Wirtschaft

Türkische Arbeitskräfte für deutsche Flughäfen: Ein neues 1961?

Deutschland will türkische Arbeiter anwerben, um Personallücken an Flughäfen zu schließen. Türkische Medien jubeln bereits über ein neues Anwerbeabkommen und ziehen Vergleiche zum Jahr 1961.

Der Arbeitskräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist zwar kein neues Phänomen. Doch an den Flughäfen besteht bundesweit ein akuter Bedarf. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen freuen sich viele Deutsche in den diesen Wochen, in den Urlaub zu fahren. Doch an den Flughäfen warten oft endlos lange Schlangen, Flüge verspäten sich oder werden ganz gestrichen. 

Angesichts der angespannten Situation wollen die deutschen Flughafenbetreiber nun zusätzlich türkische Arbeitskräfte einsetzen. Rund 2000 Arbeiter aus der Türkei sollen vorübergehend angeworben und hauptsächlich in der Gepäckabfertigung eingesetzt werden. Problematisch ist, dass die ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht an den besonders überlasteten Sicherheitskontrollen eingesetzt werden dürfen.

Der Arbeitskräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist zwar kein neues Phänomen. Doch an den Flughäfen besteht bundesweit ein akuter Bedarf. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen freuen sich viele Deutsche in den diesen Wochen, in den Urlaub zu fahren. Doch an den Flughäfen warten oft endlos lange Schlangen, Flüge verspäten sich oder werden ganz gestrichen. 

Die Bundesregierung stehe den Unternehmen des Luftverkehrs in diesen schwierigen Zeiten zur Seite, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch in einer Pressekonferenz.

Beschleunigte Bürokratie für schnelle Entspannung 

“Wir helfen ihnen jetzt mit sehr kurzfristigen Maßnahmen. Wir ermöglichen, dass die Unternehmen Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allen Dingen aus der Türkei, einsetzen können. Die nötigen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse erteilen wir sehr schnell”, so Faeser. Es gelte aber ganz klar, dass diese Hilfskräfte die gleichen strengen Zuverlässigkeitsüberprüfungen wie alle anderen durchlaufen müssten.

Das bestätigt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) im Gespräch mit der DW. Die notwendigen Verfahren zur Zuverlässigkeitsprüfung von neuen Mitarbeitern aus Drittstaaten sollten jetzt von den Behörden beschleunigt durchgeführt werden, damit die Arbeitskräfte während der Sommermonate kurzfristig eingesetzt werden können, sagte BDL-Pressesprecherin Julia Fohmann. “Statt in zwei bis drei Monaten sollte das jetzt möglichst in zwei bis vier Wochen abgeschlossen sein.”

Türkische Gewerkschaften und Abfertigungsfirmen in Istanbul und Ankara seien momentan über das Thema nicht informiert, so Emre Eser, Korrespondent der Türkischen Redaktion der DW in der Türkei. Dem türkischen Flughafenbetreiber TAV Airports Holding sowie der türkischen Fluggesellschaft Turkish Airlines liegen aktuell ebenfalls keine Informationen vor. Auch die deutsche Botschaft in Ankara teilte der DW mit, dass sie am Prozess nicht beteiligt sei.

Der Gründer von Bonnair Tours, Mustafa Kocabayraktar, der sich auch um Visumsangelegenheiten von Arbeitskräften kümmert, teilte der DW mit, dass er derzeit viele Anfragen bekomme. Er könne diese aber nicht befriedigend beantworten, weil ihm Informationen fehlen. 

Fest steht, dass die Arbeitskräfte, die aus der Türkei nach Deutschland kommen sollen, auch in der Türkei benötigt werden. Schließlich handelt es sich um Menschen mit Vorkenntnissen und “Erfahrungen im Bereich Luftverkehr und Bodenverkehrsdiensten an türkischen Flughäfen”, so die deutsche Innenministerin Faeser.

DW-Korrespondent Eser betont, dass die Türkei ihre Flughafenmitarbeiter nicht verlieren will – schon gar nicht in der Hochsaison. Gerade qualifizierte Mitarbeiter mit Deutsch- und Englischkenntnissen werden an den türkischen Flughäfen derzeit intensiv eingesetzt.

Tourismus hat in der Türkei enorme wirtschaftliche Bedeutung. “Die Erwartungen nach zwei Jahren Pandemie sind sehr hoch”, so Eser. Die Türkei könne in dieser schwierigen Zeit Probleme machen, wenn qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland geholt werden sollen.

Die Idee hat bisher in der türkischen Öffentlichkeit eine große Resonanz gefunden. Die türkischen Medien berichteten über das Thema flächendeckend. “Deutschland wird türkische Gastarbeiter anwerben” hieß es in mehreren Schlagzeilen. Das Monatsgehalt betrage 4000 Euro, hieß es einigen Berichten, manchmal war sogar von 6000 Euro die Rede. 

Zahlreiche türkische Arbeiter waren nach den ersten Berichten euphorisch, hat Emre Eser beobachtet. “Viele Arbeiter dachten, dass sie nach Deutschland auswandern und dort bleiben würden. Viele dachten, dass sie dauerhaft oder zumindest langfristig in Deutschland bleiben dürften.”

Aber je mehr Details bekannt wurden, desto größer wurde die Enttäuschung. Derzeit ist geplant, türkische Arbeiter nur für kurze Zeit nach Deutschland zu holen. Nach Angaben der Arbeits­ge­mein­schaft Deut­scher Ver­kehrs­flug­hä­fen (ADV) sollen sie befristet für bis zu drei Monate eingesetzt werden. 

Türkische Arbeiter, die für eine begrenzte Zeit nach Deutschland kommen und Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen sollen – hier drängt sich der Gedanke an das Anwerbeabkommen von 1961 fast automatisch auf.

Durch das Abkommen kamen mehrere Generationen türkischer Arbeiter und bald auch deren Familien nach Deutschland und trugen zum deutschen Wirtschaftswunder bei.

Viele türkische Medien ziehen in ihrer Berichterstattung über Flughafenpersonal nun Parallelen zum Abkommen von damals. “Zum ersten Mal seit 1961!” ist in vielen Überschriften zu lesen. 

Ist also zu erwarten, dass sich das aktuelle Anwerbeprojekt auf andere Bereiche ausweitet? Offiziell nicht. Die deutschen Minister für Verkehr und für Arbeit sowie die Innenministerin betonten in ihrer gemeinsamen Pressekonferenz, es handele sich lediglich um eine zeitlich befristete Maßnahme. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil stellte klar: “Es ist keine dauerhafte Einwanderung nach Deutschland.”

Yunus Ulusoy leitet den Programmbereich “Migration und Integration im grenzüberschreitenden Raum Deutschland-Türkei” des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen.

Er hält einen Vergleich zwischen dem aktuellen Projekt und 1961 für falsch. Die Rahmenbedingungen seien damals ganz andere gewesen. “Damals brauchte Deutschland auch Fachkräfte, aber war nicht darauf ausgerichtet, sie einzuladen. Deswegen wurden bilaterale Abkommen geschlossen. Heute gibt es das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, das sich an Arbeitskräfte aus aller Welt richtet”, so Ulusoy. 

Trotzdem sieht er Parallelen: “Die Türkei wurde damals als eine Notlösung gesehen: einige Tausend Arbeitskräfte, die für eine befristete Zeit nach Deutschland kommen sollen. Auch war keine Familienzusammenführung vorgesehen. Doch die Arbeiter haben sich bewiesen, deshalb wollten die Arbeitgeber sie nicht gehen lassen”, so Ulusoy weiter.

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Bundespräsident Steinmeier besucht das Ruhrgebiet

Der Arbeitskräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist zwar kein neues Phänomen. Doch an den Flughäfen besteht bundesweit ein akuter Bedarf. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen freuen sich viele Deutsche in den diesen Wochen, in den Urlaub zu fahren. Doch an den Flughäfen warten oft endlos lange Schlangen, Flüge verspäten sich oder werden ganz gestrichen. 

Angesichts der angespannten Situation wollen die deutschen Flughafenbetreiber nun zusätzlich türkische Arbeitskräfte einsetzen. Rund 2000 Arbeiter aus der Türkei sollen vorübergehend angeworben und hauptsächlich in der Gepäckabfertigung eingesetzt werden. Problematisch ist, dass die ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht an den besonders überlasteten Sicherheitskontrollen eingesetzt werden dürfen.

Beschleunigte Bürokratie für schnelle Entspannung 

Die Bundesregierung stehe den Unternehmen des Luftverkehrs in diesen schwierigen Zeiten zur Seite, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch in einer Pressekonferenz.

“Wir helfen ihnen jetzt mit sehr kurzfristigen Maßnahmen. Wir ermöglichen, dass die Unternehmen Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allen Dingen aus der Türkei, einsetzen können. Die nötigen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse erteilen wir sehr schnell”, so Faeser. Es gelte aber ganz klar, dass diese Hilfskräfte die gleichen strengen Zuverlässigkeitsüberprüfungen wie alle anderen durchlaufen müssten.

Das bestätigt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) im Gespräch mit der DW. Die notwendigen Verfahren zur Zuverlässigkeitsprüfung von neuen Mitarbeitern aus Drittstaaten sollten jetzt von den Behörden beschleunigt durchgeführt werden, damit die Arbeitskräfte während der Sommermonate kurzfristig eingesetzt werden können, sagte BDL-Pressesprecherin Julia Fohmann. “Statt in zwei bis drei Monaten sollte das jetzt möglichst in zwei bis vier Wochen abgeschlossen sein.”

Türkische Gewerkschaften und Abfertigungsfirmen in Istanbul und Ankara seien momentan über das Thema nicht informiert, so Emre Eser, Korrespondent der Türkischen Redaktion der DW in der Türkei. Dem türkischen Flughafenbetreiber TAV Airports Holding sowie der türkischen Fluggesellschaft Turkish Airlines liegen aktuell ebenfalls keine Informationen vor. Auch die deutsche Botschaft in Ankara teilte der DW mit, dass sie am Prozess nicht beteiligt sei.

Türkische Stellen nicht informiert 

Der Gründer von Bonnair Tours, Mustafa Kocabayraktar, der sich auch um Visumsangelegenheiten von Arbeitskräften kümmert, teilte der DW mit, dass er derzeit viele Anfragen bekomme. Er könne diese aber nicht befriedigend beantworten, weil ihm Informationen fehlen. 

Die Türkei braucht sie auch

Fest steht, dass die Arbeitskräfte, die aus der Türkei nach Deutschland kommen sollen, auch in der Türkei benötigt werden. Schließlich handelt es sich um Menschen mit Vorkenntnissen und “Erfahrungen im Bereich Luftverkehr und Bodenverkehrsdiensten an türkischen Flughäfen”, so die deutsche Innenministerin Faeser.

DW-Korrespondent Eser betont, dass die Türkei ihre Flughafenmitarbeiter nicht verlieren will – schon gar nicht in der Hochsaison. Gerade qualifizierte Mitarbeiter mit Deutsch- und Englischkenntnissen werden an den türkischen Flughäfen derzeit intensiv eingesetzt.

Tourismus hat in der Türkei enorme wirtschaftliche Bedeutung. “Die Erwartungen nach zwei Jahren Pandemie sind sehr hoch”, so Eser. Die Türkei könne in dieser schwierigen Zeit Probleme machen, wenn qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland geholt werden sollen.

Euphorie und Enttäuschung unter türkischen Arbeitern 

Die Idee hat bisher in der türkischen Öffentlichkeit eine große Resonanz gefunden. Die türkischen Medien berichteten über das Thema flächendeckend. “Deutschland wird türkische Gastarbeiter anwerben” hieß es in mehreren Schlagzeilen. Das Monatsgehalt betrage 4000 Euro, hieß es einigen Berichten, manchmal war sogar von 6000 Euro die Rede. 

Zahlreiche türkische Arbeiter waren nach den ersten Berichten euphorisch, hat Emre Eser beobachtet. “Viele Arbeiter dachten, dass sie nach Deutschland auswandern und dort bleiben würden. Viele dachten, dass sie dauerhaft oder zumindest langfristig in Deutschland bleiben dürften.”

Ein neues 1961? 

Aber je mehr Details bekannt wurden, desto größer wurde die Enttäuschung. Derzeit ist geplant, türkische Arbeiter nur für kurze Zeit nach Deutschland zu holen. Nach Angaben der Arbeits­ge­mein­schaft Deut­scher Ver­kehrs­flug­hä­fen (ADV) sollen sie befristet für bis zu drei Monate eingesetzt werden. 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Türkische Arbeiter, die für eine begrenzte Zeit nach Deutschland kommen und Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen sollen – hier drängt sich der Gedanke an das Anwerbeabkommen von 1961 fast automatisch auf.

Durch das Abkommen kamen mehrere Generationen türkischer Arbeiter und bald auch deren Familien nach Deutschland und trugen zum deutschen Wirtschaftswunder bei.

Viele türkische Medien ziehen in ihrer Berichterstattung über Flughafenpersonal nun Parallelen zum Abkommen von damals. “Zum ersten Mal seit 1961!” ist in vielen Überschriften zu lesen. 

Ist also zu erwarten, dass sich das aktuelle Anwerbeprojekt auf andere Bereiche ausweitet? Offiziell nicht. Die deutschen Minister für Verkehr und für Arbeit sowie die Innenministerin betonten in ihrer gemeinsamen Pressekonferenz, es handele sich lediglich um eine zeitlich befristete Maßnahme. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil stellte klar: “Es ist keine dauerhafte Einwanderung nach Deutschland.”

Yunus Ulusoy leitet den Programmbereich “Migration und Integration im grenzüberschreitenden Raum Deutschland-Türkei” des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen.

Er hält einen Vergleich zwischen dem aktuellen Projekt und 1961 für falsch. Die Rahmenbedingungen seien damals ganz andere gewesen. “Damals brauchte Deutschland auch Fachkräfte, aber war nicht darauf ausgerichtet, sie einzuladen. Deswegen wurden bilaterale Abkommen geschlossen. Heute gibt es das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, das sich an Arbeitskräfte aus aller Welt richtet”, so Ulusoy. 

Trotzdem sieht er Parallelen: “Die Türkei wurde damals als eine Notlösung gesehen: einige Tausend Arbeitskräfte, die für eine befristete Zeit nach Deutschland kommen sollen. Auch war keine Familienzusammenführung vorgesehen. Doch die Arbeiter haben sich bewiesen, deshalb wollten die Arbeitgeber sie nicht gehen lassen”, so Ulusoy weiter.

Angesichts der aktuellen Anspannung auf dem deutschen Arbeitsmarkt hofft die Luftverkehrswirtschaft auf baldige Erleichterungen für die Einwanderung von Arbeitskräften: “Im Einklang mit der gesamten deutschen Wirtschaft fordern wir bereits seit Jahren, dass Deutschland seine Bestimmungen zur Arbeitsmigration nach Deutschland deutlich erleichtert”, sagt BDL-Sprecherin Fohmann.

Auch wenn es diesmal offiziell wieder nicht um Migration, sondern um eine temporäre Lösung geht: Das Vorgehen der Bundesregierung schürt Hoffnungen für Arbeitskräfte in der Türkei – einem Land, das sich in einer Wirtschaftskrise befindet und unter hoher Inflation leidet.

Auch wenn es diesmal offiziell wieder nicht um Migration, sondern um eine temporäre Lösung geht: Das Vorgehen der Bundesregierung schürt Hoffnungen für Arbeitskräfte in der Türkei – einem Land, das sich in einer Wirtschaftskrise befindet und unter hoher Inflation leidet.

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