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Meinung: Nordirland-Protokoll: Boris Johnson greift zur Kettensäge

Der britische Premier zerschlägt das Nordirland-Protokoll aus dem Brexit-Vertrag. Der Vertragsbruch ist ein Akt des politischen Irrsinns und zeigt Boris Johnsons ganze Verantwortungslosigkeit, meint Barbara Wesel.

Als Boris Johnson Anfang des Monats im Unterhaus den Misstrauensantrag wegen seiner Corona-Partys überlebte, war das Urteil über seine politische Zukunft gespalten. Die einen glaubten, er könne sich entspannen und seine Macht sei vorerst gesichert. Die anderen befürchteten, er werde unter dem Druck aus seiner eigenen Partei noch unkontrollierter agieren. Die Skeptiker hatten leider recht, denn der Premierminister zerlegt jetzt willkürlich das Nordirland-Protokoll, den heikelsten Teil des Brexit-Vertrages, mit der politischen Kettensäge.

Internationale Verträge sind bindend und können nicht einseitig geändert werden. Völkerrechtlich kann ein solcher Vertragsbruch niemals “trivial” sein, wie Boris Johnson behauptet, denn er zerstört das Vertrauen der Staaten. Aber auch hier glaubt der Premier, sich über die Regeln hinwegsetzen zu können. Er erfindet einfach eine Art “Notfallklausel”, um das Nordirland-Protokoll außer Kraft zu setzen. Angeblich würde der Vertrag nicht funktionieren und den Warenaustausch zwischen dem britischen Festland und Nordirland behindern.

Als Boris Johnson Anfang des Monats im Unterhaus den Misstrauensantrag wegen seiner Corona-Partys überlebte, war das Urteil über seine politische Zukunft gespalten. Die einen glaubten, er könne sich entspannen und seine Macht sei vorerst gesichert. Die anderen befürchteten, er werde unter dem Druck aus seiner eigenen Partei noch unkontrollierter agieren. Die Skeptiker hatten leider recht, denn der Premierminister zerlegt jetzt willkürlich das Nordirland-Protokoll, den heikelsten Teil des Brexit-Vertrages, mit der politischen Kettensäge.

Eine kleine Erinnerung an diesen schwierigsten Teil der Brexit Verhandlungen: Es ging darum, zwischen der Republik Irland als EU-Mitglied und der britischen Region Nordirland keine Grenze zu schaffen, um das Karfreitags-Abkommen zu wahren. Gleichzeitig wollte die EU ihren Binnenmarkt und die Regeln sichern, so dass Waren nicht unkontrolliert von der britischen auf die europäische Seite fließen könnten. Was heraus kam war ein Kompromiss, der Großbritannien selbst zu gewissen Kontrollen verpflichtete und den Johnson bei der Unterzeichnung als “großartig” gefeiert hatte.

Kein “trivialer” Vertragsbruch

Die Behauptung des Premierministers aber, der Vertrag sei nicht praktikabel, ist trotz einiger bürokratischer Probleme schlicht unwahr. Im Grunde lebt Nordirland in der besten aller Welten, weil es trotz des Brexit Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und gleichzeitig freien Warenaustausch mit Großbritannien betreiben kann. Tatsächlich steht die Region in der wirtschaftlichen Entwicklung an zweiter Stelle gleich nach dem Großraum London. Nordirische Unternehmerverbände und eine Mehrheit der dortigen Politiker sprechen sich gegen Johnsons Abrissaktion aus.

Die EU-Kommission in Brüssel will Großbritannien verklagen, wenn die jüngste Drohung umgesetzt wird. Seit dem vorigen Sommer liegt ein solches Verfahren bereits beim Europäischen Gerichtshof. Wird es ausgelöst, würde die britische Regierung voraussichtlich mit Strafzahlungen belegt. Und wenn sie sich dem Urteil nicht beugt und nicht zahlt, will die EU auf britische Waren Zölle erheben. Das Ergebnis wäre ein ausgewachsener Handelskrieg. Schon jetzt hat die EU zur Warnung Sondervereinbarungen etwa bei der Fischerei oder der Zusammenarbeit in der Wissenschaft ausgesetzt.

In Brüssel liegen die Nerven blank, weil Boris Johnson ein Wiederholungstäter ist. Seine Regierung agitierte von Anfang an gegen das Abkommen, das es selbst abgeschlossen hatte. Seit vorigem Sommer gab es dann weitere Verhandlungen und die EU stimmte einigen Erleichterungen zu. Die Gespräche aber liegen seit Monaten auf Eis, weil die britische Seite weitere Treffen verweigerte. Die Absicht schien offenbar, die Gespräche an die Wand zu fahren, um einen Vorwand für den Vertragsbruch zu finden. Die EU hält London hier für bösgläubig, wie die Juristen sagen.

Europa kämpft derzeit gegen steigende Energiepreise, Inflation und extremen politischen Stress durch den Krieg in der Ukraine. Und das gilt für alle Länder ohne Ausnahme. Unter diesen Umständen brauchen Europäer und Briten einen Handelskrieg so dringend wie Pest und Cholera. Es ist ein Akt politischen Irrsinns, für den es keine Entschuldigung gibt.

Boris Johnson aber handelt aus Parteitaktik und innenpolitischem Kalkül. Er will seine rechten Brexiteers bei den Konservativen befrieden und gleichzeitig die Freunde in der nordirischen DUP, die seit ihrer Wahlniederlage die Zusammenarbeit in Belfast blockieren.

Ob er mit dem angedrohten Vertragsbruch diese Ziele erreicht, ist zweifelhaft. Aber der gewohnheitsmäßige Hasardeur Johnson versucht es trotzdem: Verantwortungslos, aus Eigeninteresse und mit der Risikobereitschaft eines Spielers. Einmal mehr beweist der britische Premier, dass er ungeeignet ist für sein Amt. Sollte Johnson dieses Jahr doch noch aus der Downing Street gejagt werden, wäre das Aufatmen groß in Europa.

DW-Europakorrespondentin Barbara Wesel
Ein Mann hält ein Schild hoch mit einem Bild Boris Johnsons mit der Aufschrift: Now Partygate, kick the Tories out, save our NHS

Als Boris Johnson Anfang des Monats im Unterhaus den Misstrauensantrag wegen seiner Corona-Partys überlebte, war das Urteil über seine politische Zukunft gespalten. Die einen glaubten, er könne sich entspannen und seine Macht sei vorerst gesichert. Die anderen befürchteten, er werde unter dem Druck aus seiner eigenen Partei noch unkontrollierter agieren. Die Skeptiker hatten leider recht, denn der Premierminister zerlegt jetzt willkürlich das Nordirland-Protokoll, den heikelsten Teil des Brexit-Vertrages, mit der politischen Kettensäge.

Internationale Verträge sind bindend und können nicht einseitig geändert werden. Völkerrechtlich kann ein solcher Vertragsbruch niemals “trivial” sein, wie Boris Johnson behauptet, denn er zerstört das Vertrauen der Staaten. Aber auch hier glaubt der Premier, sich über die Regeln hinwegsetzen zu können. Er erfindet einfach eine Art “Notfallklausel”, um das Nordirland-Protokoll außer Kraft zu setzen. Angeblich würde der Vertrag nicht funktionieren und den Warenaustausch zwischen dem britischen Festland und Nordirland behindern.

Kein “trivialer” Vertragsbruch

Eine kleine Erinnerung an diesen schwierigsten Teil der Brexit Verhandlungen: Es ging darum, zwischen der Republik Irland als EU-Mitglied und der britischen Region Nordirland keine Grenze zu schaffen, um das Karfreitags-Abkommen zu wahren. Gleichzeitig wollte die EU ihren Binnenmarkt und die Regeln sichern, so dass Waren nicht unkontrolliert von der britischen auf die europäische Seite fließen könnten. Was heraus kam war ein Kompromiss, der Großbritannien selbst zu gewissen Kontrollen verpflichtete und den Johnson bei der Unterzeichnung als “großartig” gefeiert hatte.

Die Behauptung des Premierministers aber, der Vertrag sei nicht praktikabel, ist trotz einiger bürokratischer Probleme schlicht unwahr. Im Grunde lebt Nordirland in der besten aller Welten, weil es trotz des Brexit Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und gleichzeitig freien Warenaustausch mit Großbritannien betreiben kann. Tatsächlich steht die Region in der wirtschaftlichen Entwicklung an zweiter Stelle gleich nach dem Großraum London. Nordirische Unternehmerverbände und eine Mehrheit der dortigen Politiker sprechen sich gegen Johnsons Abrissaktion aus.

Die EU-Kommission in Brüssel will Großbritannien verklagen, wenn die jüngste Drohung umgesetzt wird. Seit dem vorigen Sommer liegt ein solches Verfahren bereits beim Europäischen Gerichtshof. Wird es ausgelöst, würde die britische Regierung voraussichtlich mit Strafzahlungen belegt. Und wenn sie sich dem Urteil nicht beugt und nicht zahlt, will die EU auf britische Waren Zölle erheben. Das Ergebnis wäre ein ausgewachsener Handelskrieg. Schon jetzt hat die EU zur Warnung Sondervereinbarungen etwa bei der Fischerei oder der Zusammenarbeit in der Wissenschaft ausgesetzt.

In Brüssel liegen die Nerven blank, weil Boris Johnson ein Wiederholungstäter ist. Seine Regierung agitierte von Anfang an gegen das Abkommen, das es selbst abgeschlossen hatte. Seit vorigem Sommer gab es dann weitere Verhandlungen und die EU stimmte einigen Erleichterungen zu. Die Gespräche aber liegen seit Monaten auf Eis, weil die britische Seite weitere Treffen verweigerte. Die Absicht schien offenbar, die Gespräche an die Wand zu fahren, um einen Vorwand für den Vertragsbruch zu finden. Die EU hält London hier für bösgläubig, wie die Juristen sagen.

Brüssel hat das Theater satt

Europa kämpft derzeit gegen steigende Energiepreise, Inflation und extremen politischen Stress durch den Krieg in der Ukraine. Und das gilt für alle Länder ohne Ausnahme. Unter diesen Umständen brauchen Europäer und Briten einen Handelskrieg so dringend wie Pest und Cholera. Es ist ein Akt politischen Irrsinns, für den es keine Entschuldigung gibt.

Ein Akt des politischen Irrsinns

Boris Johnson aber handelt aus Parteitaktik und innenpolitischem Kalkül. Er will seine rechten Brexiteers bei den Konservativen befrieden und gleichzeitig die Freunde in der nordirischen DUP, die seit ihrer Wahlniederlage die Zusammenarbeit in Belfast blockieren.

Ob er mit dem angedrohten Vertragsbruch diese Ziele erreicht, ist zweifelhaft. Aber der gewohnheitsmäßige Hasardeur Johnson versucht es trotzdem: Verantwortungslos, aus Eigeninteresse und mit der Risikobereitschaft eines Spielers. Einmal mehr beweist der britische Premier, dass er ungeeignet ist für sein Amt. Sollte Johnson dieses Jahr doch noch aus der Downing Street gejagt werden, wäre das Aufatmen groß in Europa.

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