Ukraine aktuell: Kiews Truppen melden erhebliche Geländegewinne
Die ukrainische Armee rückt nach eigenen Angaben bei Charkiw weiter vor. Die EU-Staaten billigen Milliardenhilfen. Deutschlands Kommunen machen sich Sorgen um die Stromversorgung. Ein Überblick.
Ukrainische Truppen haben nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 30 Siedlungen in der ostukrainischen Region Charkiw von den Russen zurückerobert. “Wir übernehmen nach und nach die Kontrolle über neue Siedlungen”, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Sowohl im Donbass im Osten der Ukraine als auch im Süden des Landes dauerten die “erbitterten Kämpfe” an, sagte der Präsident. “Es ist mühsam, aber wir kommen voran”, schrieb der Oberkommandierende der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, im Onlinedienst Telegram zur Gegenoffensive.
Das Wichtigste in Kürze:
Moskau schickte russischen Nachrichtenagenturen zufolge gepanzerte Fahrzeuge und Kanonen zur Verstärkung in die Region. Vom russischen Verteidigungsministerium verbreitete Bilder zeigten Militärfahrzeuge, teils mit russischen Flaggen, die in der Region Charkiw unterwegs sein sollen.
Auch nach Einschätzung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin macht die Ukraine bei ihrer laufenden Gegenoffensive Fortschritte. “Wir sehen jetzt Erfolge in Cherson, wir sehen einen gewissen Erfolg in Charkiw – und das ist sehr, sehr ermutigend”, sagte der Ex-General am Rande eines Besuchs in Prag. Die Region Charkiw ist seit den ersten Kriegstagen teilweise von der russischen Armee besetzt. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich unabhängig nicht überprüfen.
Die Ukraine kann bald weitere fünf Milliarden Euro an Krediten von der EU erhalten. Die Finanz- und Wirtschaftsminister der EU-Länder befürworteten die Milliardenhilfe, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Das neue Darlehen soll für den laufenden Betrieb des Staates verwendet werden. Außerdem sei sicherzustellen, dass die kritische Infrastruktur des Landes wie Schulen und Krankenhäuser weiterlaufen könnten, sagte der tschechische Finanzminister Zbynek Stanjura, der ein Treffen mit seinen EU-Kollegen in Prag leitete. Das Geld ist Teil eines im Mai angekündigten Hilfspakets über insgesamt neun Milliarden Euro. Vor der Auszahlung der fünf Milliarden Euro muss noch das Europaparlament zustimmen. Eine Milliarde Euro wurde bereits Anfang August ausgezahlt.
Die Lage rund um das Atomkraftwerk Saporischschja löst indes weiter Besorgnis aus. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, warnte vor einer neuen “dramatischen” Entwicklung. Kämpfe in der Umgebung, die zu einem Stromausfall in der nahegelegenen Stadt Enerhodar geführt hätten, beeinträchtigten den “sicheren Betrieb” der Anlage. Enerhodar liege im Dunkeln. Das Kraftwerk habe keine externe Stromversorgung mehr. “Das ist inakzeptabel, das kann nicht so bleiben”, sagte Grossi. Er forderte erneut, den Beschuss der gesamten Umgebung “sofort” zu stoppen. Die IAEA hat wiederholt vor einer Nuklearkatastrophe in dem Kraftwerk gewarnt, das von russischen Truppen besetzt ist und von ukrainischen Fachleuten betrieben wird.
Der Chef des staatlichen ukrainischen AKW-Betreibers Energoatom, Petro Kotin, erklärte zudem, russische Soldaten hätten Beschäftigte des Kraftwerks gefoltert und mindestens zwei von ihnen “zu Tode geprügelt”. Weitere zehn Menschen seien von russischen Soldaten verschleppt worden, über ihren Verbleib sei nichts bekannt.
Die deutschen Kommunen warnen angesichts der drohenden Energieknappheit im Winter vor flächendeckenden Stromausfällen. Eine “Überlastung des Stromnetzes, etwa wenn die 650.000 in diesem Jahr verkauften Heizlüfter ans Netz gehen, sollte die Gasversorgung ausfallen”, sei ein realistisches Szenario, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der Zeitung “Welt am Sonntag” laut einem Vorabbericht. Er forderte darin außerdem, den zivilen Katastrophenschutz intensiver auszubauen.
Der staatliche ukrainische Eneregiekonzern Naftogaz hat den russischen Gaskonzern Gazprom wegen weggefallener Transitgebühren verklagt. “Wir fordern von Gazprom, in vollem Umfang zu bezahlen”, schrieb Naftogaz-Chef Jurij Witrenko auf Facebook. Das russische Unternehmen habe seit Mai seinen Transit reduziert und daher weniger überwiesen. Der 2019 unterzeichnete Vertrag sehe jedoch in einer Klausel eine Mindesttransitmenge vor. Diese müsse unabhängig vom realen physischen Transport bezahlt werden. Der Gerichtsstandort ist Zürich. 2019 hatte Naftogaz in einem ähnlichen Fall bereits umgerechnet über drei Milliarden Euro von Gazprom vor einem schwedischen Schiedsgericht erstritten.
qu/wa (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Das Wichtigste in Kürze:
Ukrainische Truppen haben nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 30 Siedlungen in der ostukrainischen Region Charkiw von den Russen zurückerobert. “Wir übernehmen nach und nach die Kontrolle über neue Siedlungen”, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Sowohl im Donbass im Osten der Ukraine als auch im Süden des Landes dauerten die “erbitterten Kämpfe” an, sagte der Präsident. “Es ist mühsam, aber wir kommen voran”, schrieb der Oberkommandierende der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, im Onlinedienst Telegram zur Gegenoffensive.
Moskau schickte russischen Nachrichtenagenturen zufolge gepanzerte Fahrzeuge und Kanonen zur Verstärkung in die Region. Vom russischen Verteidigungsministerium verbreitete Bilder zeigten Militärfahrzeuge, teils mit russischen Flaggen, die in der Region Charkiw unterwegs sein sollen.
Auch nach Einschätzung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin macht die Ukraine bei ihrer laufenden Gegenoffensive Fortschritte. “Wir sehen jetzt Erfolge in Cherson, wir sehen einen gewissen Erfolg in Charkiw – und das ist sehr, sehr ermutigend”, sagte der Ex-General am Rande eines Besuchs in Prag. Die Region Charkiw ist seit den ersten Kriegstagen teilweise von der russischen Armee besetzt. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich unabhängig nicht überprüfen.
Die Ukraine kann bald weitere fünf Milliarden Euro an Krediten von der EU erhalten. Die Finanz- und Wirtschaftsminister der EU-Länder befürworteten die Milliardenhilfe, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Das neue Darlehen soll für den laufenden Betrieb des Staates verwendet werden. Außerdem sei sicherzustellen, dass die kritische Infrastruktur des Landes wie Schulen und Krankenhäuser weiterlaufen könnten, sagte der tschechische Finanzminister Zbynek Stanjura, der ein Treffen mit seinen EU-Kollegen in Prag leitete. Das Geld ist Teil eines im Mai angekündigten Hilfspakets über insgesamt neun Milliarden Euro. Vor der Auszahlung der fünf Milliarden Euro muss noch das Europaparlament zustimmen. Eine Milliarde Euro wurde bereits Anfang August ausgezahlt.
EU sagt Ukraine weitere Milliarden zu
Die Lage rund um das Atomkraftwerk Saporischschja löst indes weiter Besorgnis aus. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, warnte vor einer neuen “dramatischen” Entwicklung. Kämpfe in der Umgebung, die zu einem Stromausfall in der nahegelegenen Stadt Enerhodar geführt hätten, beeinträchtigten den “sicheren Betrieb” der Anlage. Enerhodar liege im Dunkeln. Das Kraftwerk habe keine externe Stromversorgung mehr. “Das ist inakzeptabel, das kann nicht so bleiben”, sagte Grossi. Er forderte erneut, den Beschuss der gesamten Umgebung “sofort” zu stoppen. Die IAEA hat wiederholt vor einer Nuklearkatastrophe in dem Kraftwerk gewarnt, das von russischen Truppen besetzt ist und von ukrainischen Fachleuten betrieben wird.
Grossi nennt Lage im AKW Saporischschja inaktzeptabel
Der Chef des staatlichen ukrainischen AKW-Betreibers Energoatom, Petro Kotin, erklärte zudem, russische Soldaten hätten Beschäftigte des Kraftwerks gefoltert und mindestens zwei von ihnen “zu Tode geprügelt”. Weitere zehn Menschen seien von russischen Soldaten verschleppt worden, über ihren Verbleib sei nichts bekannt.
Die deutschen Kommunen warnen angesichts der drohenden Energieknappheit im Winter vor flächendeckenden Stromausfällen. Eine “Überlastung des Stromnetzes, etwa wenn die 650.000 in diesem Jahr verkauften Heizlüfter ans Netz gehen, sollte die Gasversorgung ausfallen”, sei ein realistisches Szenario, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der Zeitung “Welt am Sonntag” laut einem Vorabbericht. Er forderte darin außerdem, den zivilen Katastrophenschutz intensiver auszubauen.
Der staatliche ukrainische Eneregiekonzern Naftogaz hat den russischen Gaskonzern Gazprom wegen weggefallener Transitgebühren verklagt. “Wir fordern von Gazprom, in vollem Umfang zu bezahlen”, schrieb Naftogaz-Chef Jurij Witrenko auf Facebook. Das russische Unternehmen habe seit Mai seinen Transit reduziert und daher weniger überwiesen. Der 2019 unterzeichnete Vertrag sehe jedoch in einer Klausel eine Mindesttransitmenge vor. Diese müsse unabhängig vom realen physischen Transport bezahlt werden. Der Gerichtsstandort ist Zürich. 2019 hatte Naftogaz in einem ähnlichen Fall bereits umgerechnet über drei Milliarden Euro von Gazprom vor einem schwedischen Schiedsgericht erstritten.
Kommunen warnen vor flächendeckenden Stromausfällen
qu/wa (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.