Syrien vor dem Krieg: Ausstellung “Gegen das Vergessen” in Köln
Die Schau im Rautenstrauch-Joest-Museum zeigt Syrien jenseits von Bomben und Zerstörung. Sie erinnert, dass Kulturvernichtung nicht nur in der Ukraine droht – und zeigt die Schönheit und Vielfalt des Landes.
Seit fast vier Monaten schockieren Bilder von Bomben und Zerstörung, Tod und Flucht aus der Ukraine die Welt. Dabei tritt in den Hintergrund, dass der Krieg, den das Assad-Regime in Syrien führt, bereits seit elf Jahren andauert. Zerbombte Städte, von der Terrormiliz IS zerstörte Kulturstätten – diese Bilder prägen den Eindruck von Syrien seit Jahren.
Von einem ganz anderen Syrien mit einem vibrierenden Alltagsleben, von einer traditionsreichen Kunst, dem Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen erzählt die aktuelle Ausstellung “Syrien – Gegen das Vergessen” im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.
Seit fast vier Monaten schockieren Bilder von Bomben und Zerstörung, Tod und Flucht aus der Ukraine die Welt. Dabei tritt in den Hintergrund, dass der Krieg, den das Assad-Regime in Syrien führt, bereits seit elf Jahren andauert. Zerbombte Städte, von der Terrormiliz IS zerstörte Kulturstätten – diese Bilder prägen den Eindruck von Syrien seit Jahren.
“Das Hauptziel ist, nicht über den Krieg zu reden”, sagt der Archäologe Jabbar Abdullah, der die Ausstellung kuratiert hat. Es sei in den vergangenen Jahren ausschließlich über die Schrecken berichtet worden, dabei stehe sein Heimatland für so viel mehr. “Wir wollen ein anderes Syrien zeigen und Syrern eine positive Erinnerung an ihre Heimat geben.”
Kurator Jabbar Abdullah: Student im Arabischen Frühling
Der Kurator erzählt von historischen Artefakten aus der frühesten Menschheitsgeschichte – Leihgaben aus anderen deutschen Sammlungen -, Kalligraphien, die zeitgenössische Kunst repräsentieren, die Besucher erfahren von den unterschiedlichen Dialekten und Kleidungsstilen in Damaskus, Aleppo und Raqqa – und von der Tradition der großen Religionen.
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Judentum. “Das hat eine lange Tradition in Syrien”, sagt Abdullah, “leider darf das Judentum seit Jahrzehnten kein großes Thema mehr sein.” 1947 fanden in Syrien Pogrome gegen Jüdinnen und Juden statt, Anfang der 1990er-Jahre verließen viele das Land, als die Regierung ihnen die Ausreise erlaubte. Heute ist in Damaskus die einzige Synagoge des Landes erhalten geblieben.
Jabbar Abdullah, heute 32 Jahre alt, wuchs in der Nähe von Raqqa auf, studierte an der Universität in Aleppo, als der Arabische Frühling Syrien erreichte und das Regime die Studentenproteste blutig niederschlug. 2013 floh er nach Ägypten, in Alexandria schloss er das Studium mit dem Master ab. “Europa war damals für mich kein Thema”, sagt er.
Doch nach dem Militärputsch habe sich die Sicherheitslage im Land rasant verschlechtert. Über die Türkei reiste Abdullah nach Bulgarien, wo er ein Jahr blieb, bis er 2014 nach Köln kam. Seine Erfahrungen hielt er im 2020 veröffentlichten Buch “Raqqa am Rhein” fest.
Welche Erinnerungen hat er selbst an das Leben in Syrien vor der Gewalt? “Ich habe als Kind in meinem Dorf schon mit Ausgrabungen begonnen”, erzählt Jabbar Abdullah. Diese Zeit sei mit großen Träumen verbunden gewesen, von einer Zukunft in seinem Heimatland. “Auf einmal lebt man in einem neuen Gesellschaftssystem”, sagt er.
Es ist für ihn selbstverständlich, sich anzupassen, zu integrieren, aber in manchen Situation fremdelt er auch nach acht Jahren noch mit den Gepflogenheiten des deutschen Alltags: “Bei Geburtstagen stehen oder sitzen alle in kleinen Gruppen, in Syrien sitzen alle zusammen um einen großen Tisch.”
Der Ausstellungstitel “Gegen das Vergessen” zielt darauf ab, dass stets präsente Schreckensbilder der Gegenwart das Davor vergessen machen – aber auch darauf, dass viele Menschen über das Land vor dem Krieg wenig wissen. Ein Umstand, den nun viele auch mit Blick auf die Ukraine realisieren.
Während die Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staats zwischen 2015 und 2017 das Unesco-Welterbe in der syrischen Oasenstadt Palmyra zerstörten, darunter das von den Römern erbaute Tetrapylon und der Baal-Tempel, zielen russische Raketen heute auf die Kulturstätten der Ukraine. Mit zerstörtem Kulturerbe schwinden auch die Erinnerungen an Geschichte und Tradition.
Jabbar Abdullah hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Vor ein paar Jahren sagte er, er wolle nach dem Kriegsende in seine Heimat zurück kehren, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Von diesen Plänen ist nicht mehr viel übrig.
“Wir sind hoffnungslos”, sagt er heute. An ein Ende des Assad-Regimes glaubt er nicht, zu stark seien die politischen Einflüsse auf das Land, dem aktuell ein weiterer Konflikt mit der Türkei droht.
Es sei wichtig, von außen zu helfen, in privater Initiative Schulen und Kindergärten aufzubauen und Bildung sicherzustellen. “Wir müssen diese junge Generation retten, denn sie wird in 20 Jahren für Syrien sehr wichtig sein”, sagt Jabbar Abdullah.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine verbindet er die “große Sorge”, dass die Situation in seiner Heimat weiter aus dem Blick der internationalen Politik gerät. “Es ist großartig, was Deutschland für die Menschen aus der Ukraine macht, die vor dem Krieg fliehen”, sagt Abdullah.
Unbürokratische Hilfe, Zugang zu Arbeit und Sprachkursen, die Unterbringung in Wohnungen statt in Massenunterkünften – das sind Maßnahmen, die es 2015 für Flüchtlinge aus dem arabischen Raum selten gegeben hat. Ein Unterschied, der Gefahren birgt, findet Abdullah: “Wenn Hilfe nur für bestimmte Gruppen gilt, fühle ich mich nicht zugehörig.”
Die Ausstellung “Syrien – Gegen das Vergessen” im Rautenstrauch-Joest-Museum ist noch bis zum 11. September 2022 zu sehen und wird durch ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Vorträgen und Workshops ergänzt.
Seit fast vier Monaten schockieren Bilder von Bomben und Zerstörung, Tod und Flucht aus der Ukraine die Welt. Dabei tritt in den Hintergrund, dass der Krieg, den das Assad-Regime in Syrien führt, bereits seit elf Jahren andauert. Zerbombte Städte, von der Terrormiliz IS zerstörte Kulturstätten – diese Bilder prägen den Eindruck von Syrien seit Jahren.
Von einem ganz anderen Syrien mit einem vibrierenden Alltagsleben, von einer traditionsreichen Kunst, dem Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen erzählt die aktuelle Ausstellung “Syrien – Gegen das Vergessen” im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.
Kurator Jabbar Abdullah: Student im Arabischen Frühling
“Das Hauptziel ist, nicht über den Krieg zu reden”, sagt der Archäologe Jabbar Abdullah, der die Ausstellung kuratiert hat. Es sei in den vergangenen Jahren ausschließlich über die Schrecken berichtet worden, dabei stehe sein Heimatland für so viel mehr. “Wir wollen ein anderes Syrien zeigen und Syrern eine positive Erinnerung an ihre Heimat geben.”
Der Kurator erzählt von historischen Artefakten aus der frühesten Menschheitsgeschichte – Leihgaben aus anderen deutschen Sammlungen -, Kalligraphien, die zeitgenössische Kunst repräsentieren, die Besucher erfahren von den unterschiedlichen Dialekten und Kleidungsstilen in Damaskus, Aleppo und Raqqa – und von der Tradition der großen Religionen.
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Judentum. “Das hat eine lange Tradition in Syrien”, sagt Abdullah, “leider darf das Judentum seit Jahrzehnten kein großes Thema mehr sein.” 1947 fanden in Syrien Pogrome gegen Jüdinnen und Juden statt, Anfang der 1990er-Jahre verließen viele das Land, als die Regierung ihnen die Ausreise erlaubte. Heute ist in Damaskus die einzige Synagoge des Landes erhalten geblieben.
Jabbar Abdullah, heute 32 Jahre alt, wuchs in der Nähe von Raqqa auf, studierte an der Universität in Aleppo, als der Arabische Frühling Syrien erreichte und das Regime die Studentenproteste blutig niederschlug. 2013 floh er nach Ägypten, in Alexandria schloss er das Studium mit dem Master ab. “Europa war damals für mich kein Thema”, sagt er.
Aleppo, Damaskus, Raqqa, Palmyra: Angriffe auf die Kultur
Doch nach dem Militärputsch habe sich die Sicherheitslage im Land rasant verschlechtert. Über die Türkei reiste Abdullah nach Bulgarien, wo er ein Jahr blieb, bis er 2014 nach Köln kam. Seine Erfahrungen hielt er im 2020 veröffentlichten Buch “Raqqa am Rhein” fest.
Geflüchtete aus Syrien und Ukraine: die gleiche Not
Welche Erinnerungen hat er selbst an das Leben in Syrien vor der Gewalt? “Ich habe als Kind in meinem Dorf schon mit Ausgrabungen begonnen”, erzählt Jabbar Abdullah. Diese Zeit sei mit großen Träumen verbunden gewesen, von einer Zukunft in seinem Heimatland. “Auf einmal lebt man in einem neuen Gesellschaftssystem”, sagt er.
Es ist für ihn selbstverständlich, sich anzupassen, zu integrieren, aber in manchen Situation fremdelt er auch nach acht Jahren noch mit den Gepflogenheiten des deutschen Alltags: “Bei Geburtstagen stehen oder sitzen alle in kleinen Gruppen, in Syrien sitzen alle zusammen um einen großen Tisch.”
Der Ausstellungstitel “Gegen das Vergessen” zielt darauf ab, dass stets präsente Schreckensbilder der Gegenwart das Davor vergessen machen – aber auch darauf, dass viele Menschen über das Land vor dem Krieg wenig wissen. Ein Umstand, den nun viele auch mit Blick auf die Ukraine realisieren.
Während die Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staats zwischen 2015 und 2017 das Unesco-Welterbe in der syrischen Oasenstadt Palmyra zerstörten, darunter das von den Römern erbaute Tetrapylon und der Baal-Tempel, zielen russische Raketen heute auf die Kulturstätten der Ukraine. Mit zerstörtem Kulturerbe schwinden auch die Erinnerungen an Geschichte und Tradition.
Jabbar Abdullah hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Vor ein paar Jahren sagte er, er wolle nach dem Kriegsende in seine Heimat zurück kehren, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Von diesen Plänen ist nicht mehr viel übrig.
“Wir sind hoffnungslos”, sagt er heute. An ein Ende des Assad-Regimes glaubt er nicht, zu stark seien die politischen Einflüsse auf das Land, dem aktuell ein weiterer Konflikt mit der Türkei droht.
Es sei wichtig, von außen zu helfen, in privater Initiative Schulen und Kindergärten aufzubauen und Bildung sicherzustellen. “Wir müssen diese junge Generation retten, denn sie wird in 20 Jahren für Syrien sehr wichtig sein”, sagt Jabbar Abdullah.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine verbindet er die “große Sorge”, dass die Situation in seiner Heimat weiter aus dem Blick der internationalen Politik gerät. “Es ist großartig, was Deutschland für die Menschen aus der Ukraine macht, die vor dem Krieg fliehen”, sagt Abdullah.
Unbürokratische Hilfe, Zugang zu Arbeit und Sprachkursen, die Unterbringung in Wohnungen statt in Massenunterkünften – das sind Maßnahmen, die es 2015 für Flüchtlinge aus dem arabischen Raum selten gegeben hat. Ein Unterschied, der Gefahren birgt, findet Abdullah: “Wenn Hilfe nur für bestimmte Gruppen gilt, fühle ich mich nicht zugehörig.”
Die Ausstellung “Syrien – Gegen das Vergessen” im Rautenstrauch-Joest-Museum ist noch bis zum 11. September 2022 zu sehen und wird durch ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Vorträgen und Workshops ergänzt.