Fischsterben an der Oder: Der Fluss und die Touristen
Die Umweltkatastrophe hat Folgen für den Tourismus. Angeln und Kanufahren sind vorerst verboten. Betroffene hoffen auf schnelle Klärung der Ursache und einen baldigen Neustart. DW-Reporterin Lisa Stüve war vor Ort.
Ruhig, gleichmäßig fließend, fast malerisch liegt sie da, die Oder. Kanufahrer und Angler, die hier sonst zum Bild gehören, sind allerdings nirgends zu sehen. Ich bin am Fluss unterwegs mit Andreas Hein und Ingo Kaphus, Ranger des Nationalparks Unteres Odertal. “Wenn man nicht wüsste, was hier passiert ist, würde man denken, es ist alles normal. Es riecht auch nicht mehr”, erzählt Andreas Hein. “Bis vor wenigen Tagen war der Fluss hier mit Fischkadavern bedeckt.”
Die gewaltige Umweltkatastrophe an der Oder, die seit Wochen die Schlagzeilen bestimmt, könnte man hier fast vergessen. Auf den Oderauen rasten Graugänse, über uns fliegt eine Storchenfamilie. Hier sind über 294 Vogelarten heimisch, erklärt Ranger Ingo. Auf dem Weg an die Oder müssen wir immer wieder Radlern ausweichen, die auf dem Oder-Neiße-Radweg unterwegs sind.
Ruhig, gleichmäßig fließend, fast malerisch liegt sie da, die Oder. Kanufahrer und Angler, die hier sonst zum Bild gehören, sind allerdings nirgends zu sehen. Ich bin am Fluss unterwegs mit Andreas Hein und Ingo Kaphus, Ranger des Nationalparks Unteres Odertal. “Wenn man nicht wüsste, was hier passiert ist, würde man denken, es ist alles normal. Es riecht auch nicht mehr”, erzählt Andreas Hein. “Bis vor wenigen Tagen war der Fluss hier mit Fischkadavern bedeckt.”
Über die Touristen freuen sich die Ranger. Was die Katastrophe für den Nationalpark auf lange Sicht bedeutet, könne man noch nicht absehen, erzählen mir die beiden. Sie hoffen, dass die Menschen sich nicht abschrecken lassen von den Nachrichten und den Bildern und stattdessen die vielen Alternativen, die der Park zu bieten hat, nutzen.
Der Odertourismus nach dem Fischsterben
Tonnenweise tote Fische wurden seit Anfang August aus dem deutsch-polnischen Grenzfluss geborgen. Die genauen Ursachen für das massenhafte Sterben sind noch ungeklärt. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Ausbreitung einer toxischen Alge das Sterben der Fisch- und Weichtiere hervorgerufen hat.
Was feststeht: Das Ökosystem braucht voraussichtlich Jahre, bis es sich regenerieren wird. Nicht minder hart hat es die Menschen in der Region getroffen, vor allem jene, die mit dem Odertourismus ihr Geld verdienen. Die Boote der Kanubetreiber, sie bleiben vorerst an Land, geangelt wird aus guten Gründen nicht mehr, und in Kienitz im Oderbruch sind die Übernachtungszahlen eingebrochen. Die Besitzerin des Eisladens in Criewen hingegen kann sich nicht beklagen. Es sei so voll wie immer, sagt sie mir.
Mit den beiden Rangern des Nationalparks gelange ich an den Kranich-Aussichtsturm, der auch von den Oder-Neiße-Radlern frequentiert wird. “Ruhiger als sonst ist es schon, obwohl Sonntag ist”, sagt Andreas. Die Aussicht auf die einzigartige Auenlandschaft kann ich dafür in Ruhe genießen. Beim Runterklettern treffe ich auf Nathalie und Thomas aus Berlin, die gerade ihre Räder anschließen. Das Fischsterben hätten sie natürlich verfolgt, aber von der Radtour abgehalten hat es sie nicht. “Wir wollen ja hier nicht baden”, sagt Thomas. Auch Marie und ihr Mann sind heute spontan zu einem Fahrradausflug aufgebrochen. Die Katastrophe habe sie nicht abgestoßen. “Wir wollen die Natur und Weite genießen”, schwärmt Marie. Eine Familie aus Berlin, die hier wandert, erwidert auf meine Nachfrage nur, zum Fischessen fahre man ans Meer und nicht an die Oder, und zieht weiter.
Was die einen mit einer läppischen Bemerkung abtun, ist für die anderen auf lange Sicht existenzgefährdend. Das Kanuequipment von Frauke Bennett kommt heute nicht zum Einsatz. Stattdessen liegen Stechpaddel, Sicherheitstonnen und Schwimmwesten in ihrem VW Bus mit der Aufschrift “flusslandschaft reisen”. Hündin Babett wacht über die Ausrüstung, die hoffentlich bald wieder zum Einsatz kommt.
Wann, das ist allerdings ungewiss, denn bis auf weiteres darf die Oder nicht befahren werden. Die zertifizierte Kanu-Natur- und Landschaftsführerin wäre wohl an diesem Sonntag mit einer ihrer Gruppen in der Flussauenlandschaft unterwegs. “Mit Bekanntwerden dieser Verschmutzung habe ich alle vorgebuchten Touren abgesagt. Bis ich nicht weiß, was in dem Gewässer ist, werde ich da auch keinen Zeh reinhängen”, so Frauke Bennett. Die zierlich wirkende Frau mit dem Safarihut stellt sich auf eine längere Durststrecke ein: “Wir müssen davon ausgehen, dass die Meldung, man darf wieder fahren, nicht sofort dazu führt, dass wieder ganz viele Leute kommen.” Ohne finanzielle Unterstützung sieht sie für den Naturtourismus ziemlich düstere Zeiten aufziehen.
Ernsthafte Folgen für den Tourismus in der Region befürchtet auch Fischer Helmut Zahn aus Schwedt an der Oder. Wir sitzen in seinem Garten direkt an einem Seitenarm der Oder und schauen aufs Wasser. “Eine Katastrophe solchen Ausmaßes habe ich in 40 Jahren noch nicht erlebt”, sagt er und zieht an seiner Zigarette. Vor der Katastrophe hat Helmut Zahn frischen Oderfisch an Restaurants geliefert und geräucherten Süß- und Salzwasserfisch auf Märkten angeboten – das alles steht jetzt erstmal still. Er wartet wie auch die Naturkanuführerin auf die Aufklärung der Ursache für das Fischsterben.
Welche Perspektiven er für die Zukunft sehe, will ich wissen. “Selbst, wenn der Fisch wieder freigegeben wird und unbelastet ist – für den Fischverkauf heißt das trotzdem nichts Gutes”, meint Fischer Helmut Zahn. “Durch diese Situation ist den Leuten der Appetit auf Fisch erstmal vergangen.” Den Imageschaden, den hat die Region schon jetzt, sagt er, als ich nach dem Fluss und dem Tourismus frage. Mit seinen aufgeweckten, blauen Augen beobachtet er seit Beginn des Fischsterbens genau, was in “seinem” Fluss vor sich geht. Zum Ende unseres Gesprächs gibt er mir etwas Positives mit auf den Weg: “Nicht alle Fische in der Oder sind verendet, da müssen noch ganz viele kleine Fische drin sein.”
Ob in Schwedt, in Criewen im Nationalpark oder in Kienitz, ob direkt oder indirekt betroffen, alle hoffen darauf, dass die Ursache für das Fischsterben möglichst schnell aufgeklärt wird und es weiter gehen kann. Die größte Sorge: ein langfristiger Schaden für die Region. Die Angst, dass die Giftwelle, die im August 2022 einmal die Oder hinabfloss, nicht mehr rausgeht aus den Köpfen der Menschen. Und dass vielleicht niemand mehr kommt zum Baden, Kanufahren, Angeln oder Fischbrötchen essen. Was jetzt bleibt, ist das Warten auf die Aufklärung der Ursache. Und das Hoffen darauf, dass das Fischsterben mit einer natürlichen Ursache erklärt werden kann und nicht durch einen Chemieunfall oder eine absichtliche Verschmutzung ausgelöst wurde.
Ruhig, gleichmäßig fließend, fast malerisch liegt sie da, die Oder. Kanufahrer und Angler, die hier sonst zum Bild gehören, sind allerdings nirgends zu sehen. Ich bin am Fluss unterwegs mit Andreas Hein und Ingo Kaphus, Ranger des Nationalparks Unteres Odertal. “Wenn man nicht wüsste, was hier passiert ist, würde man denken, es ist alles normal. Es riecht auch nicht mehr”, erzählt Andreas Hein. “Bis vor wenigen Tagen war der Fluss hier mit Fischkadavern bedeckt.”
Die gewaltige Umweltkatastrophe an der Oder, die seit Wochen die Schlagzeilen bestimmt, könnte man hier fast vergessen. Auf den Oderauen rasten Graugänse, über uns fliegt eine Storchenfamilie. Hier sind über 294 Vogelarten heimisch, erklärt Ranger Ingo. Auf dem Weg an die Oder müssen wir immer wieder Radlern ausweichen, die auf dem Oder-Neiße-Radweg unterwegs sind.
Der Odertourismus nach dem Fischsterben
Über die Touristen freuen sich die Ranger. Was die Katastrophe für den Nationalpark auf lange Sicht bedeutet, könne man noch nicht absehen, erzählen mir die beiden. Sie hoffen, dass die Menschen sich nicht abschrecken lassen von den Nachrichten und den Bildern und stattdessen die vielen Alternativen, die der Park zu bieten hat, nutzen.
Tonnenweise tote Fische wurden seit Anfang August aus dem deutsch-polnischen Grenzfluss geborgen. Die genauen Ursachen für das massenhafte Sterben sind noch ungeklärt. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Ausbreitung einer toxischen Alge das Sterben der Fisch- und Weichtiere hervorgerufen hat.
Was feststeht: Das Ökosystem braucht voraussichtlich Jahre, bis es sich regenerieren wird. Nicht minder hart hat es die Menschen in der Region getroffen, vor allem jene, die mit dem Odertourismus ihr Geld verdienen. Die Boote der Kanubetreiber, sie bleiben vorerst an Land, geangelt wird aus guten Gründen nicht mehr, und in Kienitz im Oderbruch sind die Übernachtungszahlen eingebrochen. Die Besitzerin des Eisladens in Criewen hingegen kann sich nicht beklagen. Es sei so voll wie immer, sagt sie mir.
Mit den beiden Rangern des Nationalparks gelange ich an den Kranich-Aussichtsturm, der auch von den Oder-Neiße-Radlern frequentiert wird. “Ruhiger als sonst ist es schon, obwohl Sonntag ist”, sagt Andreas. Die Aussicht auf die einzigartige Auenlandschaft kann ich dafür in Ruhe genießen. Beim Runterklettern treffe ich auf Nathalie und Thomas aus Berlin, die gerade ihre Räder anschließen. Das Fischsterben hätten sie natürlich verfolgt, aber von der Radtour abgehalten hat es sie nicht. “Wir wollen ja hier nicht baden”, sagt Thomas. Auch Marie und ihr Mann sind heute spontan zu einem Fahrradausflug aufgebrochen. Die Katastrophe habe sie nicht abgestoßen. “Wir wollen die Natur und Weite genießen”, schwärmt Marie. Eine Familie aus Berlin, die hier wandert, erwidert auf meine Nachfrage nur, zum Fischessen fahre man ans Meer und nicht an die Oder, und zieht weiter.
Geradelt wird trotz Umweltkatastrophe
Was die einen mit einer läppischen Bemerkung abtun, ist für die anderen auf lange Sicht existenzgefährdend. Das Kanuequipment von Frauke Bennett kommt heute nicht zum Einsatz. Stattdessen liegen Stechpaddel, Sicherheitstonnen und Schwimmwesten in ihrem VW Bus mit der Aufschrift “flusslandschaft reisen”. Hündin Babett wacht über die Ausrüstung, die hoffentlich bald wieder zum Einsatz kommt.
Ein Fluss ohne Kanus
Wann, das ist allerdings ungewiss, denn bis auf weiteres darf die Oder nicht befahren werden. Die zertifizierte Kanu-Natur- und Landschaftsführerin wäre wohl an diesem Sonntag mit einer ihrer Gruppen in der Flussauenlandschaft unterwegs. “Mit Bekanntwerden dieser Verschmutzung habe ich alle vorgebuchten Touren abgesagt. Bis ich nicht weiß, was in dem Gewässer ist, werde ich da auch keinen Zeh reinhängen”, so Frauke Bennett. Die zierlich wirkende Frau mit dem Safarihut stellt sich auf eine längere Durststrecke ein: “Wir müssen davon ausgehen, dass die Meldung, man darf wieder fahren, nicht sofort dazu führt, dass wieder ganz viele Leute kommen.” Ohne finanzielle Unterstützung sieht sie für den Naturtourismus ziemlich düstere Zeiten aufziehen.
Ernsthafte Folgen für den Tourismus in der Region befürchtet auch Fischer Helmut Zahn aus Schwedt an der Oder. Wir sitzen in seinem Garten direkt an einem Seitenarm der Oder und schauen aufs Wasser. “Eine Katastrophe solchen Ausmaßes habe ich in 40 Jahren noch nicht erlebt”, sagt er und zieht an seiner Zigarette. Vor der Katastrophe hat Helmut Zahn frischen Oderfisch an Restaurants geliefert und geräucherten Süß- und Salzwasserfisch auf Märkten angeboten – das alles steht jetzt erstmal still. Er wartet wie auch die Naturkanuführerin auf die Aufklärung der Ursache für das Fischsterben.
Welche Perspektiven er für die Zukunft sehe, will ich wissen. “Selbst, wenn der Fisch wieder freigegeben wird und unbelastet ist – für den Fischverkauf heißt das trotzdem nichts Gutes”, meint Fischer Helmut Zahn. “Durch diese Situation ist den Leuten der Appetit auf Fisch erstmal vergangen.” Den Imageschaden, den hat die Region schon jetzt, sagt er, als ich nach dem Fluss und dem Tourismus frage. Mit seinen aufgeweckten, blauen Augen beobachtet er seit Beginn des Fischsterbens genau, was in “seinem” Fluss vor sich geht. Zum Ende unseres Gesprächs gibt er mir etwas Positives mit auf den Weg: “Nicht alle Fische in der Oder sind verendet, da müssen noch ganz viele kleine Fische drin sein.”
Leuten ist der Appetit auf Fisch vergangen
Ob in Schwedt, in Criewen im Nationalpark oder in Kienitz, ob direkt oder indirekt betroffen, alle hoffen darauf, dass die Ursache für das Fischsterben möglichst schnell aufgeklärt wird und es weiter gehen kann. Die größte Sorge: ein langfristiger Schaden für die Region. Die Angst, dass die Giftwelle, die im August 2022 einmal die Oder hinabfloss, nicht mehr rausgeht aus den Köpfen der Menschen. Und dass vielleicht niemand mehr kommt zum Baden, Kanufahren, Angeln oder Fischbrötchen essen. Was jetzt bleibt, ist das Warten auf die Aufklärung der Ursache. Und das Hoffen darauf, dass das Fischsterben mit einer natürlichen Ursache erklärt werden kann und nicht durch einen Chemieunfall oder eine absichtliche Verschmutzung ausgelöst wurde.