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“Zuerst Italien”: Wer ist Giorgia Meloni?

Bei der Wahl 2018 holten die rechtsextremen “Brüder Italiens” nur vier Prozent. Vor den Neuwahlen im September führen sie mit 22 Prozent in den Umfragen. Ihre Chefin könnte Italiens erste Premierministerin werden.

Ein Steinplatte und ein verwelkter Kranz erinnern in der Via della Scrofa in Rom, nicht weit vom Sitz des Parlaments im historischen Zentrum, an den antifaschistischen Widerstandskämpfer Alberto Marchesi. 1944 wurde er von deutschen SS-Männern in den Adreatinischen Höhlen hingerichtet. Die Gedenktafel hängt links vom großen Torbogen am gelb getünchten Palazzo. Rechts davon eine viel kleinere Tafel aus Plexiglas, die auf den Sitz der neofaschistischen Partei “Fratelli d’Italia” in dem Gebäude hinweist. Ein seltsames Nebeneinander.

In der Via della Scrofa 39 residieren seit 1946 neofaschistische Parteien. Erst die Bewegung MSI, dann die nationale Allianz und jetzt die Brüder Italiens, benannt nach dem ersten Vers der italienischen Nationalhymne. Giorgia Meloni, die Parteivorsitzende, hat viel Wert darauf gelegt, in dem historischen Gebäude zu bleiben, in dem Gefolgsleute des ehemaligen faschistischen Führers Benito Mussolini ein- und ausgingen. Ansonsten hat sie nach eigenen Angaben ein ungebrochenes Verhältnis zur Geschichte. Diktator Mussolini sei “eine vielschichtige Persönlichkeit” gewesen, sagte sie in Interviews. Unter Mussolini habe es auch Gutes gegeben, ist noch heute die Meinung von manchem Italiener.

Ein Steinplatte und ein verwelkter Kranz erinnern in der Via della Scrofa in Rom, nicht weit vom Sitz des Parlaments im historischen Zentrum, an den antifaschistischen Widerstandskämpfer Alberto Marchesi. 1944 wurde er von deutschen SS-Männern in den Adreatinischen Höhlen hingerichtet. Die Gedenktafel hängt links vom großen Torbogen am gelb getünchten Palazzo. Rechts davon eine viel kleinere Tafel aus Plexiglas, die auf den Sitz der neofaschistischen Partei “Fratelli d’Italia” in dem Gebäude hinweist. Ein seltsames Nebeneinander.

Eine klare Distanzierung vom Faschismus gibt es von Meloni nicht. In ihrer Autobiografie schreibt sie, ihr sei bewusst, dass sie ein politisch vermintes Feld betrete: “Wir sind Kinder unserer Geschichte. Unserer ganzen Geschichte. Wie für alle anderen Nationen ist unser Weg, den wir zurückgelegt haben, komplex, sehr viel komplizierter, als viele es erzählen wollen.” Nur den Führer-Kult des Faschismus lehnt die Parteichefin ab, schrieb sie weiter. Ein Symbol der Faschisten ist ständig präsent, wenn Giorgia Meloni zum Beispiel Pressekonferenzen in der Parteizentrale abhält.

Wenig Distanz

Hinter ihr prangt dann das Logo der Brüder: eine stilisierte Flamme in den italienischen Farben. Diese ewige Flamme brennt im übertragenen Sinne an Mussolinis Grab. “Ich habe nichts, für das ich mich entschuldigen müsste in meinem Leben. Aber in zwei von drei Fernsehdiskussionen soll ich über Geschichte und nicht über aktuelle Politik reden. Das finde ich nicht richtig.”

In Vorbereitung der kommenden Wahlkampagne hat Giorgia Meloni ihre Parteigliederungen schon im vergangenen Herbst per interner Memos angewiesen, keine extremen Aussagen mehr zu machen, keinen Bezug auf Faschismus zu nehmen und vor allem den “römischen Gruß”, der dem “Hitlergruß” mit ausgestrecktem rechtem Arm ähnelt, zu unterlassen. Die Partei, die bald die Ministerpräsidentin stellen könnte, soll aus der extremen Ecke nach “Mitte rechts” geführt werden. Schließlich will Giorgia Meloni nach den vorgezogenen Wahlen am 25. September mit den anderen rechten Parteien “Lega” unter Matteo Salvini und “Forza Italia”, gesteuert von Silvio Berlusconi, eine Koalition bilden, die eine bürgerlich-rechte Fassade haben soll.

“Dass sie (Meloni) es in Italien so weit gebracht hat, liegt an all denen, die sie schönfärben. Von den Medien, die darauf bestehen, Salvini und Meloni als Mitte-Rechts zu bezeichnen, über Berlusconi und die Grillini, die sie an die Macht gebracht haben, bis hin zu einer desorientierten linken Mitte, die sie unterschätzt und legitimiert hat”, meint die spanische Journalistin Alba Sidera, die sich seit Jahren mit der Rechten in Italien befasst. “Meloni ist nicht aus dem Nichts aufgetaucht. Seit Jahren bereitet sie sich darauf vor, Premierministerin zu werden.”

Giorgia Meloni, Jahrgang 1977, trat als 15 Jahre alte Schülerin der “Jugendfront” der neofaschistischen Partei MSI bei, um ein Zeichen gegen den linksextremen Terror jener Jahre in Italien zu setzen. Später führte sie die Studentenvereinigung der rechtsextremen “Nationalen Allianz” und wurde 2006 in die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments gewählt. 2008 wurde sie die jüngste Ministerin Italiens. Mit 31 Jahren übernahm sie das Jugendressort in der Regierung von Silvio Berlusconi. Vor zehn Jahren gründete Giorgia Meloni die “Brüder Italiens”, deren Vorsitz sie seit 2014 innehat. 2020 übernahm sie auch den Vorsitz der europäischen Parteifamilie “ECR”, zu der neben anderen die polnische Regierungspartei PiS gehört.

Mit dem populistischen Slogan “Zuerst Italien und die Italiener!” wird Meloni in den Wahlkampf ziehen. Sie fordert mehr familienfreundliche Wohltaten, weniger europäische Bürokratie, niedrige Steuern, einen Stopp von Einwanderung. Die EU-Verträge und Italiens Mitgliedschaft in der Währungsgemeinschaft Euro will sie neu verhandeln. Abtreibungen werden ebenso abgelehnt wie die Ehe für alle. Wirtschafts- und außenpolitisch ist die gelernte Fremdsprachensekretärin relativ unerfahren. Sie hat zeitlebens als Abgeordnete und Parteifunktionärin gearbeitet.

Auf die beißende Kritik an ihrer Person aus dem linken politischen Lager reagiert Giorgia Meloni in einem Facebook-Beitrag gelassen. Die Schriftstellerin Ginevra Bompani sagte dem Fernsehsender La7, “die Meloni ist ein echter Trottel … sie ist von Nazis umgeben.” Die angegriffene Meloni erwiderte auf Facebook, sie sei es leid, immer als “die schwarze Dame” dargestellt zu werden. Ihre Gegner seien nur verzweifelt, weil sie so erfolgreich sei. Sie mit Mussolini, Hitler oder Putin in Verbindung zu bringen, sei lächerlich. “Ich unterstütze schließlich die Ukraine”, sagte die Parteichefin. In einem Fernsehinterview empfahl sie ihren Kritikern, sich ein Beispiel an Frankreich oder Deutschland zu nehmen. Dort seien auch rechtspopulistische Parteien erfolgreich gewesen und niemand habe daraus einen Skandal gemacht. “Warum sollte das in Italien anders funktionieren?” In Deutschland bezog sich Meloni auf die “AfD”, die bei den Bundestagswahlen Stimmen verloren hat und auf gut zehn Prozent kam.

In Europa setzt die Chefin der “Brüder Italiens” auf italienische Führung, um die EU zu einer lockeren Wirtschaftsvereinigung umzuformen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sei geschwächt durch die fehlende Mehrheit im Parlament. Bundeskanzler Olaf Scholz sei unsicher, meinte Meloni kürzlich in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender RAI. Scholz habe sicher nicht die gleiche Stärke wie seine Vorgängerin Angela Merkel. Und da käme sie dann ins Spiel, suggerierte Meloni, die mit einem Fernsehjournalisten verheiratet ist und genau auf ihr neues seriöses Image achtet.

Italien I Politikerin I Giorgia Meloni
Italien I Politikerin I Giorgia Meloni
Italien I Politikerin I Giorgia Meloni

Ein Steinplatte und ein verwelkter Kranz erinnern in der Via della Scrofa in Rom, nicht weit vom Sitz des Parlaments im historischen Zentrum, an den antifaschistischen Widerstandskämpfer Alberto Marchesi. 1944 wurde er von deutschen SS-Männern in den Adreatinischen Höhlen hingerichtet. Die Gedenktafel hängt links vom großen Torbogen am gelb getünchten Palazzo. Rechts davon eine viel kleinere Tafel aus Plexiglas, die auf den Sitz der neofaschistischen Partei “Fratelli d’Italia” in dem Gebäude hinweist. Ein seltsames Nebeneinander.

In der Via della Scrofa 39 residieren seit 1946 neofaschistische Parteien. Erst die Bewegung MSI, dann die nationale Allianz und jetzt die Brüder Italiens, benannt nach dem ersten Vers der italienischen Nationalhymne. Giorgia Meloni, die Parteivorsitzende, hat viel Wert darauf gelegt, in dem historischen Gebäude zu bleiben, in dem Gefolgsleute des ehemaligen faschistischen Führers Benito Mussolini ein- und ausgingen. Ansonsten hat sie nach eigenen Angaben ein ungebrochenes Verhältnis zur Geschichte. Diktator Mussolini sei “eine vielschichtige Persönlichkeit” gewesen, sagte sie in Interviews. Unter Mussolini habe es auch Gutes gegeben, ist noch heute die Meinung von manchem Italiener.

Wenig Distanz

Eine klare Distanzierung vom Faschismus gibt es von Meloni nicht. In ihrer Autobiografie schreibt sie, ihr sei bewusst, dass sie ein politisch vermintes Feld betrete: “Wir sind Kinder unserer Geschichte. Unserer ganzen Geschichte. Wie für alle anderen Nationen ist unser Weg, den wir zurückgelegt haben, komplex, sehr viel komplizierter, als viele es erzählen wollen.” Nur den Führer-Kult des Faschismus lehnt die Parteichefin ab, schrieb sie weiter. Ein Symbol der Faschisten ist ständig präsent, wenn Giorgia Meloni zum Beispiel Pressekonferenzen in der Parteizentrale abhält.

Hinter ihr prangt dann das Logo der Brüder: eine stilisierte Flamme in den italienischen Farben. Diese ewige Flamme brennt im übertragenen Sinne an Mussolinis Grab. “Ich habe nichts, für das ich mich entschuldigen müsste in meinem Leben. Aber in zwei von drei Fernsehdiskussionen soll ich über Geschichte und nicht über aktuelle Politik reden. Das finde ich nicht richtig.”

In Vorbereitung der kommenden Wahlkampagne hat Giorgia Meloni ihre Parteigliederungen schon im vergangenen Herbst per interner Memos angewiesen, keine extremen Aussagen mehr zu machen, keinen Bezug auf Faschismus zu nehmen und vor allem den “römischen Gruß”, der dem “Hitlergruß” mit ausgestrecktem rechtem Arm ähnelt, zu unterlassen. Die Partei, die bald die Ministerpräsidentin stellen könnte, soll aus der extremen Ecke nach “Mitte rechts” geführt werden. Schließlich will Giorgia Meloni nach den vorgezogenen Wahlen am 25. September mit den anderen rechten Parteien “Lega” unter Matteo Salvini und “Forza Italia”, gesteuert von Silvio Berlusconi, eine Koalition bilden, die eine bürgerlich-rechte Fassade haben soll.

“Dass sie (Meloni) es in Italien so weit gebracht hat, liegt an all denen, die sie schönfärben. Von den Medien, die darauf bestehen, Salvini und Meloni als Mitte-Rechts zu bezeichnen, über Berlusconi und die Grillini, die sie an die Macht gebracht haben, bis hin zu einer desorientierten linken Mitte, die sie unterschätzt und legitimiert hat”, meint die spanische Journalistin Alba Sidera, die sich seit Jahren mit der Rechten in Italien befasst. “Meloni ist nicht aus dem Nichts aufgetaucht. Seit Jahren bereitet sie sich darauf vor, Premierministerin zu werden.”

Kein römischer Gruß mehr

Giorgia Meloni, Jahrgang 1977, trat als 15 Jahre alte Schülerin der “Jugendfront” der neofaschistischen Partei MSI bei, um ein Zeichen gegen den linksextremen Terror jener Jahre in Italien zu setzen. Später führte sie die Studentenvereinigung der rechtsextremen “Nationalen Allianz” und wurde 2006 in die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments gewählt. 2008 wurde sie die jüngste Ministerin Italiens. Mit 31 Jahren übernahm sie das Jugendressort in der Regierung von Silvio Berlusconi. Vor zehn Jahren gründete Giorgia Meloni die “Brüder Italiens”, deren Vorsitz sie seit 2014 innehat. 2020 übernahm sie auch den Vorsitz der europäischen Parteifamilie “ECR”, zu der neben anderen die polnische Regierungspartei PiS gehört.

Neofaschistische Funktionärin

Mit dem populistischen Slogan “Zuerst Italien und die Italiener!” wird Meloni in den Wahlkampf ziehen. Sie fordert mehr familienfreundliche Wohltaten, weniger europäische Bürokratie, niedrige Steuern, einen Stopp von Einwanderung. Die EU-Verträge und Italiens Mitgliedschaft in der Währungsgemeinschaft Euro will sie neu verhandeln. Abtreibungen werden ebenso abgelehnt wie die Ehe für alle. Wirtschafts- und außenpolitisch ist die gelernte Fremdsprachensekretärin relativ unerfahren. Sie hat zeitlebens als Abgeordnete und Parteifunktionärin gearbeitet.

Auf die beißende Kritik an ihrer Person aus dem linken politischen Lager reagiert Giorgia Meloni in einem Facebook-Beitrag gelassen. Die Schriftstellerin Ginevra Bompani sagte dem Fernsehsender La7, “die Meloni ist ein echter Trottel … sie ist von Nazis umgeben.” Die angegriffene Meloni erwiderte auf Facebook, sie sei es leid, immer als “die schwarze Dame” dargestellt zu werden. Ihre Gegner seien nur verzweifelt, weil sie so erfolgreich sei. Sie mit Mussolini, Hitler oder Putin in Verbindung zu bringen, sei lächerlich. “Ich unterstütze schließlich die Ukraine”, sagte die Parteichefin. In einem Fernsehinterview empfahl sie ihren Kritikern, sich ein Beispiel an Frankreich oder Deutschland zu nehmen. Dort seien auch rechtspopulistische Parteien erfolgreich gewesen und niemand habe daraus einen Skandal gemacht. “Warum sollte das in Italien anders funktionieren?” In Deutschland bezog sich Meloni auf die “AfD”, die bei den Bundestagswahlen Stimmen verloren hat und auf gut zehn Prozent kam.

In Europa setzt die Chefin der “Brüder Italiens” auf italienische Führung, um die EU zu einer lockeren Wirtschaftsvereinigung umzuformen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sei geschwächt durch die fehlende Mehrheit im Parlament. Bundeskanzler Olaf Scholz sei unsicher, meinte Meloni kürzlich in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender RAI. Scholz habe sicher nicht die gleiche Stärke wie seine Vorgängerin Angela Merkel. Und da käme sie dann ins Spiel, suggerierte Meloni, die mit einem Fernsehjournalisten verheiratet ist und genau auf ihr neues seriöses Image achtet.

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