Gastkommentar: Endlich! Bundeskanzler Olaf Scholz reist in die Ukraine
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz zum längst überfälligen Besuch nach Kiew kommt, stellt sich die Frage: Hat er auch eine längerfristige Strategie für die Ukraine? Denn ohne die wird es nicht gehen, meint Jörg Himmelreich.
Nach mehr als 110 Tagen barbarischster Kriegsverbrechen Wladimir Putins in der Ukraine, nach mehr als 110 Tagen brutalster Auslöschung ganzer Städte und der dort lebenden Menschen hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen ganzen politischen Mut aufgebracht: Gemeinsam mit Mario Draghi und Emmanuel Macron trifft er in Kiew Präsident Wolodymyr Selenskyj als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Das war längst überfällig. Aber auch jetzt noch ist es eine wichtige Botschaft an Putin, die mehr bewirkt als jedes Telefonat.
Scholz wollte immer erst dann nach Kiew, wenn er auch konkrete Ergebnisse erzielen könne. So darf man gespannt sein, was Scholz jetzt mitbringt. Wenn die Ukraine sich verteidigen können soll – was angeblich ja das ausdrückliche Ziel aller drei europäischen Staatschefs ist – dann braucht die Ukraine schwere Waffen. Und wenn möglich auch die Munition dazu.
Nach mehr als 110 Tagen barbarischster Kriegsverbrechen Wladimir Putins in der Ukraine, nach mehr als 110 Tagen brutalster Auslöschung ganzer Städte und der dort lebenden Menschen hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen ganzen politischen Mut aufgebracht: Gemeinsam mit Mario Draghi und Emmanuel Macron trifft er in Kiew Präsident Wolodymyr Selenskyj als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Das war längst überfällig. Aber auch jetzt noch ist es eine wichtige Botschaft an Putin, die mehr bewirkt als jedes Telefonat.
Scholz’ Politik der Lieferung schwerer Waffen ist bis jetzt allein eine Politik unerfüllter Versprechungen geblieben: Das von ihm am 1. Juni zugesagte hochmoderne und dringend benötigte Luftverteidigungssystems Iris-T SLM steht erst in Monaten zur Verfügung. Die versprochene Lieferung von vier Mehrfachraketenwerfern vom Typ Mars II wurde am Dienstag erst einmal wieder auf drei reduziert.
Scholz’ Politik ist ein einziges, halbherziges Lavieren
Aktuell haben Großbritannien, Norwegen, Polen, Tschechien, Slowakei und viele andere Staaten schwere Waffen geliefert. Nur von der Bundesrepublik als mit Abstand größter Wirtschaftsmacht Europas kam noch nichts Vergleichbares. Scholz’ Politik gegenüber der Ukraine ist ein einziges, halbherziges Lavieren zwischen den NATO-Erwartungen und den Tagesstimmungen friedensbewegter SPD-Fraktionsmitglieder.
Diese Politik ist nicht nur das Ergebnis schlechter Kommunikation, sondern sie entbehrt jeder verteidigungspolitischer Strategie: Welche Finanzmittel, welche Waffen wie lange und mit welchem konkreten Ziel wollen Scholz und die anderen europäischen Staatschefs konkret einsetzen, wenn die Ukraine sich verteidigen können soll?
Das setzt eine ehrliche, nüchterne Einschätzung der politischen und militärischen Lage voraus. Putin wird sich mittelfristig nicht mit der Eroberung des Donbass begnügen – er will die ganze Ukraine und noch viel mehr. Erst in der vergangenen Woche hatte er sich mit Peter dem Großen verglichen, der im 20-jährigen Nordischen Krieg Teile Schwedens habe zurückholen und festigen wollen. Seine Aussagen sind ernst zu nehmen und nicht wie bisher leichtfertig als russische Großmachtträumerei abzutun.
Mit diesem Russland ist ein Frieden in Europa nicht möglich, sondern er muss in transatlantischer Gemeinschaft gegen dieses Land verteidigt werden. Putin will keinen Frieden, sondern Krieg, um Europa zu verändern – und das für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Der Krieg wird auch mit allen Wirtschafts- und Finanzmitteln ausgetragen werden, mit spürbaren Folgen für jeden europäischen Privathaushalt.
Kurzfristig wird es der Ukraine in diesem reinen Abnutzungskrieg im Donbass maximal gelingen, die russische Armee in diesem Jahr an einem weiteren Vordringen ins Land zu hindern. Denn auch Putins Armee braucht nach den gigantischen Verlusten eine Verschnaufpause, um seine Armee im Donbass neu aufzubauen. Das wäre der Moment einer temporären Feuerpause, zu deren Annahme Präsident Selenskyj mit westlichen Sicherheitsgarantien unbedingt bewegt werden sollte – so schwer ihm das auch zuzumuten ist.
Aber der Faktor Zeit spielt eine enorm wichtige Rolle: Wieviel Zeit benötigt Putin für seine Wiederaufrüstung? Wann bekommt die Ukraine endlich die dringend benötigten Waffen? Wie lange brauchen NATO und Bundeswehr, um tatsächlich wieder verteidigungsfähig zu werden und für diesen langen Krieg gewappnet zu sein? Und wie lange nehmen die europäischen Gesellschaften die wirtschaftlichen Belastungen in Kauf?
Auf dieses nur ganz knapp skizzierte Szenario muss der Kanzler die deutsche Bevölkerung im öffentlichen Diskurs vorbereiten, wenn sie seine Politik mittragen soll. Dazu ist allerdings nicht tagespolitisches Lavieren gefragt, sondern politische Führung.
Dr. jur. Jörg Himmelreich ist Professeur Affilié an der École Supérieure de Commerce à Paris (ESCP), Campus Berlin. Bereits 2007 warnte er in der Zeitschrift “Internationale Politik” der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erstmals vor dem Vorgehen Wladimir Putins.
Nach mehr als 110 Tagen barbarischster Kriegsverbrechen Wladimir Putins in der Ukraine, nach mehr als 110 Tagen brutalster Auslöschung ganzer Städte und der dort lebenden Menschen hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen ganzen politischen Mut aufgebracht: Gemeinsam mit Mario Draghi und Emmanuel Macron trifft er in Kiew Präsident Wolodymyr Selenskyj als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Das war längst überfällig. Aber auch jetzt noch ist es eine wichtige Botschaft an Putin, die mehr bewirkt als jedes Telefonat.
Scholz wollte immer erst dann nach Kiew, wenn er auch konkrete Ergebnisse erzielen könne. So darf man gespannt sein, was Scholz jetzt mitbringt. Wenn die Ukraine sich verteidigen können soll – was angeblich ja das ausdrückliche Ziel aller drei europäischen Staatschefs ist – dann braucht die Ukraine schwere Waffen. Und wenn möglich auch die Munition dazu.
Scholz’ Politik ist ein einziges, halbherziges Lavieren
Scholz’ Politik der Lieferung schwerer Waffen ist bis jetzt allein eine Politik unerfüllter Versprechungen geblieben: Das von ihm am 1. Juni zugesagte hochmoderne und dringend benötigte Luftverteidigungssystems Iris-T SLM steht erst in Monaten zur Verfügung. Die versprochene Lieferung von vier Mehrfachraketenwerfern vom Typ Mars II wurde am Dienstag erst einmal wieder auf drei reduziert.
Aktuell haben Großbritannien, Norwegen, Polen, Tschechien, Slowakei und viele andere Staaten schwere Waffen geliefert. Nur von der Bundesrepublik als mit Abstand größter Wirtschaftsmacht Europas kam noch nichts Vergleichbares. Scholz’ Politik gegenüber der Ukraine ist ein einziges, halbherziges Lavieren zwischen den NATO-Erwartungen und den Tagesstimmungen friedensbewegter SPD-Fraktionsmitglieder.
Diese Politik ist nicht nur das Ergebnis schlechter Kommunikation, sondern sie entbehrt jeder verteidigungspolitischer Strategie: Welche Finanzmittel, welche Waffen wie lange und mit welchem konkreten Ziel wollen Scholz und die anderen europäischen Staatschefs konkret einsetzen, wenn die Ukraine sich verteidigen können soll?
Das setzt eine ehrliche, nüchterne Einschätzung der politischen und militärischen Lage voraus. Putin wird sich mittelfristig nicht mit der Eroberung des Donbass begnügen – er will die ganze Ukraine und noch viel mehr. Erst in der vergangenen Woche hatte er sich mit Peter dem Großen verglichen, der im 20-jährigen Nordischen Krieg Teile Schwedens habe zurückholen und festigen wollen. Seine Aussagen sind ernst zu nehmen und nicht wie bisher leichtfertig als russische Großmachtträumerei abzutun.
Mit diesem Russland ist kein Frieden möglich
Mit diesem Russland ist ein Frieden in Europa nicht möglich, sondern er muss in transatlantischer Gemeinschaft gegen dieses Land verteidigt werden. Putin will keinen Frieden, sondern Krieg, um Europa zu verändern – und das für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Der Krieg wird auch mit allen Wirtschafts- und Finanzmitteln ausgetragen werden, mit spürbaren Folgen für jeden europäischen Privathaushalt.
Wie lange nimmt Europa Lasten in Kauf?
Kurzfristig wird es der Ukraine in diesem reinen Abnutzungskrieg im Donbass maximal gelingen, die russische Armee in diesem Jahr an einem weiteren Vordringen ins Land zu hindern. Denn auch Putins Armee braucht nach den gigantischen Verlusten eine Verschnaufpause, um seine Armee im Donbass neu aufzubauen. Das wäre der Moment einer temporären Feuerpause, zu deren Annahme Präsident Selenskyj mit westlichen Sicherheitsgarantien unbedingt bewegt werden sollte – so schwer ihm das auch zuzumuten ist.
Aber der Faktor Zeit spielt eine enorm wichtige Rolle: Wieviel Zeit benötigt Putin für seine Wiederaufrüstung? Wann bekommt die Ukraine endlich die dringend benötigten Waffen? Wie lange brauchen NATO und Bundeswehr, um tatsächlich wieder verteidigungsfähig zu werden und für diesen langen Krieg gewappnet zu sein? Und wie lange nehmen die europäischen Gesellschaften die wirtschaftlichen Belastungen in Kauf?
Auf dieses nur ganz knapp skizzierte Szenario muss der Kanzler die deutsche Bevölkerung im öffentlichen Diskurs vorbereiten, wenn sie seine Politik mittragen soll. Dazu ist allerdings nicht tagespolitisches Lavieren gefragt, sondern politische Führung.
Dr. jur. Jörg Himmelreich ist Professeur Affilié an der École Supérieure de Commerce à Paris (ESCP), Campus Berlin. Bereits 2007 warnte er in der Zeitschrift “Internationale Politik” der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erstmals vor dem Vorgehen Wladimir Putins.