie für die schlimmsten Schäden jeder Katastrophe.”
Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan.