Kultur

Wie der lettische Sänger Intars Busulis seine Fans verlor

Lettlands Sänger Intars Busulis war in Russland ein großer Star. Doch seit dem Überfall auf die Ukraine versucht er, seine russischen Fans vom Unrecht des Krieges zu überzeugen. Sie aber hassen ihn dafür.

Trotz des Mai-Wetters zieht ein eisiger Wind über die Felder und durch die Wälder bei Talsi, einer kleinen Stadt in der lettischen Provinz mitten im Nirgendwo. Am Ende einer Schotterpiste wohnt Intars Busulis, einer der bekanntesten Sänger Lettlands mit einer riesigen Fanbase in Russland. Sein Grundstück hat keinen Zaun. Ein Schäferhund bellt, legt sich dann aber vor uns auf den Böden und möchte gestreichelt werden. Vorbei an einem ausgebauten alten Bauernhaus geht es zur Scheune, wo Busulis seinen Proberaum hat. 

Intars Busulis – nicht besonders groß, fester Händedruck, dunkle braun-goldene Augen – hat ein sympathisches Lächeln und fängt sofort an, Witze zu machen. Im ausgebauten Dachboden seiner Scheune lodert ein Kaminfeuer. Auf der anderen Seite des Raums hat er sein Studio aufgebaut. Nichts Besonderes – ein Laptop, zwei Monitorboxen, ein Keyboard und ein Mikrofonständer. Hier fängt alles an, erzählt er uns. Hier singt er, meist auf Russisch, die ersten Rohfassungen seiner Lieder ein. Es sind Konzepte, die er weiterschickt an seine Produzenten, Band-Mitglieder, Songwriter, Komponisten. So entstehen seine Werke, die zum Schluss in einem großen Studio aufgezeichnet werden, manchmal mit einem ganzen Live-Orchester. 

Trotz des Mai-Wetters zieht ein eisiger Wind über die Felder und durch die Wälder bei Talsi, einer kleinen Stadt in der lettischen Provinz mitten im Nirgendwo. Am Ende einer Schotterpiste wohnt Intars Busulis, einer der bekanntesten Sänger Lettlands mit einer riesigen Fanbase in Russland. Sein Grundstück hat keinen Zaun. Ein Schäferhund bellt, legt sich dann aber vor uns auf den Böden und möchte gestreichelt werden. Vorbei an einem ausgebauten alten Bauernhaus geht es zur Scheune, wo Busulis seinen Proberaum hat. 

2009 vertrat er Lettland beim Eurovision Song Contest – seine größte Zielgruppe jedoch lebt in Russland, dort hat er Karriere gemacht. Publikumsträchtige Konzerte hat er dort gegeben – bis der Krieg kam. “Ich kann immer noch nicht glauben, dass alles vorbei ist. Dass ich vielleicht für die nächsten 50 Jahre dort nie wieder hingehe. Und keine Konzerte mehr spiele. Ich hoffe, meine russischen Fans nehmen mir das nicht übel. Aber solange Putin an der Macht ist, kann ich nicht zurück.”

Intars Busulis vertrat Lettland beim ESC

Im Jahr 2013 hatte Busulis dort seinen musikalischen Durchbruch. Durch das ganze Land ist er getourt. Insbesondere nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim machte Busulis Karriere in Russland. Er trat auch im Kreml auf und verdiente viel Geld. Regelmäßig war er zu Gast im russischen Staatsfernsehen. Er war Teil der russischen Propaganda-Maschinerie. Das werfen ihm viele Menschen in Lettland vor. “Viele sagen, ich habe mich schuldig gemacht. Ich weiß, ich weiß, schuldig! Aber ich hab’s genossen. Die riesigen Konzerthallen, das große Publikum, die Millionen von Menschen, die Unterstützung”, sagt Busulis heute.

Wenn er gewusst hätte, dass Putin den Krieg wie ein Feuer entfachen würde, hätte er bei all dem nicht mitgemacht, sagt der 44-Jährige. Der 24. Februar hat ihn politisiert. Für zwei Wochen lebte er wie in einem Informationssog. War komplett fixiert auf den Krieg. Dann begann er auf seinen Social-Media-Kanälen Inhalte zu teilen und eigene Videos über den Krieg zu veröffentlichen.

Auf Instagram teilt er Videos und Bilder, manchmal die Inhalte anderer, zum Teil produziert er sie auch selbst: Ein Reel von ukrainischen Soldaten – posierend vor einem brennenden russischen Panzer, Fotos von ermordeten Zivilisten in Butscha, Drohnenbilder aus dem zerstörten Mariupol

Busulis’ Ziel ist es, seine russischen Fans mit der Realität zu konfrontieren, sie wach zu rütteln, in dem er Bilder zeigt, die im streng kontrollierten russischen Fernsehen nicht zu sehen sind.

Unter seinen russischen Followern habe das für Aufregung gesorgt, erzählt Busulis: “Es ist paradox. Meine größten Fans, die einst die schönsten Kommentare geschrieben haben, sind jetzt meine größten Feinde. Sie sind verrückt geworden und greifen mich an.”

Auf diese Menschen sei er nicht sauer, sie täten ihm leid, sagt er. Wer russisches Staatsfernsehen konsumiere, lebe in einer anderen Realität. Die Opfer würden zu Tätern, die Täter zu Opfern. Aus einem Angriffskrieg werde gerechte Selbstverteidigung.

“In Russland ist die Propaganda allgegenwärtig”, bestätigt auch die Politologin und Expertin für russische Medien, Susanne Spahn. Die Medien seien in Russland ein Instrument der Macht, deren Zweck es sei eine politische Agenda durchzusetzen: “Es geht darum, diesen Krieg zu legitimieren und zu beschönigen und deshalb werden allerlei Narrative und Desinformationen verbreitet, um die Bevölkerung zu indoktrinieren.”

Tatsachen würden auf den Kopf gestellt, sagt Spahn: “Russland ist nicht der Aggressor, der die Ukraine angreift, sondern schuld an diesem Krieg sind nach der Darstellung der russischen Staatsmedien der Westen und die NATO. Es wird immer wieder behauptet, der Westen wolle angeblich einen Krieg gegen Russland führen. Und Russland käme dem praktisch nur zuvor.”

Ein weiteres Narrativ sei, dass Nazis und Faschisten in der Ukraine russischsprachige Menschen vernichten wollen. Als Schutzmacht müsste Russland diese Menschen verteidigen. 

Wie viele Menschen in Russland der Propaganda tatsächlich glauben, sei schwierig zu sagen, erklärt Spahn, dafür fehle es an empirischen Belegen. “Aber ich gehe davon aus, dass große Teile der Gesellschaft der Darstellung der russischen Staatsmedien glauben”, so Susanne Spahn.

Auch in Lettland sind die Auswirkungen der russischen Propaganda zu spüren. Ungefähr 25 Prozent der lettischen Bevölkerung haben einen russischsprachigen Hintergrund – eine Folge der Umsiedlungspolitik ab den 1950er Jahren. Viele Russen in Lettland glauben der russischen Desinformation.

Der Sänger Intars Busulis hat die Folgen der Propaganda am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Vor kurzem wurde er von einem russischsprachigen Mitbürger auf offener Straße beschimpft, wegen der Lügen, die er angeblich über Russland verbreite. Und auch im Internet ist die Anfeindung gegen ihn massiv. “Sie verfluchen mich, aber ich sage ihnen – mein Lieber, es ist alles okay. Ich verstehe dich”, erklärt Busulis. “Es ist nicht deine Schuld, dass du so denkst. Du bist Opfer der Propaganda.”

Intars Busulis hofft die Perspektive seiner Fans zu verändern. Er hofft, dass sie aufwachen. Nach dem Krieg möchte er seiner Tochter Russland zeigen. Das hatte er ihr versprochen, erzählt er der DW. Auch auftreten möchte er wieder in Russland. Aber nur wenn es ein anderes Russland ist – ohne Putin.

Lettischer Sänger Intars Busulis bei einem Auftritt in St. Petersburg.

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Songs gegen Putins Angriff auf die Ukraine

Trotz des Mai-Wetters zieht ein eisiger Wind über die Felder und durch die Wälder bei Talsi, einer kleinen Stadt in der lettischen Provinz mitten im Nirgendwo. Am Ende einer Schotterpiste wohnt Intars Busulis, einer der bekanntesten Sänger Lettlands mit einer riesigen Fanbase in Russland. Sein Grundstück hat keinen Zaun. Ein Schäferhund bellt, legt sich dann aber vor uns auf den Böden und möchte gestreichelt werden. Vorbei an einem ausgebauten alten Bauernhaus geht es zur Scheune, wo Busulis seinen Proberaum hat. 

Intars Busulis – nicht besonders groß, fester Händedruck, dunkle braun-goldene Augen – hat ein sympathisches Lächeln und fängt sofort an, Witze zu machen. Im ausgebauten Dachboden seiner Scheune lodert ein Kaminfeuer. Auf der anderen Seite des Raums hat er sein Studio aufgebaut. Nichts Besonderes – ein Laptop, zwei Monitorboxen, ein Keyboard und ein Mikrofonständer. Hier fängt alles an, erzählt er uns. Hier singt er, meist auf Russisch, die ersten Rohfassungen seiner Lieder ein. Es sind Konzepte, die er weiterschickt an seine Produzenten, Band-Mitglieder, Songwriter, Komponisten. So entstehen seine Werke, die zum Schluss in einem großen Studio aufgezeichnet werden, manchmal mit einem ganzen Live-Orchester. 

Intars Busulis vertrat Lettland beim ESC

2009 vertrat er Lettland beim Eurovision Song Contest – seine größte Zielgruppe jedoch lebt in Russland, dort hat er Karriere gemacht. Publikumsträchtige Konzerte hat er dort gegeben – bis der Krieg kam. “Ich kann immer noch nicht glauben, dass alles vorbei ist. Dass ich vielleicht für die nächsten 50 Jahre dort nie wieder hingehe. Und keine Konzerte mehr spiele. Ich hoffe, meine russischen Fans nehmen mir das nicht übel. Aber solange Putin an der Macht ist, kann ich nicht zurück.”

Im Jahr 2013 hatte Busulis dort seinen musikalischen Durchbruch. Durch das ganze Land ist er getourt. Insbesondere nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim machte Busulis Karriere in Russland. Er trat auch im Kreml auf und verdiente viel Geld. Regelmäßig war er zu Gast im russischen Staatsfernsehen. Er war Teil der russischen Propaganda-Maschinerie. Das werfen ihm viele Menschen in Lettland vor. “Viele sagen, ich habe mich schuldig gemacht. Ich weiß, ich weiß, schuldig! Aber ich hab’s genossen. Die riesigen Konzerthallen, das große Publikum, die Millionen von Menschen, die Unterstützung”, sagt Busulis heute.

Wenn er gewusst hätte, dass Putin den Krieg wie ein Feuer entfachen würde, hätte er bei all dem nicht mitgemacht, sagt der 44-Jährige. Der 24. Februar hat ihn politisiert. Für zwei Wochen lebte er wie in einem Informationssog. War komplett fixiert auf den Krieg. Dann begann er auf seinen Social-Media-Kanälen Inhalte zu teilen und eigene Videos über den Krieg zu veröffentlichen.

Auf Instagram teilt er Videos und Bilder, manchmal die Inhalte anderer, zum Teil produziert er sie auch selbst: Ein Reel von ukrainischen Soldaten – posierend vor einem brennenden russischen Panzer, Fotos von ermordeten Zivilisten in Butscha, Drohnenbilder aus dem zerstörten Mariupol

In Russland ist Intars Busulis ein Star

Busulis’ Ziel ist es, seine russischen Fans mit der Realität zu konfrontieren, sie wach zu rütteln, in dem er Bilder zeigt, die im streng kontrollierten russischen Fernsehen nicht zu sehen sind.

Aufklärung über den Krieg in der Ukraine

Unter seinen russischen Followern habe das für Aufregung gesorgt, erzählt Busulis: “Es ist paradox. Meine größten Fans, die einst die schönsten Kommentare geschrieben haben, sind jetzt meine größten Feinde. Sie sind verrückt geworden und greifen mich an.”

Auf diese Menschen sei er nicht sauer, sie täten ihm leid, sagt er. Wer russisches Staatsfernsehen konsumiere, lebe in einer anderen Realität. Die Opfer würden zu Tätern, die Täter zu Opfern. Aus einem Angriffskrieg werde gerechte Selbstverteidigung.

“In Russland ist die Propaganda allgegenwärtig”, bestätigt auch die Politologin und Expertin für russische Medien, Susanne Spahn. Die Medien seien in Russland ein Instrument der Macht, deren Zweck es sei eine politische Agenda durchzusetzen: “Es geht darum, diesen Krieg zu legitimieren und zu beschönigen und deshalb werden allerlei Narrative und Desinformationen verbreitet, um die Bevölkerung zu indoktrinieren.”

Gegenpropaganda für die Wahrheit

Tatsachen würden auf den Kopf gestellt, sagt Spahn: “Russland ist nicht der Aggressor, der die Ukraine angreift, sondern schuld an diesem Krieg sind nach der Darstellung der russischen Staatsmedien der Westen und die NATO. Es wird immer wieder behauptet, der Westen wolle angeblich einen Krieg gegen Russland führen. Und Russland käme dem praktisch nur zuvor.”

Ein weiteres Narrativ sei, dass Nazis und Faschisten in der Ukraine russischsprachige Menschen vernichten wollen. Als Schutzmacht müsste Russland diese Menschen verteidigen. 

Auch Lettland ist gespalten durch die russische Propaganda

Wie viele Menschen in Russland der Propaganda tatsächlich glauben, sei schwierig zu sagen, erklärt Spahn, dafür fehle es an empirischen Belegen. “Aber ich gehe davon aus, dass große Teile der Gesellschaft der Darstellung der russischen Staatsmedien glauben”, so Susanne Spahn.

Auch in Lettland sind die Auswirkungen der russischen Propaganda zu spüren. Ungefähr 25 Prozent der lettischen Bevölkerung haben einen russischsprachigen Hintergrund – eine Folge der Umsiedlungspolitik ab den 1950er Jahren. Viele Russen in Lettland glauben der russischen Desinformation.

Der Sänger Intars Busulis hat die Folgen der Propaganda am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Vor kurzem wurde er von einem russischsprachigen Mitbürger auf offener Straße beschimpft, wegen der Lügen, die er angeblich über Russland verbreite. Und auch im Internet ist die Anfeindung gegen ihn massiv. “Sie verfluchen mich, aber ich sage ihnen – mein Lieber, es ist alles okay. Ich verstehe dich”, erklärt Busulis. “Es ist nicht deine Schuld, dass du so denkst. Du bist Opfer der Propaganda.”

Intars Busulis hofft die Perspektive seiner Fans zu verändern. Er hofft, dass sie aufwachen. Nach dem Krieg möchte er seiner Tochter Russland zeigen. Das hatte er ihr versprochen, erzählt er der DW. Auch auftreten möchte er wieder in Russland. Aber nur wenn es ein anderes Russland ist – ohne Putin.

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