Kultur

Wie das Oscar-Museum in Amerika Perlen des schwarzen Kinos entdeckte

Das Oscar-Museum würdigt schwarze Filmemacher aus den USA aus den Jahren 1898 bis 1971. Bei der Zusammenstellung dieser einzigartigen Show gruben die Kuratoren Filme aus, die lange als verschollen galten.

Als das Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles (oder kurz: das Oscar-Museum) pandemiebedingt mit Verzögerung im September 2021 erstmals seine Pforten öffnete, hatte sich der ursprüngliche Fokus geändert. Es sollte nicht mehr nur das Kino an sich gefeiert werden, sondern auch das Filmemachen in einer komplizierten Welt beleuchtet werden – ebenso wie der Einfluss sozialer Bewegungen auf Hollywood-Produktionen, die oft als zu unkritisch und kommerziell kritisiert werden.

Die zweite große Ausstellung des Museums, “Regeneration: Black Cinema, 1898-1971” erforscht und würdigt nun die Beiträge der Afroamerikaner zum Film und beleuchtet sieben turbulente Jahrzehnte.

Als das Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles (oder kurz: das Oscar-Museum) pandemiebedingt mit Verzögerung im September 2021 erstmals seine Pforten öffnete, hatte sich der ursprüngliche Fokus geändert. Es sollte nicht mehr nur das Kino an sich gefeiert werden, sondern auch das Filmemachen in einer komplizierten Welt beleuchtet werden – ebenso wie der Einfluss sozialer Bewegungen auf Hollywood-Produktionen, die oft als zu unkritisch und kommerziell kritisiert werden.

In sieben Galerien sind auf 1.000 Quadratmetern Ausschnitte aus Filmen von Afroamerikanern für Afroamerikaner ebenso zu sehen wie Fotografien, Kostüme und andere Artefakte – neben Werken zeitgenössischer schwarzer Künstlerinnen und Künstler wie Theaster Gates, Glenn Ligon, Gary Simmons und Kara Walker.

“Wie eine Schatzsuche”

Die Co-Kuratorinnen Rhea L. Combs und Doris Berger durchsuchten Archive und kontaktierten Verwandte der Filmemacher, um Werbematerialien, Briefe und sogar längst verloren geglaubte Werke aufzuspüren. “Wir haben versucht, das alles zusammenzufassen, um die umfangreiche Geschichte der afroamerikanischen Beteiligung in der Filmwelt zu beleuchten”, so Combs, Direktorin für kuratorische Angelegenheiten an der “National Portrait Gallery” am Smithsonian Kunstmuseum in Washington. Untersucht wurden dafür unter anderem Sammlungen im “Schomburg Center for Research in Black Culture” an der Öffentlichen Bibliothek in New York.

Wie sich bei der Rechereche für die Schau herausstellte, war es gar nicht so einfach, Werke schwarzer Filmemacher aufzutreiben oder in Fragmenten  wiederherzustellen. “Selbst wenn wir in einer unserer Montagen einen Filmausschnitt zeigen wollen, können wir das nicht, weil er einfach nicht mehr da ist”, so Doris Berger, Vizepräsidentin für kuratorische Angelegenheiten des Academy Museums. “Manchmal gibt es nur bestimmte Objekte, die überlebt haben – wie zum Beispiel Werbematerial oder ein Plakat, aber der Film selbst existiert nicht mehr. Andererseits haben wir wiederum Werke entdeckt, die als verloren galten und die wir für unsere Ausstellung restaurieren konnten.”

Dazu gehört Robert L. Goodwins Film “Black Chariot” aus dem Jahr 1971, der in Büchern und Medien seiner Zeit zwar erwähnt wird, aber nur kurz über die Leinwände flimmerte. “Außer einer Handvoll Leute hatte ihn niemand wirklich gesehen”, so Combs gegenüber der DW.

Den Film machte sie bei Verwandten des 1983 verstorbenen Goodwin ausfindig. “Er war noch nicht völlig zerstört, obwohl er in einem Wohnhaus ohne Klimaanlage gelagert wurde – er hatte noch nie das Tageslicht gesehen”, erzählt sie. Ein unglaubliches Gefühl sei es gewesen, ihn in den Händen zu halten – “wie bei einer Schatzsuche.”

Ein anderes Filmjuwel wurde im Archiv der Akademie selbst gefunden; “Reform School” wurde schon in einem der Kinosäle des Museums gezeigt. Der Film aus dem Jahr 1939 – im selben Jahr wie “Der Zauberer von Oz”, “Ninotschka” und “Vom Winde verweht” gedreht, aber ohne Hollywood-Beteiligung – kritisiert das Strafvollzugssystem und sei auch heute noch relevant, so Berger. Außerdem ist die Afroamerikanerin Louise Beavers in einer Hauptrolle zu sehen. Im Laufe ihrer 33-jährigen Karriere spielte sie in zahlreichen Filmen mit, allerdings meist in kleinen Nebenrollen; in der Regel wurde sie als Dienerin oder Hausangestellte besetzt.

In dem nur mit Schwarzen besetzten Sozialdrama “Reform School” hingegen beherrscht Beavers “die Geschichte auf beeindruckende Weise”, so Doris Berger. Der Film beweise, wie anders ihre Karriere hätte verlaufen sein können, wenn man ihr in der Unterhaltungsindustrie mehr Chancen gegeben hätte.

Obwohl sich die Ausstellung “Regeneration” auf US-amerikanische Filme und Filmemacher konzentriert, haben sich die Kuratorinnen bei ihrer Recherche nicht nur auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Viele der vorgestellten Künstlerinnen und Künstler suchten und fanden im Laufe ihrer Karriere ihr Publikum auch im Ausland.

“Schwarze Künstler aus den USA waren in Europa sehr erfolgreich, zum Beispiel in Paris, London oder Berlin”, sagt Berger, die an der Kunsthochschule Braunschweig promoviert hat. “Ich denke, dass diese Städte zu bestimmten Zeiten wirklich wichtige Zentren der Unterhaltungsindustrie waren und schwarzen Künstlerinnen und Künstlern wie Josephine Baker, Nina Mae McKinney und Paul Robeson eine Plattform boten.”

In Deutschland fanden die Kuratorinnen heraus, dass die Gestapo Robeson während seiner Reise durch Europa im Jahr 1937 überwacht hatte. Der Bühnen- und Filmschauspieler, ein bekennender Anhänger der Sowjetunion, wurde in der McCarthy-Ära Anfang der 50er-Jahre, antikommunistische Verschwörungstheorien das politische Klima in den USA prägten, wegen seiner Arbeit als prominenter Bürgerrechtler und Antifaschist ins Abseits gedrängt. “Er wurde als Bedrohung angesehen, nicht nur für die Vereinigten Staaten”, sagte Combs. “Durch den Fund im deutschen Archiv wissen wir, dass er nicht nur in den USA diese Wirkung hatte.”

Nach der Teilung Deutschlands in West- und Ostdeutschland war Robeson in der DDR ein gern gesehener Ehrengast, der mit Titeln wie der Ehrendoktorwürde der Karl-Marx-Universität in Leipzig ausgezeichnet wurde.

“Der Umgang mit ihm hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. An einem bestimmten Punkt wurde er überwacht, einige Jahre später dann als Held empfangen”, erklärt Combs. “Und genau diese Art von unterschiedlicher Behandlung mussten viele schwarze Künstlerinnen und Künstler bewältigen. Der Wandel vollzog sich außerhalb ihrer Kontrolle, aber sie versuchten immer, ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht und ihrer nationalen Identität gerecht zu werden. Das ist faszinierend.”

Das Oscar-Museum hat eine Webseite eingerichtet, die es allen, die nicht nach Los Angeles kommen können, ermöglicht, mit Bereichen der Ausstellung zu interagieren.

Die Werke, die man hätte ausstellen können, wenn sie nicht verloren gegangen wären, sind natürlich Teil der Debatte – ebenso wie die Rolle der Filmindustrie, die es versäumt hat, sie zu bewahren. “Trotz der anhaltenden Unterdrückung und Verdrängung gab es ein starkes Engagement schwarzer Künstler, die dagegen aufbegehrten. Und das ist es, was wir in dieser Ausstellung zeigen”, so Combs. “Ihre Beteiligung war immer da, trotz der aktiven und manchmal sogar systematischen Form der Unterdrückung.”

In der Schau “Regeneration” werden Filme und dazugehörige Objekte gezeigt, die nicht untergegangen sind –  um die Menschen zu ehren, deren Beharrlichkeit das schwarze amerikanische Kino möglich gemacht haben. “Dass wir in der Lage sind, die schwarze Beteiligung am amerikanischen Kino aufzudecken, ist eine wirklich starke Botschaft”, sagt Combs. “Die amerikanische Filmproduktion ist vielfältiger und reicher, als wir vielleicht gedacht haben.”

Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords

Ausstellungstext auf einer Wand: 1898-1971 Regeneration Black Cinema
Auf einer Leinwand küsst sich ein schwarzes Pärchen, daneben leuchten die Buchstaben America
Filmstill aus Reform School: Louise Beavers unterhält sich mit zwei Männern

Als das Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles (oder kurz: das Oscar-Museum) pandemiebedingt mit Verzögerung im September 2021 erstmals seine Pforten öffnete, hatte sich der ursprüngliche Fokus geändert. Es sollte nicht mehr nur das Kino an sich gefeiert werden, sondern auch das Filmemachen in einer komplizierten Welt beleuchtet werden – ebenso wie der Einfluss sozialer Bewegungen auf Hollywood-Produktionen, die oft als zu unkritisch und kommerziell kritisiert werden.

Die zweite große Ausstellung des Museums, “Regeneration: Black Cinema, 1898-1971” erforscht und würdigt nun die Beiträge der Afroamerikaner zum Film und beleuchtet sieben turbulente Jahrzehnte.

“Wie eine Schatzsuche”

In sieben Galerien sind auf 1.000 Quadratmetern Ausschnitte aus Filmen von Afroamerikanern für Afroamerikaner ebenso zu sehen wie Fotografien, Kostüme und andere Artefakte – neben Werken zeitgenössischer schwarzer Künstlerinnen und Künstler wie Theaster Gates, Glenn Ligon, Gary Simmons und Kara Walker.

Die Co-Kuratorinnen Rhea L. Combs und Doris Berger durchsuchten Archive und kontaktierten Verwandte der Filmemacher, um Werbematerialien, Briefe und sogar längst verloren geglaubte Werke aufzuspüren. “Wir haben versucht, das alles zusammenzufassen, um die umfangreiche Geschichte der afroamerikanischen Beteiligung in der Filmwelt zu beleuchten”, so Combs, Direktorin für kuratorische Angelegenheiten an der “National Portrait Gallery” am Smithsonian Kunstmuseum in Washington. Untersucht wurden dafür unter anderem Sammlungen im “Schomburg Center for Research in Black Culture” an der Öffentlichen Bibliothek in New York.

Wie sich bei der Rechereche für die Schau herausstellte, war es gar nicht so einfach, Werke schwarzer Filmemacher aufzutreiben oder in Fragmenten  wiederherzustellen. “Selbst wenn wir in einer unserer Montagen einen Filmausschnitt zeigen wollen, können wir das nicht, weil er einfach nicht mehr da ist”, so Doris Berger, Vizepräsidentin für kuratorische Angelegenheiten des Academy Museums. “Manchmal gibt es nur bestimmte Objekte, die überlebt haben – wie zum Beispiel Werbematerial oder ein Plakat, aber der Film selbst existiert nicht mehr. Andererseits haben wir wiederum Werke entdeckt, die als verloren galten und die wir für unsere Ausstellung restaurieren konnten.”

Dazu gehört Robert L. Goodwins Film “Black Chariot” aus dem Jahr 1971, der in Büchern und Medien seiner Zeit zwar erwähnt wird, aber nur kurz über die Leinwände flimmerte. “Außer einer Handvoll Leute hatte ihn niemand wirklich gesehen”, so Combs gegenüber der DW.

Schwarze Künstler im Ausland

Den Film machte sie bei Verwandten des 1983 verstorbenen Goodwin ausfindig. “Er war noch nicht völlig zerstört, obwohl er in einem Wohnhaus ohne Klimaanlage gelagert wurde – er hatte noch nie das Tageslicht gesehen”, erzählt sie. Ein unglaubliches Gefühl sei es gewesen, ihn in den Händen zu halten – “wie bei einer Schatzsuche.”

Beharrlich im Kampf gegen die Unterdrückung

Ein anderes Filmjuwel wurde im Archiv der Akademie selbst gefunden; “Reform School” wurde schon in einem der Kinosäle des Museums gezeigt. Der Film aus dem Jahr 1939 – im selben Jahr wie “Der Zauberer von Oz”, “Ninotschka” und “Vom Winde verweht” gedreht, aber ohne Hollywood-Beteiligung – kritisiert das Strafvollzugssystem und sei auch heute noch relevant, so Berger. Außerdem ist die Afroamerikanerin Louise Beavers in einer Hauptrolle zu sehen. Im Laufe ihrer 33-jährigen Karriere spielte sie in zahlreichen Filmen mit, allerdings meist in kleinen Nebenrollen; in der Regel wurde sie als Dienerin oder Hausangestellte besetzt.

In dem nur mit Schwarzen besetzten Sozialdrama “Reform School” hingegen beherrscht Beavers “die Geschichte auf beeindruckende Weise”, so Doris Berger. Der Film beweise, wie anders ihre Karriere hätte verlaufen sein können, wenn man ihr in der Unterhaltungsindustrie mehr Chancen gegeben hätte.

Obwohl sich die Ausstellung “Regeneration” auf US-amerikanische Filme und Filmemacher konzentriert, haben sich die Kuratorinnen bei ihrer Recherche nicht nur auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Viele der vorgestellten Künstlerinnen und Künstler suchten und fanden im Laufe ihrer Karriere ihr Publikum auch im Ausland.

“Schwarze Künstler aus den USA waren in Europa sehr erfolgreich, zum Beispiel in Paris, London oder Berlin”, sagt Berger, die an der Kunsthochschule Braunschweig promoviert hat. “Ich denke, dass diese Städte zu bestimmten Zeiten wirklich wichtige Zentren der Unterhaltungsindustrie waren und schwarzen Künstlerinnen und Künstlern wie Josephine Baker, Nina Mae McKinney und Paul Robeson eine Plattform boten.”

In Deutschland fanden die Kuratorinnen heraus, dass die Gestapo Robeson während seiner Reise durch Europa im Jahr 1937 überwacht hatte. Der Bühnen- und Filmschauspieler, ein bekennender Anhänger der Sowjetunion, wurde in der McCarthy-Ära Anfang der 50er-Jahre, antikommunistische Verschwörungstheorien das politische Klima in den USA prägten, wegen seiner Arbeit als prominenter Bürgerrechtler und Antifaschist ins Abseits gedrängt. “Er wurde als Bedrohung angesehen, nicht nur für die Vereinigten Staaten”, sagte Combs. “Durch den Fund im deutschen Archiv wissen wir, dass er nicht nur in den USA diese Wirkung hatte.”

Nach der Teilung Deutschlands in West- und Ostdeutschland war Robeson in der DDR ein gern gesehener Ehrengast, der mit Titeln wie der Ehrendoktorwürde der Karl-Marx-Universität in Leipzig ausgezeichnet wurde.

“Der Umgang mit ihm hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. An einem bestimmten Punkt wurde er überwacht, einige Jahre später dann als Held empfangen”, erklärt Combs. “Und genau diese Art von unterschiedlicher Behandlung mussten viele schwarze Künstlerinnen und Künstler bewältigen. Der Wandel vollzog sich außerhalb ihrer Kontrolle, aber sie versuchten immer, ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht und ihrer nationalen Identität gerecht zu werden. Das ist faszinierend.”

Auf Plakaten in einem Ausstellungsraum steht Black ist beautiful (Schwarz ist schön) und I am a man (Ich bin ein Mensch)

Das Oscar-Museum hat eine Webseite eingerichtet, die es allen, die nicht nach Los Angeles kommen können, ermöglicht, mit Bereichen der Ausstellung zu interagieren.

Die Werke, die man hätte ausstellen können, wenn sie nicht verloren gegangen wären, sind natürlich Teil der Debatte – ebenso wie die Rolle der Filmindustrie, die es versäumt hat, sie zu bewahren. “Trotz der anhaltenden Unterdrückung und Verdrängung gab es ein starkes Engagement schwarzer Künstler, die dagegen aufbegehrten. Und das ist es, was wir in dieser Ausstellung zeigen”, so Combs. “Ihre Beteiligung war immer da, trotz der aktiven und manchmal sogar systematischen Form der Unterdrückung.”

In der Schau “Regeneration” werden Filme und dazugehörige Objekte gezeigt, die nicht untergegangen sind –  um die Menschen zu ehren, deren Beharrlichkeit das schwarze amerikanische Kino möglich gemacht haben. “Dass wir in der Lage sind, die schwarze Beteiligung am amerikanischen Kino aufzudecken, ist eine wirklich starke Botschaft”, sagt Combs. “Die amerikanische Filmproduktion ist vielfältiger und reicher, als wir vielleicht gedacht haben.”

Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"